Blattwerk Ausgabe No17 März und April 2023
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Immer wenn ich in den Himmel blicke, überkommt mich der Gedanke,<br />
dass wir im totalen Experiment leben. Sind wir doch auf einem Planeten<br />
ausgesetzt, der irgendwo im luftleeren Raum schwebt. Vielleicht umhüllen<br />
uns Götter, vielleicht leben wir in einer Matrix, vielleicht gibt es all das gar<br />
nicht <strong>und</strong> unsere Existenz ist nur ein Zufall, der sich ohne Ziel irgendwohin<br />
entwickelt. Mir war es deshalb immer egal, was uns die Zukunft bringen<br />
würde, Hauptsache, ich könnte es sehen. Apokalypse, Klimawandel, KI,<br />
Aliens. World War Z. Weltfrieden. Was auch immer, her damit!<br />
Ich habe einen starken Hang zu Science-Fiction <strong>und</strong> der Art <strong>und</strong> Weise, wie<br />
sie unsere Gedankenräume mit Ideen <strong>und</strong> Konzepten füllt, darüber, wie<br />
wir leben könnten. Teile dieser Ideen finden sich in meiner künstlerischen<br />
Arbeit wieder, sehe ich es doch als meine Aufgabe, mein Wissen um die<br />
Vergangenheit mit meiner Vorstellung von der Zukunft zu verbinden, um<br />
ein Bild vom Jetzt zu erschaffen. Meine Kunstform – die Collage – erlaubt<br />
mir genau das. Ich benutze Material, das bereits vorhanden ist, <strong>und</strong> gehe<br />
damit in Kommunikation. Dazu zoome ich in die alten Bilder hinein, um<br />
sie verstehen zu lernen. Nur dann kann ich sie in Frage stellen <strong>und</strong> mich<br />
von ihnen entkoppeln. Ich stutze sie zurecht, wirble sie durcheinander,<br />
verschiebe die einzelnen Elemente, durchlöchere sie, damit Licht einfallen<br />
kann. Manchmal schneide ich etwas weg <strong>und</strong> ersetze es durch Neues oder<br />
ich lasse Leerstellen. In jedem Fall formatiere ich sie um. Und glauben Sie<br />
mir, das ist nicht immer einfach, denn die alten Bilder sind stur. Sie verteidigen<br />
sich <strong>und</strong> ihren Platz. Aber letztendlich bin ich es, die entscheidet,<br />
was ich in das nächste Bild weitertragen möchte <strong>und</strong> welche Bilder ich<br />
zurücklasse. Ich allein entscheide, was ich aus dem Archiv der Erinnerung<br />
in die Zukunft trage.<br />
Katrin S. Weidhofer studierte Theater,- Film<strong>und</strong><br />
Medienwissenschaften an der Universität<br />
in Wien <strong>und</strong> anschließend Malerei an<br />
der Universität für angewandte Kunst. Ihr<br />
künstlerischer Schwerpunkt liegt auf erweiterten<br />
Collagen, in denen sie Stickereien,<br />
Text, Zeichnungen, So<strong>und</strong> <strong>und</strong> Videomaterial<br />
installativ remixt.<br />
Sie war Studienassistentin <strong>und</strong> Tutorin<br />
an der Universität für angewandte Kunst.<br />
Ihr Diplom 2021 wurde mit dem Anerkennungspreis<br />
der Stadt Wien gewürdigt. Die<br />
Künstlerin lebt <strong>und</strong> arbeitet in Wien, Burgenland<br />
<strong>und</strong> Oberösterreich.<br />
Wenn ich auf eine leere Leinwand blicke, überkommt mich immer dieses<br />
Gefühl, diese Bestimmtheit, etwas W<strong>und</strong>erbares erschaffen zu können. Ich<br />
liebe dieses Gefühl von Möglichkeit. Genauso möchte ich die Zukunft sehen,<br />
ist sie doch nichts anderes als eine leere Leinwand, auf die wir Hoffnung,<br />
Wissen <strong>und</strong> Erfahrung projizieren. Oder aber auch Angst. Für Letztere habe<br />
ich nur mehr begrenzten Raum in meiner Zukunft, was aber nicht bedeutet,<br />
dass ich sie nicht empfinde. Seit meine Tochter zur Welt gekommen ist,<br />
hat sich meine Perspektive verändert. Ich sehe nun ihre Zukunft. Das lässt<br />
keinen Platz mehr für meine persönliche Lust an Dystopien oder defätistischen<br />
Experimenten.<br />
Daher gr<strong>und</strong>iere ich die Leinwand mit Erde, sinnbildlich, weil wir nun endlich<br />
verstehen, dass der Boden, auf dem wir uns bewegen, uns alles gibt, was<br />
wir zum Überleben brauchen. Darauf male ich ein sattes Grün, weil wir<br />
uns entscheiden, die Wälder zu schützen. Darüber ein tiefes Blau, weil wir<br />
lernen, die Ozeane rein zu halten. Daneben eine große weiße Fläche für die<br />
Ideen, die wir erst entwickeln werden. Ein schwarzer Kreis für die Akzeptanz<br />
der Dunkelheit in uns, <strong>und</strong> ein hellblaues Schema, um ihr zu entgegnen.<br />
Ein buntes Cluster links oben für ein wenig Unordnung. Ein kleiner Tupfen<br />
Rot für die nötige Schärfe. Ein Cutout, in dem wir Unnötiges wie Eitelkeit,<br />
Selbstsucht <strong>und</strong> Gier versenken. Im Bildzentrum steht eine Frau mit erhobenem<br />
Haupt <strong>und</strong> beiden Beinen fest im Boden verwurzelt. Ihr Blick ist<br />
auf uns gerichtet. Sie ist jung <strong>und</strong> alt zugleich, mit sich <strong>und</strong> ihrem Körper<br />
at peace. Stark, resilient, in vollem Bewusstsein ihrer Intelligenz findet sie<br />
sich zur Gänze eingebettet in die geheimnisvollen Widersprüche dieses<br />
w<strong>und</strong>erschönen <strong>und</strong> schrecklichen Planeten.<br />
FR, 21.4.<br />
20:00 Uhr<br />
DIE LETZTE LESUNG DER WELT<br />
Lesung mit Konzert<br />
Eintritt: VVK € 16- / AK € 18,- (Ermäßigt VVK € 14,- / AK 16.-)<br />
Lesung: Hannah Darabos, Konstantin Milena Vlasich<br />
Musik: Baubo Collective (Anna Maria Niemiec – Cello,<br />
Lorina Vallaster – Blockflöte)<br />
Die S31 als Highway der verlorenen Künstler-Seelen.<br />
In der Raaber Bahn für die Pride geschminkt mit einer<br />
Horde Fußballfans oder wie klingt ein Virus? Konstantin<br />
Vlasich präsentiert gemeinsam mit Hannah Darabos<br />
dunkle Texte oder vielleicht nur die letzte Lesung der<br />
Welt – mit Musik. Anna Maria Niemiec <strong>und</strong> Lorina<br />
Vallaster liefern als Baubo Collective mit den Texten<br />
interagierende, ungeahnte Klangerfahrungen – mit<br />
Violoncello, Flöten <strong>und</strong> Gesang. Im Übrigen: Svit je<br />
igrališće u Kaisermühlenu.<br />
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