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Klinikmagazin 1/2023

Gemeinsam Krebs besiegen - Mitteldeutsches Krebszentrum

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TITELTHEMA<br />

Wenn es nicht mehr um Heilung geht<br />

Ein Hausbesuch mit dem Kinderpalliativteam<br />

Arlene ist 14 Jahre alt. Sie hat Krebs:<br />

ein Osteosarkom, Knochenkrebs, mit<br />

Metastasen in Lunge und Gehirn. Acht<br />

Operationen hat das Mädchen hinter<br />

sich, Chemo- und Strahlentherapien.<br />

Heilung, sagen ihre Ärzte, ist nicht mehr<br />

möglich. Das ist unfair. Das ist unvorstellbar.<br />

Und doch setzt sich Arlene,<br />

setzen sich Arlene und ihre Eltern, mit<br />

ihrer Prognose auseinander. Um vorbereitet<br />

zu sein – und falls Arlene nicht<br />

doch das eine Wunder ist – haben sie<br />

Kontakt mit dem Kinderpalliativteam<br />

des UKJ aufgenommen.<br />

Selbstbestimmung und<br />

bestmögliche Lebensqualität<br />

Das Jenaer Kinderpalliativteam ist das<br />

einzige in Thüringen und ein fester<br />

Bestandteil im Versorgungssystem.<br />

Seit sechs Jahren gibt es das 13-köpfige<br />

multiprofessionelle Team aus Kinderärztinnen<br />

und -ärzten, Kinderkrankenschwestern<br />

und einer psychosozialen<br />

Fachkraft. Ihr Erkennungszeichen ist<br />

das blaue Shirt, auf dem mit bunten<br />

Buchstaben „Kinderklinik“ zu lesen ist.<br />

Das Palliativteam betreut Kinder und<br />

Jugendliche, die unheilbar erkrankt<br />

sind, in ihrem Zuhause. Darunter auch<br />

Kinder mit Krebs. Ihr Ziel, ihre Aufgabe<br />

ist es, ihnen das Leben in ihrer gewohnten<br />

Umgebung so angenehm wie möglich<br />

zu machen. So auch bei Arlene im<br />

ostthüringischen Saale-Holzland-Kreis.<br />

Momentan geht es Arlene gut. Ihre<br />

Nägel hat sie schön gemacht, wie das<br />

14-Jährige so tun. Nur dass ihre Haare<br />

fehlen, störe sie, berichtet Arlene.<br />

Über dem rechten Ohr prangt noch ein<br />

Pflaster. Die zäh verheilenden Wunden<br />

einer Operation am Kopf. Erst auf den<br />

zweiten Blick kann man sehen, dass<br />

ihr linkes Bein anders aussieht. Hier<br />

trägt sie, durchaus selbstbewusst,<br />

eine Prothese. Im Oberschenkel brach<br />

der Krebs aus, der Knochen wurde ihr<br />

entfernt. Mit ihrer Prothese und Gehstützen<br />

kann sie gut laufen. Nur am<br />

Sportunterricht muss sie nicht mehr<br />

Kinderärztin und Palliativmedizinerin<br />

Dr. Andrea Dieckmann (re.) und<br />

Kinderkrankenschwester Michaela König<br />

bei Arlene zu Hause. Foto: Bogner<br />

Zum multiprofessionellen<br />

Kinderpalliativteam gehören<br />

mittlerweile 13 Mitarbeitenden, darunter<br />

Ärztinnen und Ärzte, Pflegende sowie<br />

eine psychosoziale Fachkraft<br />

teilnehmen. Überhaupt ist ihr Schulbesuch<br />

freiwillig, aber es ist ihr wichtig,<br />

ein so normales Leben wie möglich zu<br />

leben. Dazu gehören auch Dinge wie<br />

Reiten und Freunde treffen.<br />

Eine palliative Versorgung steht unheilbar<br />

erkrankten Kindern und Jugendlichen<br />

schon mit der Diagnosestellung<br />

zu. Das Kinderpalliativteam besucht die<br />

jungen Patienten und ihre Familien je<br />

nach ihrem Bedarf zuhause: monatlich,<br />

wöchentlich oder – in der Lebensendphase<br />

– auch täglich.<br />

Arlene kommt einmal die Woche zur<br />

ambulanten Behandlung ans Klinikum.<br />

Da sie hier regelmäßig medizinisch<br />

versorgt wird, ist das ambulante Kinderpalliativteam<br />

noch nicht oft bei<br />

ihr zuhause. Hier beginnt ein Weg des<br />

Kennenlernens zwischen dem Palliativteam,<br />

Arlene und ihren Eltern. Dieses<br />

Mal bei Arlene: Kinderärztin und Palliativmedizinerin<br />

Dr. Andrea Dieckmann<br />

und Kinderkrankenschwester Michaela<br />

König. „Es ist nicht so, dass immer ein<br />

festes Team zu einer Patientin fährt“,<br />

erklärt Andrea Dieckmann. „Für unser<br />

Team ist es wichtig, dass wir alle unsere<br />

Patientinnen und Patienten gut kennenlernen,<br />

zumal wir rund um die Uhr in<br />

Rufbereitschaft sind.“ „Aber irgendwie<br />

ist es so“, ergänzt Schwester Michaela:<br />

„Egal, wer von uns kommt, unser T-Shirt<br />

gibt uns einen unglaublichen Vertrauensvorschuss“.<br />

Und in der Tat: Arlene<br />

und auch ihre Eltern gehen geradezu<br />

herzlich vertraut mit dem Kinderpalliativteam<br />

um. Alle sind ganz offen, es gibt<br />

keine Geheimnisse. Wozu auch?<br />

Die gesamte Familie<br />

unterstützen<br />

Mit der ganzen Familie sitzt das Kinderpalliativteam<br />

am Tisch. Andrea<br />

Dieckmann geht mit Arlene ihre Medikamente<br />

durch – es sind viele – und<br />

fragt sie, wie ihre Schmerzen sind und<br />

ihre Wunden verheilen. Arlenes Vater<br />

krault ihr währenddessen liebevoll<br />

den haarlosen Hinterkopf. Arlenes<br />

Mutter kennt den Medikamentenplan<br />

mit schier unaussprechlichen Namen<br />

auswendig, weiß, welche Nebenwirkungen<br />

von welchem Medikament kommen<br />

könnten und auf welche Blutwerte es<br />

ankommt. Es ist, als unterhielten sich<br />

Medizinprofis untereinander. Jegliche<br />

Änderungen trägt Andrea Dieckmann in<br />

Arlenes Bedarfsplan ein. Die individuellen<br />

Behandlungs- und Bedarfspläne<br />

sind wichtig, um – mit der Familie – auf<br />

Eventualitäten, vor allem Krisensituationen,<br />

vorbereitet zu sein.<br />

Zwischendurch tauschen sich Arlene<br />

und Michaela auch mal über private<br />

Angelegenheiten aus. Haustiere, Schule,<br />

Reisen. Arlene konnte sich schon<br />

zwei ihrer Herzenswünsche erfüllen:<br />

nach Hamburg fahren. Und mit einem<br />

Pferd, einer großen Scheckenstute,<br />

am Strand entlangreiten. Ihr dritter<br />

großer Wunsch – Paris – steht noch aus.<br />

Die zwischenzeitlich schon gebuchte<br />

Reise musste die Familie stornieren.<br />

Arlene hatte eine Infektion.<br />

Leidvolle Symptome<br />

lindern – Gutes tun<br />

Momente des Grübelns und der Sorgen<br />

gehören leider auch dazu. „Mir hilft<br />

Julia da schon sehr“, berichtet Arlene.<br />

Julia Gnielczyk ist psychosoziale Mitarbeiterin<br />

und gehört seit einem Jahr<br />

ebenfalls zum Kinderpalliativteam. Der<br />

Bedarf, auch nach einer psychosozialen<br />

Betreuung, ist einfach da – auch wenn<br />

die Ärztinnen, Ärzte und Schwestern<br />

mit ihrer Empathie viel abfangen und<br />

auf die Bedürfnisse ihrer Patienten<br />

und deren Familien eingehen. Julia hat<br />

Arlene auch dabei unterstützt eine<br />

Strategie zu entwickeln, ihre zwischenzeitliche<br />

Abneigung vor dem Schlucken<br />

von Kapseln zu überwinden. „Sollen<br />

wir also lieber schauen, dass wir deine<br />

Medikamente in flüssiger Form bekommen?“,<br />

fragt Andrea Dieckmann. Das ist<br />

Arlene deutlich lieber.<br />

Überhaupt dreht sich alles vor allem um<br />

eine Frage: Was können wir dir Gutes<br />

tun? Schmerzen hat Arlene derzeit<br />

kaum. Nichts, was sie nicht mit einfachen<br />

Schmerzmitteln hinbekommt.<br />

Aber eine Ernährungsberatung wünscht<br />

sie sich. Speziell für ihren Krebs. „Wir<br />

stellen einen Kontakt für dich her“,<br />

verspricht Schwester Michaela. Zum<br />

Schluss hört Andrea Dieckmann Arlene<br />

noch mit dem Stethoskop ab. Prinzipiell<br />

ist das Kinderpalliativteam mit allem<br />

ausgestattet, was ein Patient brauchen<br />

könnte: Medikamente und unterschiedliche<br />

Materialien, um die Symptome zu<br />

kontrollieren. Aber Arlene braucht derzeit<br />

– zumindest vom Kinderpalliativteam<br />

– noch nicht mehr. Sollte sich das<br />

ändern, ist das Team jederzeit bereit.<br />

Katrin Bogner<br />

Palliativmedizin<br />

Auch wenn die Krebsmedizin und<br />

-forschung immer mehr Fortschritte<br />

macht, kann nicht jede<br />

Krebserkrankung geheilt werden.<br />

Dann geht es darum, Schmerz und<br />

Leid zu lindern und den Erkrankten<br />

so viel Lebensqualität wie möglich<br />

zu geben.<br />

Auf der Palliativstation liegen<br />

Patienten mit nicht heilbaren<br />

Erkrankungen stationär, deren<br />

Beschwerden so stark sind, dass<br />

eine Versorgung zuhause nicht<br />

möglich ist.<br />

KONTAKT<br />

03641 9-32 75 28<br />

palliativ@med.uni-jena.de<br />

Der Palliativmedizinische Dienst<br />

betreut schwerstkranke Patienten<br />

palliativmedizinisch auf anderen<br />

Stationen als der Palliativstation.<br />

Das Ambulante Palliativteam<br />

betreut Schwerstkranke in ihrer<br />

gewohnten, häuslichen Umgebung mit.<br />

KONTAKT<br />

Erwachsene<br />

03641 9-32 75 24<br />

palliativteam@med.uni-jena.de<br />

Kinder, Jugendliche und junge<br />

Erwachsene<br />

03641 9-32 95 54<br />

kinderpalliativteam@med.uni-jena.de<br />

22 01 | 23<br />

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