2023_02
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Dorfspiegel Wangen-Brüttisellen<br />
Neujahrsinterview<br />
«Die attraktiven Naherholungsgebiete werden regelmässig als positiver Standortfak<br />
Die letzten zwölf Monate brachten jede Menge Herausforderungen für<br />
die Kuriergemeinden mit sich, aber auch viele schöne unvergessliche<br />
Momente. In unserem zweiteiligen Neujahrsinterview lassen die<br />
Gemeindepräsidentinnen sie Revue passieren. In dieser Kurier-Ausgabe:<br />
Marlis Dürst, Gemeindepräsidentin von Wangen-Brüttisellen.<br />
Interview: Leo Niessner<br />
Kurier: Frau Dürst, was bleibt<br />
Ihnen vom letzten Jahr besonders<br />
in Erinnerung?<br />
Marlis Dürst: Ich möchte mit etwas<br />
Positivem beginnen, mit den Behördenwahlen.<br />
Als wir uns fürs<br />
Neujahrsinterview letztes Jahr unterhalten<br />
haben, stand dieses Ereignis<br />
gerade vor der Tür. Nun sind die<br />
Wahlen vorüber und ich freue mich,<br />
dass wir die offenen Behördenämter<br />
mit fähigen Kandidat:innen besetzen<br />
konnten. Mittlerweile haben<br />
sie ihre Arbeit in den Gremien aufgenommen.<br />
Positiv empfinde ich<br />
auch, dass wir nach der Pandemiezeit<br />
wieder ein normales Leben führen<br />
können.<br />
Gab es im vergangenen Jahr auch<br />
etwas, das Ihnen Angst machte?<br />
Angst ist vielleicht das falsche<br />
Wort. Aber ich wünsche mir, dass<br />
sich vieles auf der Welt bessert und<br />
nicht wiederholt. Im letzten Neujahrsinterview<br />
haben wir ja auch<br />
den Weltfrieden und die Teuerung<br />
angesprochen. Mittlerweile sind<br />
das grosse Themen, nicht zuletzt<br />
mit dem Krieg in der Ukraine. Und<br />
im heissen Sommer war der Klimawandel<br />
in aller Munde.<br />
Sie haben den Krieg in der<br />
Ukraine erwähnt. Was ging Ihnen<br />
am 24. Februar des letzten Jahres<br />
durch den Kopf, am Tag, an dem<br />
Russland im Nachbarland<br />
einmarschierte?<br />
Es gab ja schon vorher viele unschöne<br />
Nachrichten, nach den Jahren<br />
der Corona-Pandemie. Aber als<br />
ich das vernahm, bin ich doch sehr<br />
erschrocken. Man glaubte ja insgeheim<br />
nicht, dass es wirklich so weit<br />
kommt. Speziell ist, dass dieser<br />
Krieg so bedrohlich nahe bei uns ist.<br />
Was die Einschränkungen in<br />
Zusammenhang mit Corona<br />
betrifft – wenn man ihnen etwas<br />
Positives abgewinnen will, dann<br />
vielleicht die Digitalisierung in der<br />
Arbeitswelt. Inwiefern wurde diese<br />
auch bei Ihnen vorangetrieben?<br />
Sie haben recht, unsere Gemeinde<br />
ist offener geworden gegenüber<br />
neuen Arbeitsformen wie dem<br />
Homeoffice. Früher war das kaum<br />
möglich, das Arbeiten zuhause war<br />
nur in Ausnahmefällen erlaubt. Die<br />
Digitalisierung bringt natürlich gewisse<br />
Vorteile. Wenn wir in der Gemeinde<br />
heute kurze Sitzungen anberaumen<br />
mit externen Personen oder<br />
kurzfristig miteinander diskutieren<br />
müssen, kann es vorkommen, dass<br />
wir auf die elektronische Form der<br />
Besprechungen zurückgreifen und<br />
sie über Teams oder andere Plattformen<br />
abhalten. Das bringt eine gewisse<br />
Flexibilität und teilweise auch<br />
eine Zeitersparnis. Aber natürlich<br />
braucht es auch weiterhin die physische<br />
Zusammenarbeit, um Leute<br />
einzubinden, gerade auch, wenn jemand<br />
neu am Arbeitsplatz ist.<br />
In den Medien war dieses Jahr im<br />
In- und Ausland von einer<br />
Zunahme von Gewalt und verbalen<br />
Ausfällen gegenüber Behörden zu<br />
lesen, oft bedingt durch die<br />
Isolation während der Corona-<br />
Zeit. Wie haben Sie das in<br />
Wangen-Brüttisellen erlebt?<br />
Bei uns in der Verwaltung und gegenüber<br />
dem Gemeinderat habe ich<br />
keine Zunahme von Aggressionen<br />
erlebt. In der Schule mag es vielleicht<br />
anders aussehen, denn da<br />
geht es um die Kinder und Eltern.<br />
Sie haben unterschiedliche Ansichten<br />
und Vorstellungen.<br />
Welche politischen Herausforderungen<br />
hielt das Jahr 2<strong>02</strong>2 aus<br />
Ihrer Sicht bereit?<br />
Weltweit gesehen natürlich den<br />
Krieg in der Ukraine, mit Folgen<br />
auch für unsere Gemeinde. Direkt<br />
betroffen hat uns die Aufnahme<br />
von Flüchtlingen aus diesem Land.<br />
Noch nie mussten wir so viele<br />
Menschen innert kürzester Zeit unterbringen<br />
und betreuen.<br />
Marlis Dürst, Gemeindepräsidentin von Wangen-Brüttisellen. (Foto zvg)<br />
Marlis Dürst (l.) und Edith Zuber, Gemeindepräsidentin von Dietlikon (4. v.l.) beim<br />
Treffen mit Simonetta Sommaruga (3. v.l.). (Foto zvg)<br />
Wie hat das funktioniert?<br />
Erstaunlich gut! Nicht zuletzt, weil<br />
wir eine sehr solidarische und<br />
hilfsbereite Bevölkerung haben,<br />
die Flüchtlinge bei sich privat aufgenommen<br />
haben. Dazu gibt es die<br />
Plätze der Gemeinde. An der Urnenabstimmung<br />
vom 27. November<br />
hat der Souverän zudem mit<br />
grosser Mehrheit dem «Neubau für<br />
einfaches Wohnen, Asyl- und<br />
Werkhalle» zugestimmt. In zwei<br />
Jahren sollen die Arbeiten fertig<br />
sein, sodass wir im Bedarfsfall genügend<br />
weitere Plätze haben. Gut<br />
funktioniert hat es aber auch dank<br />
den zuständigen Abteilungen und<br />
Mitarbeitenden der Gemeindeverwaltung.<br />
Sie haben diese neue Herausforderung<br />
neben ihrer regulären<br />
Arbeit mit grossem Engagement<br />
bewältigt. Ich danke den<br />
Gastfamilien, den Mitarbeitenden,<br />
den freiwillig tätigen Personen und<br />
allen weiteren Beteiligten ganz<br />
herzlich für ihre wertvolle Unterstützung.<br />
Haben Sie Erhebungen bei den<br />
Privatpersonen zur Unterbringung<br />
gemacht?<br />
Vor allem insofern, als wir natürlich<br />
immer wieder mit ihnen in<br />
Kontakt stehen. Gefordert war dieses<br />
Jahr aber besonders die Abteilung<br />
«Gesellschaft» der Gemeindeverwaltung.<br />
Denn die Flüchtlinge<br />
waren ja zuerst einmal während<br />
drei Monaten bei den Gastfamilien<br />
untergebracht, danach muss man<br />
oft neue Lösungen finden. Im Sommer<br />
haben wir die Flüchtlinge und<br />
Gastfamilien zudem in den Gsellhof<br />
zu einem Grillplausch eingeladen,<br />
damit sie sich untereinander<br />
treffen können und uns sowie unsere<br />
Gemeinde besser kennenlernen.<br />
In manchen Gesprächen haben wir<br />
damals die Anliegen und Sorgen<br />
der Flüchtlinge und der Gastfamilien<br />
gehört. Zu spüren war damals<br />
aber auch eine grosse Dankbarkeit<br />
der ukrainischen Flüchtlinge gegenüber<br />
den Gastfamilien und der<br />
Gemeinde.