Klinikmagazin 1/2023
Gemeinsam Krebs besiegen - Mitteldeutsches Krebszentrum
Gemeinsam Krebs besiegen - Mitteldeutsches Krebszentrum
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TITELTHEMA<br />
Lokale Therapie präziser machen<br />
Forschungsfeld im CCCG: digital unterstützte<br />
Präzisionschirurgie und -bestrahlung (DISSECT)<br />
Rechts: Im EU-Verbund CHARM arbeitet<br />
die Jenaer HNO-Klinik mit am Prototyp<br />
eines Raman-Mikroskops für die schnelle<br />
und kostengünstige Krebsdiagnose,<br />
das auch während der Operation<br />
einsetzbar sein soll. Foto: Ebert<br />
Oben: Multikontrast-Bild eines<br />
Dünnschnitts von mit Hautkrebs<br />
befallenem Gewebe. Bild: Leibniz-IPHT<br />
Unten: Prof. Orlando Guntinas-Lichius,<br />
Foto: Schroll<br />
Wenn die Medizin mit Skalpell oder energiereichen<br />
Strahlen gegen einen Tumor<br />
vorgeht, befindet sie sich in einem klassischen<br />
Dilemma: Die Krebszellen sollen<br />
vollständig entfernt werden, damit nicht<br />
aus verbleibenden Zellen neue Tumoren<br />
entstehen können. Aber das umliegende<br />
gesunde Gewebe darf bei der aggressiven<br />
Behandlung möglichst wenig in<br />
Mitleidenschaft gezogen werden. Besonders<br />
wichtig ist das natürlich im Gehirn,<br />
aber auch benachbartes Muskel-, Organoder<br />
Nervengewebe sollte wenig leiden<br />
und seine Funktionsfähigkeit behalten.<br />
Bei der Planung und Durchführung der<br />
lokalen Behandlung geht es also um<br />
höchste Präzision.<br />
„Im Mitteldeutschen Krebszentrum<br />
forschen wir deshalb schwerpunktmäßig<br />
an neuen technologischen<br />
und methodischen Konzepten, die<br />
die lokale Tumorbehandlung noch<br />
präziser machen können“, so Prof. Dr.<br />
Guntinas-Lichius, Direktor der HNO-<br />
Klinik am UKJ. „Dabei setzen wir auf<br />
digitale Unterstützung.“ Er kennt als<br />
Operateur das Dilemma nur zu gut,<br />
wenn sich beispielsweise ein Tumor im<br />
Mundbereich nah an den für die Mimik<br />
wichtigen Gesichtsnerven befindet.<br />
Spektroskopiebilder<br />
während der OP<br />
Mit Partnern unter anderem am Jenaer<br />
IPHT (Leibniz-Institut für Photonische<br />
Technologien) entwickelt sein Forschungsteam<br />
Mikroskope, die mit<br />
verschiedenen spektroskopischen Analysetechniken<br />
unmittelbar im OP eine<br />
Bildgebung zur Unterscheidung von<br />
gesundem und Tumorgewebe ermöglichen.<br />
Diese Klassifizierung funktioniert<br />
nicht ohne digitale Unterstützung – eine<br />
selbstlernende Auswertesoftware verarbeitet<br />
die spektroskopischen Messdaten<br />
zu Bildern in grellen Farben. Ihr<br />
ursprüngliches „Wissen“ haben solche<br />
Programme immer aus dem Vergleich<br />
mit der Bewertung des Gewebeschnittes<br />
durch die Pathologie, die jedoch einige<br />
Tage in Anspruch nimmt. Prof. Guntinas-<br />
Lichius: „Wir werden ab <strong>2023</strong> den Einsatz<br />
eines solchen Geräts bei der Operation<br />
von Kopf-Hals-Tumoren in einer multizentrischen<br />
Studie testen, unser Ziel ist<br />
die offizielle Zulassung als Medizingerät.“<br />
Ein weiteres Thema in diesem Forschungsfeld<br />
ist die Entwicklung und<br />
der Einsatz von Operationsrobotern.<br />
In Leipzig wurde hierfür ein Innovationszentrum<br />
für Roboter-unterstützte<br />
und Computer-navigierte Chirurgie<br />
gegründet. Chirurginnen und Chirurgen<br />
am UKJ arbeiten in Entwicklungsprojekten<br />
mit der in Jena ansässigen<br />
avateramedical GmbH zusammen, dem<br />
einzigen deutschen Hersteller eines<br />
Operationsrobotersystems.<br />
Virtuelles Lebermodell<br />
zur OP-Planung<br />
Eine Forschungsgruppe, die Chirurgie<br />
und Hepatologie, Bildgebung, Bioinformatik<br />
und Datenwissenschaften verbindet,<br />
arbeitet an der Verbesserung großer<br />
Eingriffe an der Leber bereits bei der<br />
Operationsplanung. Das Team entwickelt<br />
ein virtuelles Lebermodell, das<br />
Durchblutung und Stoffwechselfunktion<br />
des Organs mit großer räumlicher<br />
Auflösung in gesundem und krankem<br />
Zustand quantifiziert. „Unser Modell soll<br />
die Funktion der Leber nach der Operation<br />
und den Heilungsverlauf individuell<br />
vorhersagen und damit als ein chirurgisches<br />
Planungsinstrument dienen können“,<br />
erklärt Prof. Dr. Uta Dahmen von<br />
der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und<br />
Gefäßchirurgie am UKJ; sie leitet die von<br />
der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
geförderte Gruppe.<br />
Nicht nur bei der OP-Planung, auch<br />
bei der Planung von Bestrahlungsbehandlungen<br />
werden innovative Techniken<br />
eingesetzt, um die Präzision der<br />
Strahlenanwendung zu erhöhen. Die<br />
Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie<br />
am UKJ nutzt beispielsweise<br />
neue Methoden der Bildführung und<br />
der molekularen Bildgebung, um die<br />
zeitliche und räumliche Verteilung<br />
der Strahlendosis zu optimieren. Die<br />
Medizinphysik der Klinik entwickelt<br />
und evaluiert mathematische Modelle,<br />
die die Simulation der Strahlungswirkung<br />
im Tumor, im Normalgewebe<br />
und in Organen erlauben und so eine<br />
personalisierte Behandlungsplanung<br />
ermöglichen.<br />
Immer häufiger kommen für neue<br />
Methoden und Gerätelösungen gerade<br />
bei der Auswertung der medizinischen<br />
Bilddaten auch selbstlernende<br />
Systeme und Algorithmen der Künstlichen<br />
Intelligenz (KI) zum Einsatz.<br />
Besonders weit vorangeschritten ist<br />
hier die Radiologie mit ihren verschiedenen<br />
bildgebenden Verfahren. So<br />
setzt das Institut für Diagnostische<br />
und Interventionelle Radiologie am<br />
UKJ KI-Lösungen für die Bildrekonstruktion<br />
am CT in der klinischen Routine<br />
ein. In einem Kooperationsprojekt<br />
entwickelte die UKJ-Radiologie ein<br />
MRT-Messprotokoll für die Diagnose<br />
von Prostatakrebs, das ohne Kontrastmittel<br />
auskommt und deshalb<br />
schonender und schneller abläuft. Ein<br />
Deep-Learning-basiertes Assistenzsystem<br />
sorgt dafür, dass dies nicht zu<br />
Lasten der diagnostischen Genauigkeit<br />
geht. Prof. Dr. Tobias Franiel, Leiter<br />
der onkologischen und uroradiologischen<br />
Bildgebung am UKJ: „Für das<br />
langfristige Ziel einer neuen, von den<br />
Krankenkassen getragenen Routine für<br />
die Prostatakrebsuntersuchung sind<br />
die Ergebnisse unseres Projektes ein<br />
weiterer Baustein.“<br />
Mit dem Start des Mitteldeutschen<br />
Krebszentrums werden die Forschenden<br />
an den Unikliniken in Jena<br />
und Leipzig nun ihre onkologischen<br />
Forschungsaktivitäten bündeln.<br />
Prof. Guntinas-Lichius: „Wir erwarten<br />
von der gemeinsamen Arbeit neue<br />
Impulse und konkrete Ergebnisse für<br />
eine präzisere lokale Krebstherapie,<br />
die wir rasch in die klinische Routine<br />
überführen wollen, um die Behandlung<br />
für unsere Patientinnen und Patienten<br />
so effektiv und dabei so schonend wie<br />
möglich zu machen.“<br />
Uta von der Gönna<br />
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