Blattwerk Ausgabe No17 März und April 2023
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Das Wirken auf<br />
ein Morgen hin<br />
WENN DIE FORTDAUER DER GEGENWART<br />
ENDET, DANN BEGINNT ZUKUNFT<br />
von Aaron Sterniczky<br />
Erst die Aufklärung kommt zur Überzeugung, dass eine Zukunft<br />
existiert, die sich durch eigenes Wirken herbeiführen lässt.<br />
Selbstverständlich lebten auch davor Kulturen unter dem Eindruck,<br />
dass auf das Heute ein Morgen folgt. Doch wie der Wortstamm<br />
verrät, Zukunft wurde früher nicht als ein Zeithorizont angesehen,<br />
der sich durch menschliche Maßnahmen maßgeblich formen<br />
ließe. Stattdessen steckt im Wortlaut von Zukunft die Referenz<br />
zum Zukommenden <strong>und</strong> das christliche Abendland meinte damit<br />
beispielsweise die erwartbare Ankunft des Herrn.<br />
Zukunft galt als vorbestimmt, in göttlichen Offenbarungen festgeschrieben,<br />
weder ließ sich ihr entkommen noch wesentlich auf<br />
sie einwirken.<br />
WAS FRÜHER MAL DIE ZUKUNFT WAR<br />
Nachdem jedoch die Aufklärung entdeckte, dass wir als menschliche<br />
Wesen zur Freiheit bestimmt wären, änderte sich auch unser<br />
Verhältnis zur Zukunft. Plötzlich wird sie als ein Bezugsrahmen<br />
angesehen, der nicht durch Vorsehung festgelegt wäre, sondern<br />
durch eigenes Handeln geschaffen wird.<br />
Imaginativ – mittels Kunst <strong>und</strong> Kultur. Politisch – mittels der öffentlichen<br />
Debatte. Ökonomisch – mittels unternehmerischer Innovation.<br />
Gesellschaftlich – mittels Bildung <strong>und</strong> durch ziviles Engagement.<br />
Ästhetisch – mittels Architektur, Mode, Design. Kommunikativ –<br />
durch die Nutzung neuer Medien. Mit Bezug auf die Arbeitswelt –<br />
durch den Einsatz besserer Technologien <strong>und</strong> die Zusammenarbeit<br />
in anderen Organisationsstrukturen. Ökologisch – durch einen<br />
dauerhaften Ausgleich zwischen Menschen <strong>und</strong> Umwelt.<br />
Die Ausgestaltung von Zukunft wird nunmehr zum offenen Prozess,<br />
für den sich der Einsatz lohnt. Damit ist das Gegenteil von<br />
Zukunft auch nicht mehr Vergangenheit, sondern Vergeblichkeit.<br />
Nämlich jenes Gefühl von Vergeblichkeit, dass eine Veränderung<br />
des Vorhandenen nicht gelingen wird, weil sich die Kräfte <strong>und</strong><br />
Interessen der Beharrlichkeit als zu stark erweisen.<br />
Foto © Shutterstock, oatawa<br />
Wer an der Zukunft arbeitet, widersetzt sich dieser fatalen Auffassung<br />
<strong>und</strong> überwindet die Ansicht, dass die Gegenwart ewig<br />
anhält. Es ist stattdessen der Einsatz für Erneuerung im Geiste<br />
des Fortschritts, welcher die Auseinandersetzung um die Zukunft<br />
ausmacht. Es ist ein tätiges Eintreten dafür, dass Alternativen zum<br />
Bestehenden so wünschenswert wie machbar erscheinen.<br />
DIE ZEITACHSE DER SELBSTWIRKSAMKEIT<br />
Ein Davor, ein Dazwischen, ein Danach. Der Verstand erfasst<br />
die Vergänglichkeit von Zeit anhand eines linearen Ablaufs. Das<br />
erscheint wichtig. Denn würden wir den Verlauf der Zeit als<br />
Kreislauf betrachten, wie es überlieferte Schriften manchmal<br />
nahelegen, dann hätte das Konzept von Zukunft wenig Sinn. Es<br />
würde sich erübrigen.<br />
Stattdessen begreifen wir die Wirklichkeit nachweislich anders:<br />
als eine Abfolge von wahrnehmbaren Erfahrungen, die wir als<br />
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