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„… Bei uns in der Lofag …“ - Verband Wiener Volksbildung

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Leonie Kerl<strong>in</strong>g: Ich möchte e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Episode von me<strong>in</strong>em Vater<br />

erzählen. Dort waren doch viele <strong>in</strong>ternierte Ukra<strong>in</strong>er, Russen. Me<strong>in</strong><br />

Bru<strong>der</strong>, <strong>der</strong> sehr für die Russen e<strong>in</strong>gestellt war, wollte unbed<strong>in</strong>gt<br />

mit ihnen reden. Da ist <strong>der</strong> Chef zu me<strong>in</strong>em Vater, <strong>der</strong> von 1939 – 47<br />

Werkmeister <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Lofag</strong> war (Pelikan war se<strong>in</strong> Name!) gekommen<br />

und hat gesagt: „Aufpassen, das ist ja nicht erlaubt, mit den Russen<br />

o<strong>der</strong> mit den Ukra<strong>in</strong>ern zu sprechen“. Dann ist <strong>der</strong> Vater nach Hause<br />

gekommen und sagte, ich habe immer Scherereien mit me<strong>in</strong>em<br />

Bru<strong>der</strong> Toni. Er wollte immer mit den Russen reden. Me<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong><br />

Toni ist dann 1947 aus <strong>der</strong> <strong>Lofag</strong> ausgetreten.<br />

Anton Österreicher: Nach me<strong>in</strong>er sechsmonatigen Grundausbildung<br />

für Metallarbeiter, die ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mollardgasse absolvierte,<br />

wurde ich Anfang 1944 <strong>in</strong> die <strong>Lofag</strong> überstellt, um me<strong>in</strong>e praktische<br />

Ausbildung als Betriebselektriker zu beg<strong>in</strong>nen. Weil ich ke<strong>in</strong> <strong>Wiener</strong><br />

war, war ich im Lehrl<strong>in</strong>gsheim Jedlersdorf untergebracht. Dort<br />

war <strong>der</strong> ganze Betrieb vormilitärisch organisiert. H<strong>in</strong>ter <strong>uns</strong>eren<br />

Baracken befand sich auch e<strong>in</strong> Lager mit russischen Kriegsgefangenen,<br />

und so marschierten täglich hun<strong>der</strong>te Menschen von dort<br />

<strong>in</strong> die Firmen, – <strong>in</strong> <strong>uns</strong>ere Firma und <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e Floridsdorfer Betriebe<br />

(Hofherr & Schrantz, Fiat, Deutsche Reichsbahn), die viele<br />

Rüstungsaufträge hatten, bzw. als „Kriegswichtig“ e<strong>in</strong>gestuft waren.<br />

<strong>Bei</strong> <strong>uns</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Elektrowerkstätte waren fünf Inlän<strong>der</strong>, zwei Kriegsgefangene,<br />

zwei junge Zwangsarbeiter<strong>in</strong>nen aus <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e, etwa<br />

20 Jahre alt und zwei ältere Männer. Sie haben gebrochen Deutsch<br />

gesprochen. Die zwei Frauen mussten Kranbremsspulen und vieles<br />

an<strong>der</strong>es mehr wickeln. E<strong>in</strong> paar Wochen arbeitete ich mit e<strong>in</strong>em<br />

<strong>der</strong> Männer zusammen – Karl hieß er und war 65 Jahre alt. Er lehrte<br />

mich, Kabel und Verteiler, Handlampen und diverse an<strong>der</strong>e Geräte<br />

zu reparieren. Nach dieser Zeit wurde ich e<strong>in</strong>em Kriegsgefangenen<br />

zugeteilt, e<strong>in</strong>em Elektro<strong>in</strong>genieur, 28 Jahre alt, mit Namen lwan. Er<br />

war Russe aus Baku und e<strong>in</strong> exzellenter Praktiker, <strong>der</strong> improvisieren<br />

konnte, und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Radiotechnik war er auch e<strong>in</strong> Könner. Wir<br />

bauten Detektorapparate <strong>in</strong> den Arbeitspausen, die ich leicht an den<br />

Mann brachte bzw. gegen Lebensmittel und verschiedenes an<strong>der</strong>es<br />

e<strong>in</strong>tauschte. Das war sozusagen e<strong>in</strong> richtiger „Herausreißer“ – wir<br />

haben ja alle Hunger gehabt damals. Für den Bau <strong>der</strong> Geräte gab<br />

es jede Menge Draht, denn wir haben ja Spulen für Motore, Kräne,<br />

Bremsen usw. gewickelt. Die Kriegsgefangenen lwan und Nikolaj

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