und Prozessstrukturen in der Ländlichen Entwicklung Auswertung ...

Nachhaltige und effiziente
Beteiligungs- und Prozessstrukturen
in der Ländlichen Entwicklung
Auswertung der
Untersuchungsgemeinden und –projekte
Forschungsauftrag des Bereichs Zentrale Aufgaben
der Verwaltung für Ländliche Entwicklung Bayern
Institut für Geodäsie,
GIS und Landmanagement
Lehrstuhl für Bodenordnung
und Landentwicklung
Centre of Land, Water and
Environmental Risk Management
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Holger Magel

Technische Universität München
Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung
Ordinarius i.R.:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Holger Magel
Projektleitung:
O. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Holger Magel
Projektbearbeitung:
Dipl.-Geogr. Nina Kiehlbrei
Dipl.-Geogr. Anne Ritzinger
Arcisstr. 21
80290 München
Tel.: +49 89 289-22519
Fax: +49 89 289-23933
Magel@landentwicklung-muenchen.de
www.landentwicklung-muenchen.de
Stand: April 2012

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................................. 3
Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................................... 4
1 Übersicht der Untersuchungsgemeinden und -projekte ........................................................... 5
2 Interne Untersuchungsgemeinden und -projekte ..................................................................... 6
2.1 Gemeinden aus Dorferneuerung 2020 .......................................................................................... 7
2.2 Gemeinde Feldkirchen - Westerham ........................................................................................... 22
2.3 Gemeinde Perasdorf ................................................................................................................... 30
2.4 Gemeinde Weyarn ....................................................................................................................... 38
2.5 Integrierte ländliche Entwicklung (ILE) VG Syrgenstein .............................................................. 47
3 Externe Untersuchungsgemeinden und -projekte ................................................................... 54
3.1 Gemeinde Beckerich (L) .............................................................................................................. 55
3.2 Gemeinde Bernried am Starnberger See .................................................................................... 63
3.3 Gemeinde Langenegg (A) ........................................................................................................... 72
3.4 Gemeinde Roßtal ........................................................................................................................ 80
3.5 Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG ................................................................................. 87
3.6 Soziale Genossenschaft RegioStar eG ....................................................................................... 93
3.7 XperRegio GmbH ...................................................................................................................... 100
Literaturverzeichnis .......................................................................................................................... 108
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Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Räumliche Verteilung der internen Untersuchungsgemeinden und -projekte ............... 6
Abbildung 2: Akteurskreis der Kommunen aus Dorferneuerung 2020 ............................................... 9
Abbildung 3: Organisationsstruktur des „Zukunftsforum Ascha“ ...................................................... 12
Abbildung 4: Beteiligungs- und Organisationsstruktur in der Gemeinde Fraunberg ........................ 13
Abbildung 6: Räumliche Lage der Gemeinde Perasdorf .................................................................. 30
Abbildung 7: Akteurskreis der Gemeinde Perasdorf ......................................................................... 31
Abbildung 8: Räumliche Lage der Gemeinde Weyarn ...................................................................... 38
Abbildung 9: Akteurskreis der Gemeinde Weyarn ............................................................................ 39
Abbildung 10: „Zwei – Säulen – Prinzip" der Gemeinde Weyarn ...................................................... 41
Abbildung 11: Räumliche Lage der ILE VG Syrgenstein .................................................................... 47
Abbildung 12: Akteurskreis der ILE VG Syrgenstein .......................................................................... 48
Abbildung 13: Räumliche Verteilung der externen Untersuchungsgemeinden und -projekte ............ 54
Abbildung 14: Akteurskreis der Gemeinde Beckerich ........................................................................ 55
Abbildung 15: Räumliche Lage der Gemeinde Bernried am Starnberger See ................................... 63
Abbildung 16: Akteurskreis der Gemeinde Bernried ........................................................................... 63
Abbildung 17: Logo der Gemeinde Langenegg .................................................................................. 72
Abbildung 18: Akteurskreis der Gemeinde Langenegg ...................................................................... 72
Abbildung 19: Räumliche Lage der Gemeinde Roßtal ....................................................................... 80
Abbildung 20: Akteurskreis der Marktgemeinde Roßtal ..................................................................... 80
Abbildung 21: Logo der Regionalwert AG .......................................................................................... 87
Abbildung 22: Akteurskreis der Regionalwert AG ............................................................................... 88
Abbildung 23: Logo der RegioStar eG ................................................................................................ 93
Abbildung 24: Akteurskreis der RegioStar eG .................................................................................... 93
Abbildung 25: Akteurskreis der XperRegio GmbH ........................................................................... 100
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Übersicht der Untersuchungsgemeinden und -projekte
1 Übersicht der Untersuchungsgemeinden und -projekte
Interne Untersuchungsgemeinden und –projekte und Interviewpartner
Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Gemeinde Feldkrichen-Westerham
Frau Prof. Dr. Theresia Wintergerst Sozialpädagogin, Prozessberaterin und -begleiterin
Gemeinde Perasdorf
Herr Günter Plepla Projektleiter des Dorferneuerungsverfahrens, Amt für
Ländliche Entwicklung Niederbayern
Herr Martin Karlstetter Planer, Projektbearbeiter LENA (Ländliche
Entwicklung- Nachhaltigkeit mit System)
Gemeinde Weyarn
Frau Theresia Benda Leiterin der Koordinierungsstelle
Integrierte ländliche Entwicklung (ILE) VG Syrgenstein
Gemeinde Bachhagel, Gemeinde Syrgenstein, Gemeinde Zöschingen
Herr Otto Kurz Architekt, Planer und Prozessbegleiter
Herr Bernd Steiner 1. Bürgermeister der Gemeinde Syrgenstein seit 1984
Externe Untersuchungsgemeinden und –projekte und Interviewpartner
Gemeinde Beckerich
Herr Camille Gira 1. Bürgermeister seit 1982
Gemeinde Bernried
Herr Josef Steigenberger 1. Bürgermeister seit 2002
Gemeinde Langenegg
Herr Georg Moosbrugger 1. Bürgermeister seit 2006
Gemeinde Roßtal
Herr Johann Völkl 1. Bürgermeister seit 2008
Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG
Herr Christian Hiß Vorstand
Soziale Genossenschaft RegioStar eG
Herr Dr. Bernhard Zimmer Mitglied des Aufsichtsrats und des wissenschaftlichen
Beirats
XperRegio GmbH
Frau Inge Hitzenberger Regionalmanagerin der XperRegio
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2 Interne Untersuchungsgemeinden und -projekte
Interne Untersuchungsgemeinden und -projekte
Im folgenden Kapitel findet sich eine detaillierte Auswertung der empirischen Untersuchung zu den
internen Untersuchungsgemeinden und –projekte. Basierend auf den Erkenntnissen aus den
leitfadengestützen Experteninterviews sind die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungsbeispiele
sowohl in Text- als auch in Tabellenform aufbereitet.
Diesen Beispielen ist es gemeinsam, dass sie seitens der Verwaltung für Ländliche Entwicklung
beraten und begleitet werden. Zum einen wurden Gemeinden untersucht die im Rahmen eines
Dorferneuerungsverfahren einen Entwicklungs- und Beteiligungsprozess gestalten, zum anderen
Gemeindezusammenschlüsse im Rahmen einer integrierten ländlichen Entwicklung (ILE). Die
untersuchten Gemeinden und Projekte befinden sich außerdem in unterschiedlichen Phasen des
Entwicklungsprozesses.
In der Abb. 1 ist die räumliche Verteilung der internen Untersuchungsgemeinden und –projekte, die
über die gesamte Fläche Bayerns verteilt liegen, dargestellt.
Abbildung 1: Räumliche Verteilung der internen Untersuchungsgemeinden und -projekte
Quelle: Eigene Darstellung
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2.1 Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
1. Kurzporträt
Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Im Rahmen des Forschungsprojekts „Dorferneuerung 2020 - Zukunftskonzeption und -strategien der
Dorferneuerung in Bayern“ wurden insgesamt zehn Dorferneuerungsverfahren umfassend nach ihren
thematischen, strategischen und methodischen Handlungsansätzen untersucht und die
Erfolgsfaktoren und Hemmnisse des Dorferneuerungsprozesses herausgearbeitet. Sieben
ausgewählte Dorferneuerungsverfahren wurden als so genannte „Modelldörfer“ untersucht und drei
Verfahren als „Pilotdörfer“: Die Modelldörfer sind Verfahren, die bereits seit längerem laufen oder
schon abgeschlossen sind und die aufgrund ihrer guten Handlungsansätze ausgewählt wurden. In
den Pilotdörfern wurde begleitend zum Forschungsprojekt versucht neue Ansätze zu erproben. Die im
Folgenden dargestellten Aspekte stützen sich auf die Ergebnisberichte zum Forschungsprojekt
„Dorferneuerung 2020“ (vgl. dazu auch MAGEL, RITZINGER, GROß 2010)
Verfahren der Ländlichen
Entwicklung
Modelldörfer
Dorferneuerung
Ammerndorf
Gemeinde Landkreis
Amt für
Ländliche
Entwicklung
Ammerndorf Lkr. Fürth Mittelfranken
Dorferneuerung Ascha Ascha Lkr. Straubing-Bogen Niederbayern
Dorferneuerung
Betzenstein
Gemeindeentwicklung
Fraunberg
Dorferneuerung Lupburg Lupburg
Stadt Betzenstein Lkr. Bayreuth Oberfranken
Fraunberg Lkr. Erding Oberbayern
Lkr. Neumarkt i.d.
Oberpfalz
Oberpfalz
Dorferneuerung Obbach Euerbach Lkr. Schweinfurt Unterfranken
Dorferneuerung
Roßhaupten
Pilotdörfer
Roßhaupten am
Forggensee
1 Feldkirchen-
Dorferneuerung Westerham
Westerham
Lkr. Ostallgäu Schwaben
Lkr. Rosenheim Oberbayern
Dorferneuerung Hopferstadt Stadt Ochsenfurt Lkr. Würzburg Unterfranken
Dorferneuerung Finsterau Mauth-Finsterau Lkr. Freyung-Grafenau Niederbayern
1 vgl. Auswertung der Untersuchungsgemeinde und –projekte, S.7 ff (siehe Kap. 2.2)
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
Die Akteure, ihre Kompetenzen und ihr Zusammenwirken erwiesen sich in den im Forschungsprojekt
ausgewerteten Fallbeispielen als Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Dorfentwicklung. Hierbei
spielten sowohl das konstruktive Zusammenarbeiten der Akteure aus Gemeinde, Verwaltung für
Ländliche Entwicklung und Planungsbüros eine wichtige Rolle, wie auch die persönlichen
Kompetenzen und die Motivation der zentralen Akteure.
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ZUSAMMENSETZUNG DES AKTEURSKREISES
Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Durch die Verfahrensvorgaben nach Flurbereinigungsgesetz waren in allen untersuchten Dörfern
folgende Akteure beteiligt:
� Bürgermeister
� Gemeinderat
� Teilnehmergemeinschaft (TG)
� Vorstand der Teilnehmergemeinschaft (u.a. mit Personen in Funktion des „Örtlich
Beauftragten“)
� Projektleiter des ALE als Vorsitzender des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft
� Dorferneuerungsplaner
� Bürger in Arbeitskreisen
Die Akteure arbeiteten in unterschiedlichen Gremien und Strukturen zusammen (vgl. dazu Punkt
Organisationsstrukturen). In manchen Dorferneuerungen wurden des Weiteren eng eingebunden:
� bestehende „traditionelle“ Vereine
� neu gegründete (teilweise themenspezifische) Dorfvereine
� andere rechtliche Strukturen, wie Genossenschaften
� örtliche Wirtschaftsunternehmen
� fachliche Begleiter anderer Disziplinen
� Gemeindeverwaltung / Koordinierungsstelle
� andere Fachverwaltungen
Beispielsweise gründeten in Hopferstadt Landwirte und Dorfbewohner eine Genossenschaft zur
Energieversorgung durch Nahwärme, in der Dorferneuerung Ascha wurden verschiedene Vereine
(„Ascha aktiv“, „Ascha kreativ“) gegründet, um die Direktvermarktung regionaler Produkte zu fördern
und den mehrmals jährlich stattfindenden Bauernmarkt bzw. um künstlerische Aktionen und
Ausstellungen durchzuführen.
In Lupburg wurden zur Umsetzung der Aktivitäten neue Vereine wie der „Förderverein Altlupburg und
Umgebung“ und der „Burgverein Lupburg“ gegründet, die von der Gemeinde unterstützt werden. Bei
der Sanierung der Lupburg wurden bereits mehr als 2000 Arbeitsstunden von Ehrenamtlichen
geleistet.
In Fraunberg wurde ein „Gemeindeentwicklungsverein“ gegründet, um die Bürgerbeteiligung durch die
Gemeinde zu organisieren. Dem Verein wurde ein von der Teilnehmergemeinschaft finanzierter
Moderator zur Verfügung gestellt, der die Projektgruppen betreut und diese durch Beratung bei
Planung und Umsetzung unterstützt.
Zudem wurden in mehreren Gemeinden die bestehenden Agenda 21 Gruppen in die Dorferneuerung
eingebunden (Ammerndorf; Ascha; Roßhaupten; Westerham).
Gerade für Innenentwicklungsprojekte war die gezielte Einbindung von Privatpersonen und einzelnen
Unternehmen für die Umnutzung von alter Bausubstanz oder die Neugründung von Betrieben wichtig.
In Ammerndorf siedelte sich bspw. eine Arztpraxis im ehemaligen Bahnhofsgebäude an, in Lupburg
konnten verschiedene Handwerksbetriebe und Dienstleister im Ortskern gehalten bzw. neu
angesiedelt werden und in Obbach wurde eine ehemalige landwirtschaftliche Hofstelle zu einem ein
Keramik-Fliesenlegergeschäft umgebaut. In Betzenstein trafen der Beginn der Dorferneuerung und
das Interesse eines externen privaten Investors in positiver Weise zusammen: Mit privaten Mitteln
wurden ortbildprägende Gebäude wie das denkmalgeschützte Pflegamtsschloss und ein weiteres
Anwesen gekauft und saniert, was sonst die finanziellen Mittel der Kommune überstiegen hätte. Der
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Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Anstoß zu solchen Sanierungs- und Umnutzungsmaßnahmen ergab sich häufig durch Diskussionen in
den Arbeitskreisen in Verbindung mit aktiven Privatpersonen. Eine Unterstützung bei der Realisierung
boten auch Leistungen der Dorferneuerung wie Bauberatungen und die Förderung von
Privatmaßnahmen in der Dorferneuerung.
Abbildung 2: Akteurskreis der Kommunen aus
Dorferneuerung 2020
Quelle: Eigene Darstellung
Gemeinderat
Bürgermeister
Unternehmen
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TG
Dorfverein
Bürgerschaft
EIGENSCHAFTEN UND BEFÄHIGUNG DER AKTEURE
Die Auswertung zeigte, dass ein entscheidender Teil des Erfolgs auf engagierte Bürgermeister
zurückzuführen ist. Diese waren die zentralen Motoren der Dorferneuerung und dies über viele Jahre
hinweg. Zusammen mit engagierten Multiplikatoren vor Ort (aus Bürgerschaft/ Teilnehmer-
gemeinschaft, Gemeinderat und/ oder Gemeindeverwaltung) sicherten sie die kontinuierliche
Motivation und Einbindung der Bürgerschaft sowie die Umsetzung der Dorferneuerungsmaßnahmen.
Um jedoch zu einem erfolgreichen Team von Schlüsselakteuren bzw. dem „Club der Gutgesinnten“ zu
werden, brachten die Akteure eine Vielzahl wichtiger persönlicher und fachlicher Eigenschaften, wie
Begeisterungsfähigkeit, Koordinationsgeschick und vor allem eigene Motivation, Durchhaltevermögen
und die Bereitschaft viel Zeit zu investieren mit. Wichtige Unterstützung erhielten die lokalen Akteure
häufig „von außen“, d.h. durch die Verwaltung für Ländliche Entwicklung oder Fachplaner.
Die entscheidenden Kompetenzen der Akteure lassen sich in soziale und in fachliche Kompetenzen
unterteilen.
Soziale Fähigkeiten:
� Kommunikationskompetenz, Präsentationskompetenz, rhetorische Fähigkeiten
� Soziale Vernetzung / Multiplikatorrolle
� Authentizität und Fähigkeit, Akteure zu motivieren
� Selbständigkeit und Teamfähigkeit
� Innovationsfähigkeit
Fachliche Fähigkeiten:
� eigene Überzeugung für eine nachhaltige Dorfentwicklung / spezifische Projekte
� Managementkompetenz / Moderation und Organisation
� Kompetenz für ganzheitliche Planung und Umsetzung
� Fachwissen in den Bereichen z.B. Sanierung, Energiefragen, Rechtliche Fragen
Diese Fähigkeiten wurden teilweise auch durch die verwendeten Methoden gestärkt. So führten nach
Aussage der befragten Akteure das Praktizieren einer Anerkennungskultur, erlebte Erfolge,
verschiedene Weiterbildungen und die Kontakte und der fachliche Austausch zu einer Vertiefung der
Kompetenzen (siehe Qualifizierung).
Planer,
Projektmanager

Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
IMPULSE DURCH EXTERNE AKTEURE
Zu den zentralen Schlüsselakteuren gehörten in den Dorferneuerungsverfahren immer auch Akteure
von außen, wie z.B. begeisterte, innovative Planer und aktive Vorstandsvorsitzende der
Teilnehmergemeinschaften, die sich mit viel „Herzblut“ für die Dorferneuerung engagierten. Von den
Befragten wurden hier vor allem die Bedeutung eines neutralen Blicks von außen und die Anregung
durch neue Ideen und Impulse wertgeschätzt. In diesem Zusammenhang sind auch die
Veranstaltungen an den Schulen der Dorf- und Land- bzw. Flurentwicklung und Exkursionen zu
anderen Kommunen, wie auch die Teilnahme an Wettbewerben und die Mitwirkung in Netzwerken
(z.B. „Nachhaltige Bürgerkommune“) zu sehen.
Die kontinuierliche fachliche Begleitung und finanzielle Unterstützung von Maßnahmen durch das Amt
für Ländliche Entwicklung wurden von allen Modelldörfern als großer Gewinn gesehen. Neben der
fachlichen Begleitung und Beratung entlastete auch die rechtliche und fördertechnische Abwicklung
der Dorferneuerung die Kommunen. Als weiterer Erfolgsfaktor wurde die neutrale und moderierende
Rolle der Mitarbeiter des Amts für Ländliche Entwicklung gesehen, die den lokalen
Entscheidungsträgern Rückhalt gegenüber der Bürgerschaft bei durchzusetzenden Entscheidungen,
vor allem im Bereich der Bodenordnung, gab (u.a. Ammerndorf; Ascha; Roßhaupten).
Als erfolgreich und gewinnbringend für die Dorferneuerung erwiesen sich interdisziplinäre
Kooperationen der meist geodätisch ausgebildeten Mitarbeiter der Ämter für Ländliche Entwicklung
mit freischaffenden Büros von Architekten, Soziologen, Landschaftsplanern, Stadtplanern,
Geographen und Regionalentwicklern sowohl bei Planung als auch bei der Umsetzung von
Maßnahmen. So begleiten bspw. Soziologen und Sozialplaner die Bürgerarbeit und den Aufbau von
Beteiligungsstrukturen professionell (Fraunberg, Finsterau).
Wichtige Voraussetzung stellte dabei jedoch eine klare Aufgabenverteilung und entsprechende
Kommunikations- und Teamfähigkeit der Akteure dar. In einigen Fällen konnte auch das die
Dorferneuerung begleitende Büro durch seine interdisziplinäre Zusammensetzung viele Teilbereiche
abdecken und neue Themenfelder begleiten.
3. ORGANISATIONSPROZESS (-STRUKTUREN)
Durch den Aufbau von Beteiligungsstrukturen gelang es während der Dorferneuerungsverfahren die
Einbindung der Bevölkerung zu sichern und ortsangepasste Abstimmungsstrukturen aufzubauen. In
einigen Modelldörfern wurden diese Strukturen dauerhaft angelegt und so eine über die
Vorbereitungsphase und die Begleitung im Rahmen des Verfahrens hinausreichende
Partizipationsmöglichkeit an der Dorfentwicklung geschaffen.
GREMIEN
Um die Beteiligungs- und Abstimmungsprozesse zu organisieren wurden im Lauf der Dorfentwicklung
verschiedene Gremien ins Leben gerufen. Diese entstanden häufig durch die Erkenntnis der lokalen
Akteure, dass solche Strukturen nötig sind. Neben den bestehenden kommunalpolitischen Organen
wie Gemeinderat und Bürgermeister wurden verschiedene andere Gremien zur Diskussion und
Vorbereitung von Entscheidungen eingerichtet bzw. eingebunden.
Offene Gremien zur breiten Beteiligung der Bürgerschaft:
� Gemeindeversammlungen / Bürgerversammlungen
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Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
� Arbeitskreise: Neben Arbeitskreisen in der Vorbereitungsphase der Dorferneuerung waren
dies auch Arbeitskreise aus Agenda-21-Prozessen.
� In anderen Dörfern wurden Bürgerwerkstätten oder
� projektbezogene Arbeits- oder Projektgruppen eingerichtet.
Vereine und Genossenschaften:
� Traditionelle Vereine wurden einbezogen,
� Thematisch orientierte Vereine oder
� Thematisch orientierte Genossenschaften,
� Vereine zur Dorf- bzw. Gemeindeentwicklung und
� Vereine zur interkommunalen Kooperation gegründet.
Gremien aus dem Dorferneuerungsverfahren:
� Teilnehmergemeinschaft
� Vorstand der Teilnehmergemeinschaft
� Örtlich Beauftragter
Koordinierungsstellen (z.B. in Fraunberg, angesiedelt an Gemeinde)
Steuerungs- und Abstimmungsgremien,
die geschaffen wurden, um die Abstimmung der anderen Strukturen zu ermöglichen
wie Zukunftsforum Ascha, Bürgermeisterrunde Auerbergland
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
In fast allen Modelldörfern wurde im Lauf der Dorferneuerung eine Organisationsstruktur geschaffen,
in welcher der Informationsfluss und die Arbeit von Projektgruppen gebündelt und eine Einbindung der
Bürgerschaft in das Verfahren, bzw. eine Abstimmung der Bürgerschaft mit dem Gemeinderat über die
Teilnehmergemeinschaft hinaus ermöglicht wurden.
Die Organisationsstrukturen weisen den Akteuren und Gremien unterschiedliche Zuständigkeiten und
Entscheidungsbefugnisse zu. Verantwortung für die kommunale Entwicklung übernehmen Bürger
durch ihr Engagement in Vereinen, Genossenschaften, Arbeitskreisen und Projektgruppen, indem sie
Projekte vorschlagen, planen und durchführen. Verantwortung für finanzielle Fragen tragen in der
Regel Mitglieder in Vereinen und Genossenschaften. Die finanzielle Letztentscheidung für Projekte
und Maßnahmen der Dorferneuerung trugen jedoch immer der Gemeinderat und der Vorstand der
Teilnehmergemeinschaft.
Im Folgenden wird die Verteilung der Zuständigkeiten in ausgewählten Beispielen dargestellt.
A) ZUKUNFTSFORUM ASCHA
Das Zukunftsforum Ascha entstand aus den Arbeitskreisen der Dorferneuerung und der lokalen
Agenda 21 und besteht aus drei Arbeitskreisen und einem Steuerungsteam. Die Arbeitskreise im
Zukunftsforum Ascha decken zentrale Themenfelder ab. Hier entstehen durch die engagierte
Bürgerschaft die Ideen. Diese werden im Steuerkreis diskutiert und aufbereitet. Dann wird ein Zeitplan
erstellt und erst dann wird das Projekt im Gemeinderat bzw. parallel im Vorstand der
Teilnehmergemeinschaft behandelt. Das Steuerungsteam besteht etwa zehn Personen
(Bürgermeister, Sprecher der Arbeitskreise) und trifft sich maximal vier Mal pro Jahr.
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Abbildung 3: Organisationsstruktur des „Zukunftsforum Ascha“
Quelle: MKS – Molnar – Kulzer – Stoll Architekten Ingenieure 2002: 8
Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Die effektive Organisationsstruktur der Beteiligung in Ascha hat sich aus dem Zusammenspiel von
Dorferneuerung und Agenda 21 entwickelt. Zunächst wurde im Rahmen des 1989 eingeleiteten
Verfahrens durch den „Dorferneuerungsausschuss“ das Leitbild „Wege von der Vergangenheit in die
Zukunft“ entwickelt. Daraus entstanden fünf Arbeitskreise. Deren Arbeit erhielt durch den Beginn der
Lokalen Agenda 21 (Gemeinderatsbeschluss 1998) neuen Schwung, die Zahl der Arbeitskreise wurde
reduziert und es wurde das Zukunftsforum Ascha (ZFA) mit drei Arbeitskreisen und ein
Steuerungsteam geschaffen. Die Gemeinde gibt dem Prozess einen starken Rückhalt indem sowohl
der Bürgermeister als Motor, aber auch Gemeinderat und Gemeindeverwaltung unterstützend
eingebunden werden. Die Teilnehmergemeinschaft ist während des Verfahrens der Ländlichen
Entwicklung in die Organisationsstruktur integriert. Regelmässig finden Gemeindeversammlungen
statt, um die Bürgerschaft zu informieren und zur Mitwirkung zu motivieren. Dies geschieht auch durch
direkte Ansprache der Bürgerinnen und Bürger durch die Aktiven und Multiplikatoren.
B) GEMEINDEENTWICKLUNG FRAUNBERG
Entstehung und Arbeitsweise des Vereins Gemeindeentwicklung Fraunberg
Die Entstehung des Gemeindeentwicklungsvereins mit örtlichen Akteuren ist mitunter auf die
Überlegung des Amts für Ländliche Entwicklung zurückzuführen, dass ein
Gemeindeentwicklungsverfahren mit einer umfassenden Begleitung durch den ALE-Projektleiter
personell nicht zu leisten war. Die Bürgerarbeit sollte vorab durch die Gemeinde organisiert sein, um
die zeitliche Beanspruchung des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft auf das Nötigste zu
minimieren.
Die Entscheidungen des Gemeinderats werden durch die Diskussionen und Überlegungen im
Gemeindeentwicklungsverein vorbereitet, was die Gemeinderäte in ihrem Arbeitspensum entlastet.
Dennoch ist klar, dass die letzte Entscheidung durch die gewählten Bürgervertreter erfolgt. „Der
oberste Souverän ist der Gemeinderat, den dürfen wir nicht hinten anstellen, sondern müssen ihn über
die Bürgerarbeit entlasten und Informationen aufbereiten“ (Wiesmaier).
Um die Ideen und den Informationsfluss gezielt verlaufen zu lassen, sind die Gremien Gemeinderat,
Vorstand der Teilnehmergemeinschaft und Vorstand des Gemeindeentwicklungsvereins häufig in
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Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Personalunion besetzt. Dabei besteht der Vorstand des Gemeindeentwicklungsvereins hauptsächlich
aus Gemeinderäten und der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft aus Mitgliedern des
Gemeindeentwicklungsvereins. Zwar vermischen sich durch die Personalunion auch Zuständigkeiten
bzw. fällt es teilweise schwer, die Kompetenzen klar zu trennen. Auf das Verfahren der Ländlichen
Entwicklung bezogene Fragen werden jedoch nur dann entschieden, wenn die Vorstandsvorsitzende
der Teilnehmergemeinschaft dabei ist.
Zur Begleitung der Bürgerarbeit wird ein Moderator von der Teilnehmergemeinschaft finanziert. Er
betreut Projektgruppen und unterstützt diese durch Beratung bei Planung und Umsetzung. Zusätzlich
finanziert die Teilnehmergemeinschaft für die Entwurfsplanung mit Zusatzleistung intensiver
Bürgerbeteiligung einen Architekten.
Die Projekte werden häufig entweder von den Vereinen übernommen, oder es bilden sich bis zur
Beendigung der Maßnahme temporäre Projektgruppen. Wenn dann beispielsweise das Projekt
Kinderspielplatz beendet ist, hat auch die Projektgruppe ihr Ziel erreicht und wird aufgelöst. So ist sie
keine Konkurrenz zu den bestehenden Traditionsvereinen.
Die Struktur der Bürgerarbeit in Projektgruppen hat sich auch aus den Erfahrungen mit den
Arbeitskreisen in der Dorferneuerung Maria Thalheim entwickelt. Hier wurde die Erfahrung gemacht,
dass man durch die Gründung der Arbeitskreise mit Themen wie Arbeit, Verkehr, Kultur etc.
vollkommen neue Konstellationen an Akteuren erhielt und dies nicht gut funktionierte, weil sich die
Altakteure aus den Bereichen Gartenbauverein, Kriegerverein nicht wiederfanden.
Abbildung 4: Beteiligungs- und Organisationsstruktur in der Gemeinde Fraunberg
Quelle: Trux, P. 2009: 60
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Effektive Unterstützung des Bürgerengagements
Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Die Maßnahmen in entstehen in der Gemeinde Fraunberg dort, wo Bedarf ist und sich aktive Bürger
einem Thema oder Projekt annehmen. Es wird nicht wie in der klassischen Dorferneuerung in der
Vorbereitungsphase ein breites Spektrum an Möglichkeiten eröffnet, die dann bei der Umsetzung
teilweise aufgrund der Förderrichtlinien nicht berücksichtigt werden können. Aufgrund der
fortlaufenden Bürgerbeteiligung und Umsetzung von Projekten gibt es nicht die „klassischen
Durststrecken“, sondern es werden von der Gemeinde und der Teilnehmergemeinschaft dort Projekte
unterstützt, wo sich Aktivitäten bündeln.
Die Bürgerbeteiligung erfolgt über den Verein. Ideen für Maßnahmen werden zunächst in
Projektgruppen besprochen, dann im Gemeindeentwicklungsverein diskutiert. Wenn die Idee hier
Zustimmung findet, wird sie im Gemeinderat besprochen und von diesem, wenn für die Maßnahme
eine Priorität im Sinne der Gemeindeentwicklung gesehen wird, an den Vorstand der
Teilnehmergemeinschaft weitergeleitet. Die Vorsitzende prüft, ob die Maßnahme förderfähig und
kompatibel mit den Verfahrenszielen ist und leitet die weiteren Schritte der Planung, Genehmigung
und Finanzierung ein. Maßnahmen haben so immer eine starke Verankerung in der Bevölkerung und
sind aktuellen Bedürfnissen angepasst.
Für die Gemeindeentwicklung wurde eine Koordinationsstelle als Anlaufpunkt für die Projektgruppen
und für private Initiativen eingerichtet. Die zentrale Koordinationsstelle nimmt eine wesentliche Rolle
für die Schaffung von Transparenz und die Effektivität der Kommunikation ein (vgl. Trux 2009, 89).
Diese wird, nach anfänglicher Förderung durch die Verwaltung für Ländliche Entwicklung, von der
Gemeinde bezahlt. Die anfallenden Aufgaben übersteigen den Zeitrahmen jedoch bereits, so dass
eine Ausweitung der Stelle notwendig wäre.
C) Roßhaupten und die Interkommunale Kooperation Auerbergland e.V.
Aufbau einer Beteiligungsstruktur auf Gemeindeebene führt zur „gelebten Demokratie“
Im Rahmen einer Bürgerversammlung erfolgte der erste Aufruf zur Bürgerbeteiligung. Über Aufrufe in
Presse und gezielte Ansprache wurde versucht, Leute für die Mitarbeit in Arbeitsgruppen zu
gewinnen. Im Rahmen einer ersten Bürgerbefragung sollten Themen herausgefunden werden, welche
die breite Bevölkerung interessierten und als wichtig erachtet wurden. Basierend auf der
Bürgerbefragung wurden Arbeitsgruppen zu den einzelnen Themen gegründet. Als Räumlichkeit
wurde in der alten Schule eine Dorfwerkstatt eingerichtet. Für jede Arbeitsgruppe wurde ein Sprecher
gewählt und alles notiert, was diskutiert wurde. Dies ermöglichte auch eine Transparenz für
Außenstehende oder den Gemeinderat. Interessierte konnten sich über die Arbeit informieren. Des
Weiteren wurden gezielt Informationen durch Mitteilungsblätter, Aushänge oder Presseberichte für die
breite Bevölkerung aufbereitet. Um den fachlichen Austausch zwischen den Arbeitsgruppe zu
ermöglichen, wurde ein Arbeitskreis eingerichtet, in welchem sich die Arbeitsgruppen in regelmäßigen
Abständen trafen, um ihre Arbeit abzustimmen. In diesem Gesamtarbeitskreis sollten die
Informationen zusammenfließen, die Gruppen jeweils mitteilen, wo sie stehen und gemeinsam
diskutieren. Mit Hilfe des Planers und verschiedenster Fachleute erarbeiteten die Gruppen ein Leitbild
und führten eine genaue Bestandsaufnahme durch.
Die Bürgereinbindung in Roßhaupten zeichnet sich dadurch aus, dass sie über die Startphase hinaus
fortgeführt wurde. Nachdem über drei Jahre hinweg ein Leitbild erarbeitet und Projekte diskutiert
wurden, löste man die Arbeitsgruppen auf und beteiligte interessierte Bürger projektbezogen bei der
Umsetzung von Maßnahmen. Des Weiteren gelang eine Fortsetzung der Arbeitsgruppen über den
Agenda-Prozess, wobei sich hier die inhaltlichen Schwerpunkte änderten (vgl. MAGEL, FRANKE 2007,
86). So existiert derzeit noch eine Agenda- Gruppe im Bereich „Soziales“, welche das
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Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Mehrgenerationenhaus intensiv unterstützt. Aus den intensiven Diskussionen im Rahmen der
Arbeitskreise entwickelte sich ein starkes bürgerschaftliches Engagement, das sich sowohl durch die
Unterstützung bei der Umsetzung von Maßnahmen zeigte als auch in Umsetzung zahlreicher
Privatmaßnahmen.
Die wichtigste Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Gremien
bestand im Aufbau eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses. Die Arbeitsgruppen wurden als
politikfreie Zone erklärt, in der nur Sachdiskussionen stattfinden sollten. Dies führte auch zu
Akzeptanz von Seiten des Gemeinderats. Diesem wurden keine fertigen Vorschläge vorgesetzt,
sondern man wollte dem Gemeinderat mit höchster fachlicher Qualität und kreativen Ideen zuarbeiten.
Als Bindeglied fungierte hierbei der Bürgermeister.
Die Idee der „politikfreien Zone“ wurde auch bei der Wahl der Teilnehmergemeinschaft fortgeführt.
Neben der normalen Vertretung der Gemeinde lies sich kein Gemeinderat aufstellen. Im
Umkehrschluss einigte man sich darauf, dass auch keine Vorstandsmitglieder für den Gemeinderat
kandidierten. Durch die Trennung der beiden Gremien wurde die Meinungsbildung in der Bürgerschaft
gefördert bzw. erleichtert. Um zu vermeiden, dass Ideen aus der Startphase verloren gingen und die
motivierten Akteure weiter einzubinden, wurden die Sprecher der einzelnen Arbeitsgruppen gezielt in
den Vorstand gewählt.
Die Bürgerarbeit vor Ort ist im Laufe der Jahre effizienter und spezifischer geworden. Bürger werden
heute nicht mehr in ergebnisoffene lange Prozesse eingebunden, die Beteiligung erfolgt fallweise und
themenbezogen.
Einbindung in eine interkommunale Struktur
Die Gemeinde Roßhaupten dachte bereits früh über das Dorferneuerungsverfahren hinaus und
engagierte sich in einer interkommunalen Zusammenarbeit mit ihren Nachbargemeinden. Das
Auerbergland ist ein Zusammenschluss von dreizehn ländlich strukturierten Gemeinden zu einem
Verein, der sich seit 1992 für die Verbesserung der Lebenssituation und der Lebensqualität in den
Bereichen Landwirtschaft, Handwerk, und Dienstleistungen, in Tourismus, Kultur, Natur sowie im
Umweltschutz einsetzt. Ausgangsbasis war die Erkenntnis, dass aufgrund ähnlicher Problemlagen die
Notwendigkeit besteht, sich zu vernetzen und laufende Prozesse wie z.B. die
Dorferneuerungsverfahren abzustimmen. Der Zusammenschluss der Gemeinden wurde durch
verschiedene Förderungen (Regionale Landentwicklung, LEADER-LAG) unterstützt. Die Vernetzung
und der stetige Austausch der Dorferneuerung mit der interkommunalen Ebene werden als positiv
beschrieben. Die Abstimmung erfolgt über einen Steuerkreis der Gemeinden in dem die Bürgermeister
eng zusammenarbeiten. Organisatorische Unterstützung z.B. Abrechnungen und Monitoring erfolgt
über den gemeinsam getragenen Verein Auerbergland e.V.. Eine wichtige Rolle spielten die
hauptamtliche und professionelle Begleitung ehrenamtlichen Engagements und der Aufbau fester,
langfristig tragfähiger Strukturen.
Transparenz und Neutralität
Erfolgreich verliefen Prozesse oft dann, wenn gezielt versucht wurde, inhaltliche und politische Arbeit
zu trennen bzw. klar abzugrenzen. Dadurch konnten Sachthemen der Dorferneuerung ohne politische
Parteinahme umgesetzt werden. Transparente Entscheidungsstrukturen und klare Leitlinien in der
Kommunalpolitik und in der Zusammenarbeit der Gremien (Gemeinderat, Teilnehmergemeinschaft,
Arbeitskreise oder Vereine) beugten Konflikten vor und förderten sachliche Entscheidungen.
Positiv war es auch, wenn eine Person die Rolle des „neutralen Moderators“ ausfüllen konnte und so
nicht in lokale Interessen oder bestehende Beziehungsnetzwerke und Verpflichtungen einbezogen
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 15

Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
wurde (z.B. zugezogener Bürgermeister, Planer „von außen“, Vertreter des Amts für Ländliche
Entwicklung).
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
Einige Gemeinden entwickelten Systeme, um ihre Prozesse und Fortschritte selbst zu überprüfen.
Grund dafür war die Erkenntnis über die Vorteile, die eine regelmäßige Selbstkontrolle bietet, wie
zielgerichtetes Arbeiten, Motivation schöpfen, etc.
Richtschnur für ein Monitoring war z.B. die Orientierung am zu Beginn erarbeiteten Leitbild. Teilweise
wurden auch schriftliche, indikatorengestützte Evaluierungen (Ascha; Roßhaupten-Auerbergland)
durchgeführt. Einige Gemeinden nutzten die SDL für regelmäßige Seminare und
Gemeinderatsklausuren, um Erreichtes zu resümieren und die weitere Zielrichtung zu besprechen
(Fraunberg) oder beteiligten sich an Wettbewerben oder in Netzwerken (Ammerndorf, Ascha,
Fraunberg, u.a.). Ein weiteres Instrument waren auch regelmäßige Status-quo Veranstaltungen, die
für alle Interessierten offen waren (Fraunberg; Ascha).
Illustrierend kann das Beispiel Ascha genannt werden. Hier wurde ein Qualitätsmanagement zur
Qualitätssicherung eingeführt und von einem Planungsbüro eine Organisationsuntersuchung mit
Stärken / Schwächen Analyse der einzelnen Themenbereiche in der Dorfentwicklung und der
Arbeitsstruktur durchgeführt. In den Arbeitskreisen und Steuerungsrunden wird der Stand der
Umsetzung der Projekte im Abstand von mehreren Jahren überprüft und es werden neue Ziele
gesetzt. Jährliche Wochenendworkshops mit Gemeinderäten, Vereinsvorsitzenden, Arbeitskreisleitern
und Bürgern finden statt.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
In allen Modelldörfern wird deutlich, wie eng Erfolg oder Misserfolg der Dorferneuerung mit der
Einbindung der Bürgerschaft zusammenhängen. Die konsequente Bewusstseinsbildung und eine gut
organisierte Bürgereinbindung stellten entscheidende Erfolgsfaktoren einer gelungenen
Dorferneuerung dar. Dabei gehen Beteiligung und Qualifizierung der Akteure Hand in Hand: Die
Mitwirkung der Bürger in allen Phasen der Dorferneuerung fördert deren Identifikation mit dem
Prozess und den Maßnahmen und damit auch das Verständnis für die notwendigen Schritte der
kommunalen Entwicklung. Durch die Berücksichtigung der Interessen der Bürger und deren gezielte
Einbindung und Bewusstseinsbildung wurde deren Akzeptanz gestärkt, die Bürgerschaft zur
Mitwirkung motiviert und eine Verantwortungsgemeinschaft initiiert.
Wichtiges Element der Bürgereinbindung waren Seminare an den Schulen der Dorf- und Land- bzw.
Flurentwicklung wie auch die Begleitung von Diskussionsprozessen durch professionelle Moderatoren
und externe Experten. Seminare in der Vorbereitungsphase und zur Leitbilderstellung trugen zur
frühen Bewusstseinsbildung bei und reduzierten anfängliche Bedenken gegenüber der
Dorferneuerung. Während des Prozesses vertieften Seminare und Exkursionen die fachliche Arbeit
und förderten die Qualifizierung zur Mitarbeit (Capacity Building). Auch durch Einzelgespräche und
gezielte Bürger- und Eigentümeransprache konnten Problemverständnis und Akzeptanz gefördert
werden.
Es wurde von den Befragten angemerkt, dass das kritische Bewusstsein der Akteure insgesamt
zunimmt und die Forderung der Bürger nach Mitsprache stärker geworden ist. Dies ist insgesamt als
positiv zu sehen, erfordert jedoch entsprechend mehr Zeit für Gespräche, verstärkte moderierende
Fähigkeiten der Schlüsselakteure, Weiterbildung und Befähigung der Bürger und eine transparente
Kommunikation der Entscheidungskompetenzen und Beteiligungswege.
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BETEILIGUNGSMETHODEN
Öffentlichkeitsarbeit
� Homepage der Gemeinde (teilweise mit Protokollen der AK-Sitzungen)
� Anschlagtafeln in der Gemeinde
� Gemeindeblätter
� Mundpropaganda
� Gezielte Einzelgespräche durch Schlüsselakteure
� Gemeinde- und Ortsteilversammlungen
Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
� Spezielle Angebote und Ansprache einzelner Gruppen (Jugendliche, Senioren)
Dialogveranstaltungen
� Gemeinsame Ortsbegehungen und Diskussion über Projekte (z.B. Fraunberg)
� Seminare an den Schulen der Dorf- und Land- bzw. Flurentwicklung zur Leitbilderarbeitung;
zur Strategieentwicklung
� Kooperationskonferenz (Mauth-Finsterau): Diskussion aller Akteursgruppen über Stärken /
Schwächen und Folgerungen
QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war auch das fachliche Wissen der Akteure und deren Bewusstsein für
und Interesse an Weiterqualifizierung aller am Prozess Beteiligten. Seminare an den Schulen der
Dorf- und Land- bzw. Flurentwicklung tragen in allen Modelldörfern zur Bewusstseinsbildung bei. In
der Anfangsphase reduzierten sie die anfänglichen Bedenken gegenüber einer Dorferneuerung bzw.
lösten einen großen Motivationsschub durch das gemeinsame Arbeiten, Diskutieren und Planen aus.
Im weiteren Verlauf der Dorferneuerung besuchten viele Modelldörfer wiederholt Fortbildungen oder
Klausurtagungen. Dabei ging es unter anderem um neue fachliche Themen und die Weiterentwicklung
der Zielsetzungen in der Dorferneuerung, aber auch um Weiterbildung im Bereich der sozialen
Kompetenzen (Moderationstechniken; Gesprächskultur). Die Weiterbildung der Akteure entwickelte
sich zu einer wichtigen Stütze der Dorferneuerung und in vielen Gemeinden wurde explizit darauf
geachtet, die lokalen Akteure weiterzubilden. Neben Fachexkursionen und der Teilnahme an
Seminaren wurde gezielt versucht, Wissen in der Prozess einzubringen und die Akteure fortzubilden,
z. B. durch die Kooperation mit Universitäten oder durch Gastvorträge zu dorfrelevanten
Fragestellungen.
Viele der Schlüsselakteure verfügen über einen langjährigen Erfahrungsschatz im Bezug auf
Dorferneuerungsverfahren, Planungs- und Beteiligungsmethoden, was sich als sehr gewinnbringend
für den Prozess erwies. Auch die interdisziplinäre Zusammensetzung der Experten ermöglichte
gegenseitige Ergänzung, durch die Einbindung fachlicher Expertise und Außensicht wurden neue
Impulse gegeben und die Sichtweisen erweitert. Ebenso brachte die Einbindung des lokalen Wissens
der Bevölkerung und der vorhandenen Betriebe die Prozesse voran und stärkte die
Verantwortungsgemeinschaft. Im Gegenzug konnte durch den Zugewinn an fachlicher
Weiterqualifizierung auch wiederum die regionale Wirtschaft gestärkt werden (z.B. bezüglich
bestimmter Sanierungstechniken).
� Verständnis für Prozesse entstand oft durch Leitbildarbeit, Beschäftigung mit der eigenen
Geschichte
� Teilnahme an Exkursionen, Seminaren an den SDLs/ SDF
� Teilnahme an Tagungen z.B. der Akademie Ländlicher Raum, Fachvorträgen für alle
interessierten Akteure
� Öffentliche Gastvorträge vor Ort, Einladung an interessante Referenten
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� Moderatorenschulungen für Bürger
� Bauberatung
Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
� Teilnahme an einer Vielzahl von Wettbewerben und (Forschungs-)Projekten, Netzwerken
� „Methodenkonferenz“ (Mauth-Finsterau) zur qualifizierten Arbeit in den Projektgruppen
ANERKENNUNG UND MOTIVATION
Mechanismen zur Anerkennung und Darstellung des Mehrwerts von Engagement spielten eine
wichtige Rolle als Erfolgsfaktoren und wurden in den Dorferneuerungsbeispielen häufig angewendet,
wenn auch meist nicht systematisch im Prozess verankert.
Anerkennung der Leistungen innerhalb der Gemeinde und von außen
Wichtiger Erfolgsfaktor für die Förderung der Mitwirkung der lokalen Akteure war die
Begeisterungsfähigkeit und das Koordinationsgeschick der Entscheidungsträger. Diese förderten die
Beteiligung der Bürgerschaft und sorgten für Spaß an der Sache, entsprechende Erfolgserlebnisse
und die Anerkennung der (ehrenamtlichen) Tätigkeiten. Die Aufmerksamkeit und Anerkennung der
Leistungen von außen, sei es durch Presse, Besuche anderer Kommunen oder durch hochrangige
Besucher des ALE und StMELF erwiesen sich bei den engagierten Akteuren als motivationsfördernd
und stärkten das „Wir-Gefühl“ der Einwohner. Auch die Teilnahme und Auszeichnung in fachlichen
Wettbewerben motivierte die aktiven Akteure und wirkte als Anerkennung. Durch die überregionale
Bekanntheit entstanden auch neue Kontakte und weiterführende Netzwerke.
Motivation
Engagierte zu motivieren und dauerhaft einzubinden zeigte sich in vielen Beispielen als
Herausforderung. Eine deutliche Motivation für die lokalen Akteure sich einzubringen ist es, das
eigene Lebensumfeld mitgestalten zu können und sich dadurch auch ein gewisses Maß an Autarkie
zu verschaffen. Deutlich zeigt das beispielsweise das aus der Dorferneuerung entstandenen
Engagement für eine autarke Energieversorgung in Hopferstadt oder auch der hohe Anteil an
Privatmaßnahmen, der in vielen Beispieldörfern geleistet wurde, um das persönliche Lebensumfeld
und auch das Dorfbild zu verschönern.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
RÄUMLICHE HANDLUNGSEBENE
Um Maßnahmen gezielter und mit größerer Wirkung umzusetzen erweist sich die Beachtung und
Nutzung räumlich-funktionaler Zusammenhänge als Erfolgsfaktor. Dies bezieht sich auf alle
räumlichen Maßstabsebenen von der Ortsteil- über die Gemeinde- bis zur interkommunalen Ebene.
Die weitere räumliche Analyse fördert eine stärkere funktionale als nur rein gestalterisch ausgerichtete
Betrachtungsweise wie auch die effektivere Einbindung in gesamtgemeindliche und interkommunale
Strukturen und Funktionsweisen. Interkommunale Kooperation bot beispielsweise Synergieeffekte für
touristische Maßnahmen, eine sinnvolle Abstimmung bei Flächenmanagement und Innenentwicklung
und ermöglichte durch die Abstimmung eine fundiertere Umsetzung eines breiteren
Maßnahmenspektrums. Der Großteil der Modelldörfer ist an einem Integrierten Ländlichen
Entwicklungskonzept beteiligt.
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THEMEN- UND AUFGABENSTELLUNGEN
Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Unterschiedliche Themenstellungen entwickelten sich nach einer eher breit aufgestellten Leitbildphase
in starker Abhängigkeit von der lokalen Situation. „Weiche“ Themen wurden in der Umsetzungsphase
neben den eher baulichen Projekten häufig durch andere Gruppen weiterverfolgt, die teilweise auch
organisatorische Zusammenschlüsse bildeten wie z.B. das Thema Regionalvermarktung durch „Ascha
aktiv“. Eine weitere fachliche und organisatorische Begleitung war dabei sehr wichtig. Der Fokus lag
dabei auf sozialen Themen (Mehrgenerationenhäuser Ammerndorf, Roßhaupten; Senioren
(Finsterau)) oder in den Bereichen Regionalvermarktung (Ascha) und Energieproduktion /
Energieeinsparung (Ascha, Hopferstadt).
FINANZIERUNG
Die finanzielle Förderung erfolgte in der Regel durch das bayerische Dorferneuerungsprogramm,
teilweise war eine Umsetzungsbegleitung im Rahmen der ILE vorhanden.
Viele der ausgewerteten Verfahren wurden bereits vor längerer Zeit angeordnet und konnten nach
relativ flexiblen Finanzierungvorgaben durchgeführt werden, dies wurde häufig als Vorteil genannt.
Einige der guten Beispiele und die Pilotdörfer konnten über zusätzliche finanzielle Mittel durch
Modellprojekte des BZA verfügen. Damit konnten innovative Ansätze leichter realisiert werden.
Ein Großteil der erfolgreichen Dorferneuerungsgemeinden versuchte, durch eine Kombination
verschiedener Fördermittel, meist mit LEADER, Denkmalpflege ihren Handlungsspielraum zu
vergrößern (Ascha, Betzenstein, Roßhaupten, Finsterau u.a.).
ZEITSCHIENE
Die guten Beispiele sind teilweise sehr umfassende, lange Prozesse (Roßhaupten, Lupburg). Hier
konnten das Bewusstsein und die Kooperationsstruktur „reifen“ und immer weiter entwickelt werden.
Dies verdeutlicht, dass Beteiligung auch ausreichend Zeit braucht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt waren auch Akteure, die zum richtigen Zeitpunkt die notwendigen
Schritte ergriffen haben. Hierfür ist ein gutes Zusammenspiel kompetenter Akteure nötig. Die
Kontinuität der Schlüsselakteure erwies sich als wichtiger Erfolgsfaktor. Entscheidend waren die
politische Kontinuität und der Rückhalt der Entscheidungsträger in der Bevölkerung. In vielen Fällen
wurden die Bürgermeister zur zentralen Identifikationsfigur der Dorferneuerung. Durch die
Dauerhaftigkeit der Personenkonstellationen konnten erarbeitete Konzepte erfolgreich und schlüssig
umgesetzt werden. Die Mitarbeiter des ALE konnten durch die gewählten Gemeindevertreter und
durch aktive Örtlich Beauftragte, Bürger oder externe Planer, Projekt- / Prozessmanager entlastet
werden.
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6. Fazit
Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Die Auswertung der Untersuchungsprojekte aus dem Forschungsvorhaben „Dorferneuerung 2020“
bezüglich der für das vorliegende Forschungsprojekt relevanten Themen verdeutlichte nochmals, wie
wichtig die sogenannten strategischen und methodischen Handlungsfelder für den Erfolg von
Dorferneuerungen sind. Aus den untersuchten guten Beispielen lässt sich eine Vielfalt an
Möglichkeiten ableiten, wie Qualifizierung der Akteure, Aufbau von Organisationsstrukturen oder
verschiedene Beteiligungsformen im Rahmen der Dorferneuerung angewendet werden und wie diese
auf den jeweiligen lokalen Kontext angepasst wurden.
Als wichtige Erfolgsfaktoren sind hervorzuheben:
� Zielstrebigkeit, Geduld und Offenheit für neue Themen als zentrale Eigenschaften der
Schlüsselakteure
� Gute Vernetzung der Akteure in der Gemeinde und der Region
� Starker Rückhalt und aktives Management durch die Gemeinde
� Rolle des ALE als neutrale, koordinierende Stelle und fachlicher Begleiter
� Kontinuierliche Begleitung und fachlicher Input durch interdisziplinäre Berater und Planer
� Bewusstseins- und Weiterbildung durch lange Prozesse, Seminare, Planungen und Konzepte,
die Problemlagen verdeutlichen
� Qualitätsmanagement durch Selbstevaluation, regelmäßige Klausurtagungen und Rückbezug
auf das Leitbild
Diese Erfolgsfaktoren entwickelten sich aus einem Zusammenspiel der Verfahrenspraxis mit den
jeweiligen Anforderungen und Anregungen vor Ort. Es zeigt sich jedoch bereits in den aus dem
Forschungsprojekt „Dorferneuerung 2020“ abgeleiteten Strategien, dass eine verstärkte Unterstützung
der Kommunen in manchen Bereichen notwendig und von den Akteuren gewünscht ist. Dies betrifft
u.a. den Aufbau von dauerhaften Strukturen, die über das Verfahren hinaus bestehen und die einen
kontinuierlichen Beteiligungsprozess auch in der Umsetzung und nach Verfahrensende sichern.
Häufig tritt sowohl zur Anordnung ein Bruch zwischen den Akteuren (Übergang von Arbeitskreisen zu
Vorstand der Teilnehmergemeinschaft) wie auch nach Verfahrensende (Wegfallen der
Teilnehmergemeinschaft) auf. Für die Förderung einer nachhaltigen Bürgerkommune ist es daher
notwendig, im Rahmen der Verfahren der Ländlichen Entwicklung auf den Aufbau kontinuierlicher
begleitender Gremien und dauerhafter Strukturen hinzuwirken. Dazu ist eine fachliche und
methodische Begleitung über den gesamten Verfahrenszeitraum und darüber hinaus wichtig.
Für die verstärkte Umsetzung nicht baulicher Maßnahmen ist es nötig, in der Umsetzungsphase eine
verstärkte Abstimmung mit anderen Fachressorts und Fördertöpfen zu erreichen. Desweiteren fehlt
z.B. bisher weitgehend eine systematische Einbindung von Unternehmen in der Vorbereitungsphase.
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Beteiligungsmodell der Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Akteure Beteiligungsmethoden und
Qualifizierungsmaßnahmen
Akteure und Akteursgruppen
- Bürgermeister
- Gemeinderat
- Teilnehmergemeinschaft (TG)
- Vorstand der Teilnehmergemeinschaft
(u.a. mit Personen in Funktion des
„Örtlich Beauftragten“)
- Projektleiter des ALE als
Vorsitzender des Vorstands der TG
- Dorferneuerungsplaner
- Bürger in Arbeitskreisen organisiert
- Bestehende „traditionelle“ Vereine
- Örtliche Wirtschaftsunternehmen
- Fachliche Begleiter anderer Disziplinen
- Gemeindeverwaltung /
Koordinierungsstelle
- Andere Fachverwaltungen
Wichtige soziale Fähigkeiten:
- Kommunikationskompetenz,
Präsentationskompetenz, rhetorische
Fähigkeiten
- Soziale Vernetzung / Multiplikatorrolle
- Authentizität und Fähigkeit, Akteure zu
motivieren
- Selbständigkeit und Teamfähigkeit
- Innovationsfähigkeit
Wichtige fachliche Fähigkeiten:
- eigene Überzeugung für eine nachhaltige
Dorfentwicklung/ spezifische Projekte
- Managementkompetenz / Moderation und
Organisation
- Kompetenz für ganzheitliche Planung und
Umsetzung
- Fachwissen in den Bereichen wie z.B.
Sanierung, Erneuerbare Energie,
rechtliche Fragestellungen
Erfolgsfaktoren
Öffentlichkeitsarbeit
- Homepage der Gemeinde
- Anschlagtafeln in der Gemeinde
- Gemeindeblätter
- Mundpropaganda
- Gezielte Einzelgespräche durch Schlüsselakteure
- Gemeinde- und Ortsteilversammlungen
Dialogveranstaltungen
- Kooperationskonferenz (Mauth-Finsterau): Diskussion
aller Akteursgruppen über Stärken / Schwächen und
Folgerungen
- Seminare an den Schulen der Dorf- und Land- bzw.
Flurentwicklung
- Gemeinsame Ortsbegehungen und Diskussion über
Projekte (z.B. Fraunberg)
Qualifizierungsmaßnahmen
- starke Wertschätzung für Qualifizierungsmaßnahmen aller
Akteursgruppen
- Teilnahme an Exkursionen, Seminaren an den SDLs/
SDF, Tagungen
- Moderatorenschulungen der Bürger
- Bauberatung
- Teilnahme an einer Vielzahl von Wettbewerben und
(Forschungs-)Projekten, Netzwerken
- Bewusstsein für Prozesse entstand oft durch Leitbildarbeit,
Beschäftigung mit der eigenen Geschichte
- „Methodenkonferenz“ (Mauth-Finsterau) zur qualifizierten
Arbeit in den Projektgruppen
- Gutes vertrauensvolles Klima zwischen den Akteuren
- Zielstrebigkeit, Geduld und Offenheit für neue Themen als zentrale Eigenschaften der Schlüsselakteure
- Gute Vernetzung der Akteure in der Gemeinde und der Region
- Aufbau einer systematischen Bürgereinbindung und transparenter Strukturen
- Starker Rückhalt und aktives Management durch die Gemeinde
- Rolle des ALE als neutrale, koordinierende Stelle und fachlicher Begleiter
- Kontinuierliche Begleitung und fachlicher Input durch interdisziplinäre Berater und Planer
- Bewusstseins- und Weiterbildung durch lange Prozesse, Seminare, Planungen und Konzepte, die Problemlagen verdeutlichen
- Qualitätsmanagement durch Selbstevaluation, regelmäßige Klausurtagungen und Rückbezug auf das Leitbild
Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
Gremien
Offene Gremien zur breiten Beteiligung der Bürgerschaft:
� Gemeinde- / Bürgerversammlungen
� Arbeitskreise: aus der Vorbereitungsphase der Dorferneuerung und aus
Agenda-21-Prozessen.
� Bürgerwerkstätten
� Themen- oder projektbezogene Arbeitsgruppen
Vereine und Genossenschaften:
� Traditionelle Vereine,
� Thematisch orientierte Vereine oder
� Thematisch orientierte Genossenschaften,
� Vereine zur Dorf- bzw. Gemeindeentwicklung und Vereine zur
interkommunalen Kooperation
Gremien aus dem Dorferneuerungsverfahren:
� Teilnehmergemeinschaft
� Vorstand der Teilnehmergemeinschaft
� Örtlich Beauftragter
Koordinierungsstellen und Steuerungs- und Abstimmungsgremien
- an der Gemeinde angesiedelt (Fraunberg)
� die geschaffen wurden, um die Abstimmung der anderen Strukturen zu
ermöglichen (Zukunftsforum Ascha)
� Bürgermeisterrunde
Abstimmung der benachbarten Bürgermeister in einer ILE / Regionalen
Landentwicklung
Anerkennung und Motivation
- erhaltene Preise und Auszeichnungen bei der Teilnahme an
Wettbewerben
- Die Aufmerksamkeit und Anerkennung durch Presse, Besuche anderer
Kommunen oder durch hochrangige Besucher des ALE und StMELF
erwiesen sich bei den engagierten Akteuren als motivationsfördernd
Evaluierung
- Regelmäßige Erfolgskontrolle durch externes Büro
- Selbstverpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung (Aalborg Charta) in
Ascha
- Evaluierung im Rahmen einer gemeinsamen Klausurtagung durch
externen Experten
Hemmnisse
Gemeinden aus Dorferneuerung 2020
Finanzierung
- Förderung durch das bayerisches Dorferneuerungsprogramm
- Teilweise sehr umfassende, lange Prozesse (Roßhaupten, Lupburg)
- Finanzielle Mittel durch Modellprojekte BZA (Fraunberg, Obbach)
- Kombination verschiedener Fördermittel (Ascha, Betzenstein,
Roßhaupten, Finsterau)
Handlungsfelder und Aufgabenbereiche
- Leitbilderarbeitung, Maßnahmen und Projekte entwickeln,
unterschiedlicher Einbindungsgrad bei der Eigenleistung in Projekten
- Breite thematische Weiterführung ist häufig mit einer weiteren fachlichen
Begleitung durch Moderatoren oder wurde eine Institutionalisierung der
Bürgerarbeit verbunden (Projektgruppen, Vereinsgründungen)
(Mehrgenerationenhäuser Ammerndorf, Roßhaupten; Senioren
(Finsterau)) oder in den Bereichen Regionalvermarktung (Ascha) und
Energieproduktion / Energieeinsparung (Ascha, Hopferstadt)
Organisatorisches
- Räumlichkeiten wurden in der Regel durch die Kommune bereitgestellt
(Z.B. Roßhaupten Dorfwerkstatt)
- Entlastung der ALE Mitarbeiter und gewählten Gemeindevertreter durch
aktive Örtlich Beauftragte und Bürger
- Kontinuität der Schlüsselakteure und dauerhafte Einbindung der
Bevölkerung
- Bürgerbeteiligung auf konkrete Projekte zeitlich begrenzt als
Erfolgsfaktor (Fraunberg)
- Erarbeitung von Projekten mit konkretem Orts- und Projektbezug
- Einbindung externer Moderatoren, Planer, fachlicher Begleiter zur
Entlastung des ALE und zur weiteren fachlichen Begleitung der
Bürgerarbeit
Räumlicher Umgriff
� Ausweitung auf ganzes Gemeindegebiet in Analyse und Konzeption,
teilweise durch Zuschnitt des Verfahrensgebiets
� Einbindung in interkommunale Zusammenhänge, u.a. durch zusätzliche
informelle Planungen, teilweise durch Ergänzung mit Integrierten
Ländlichen Entwicklungskonzepten
- Teilweise unklare Abstimmungswege, mangelnder Informationsfluss
- Fehlende Einbindung der Dorferneuerung in Gemeindeentwicklung oder ILE
- Motivation der breiten Masse schwierig
- Kommunikationsprobleme (persönliche oder parteipolitische Streitigkeiten) behindern die fachliche Arbeit
- Fehlende Koordination und Abstimmung
- Personeller Bruch im Verfahren
- Bruch in der Zusammensetzung der Akteure zwischen der Vorbereitungs- und der Umsetzungsphase
- Fehlende fachliche Unterstützung und Begleitung
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2.2 Gemeinde Feldkirchen - Westerham
1. KURZPORTRÄT
Die Gemeinde Feldkirchen-Westerham ist im
nordwestlichen Teil des Landkreises Rosenheim
gelegen und etwa 40 Kilometer vom Ballungs-
raum München entfernt. Die größten Ortsteile der
Gemeinde sind Feldkirchen, Westerham,
Feldolling und Vagen.
Im Ortsteil Westerham wurde im September 2007
das Dorferneuerungsverfahren „Westerham“
angeordnet. Die Vorbereitungsphase begann
bereits im Jahre 2006.
Abgeleitet aus und ergänzend zu dem Dorferneu-
erungsverfahren wurde für das gesamte Gemein-
degebiet ein Pilotprojekt unter
dem Arbeitstitel „Soziale Gemeinde Feldkirchen-
Westerham“ durch den Bereich Zentrale Auf-
gaben (BZA) der Ämter für Ländliche Entwicklung
in Auftrag gegeben. Die im Rahmen des
Gemeinde Feldkirchen-Westerham
Pilotprojektes durchgeführte Bürgerbefragung zur Geschlechter- und Generationengerechtigkeit
ergaben, dass es insbesondere in den Bereichen Jugend- und Seniorenarbeit Versorgungslücken
gibt. Um diesen Mängeln und fehlendem Angebot unter professioneller Anleitung entgegenwirken zu
können, wurde eine externe Beraterin aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich, eine sog.
„Sozialarchitektin“, als Unterstützung und Koordinierung in den gesamten Prozess integriert.
Durch die Vereinsgründung „Soziales Netzwerk Feldkirchen-Westerham e.V“, in dem alle Kräfte
gebündelt werden, ist eine Lösungsstrategie entwickelt worden. Die Zielsetzung ist es insbesondere
alle Träger sozialer Belange, ehrenamtlich sowie professionell Tätige, vor Ort zu koordinieren und
dadurch eine Steigerung der Angebotstransparenz zu schaffen.
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
ZUSAMMENSETZUNG DES AKTEURSKREISES
Der Akteurskreis des Projektes „Soziale Gemeinde Feldkirchen-Westerham“ setzt sich auf
kommunaler Ebene aus dem Bürgermeister und seinem Gemeinderat, den Ortsvertretungen aus
Feldkirchen, Feldolling und Vagen sowie der Gemeindeverwaltung zusammen.
Zudem arbeiten Organisationen und Institutionen aus dem sozialen Bereich wie Wohlfahrtsverbände,
die Nachbarschaftshilfe sowie die evangelische und katholische Pfarrgemeinden bei der Entwicklung
von geeigneten Lösungsmöglichkeiten und –strategien mit.
Abbildung 4: Räumliche Lage der Gemeinde
Feldkirchen-Westerham
Quelle: Bearbeitet nach Regionaler Planungsverband
Auch auf bürgerschaftlicher Ebene sind bereits über Jahre gewachsene bürgeroffene Arbeitskreise,
Initiativen und Gremien wie der Ortsverschönerungsverein (OVED) und das Agenda 21-Forum, das
sog. Familienforum, in die Projekterarbeitung und –umsetzung aktiv eingebunden.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 22

Der Fokus der Zusammenführung des Akteurskreises
liegt weniger auf einzelnen Bürgern als vielmehr auf
unterschiedlichen Zusammenschlüssen von
Akteuren. Dieser Ansatz leitet sich unter anderem
daraus ab, dass die Koproduktion sozialer
Leistungen den Arbeitsschwerpunkt bildet und
nicht eine reine Planungsbeteiligung.
Ergänzt wird der Akteurskreis durch eine
externe Sozialexpertin und den Projektleiter des
Amtes für Ländliche Entwicklung (ALE)
Oberbayern sowie dem Bereich Zentrale Aufgaben
(BZA) der Verwaltung für Ländliche Entwicklung.
EIGENSCHAFTEN UND BEFÄHIGUNG DER AKTEURE
Insbesondere die Bereitschaft zur Kooperation aller
am Prozess beteiligten Personen bildet die Arbeitsbasis
für jedes weitere Vorgehen. Dazu ist es dienlich, wenn
sowohl der Kommune als auch den Organisationen,
Bürger-
offene
Arbeits-
kreise
Gemeinde Feldkirchen-Westerham
Gemeinderat
Soziale
Institutionen
Ortsvertretungen
Gemeindeverwaltung
Institutionen, Initiativen und Gremien der Nutzen, die Vorteile und der Mehrgewinn durch die
Kooperation bewusst sind und auch spürbar werden.
Eine sich entwickelnde Vertrauensbasis ist zudem für den Prozess entscheidend und gilt es zu fördern
und zu verstetigen. Dies trägt dazu bei den Vernetzungsgedanken zu stärken.
Als förderlich zeigt sich, wenn die Organisationen durch andere Mitgliedschaften in Netzwerken und
Partnerschaften bereits erste positive Erfahrungen mit Kooperationen und in Netzwerken gemacht
haben.
Zudem ist es wichtig, wenn ein Interesse und Bestreben besteht Zukunftsaufgaben gemeinsam anzu-
gehen sowie die Strukturen, die gemeinsam erarbeitet wurden mit Ideen, Kreativität und Innovationen
zu beleben, um sie zukunftsfähig und nachhaltig gestalten zu können.
IMPULSE DURCH EXTERNE AKTEURE
Durch die Begleitung und Beratung des Prozess durch eine Expertin konnte die Offenheit des Prozess
bis hin zu einer möglichen Vereinsgründung gewährleistet werden.
Auch die Fokussierung auf bestehende Akteurszusammenschlüsse und deren gezielte Einbindung
konnte durch die externe Moderation und Koordinierung des Abstimmungsprozesses erreicht werden.
Zudem wurde durch das Engagement des Projektleisters des Amtes für Ländliche Entwicklung
Oberbayern sowie dem BZA und die enge Zusammenarbeit mit der externen Expertin ermöglicht
flexibel auf die Entwicklungen vor Ort einzugehen, die angedachte Vorgehensweise nochmals neu zu
denken und den Prozess ziel- und ergebnisorientiert zu gestalten.
3. ORGANISATIONSPROZESS (-STRUKTUREN)
Der Organisationsprozess der „Sozialen Gemeinde Feldkirchen-Westerham“ untergliedert sich in zwei
Phasen. Der erste Arbeitsschritt ist die sog. Entwicklungsphase, der zweite Schritt, die sog.
Umsetzungsphase, die sich hinsichtlich ihrer Arbeitsstrukturen unterscheiden.
In der Entwicklungsphase des Prozesses befassen sich Arbeitsgruppen mit der Ausgestaltung und
Entwicklung des Projektes und der unterschiedlichen Zielsetzungen.
Abbildung 5: Akteurskreis der
Gemeinde Feldkirchen-Westerham
Quelle: Eigene Darstellung
In der Umsetzungsphase wurden neue Gremien gebildet, um die Zielsetzungen zu realisieren.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 23
Sozial-
expertin
ALE/ BZA
BZA
ALE

GREMIEN IN DER ENTWICKLUNGSPHASE
Gemeinde Feldkirchen-Westerham
Die ursprünglich angedachte Vorgehensweise „Arbeiten in Runden Tischen“ musste aufgrund sehr
unterschiedlicher und vielfältiger Interessensbekundungen und Zielvorstellungen der teilnehmenden
Akteure abgewandelt werden. Stattdessen wurde in den Bereichen „Leitbild“, „praktische Umsetzung“,
„Strukturen der Zusammenarbeit“ und „Satzung“ Arbeitsgruppen gebildet. Diese waren mit Personen
der unterschiedlichen am Prozess beteiligten Organisationen, Institutionen und Initiativen besetzt
sowie teils auch mit Mitgliedern des Gemeinderats wie zum Beispiel die Mitarbeit eines
Gemeinderatsmitgliedes in der Arbeitsgruppe „Satzung“. Diese Zusammenarbeit der
unterschiedlichen Akteursgruppen trägt einerseits dazu bei die Kooperationsbereitschaft und die
Konsensfindung von Prozessbeginn an zu fördern und zu stärken, andererseits die Informationen über
den Projektstand möglichst auf allen Ebenen zu vermitteln und zu verbreiten und eine
Kommunikationsprozess anzustoßen.
Die Zielsetzung der Entwicklungsphase ist die Vorbereitung einer Vereinsgründung, welche als eine
Art Netzwerk angedacht ist, in dem unterschiedliche Organisationen, Institutionen und bürgeroffene
Arbeitskreise zusammengeführt, Informationen, Erfahrungen und Ressourcen ausgetauscht sowie
differierende Sichtweisen, Vorstellungen und Werte vereint werden.
Durch diese neu geschaffene Struktur soll die Zusammenarbeit und Koordinierung aller
Akteursverbunde und ihrer individuellen Angebote gesichert werden. Dadurch kann zukünftig
vermieden werden, dass die Angebotsvielfalt durch viele Angebotsdopplungen gekennzeichnet ist und
zudem können Versorgungslücken leichter ermittelt und nachfrageorientierter geschlossen werden.
Außerdem sollen in dem Verein neue Ideen ausgehandelt, formuliert und in den politischen Prozess
eingespeist werden.
Dieser geplante Verein steht aber nicht in Konkurrenz zu der traditionellen Vereinsarbeit. Dies wurde
von Anfang an versucht zu vermeiden, in dem entsprechende Ziele formuliert und die
Aufgabenbereiche klar definiert wurden.
Bereits in der Entwicklungsphase wurde eine Vereinssatzung erarbeitet, die einstimmig vom
Gemeinderat mitgetragen wird.
GREMIEN IN DER UMSETZUNGSPHASE
Der in der Entwicklungsphase vorbereitete Verein „Soziales Netzwerk Feldkirchen-Westerham e.V.“
soll sich zu einem selbsttragenden System entwickeln.
Der erste Vorsitzende des Vereins wird durch ein Mitglied des Gemeinderats besetzt. So bleibt die
Entscheidungskompetenz, Mitbestimmung und Verantwortung für den Verein auf kommunaler Ebene
verankert. Sein Stellvertreter muss nicht zwingend ein Mitglied des Gemeinderats sein. Beide
Funktionäre des Vereins werden in einer Mitgliederversammlung gewählt.
Mitglieder des Vereins sind nur juristische Personen wie Organisationen, Institutionen und die
Gemeinde. Nicht aber Ortsvertretungen, der Ortsverschönerungsverein und das Agenda 21-Forum,
da sie lediglich informelle Zusammenschlüsse darstellen. Diese können über einen Beirat in das
Vereinsleben eingebunden werden.
Zudem kann die Vereinsarbeit über Ausschüsse zu bestimmen Frage- und Themenstellungen ergänzt
werden, die jederzeit einberufen werden können und in welchen auch Nicht-Mitglieder des Vereins
mitarbeiten können.
Außerdem soll die Vereinsarbeit über eine Koordinierungsstelle besser vernetzt werden, die durch
eine professionelle Kraft besetzt werden soll.
AUFGABENBEREICHE IN DER ENTWICKLUNGSPHASE
Zum Auftakt des Prozesses haben der Gemeinderat und die Gemeindeverwaltung der Expertin, die
den gesamten Prozess begleitet und beratend tätig ist, einen Einblick in das Gemeindeleben gegeben
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 24

Gemeinde Feldkirchen-Westerham
und die für den Prozess wichtigen Akteure in einem gemeinsamen Treffen definiert. Denn sie verfügen
über wichtiges lokales Know-How und Wissen, dass für den Prozess entscheidend sein kann und das
berücksichtigt werden muss. Es erfolgten Experteninterviews in den Bereichen, in denen zuvor durch
eine Bürgerbefragung für verschiedene Generationen Versorgungslücken festgestellt wurden.
Die in der Entwicklungsphase tätigen Arbeitsgruppen „Leitbild“, „praktische Umsetzung“, „Strukturen
der Zusammenarbeit“ und „Satzung“ haben eigenständig Ergebnisse zu ihren Themenbereichen bis
zum jeweils nächsten Akteurstreffen erarbeitet. Je nach Bedarf hat die Expertin die einzelnen
Arbeitstreffen moderiert und geleitet.
In den Akteurstreffen wurden die einzelnen Arbeitsergebnisse gemeinsam diskutiert, erörtert und
bedarfsgerecht weiterentwickelt und an die Wünsche und Vorstellungen der andren engagierten
Personen angepasst. All jene Treffen waren in einem besonderen Maß auf eine Konsensfindung unter
Berücksichtigung einer großen Meinungsvielfalt ausgerichtet.
AUFGABENBEREICHE IN DER UMSETZUNGSPHASE
Für die Umsetzungsphase wurden zwei Startprojekte im Bereich Senioren und im Bereich offene
Jugendarbeit definiert.
Der Vorstand übernimmt nicht nur den Vereinsvorsitz und damit verbundene wichtige Entscheidungs-
befugnisse, sondern steht auch der Koordinierungsstelle vor und ist ihr weisungsbefugt.
Für die Koordinierungsstelle wurden zunächst die folgenden fünf Aufgabenbereiche definiert:
� Vermittlungs- und Lotsentätigkeit für die Mitgliederorganisationen und externe Akteure,
� Beratung von Bürgern zur passgenauen Vermittlung von vorhandenen Diensten und
Angeboten,
� Weiterentwicklung bedarfsgerechter Infrastrukturen wie zum Beispiel die Schaffung eines
Dienstes für alltagsnahe Unterstützungsleistungen,
� Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in der Gemeinde und
� Koordinierungsarbeit und interne Kommunikation durch Informationsvermittlung und Dialoge mit
den engagierten Akteursgruppen.
Die Vereinsmitglieder sollen die Koordinierungsstelle aktiv unterstützen und vorhandene Angebote
übersichtlich gestalten. Zudem gibt die Mitgliederversammlung in enger Zusammenarbeit mit dem
Vorstand zu bearbeitende Themen vor, welche dann durch die Koordinierungsstelle angeleitet und
durch Finden geeigneter Partner bearbeitet werden sollen.
Der Beirat des Vereins hat keine Mitbestimmungsrechte, aber starke Beteiligungsrechte. Dieser kann
zwar keine Entscheidungen treffen, aber kann in jeder Phase mitbestimmen und Themen auf die
Tagesordnung der Vereinssitzungen setzen.
ZUSAMMENARBEIT UND SPIELREGELN DER GREMIEN
Teils funktioniert die Zusammenarbeit bereits sehr gut, da positive Erfahrungen und Gepflogenheiten
in der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen bestehen, teils werden aber auch Abgrenzungs-
wünsche bzw. –bestrebungen deutlich.
Es ist von großer Bedeutung, die Konkurrenz zwischen den einzelnen Akteurszusammenschlüsse zu
überwinden und eine Kooperationskultur zu etablieren.
Regelmäßige Mitgliederversammlungen dienen dem Gedankenaustausch, dem gegenseitigen
Verstehen und der gemeinsamen Diskussion über wichtige Aufgaben- und Themenbereiche sowie
mögliche Weiterentwicklungen des Vereins, so dass Projekte in die Umsetzungsreife kommen.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 25

Gemeinde Feldkirchen-Westerham
Denn insgesamt lebt die Zusammenarbeit innerhalb des Vereins von den Inhalten und gemeinsam
erfolgreichen Projektentwicklungen und -umsetzungen.
Zudem ist es wichtig, dass die Strukturen der Zusammenarbeit so offen gestaltet sind, dass sowohl
Mitglieder als auch Nicht-Mitglieder ihre Anliegen vorbringen können.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(WISSENSGENERIERUNG UND WILLENSBILDUNG)
BETEILIGUNGSMETHODEN
Im Rahmen von Bürgerversammlungen wird auf das Projekt und den möglichen Verein „Soziales
Netzwerk Feldkirchen-Westerham e.V.“ durch den Bürgermeister und seine Stellvertreterin immer
wieder hingewiesen, um über die Erweiterung des Angebotes zu berichten und auch um eine
Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen, die neue Angebotsvielfalt bei Bedarf auch nachzufragen
und anzunehmen.
Zudem informiert die Expertin aktive und interessierte Bürger über den aktuellen Projektstand und die
zukünftigen Planungen.
Die weitere Arbeit des Vereins wird noch einer erweiterten und adressatengerechten Öffentlichkeits-
arbeit bedürfen, möglicherweise auch über den Einsatz verschiedener und neuer Medien und
Kommunikationswege.
Um aber nicht nur externe Akteure, die nicht an der Projektentwicklung und –entstehung beteiligt sind,
sondern auch interne Akteure stetig zu informieren und über die neuesten Entwicklungen in Kenntnis
zu setzen wurde ein E-Mail-Verteiler eingerichtet, um die Informationen an alle Akteure gleichermaßen
zu übermitteln und einen gleichen Wissenstand für weitere Diskussionen zu generieren.
Außerdem wurde eine Auftaktversammlung mit allen für den Prozess wichtigen Akteuren veranstaltet,
sodass diese sich gegenseitigen Kennenlernen und das geplante Projekt wurde vorgestellt. Die
Auswahl der Akteure zu Beginn des Prozess ist sehr wichtig, da sie den Prozess langfristig gestalten
und beeinflussen und auch als Multiplikatoren des Projektes agieren können.
Um ein Meinungsbild über die Ist-Situation im sozialen Bereich und die nötigen Lösungswege und
Handlungsansätze zu erhalten, wurde eine Meinungsabfrage gestartet. Von der Expertin wurden
Experteninterviews mit verschiedenen Akteuren durchgeführt, um die Meinung und Anregungen der
professionellen wie auch ehrenamtlich tätigen Akteure abfragen und berücksichtigen zu können. Dazu
wurden die Interviews dokumentiert und ausgewertet.
In regelmäßig stattfindenden Akteurstreffen haben sich die beteiligten Akteure ausgetauscht und
gemeinsam das Projekt weiterentwickelt und konkretisiert. Diese Akteurstreffen waren immer durch
eine klare Struktur gekennzeichnet, in der die Expertin zunächst eine Berichterstattung über den
aktuellen Projektstand und die weiteren Arbeitsschritte gegeben hat und in einem weiteren Schritt
wurden die unterschiedlichen Meinungen, Ideen und Anregungen unter den Akteuren ausgetauscht.
Zudem haben die einzelnen Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse dem Plenum präsentiert, die
anschließend gemeinsam diskutiert wurden. Dabei war es immer wichtig einen Konsens zu schaffen
welche Zielsetzungen erreicht werden sollen. Der für den Prozess entscheidende Konsens war es,
dass alle Akteursgruppen in einem Zusammenschluss arbeiten wollen.
ANERKENNUNG UND MOTIVATION
Die Motivation der einzelnen Akteure und Akteursgruppen am Prozess aktiv teilzunehmen sind einer-
seits eine Optimierung des Angebotes, gezielte Umsetzungen und konkrete Projekte zu verwirklichen,
anderseits an den politischen Entwicklungsprozessen stärker mitzuwirken. Hierbei lassen sich zwei
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Gemeinde Feldkirchen-Westerham
unterschiedliche Motivationsstränge erkennen und zwei Akteursgruppen definieren, die sich dieses
Themas besonders angenommen haben.
Zum einen die Gruppe, die durch mangelnde Umsetzungsfortschritte in der Dorferneuerung
demotiviert und frustriert waren und die sich mit diesem Projekt neue Aufgabenbereiche und
Umsetzungserfolge erhoffen, zum anderen die Gruppe, die am politischen Geschehen der Gemeinde
aktiv mitwirken will und das Projekt im Rahmen des Leitbildprozesses eingegliedert sieht.
Auch die Bereitschaft verbindlich zusammenzuarbeiten zu wollen, ist eine Motivation den Prozess zu
unterstützen.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
FINANZIERUNG
Die Anschubfinanzierung des Projektes wurde durch das BZA der Verwaltung für Ländliche
Entwicklung durch eine 50%-Finanzierung geleistet, welche durch eine 50%-Finanzierung durch die
Gemeinde ergänzt wurde.
Des Weiteren wurden zur Kostenreduzierung seitens der Gemeinde viele Aufgaben je nach
Möglichkeit in Eigenregie übernommen.
Die Finanzierung der Koordinierungsstelle, welche zukünftig die Vereinsarbeit unterstützt wird durch
die Gemeinde getragen.
HANDLUNGSFELDER UND THEMENBEREICHE
Das Projekt „Soziale Gemeinde Feldkirchen-Westerham“ wurde als Ergänzungs- und
Erweiterungsprojekt zu der Dorferneuerung Westerham und der Gemeindeentwicklung Feldkirchen-
Westerham initiiert, um auf die benötigten Bedarfe und Versorgungsengpässe aufgrund des
demographischen Wandels reagieren zu können.
Grundsätzlich sind folgende zwei Handlungsbereiche abzudecken. Einerseits die Koproduktion
sozialer Dienstleistungen, andererseits die politischen Beteiligung am Entwicklungsprozess der
Gemeinde
Folgende Themenbereiche sind hierbei relevant:
Das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken, den Umgang mit dem demographischen Wandel unter
Berücksichtigung der Generationengerechtigkeit zu gestalten, das Schließen von Versorgungslücken
in den Bereichen Jugend und Senioren, die gezielte Projektumsetzung durch Koproduktion sozialer
Dienstleistungen und die politische Beteiligung am Entwicklungsprozess der Gemeinde angeknüpft
am Leitbildprozess im Rahmen der Dorferneuerung.
ORGANISATORISCHES
Die Akteurs- und Abstimmungstreffen wurden in den Räumlichkeiten der Gemeinde veranstaltet.
Die Koordinierungsstelle wird nicht an der Gemeinde angesiedelt werden, um dem Anspruch der
geteilten Verantwortung gerecht werden zu können und um einen leichten Zugang und niedrige
Hemmschwellen für alle Bürger zu schaffen. Daher wird sie als Übergangslösung beim Bürgertreff der
AWO angesiedelt. Hier kann auf bestehende Strukturen aufgebaut und diese genutzt werden.
Der Verein soll seine Rechtverbindlichkeit durch eine Satzung erlangen und somit einen dauerhaft
ausgerichteten und langfristig wirksamen Prozess ermöglichen und sichern.
RÄUMLICHER UMGRIFF
Das Projekt schließt das ganze Gemeindegebiet ein und ist nicht auf einzelne Ortsteile beschränkt.
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Gemeinde Feldkirchen-Westerham
Die Überschneidungspunkte und die Zusammenarbeit zwischen der Dorferneuerung Westerham und
dem Projekt „Soziale Gemeinde Feldkirchen-Westerham“ liegt im baulich-funktionalen Bereich, da
sich in der Dorferneuerung die Frage stellt, wie Gebäude im Gemeindegebiet funktional neu oder
umgenutzt werden können.
6. FAZIT
Das Beteiligungsmodell der Gemeinde Feldkirchen-Westerham zeichnet sich insbesondere dadurch
aus, dass es auf einem starken Vernetzungsgedanken aufbaut und ein Netzwerk gebildet wird, um
das vielfältige Angebot bedarfsgerecht und zukunftsfähig zu gestalten. Dies konnte gelingen, da eine
Sozialexpertin den gesamten Prozess aktiv unterstützt und begleitet hat. Mitgetragen wird dieses von
vielen starken Kräften vor Ort, insbesondere auch von den kommunalpolitischen Entscheidungs-
trägern. Der Gemeinderat wird nicht nur Mitglied des gegründeten Vereins und den Vorsitz innehaben,
sondern auch die Koordinierungsstelle finanzieren.
Einerseits wird auf das bereits vorhandene Angebot der unterschiedlichen Institutionen und
Organisationen und deren großem Engagement aus dem sozialen Bereich aufgebaut, andererseits
wird dieses systematisch gebündelt, um einen Versorgungsüberschuss auf der einen Seite zu
vermeiden und Versorgungslücken auf der anderen Seite zu schließen.
Der Netzwerkansatz ermöglicht zudem eine Vereinigung unterschiedlicher Motivationsstränge und
Denkansätze der verschiedenen Akteursgruppen.
Jedoch bedarf es noch einer verstärkten Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung, um die Vorteile
und den Nutzen der Kooperationen den einzelnen Akteursgruppen deutlicher zu vermitteln und zu
präsentieren. Positiv unterstützt werden könnte dieser Prozess durch ein erfolgreiches Gelingen der
beiden definierten Startprojekte im Bereich Jugend sowie im Bereich Senioren, da so die positiven
Effekte einer Kooperation erlebbar und spürbar werden.
Insbesondere müssen im Verlauf des Prozesses auch Ängste nicht ernst genommen zu werden
aufgrund negativer Erfahrungen der bürgerschaftlichen Akteure abgebaut werden.
Insgesamt kann es sich auch als großer Vorteil in der Umsetzungsphase erweisen, dass bereits
bestehenden Organisationsstrukturen wie die Räumlichkeiten des Bürgertreffs der AWO als vorläufige
Servicestelle genutzt werden können. Dies kann sich insofern als hilfreich erweisen, dass zwischen
der Entwicklungs- und Umsetzungsphase kein Stillstand erzeugt wird, sondern dass ein fließender
Übergang gewährleistet werden kann.
Während des gesamten Prozesses wurden die engagierten Akteursgruppen sowie die Expertin stetig
von einem beauftragten Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung in unterschiedlichen Belangen und
Aufgabenbereichen unterstützt und betreut. Diese Zusammenarbeit hat den Entwicklungsprozess
wesentlich mitgetragen.
Ein Personalwechsel im Verlauf des Prozesses seitens der Gemeindeverwaltung erwies sich zunächst
aus zeitlichen Gründen als eine Herausforderung. Gemeinsam erarbeitetes Wissen und Know-How,
eine bewährte Aufgabenverteilung und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Akteuren
musste wieder neu erarbeitet werden.
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Beteiligungsmodell der Gemeinde Feldkirchen-Westerham
Akteure Beteiligungsmethoden und
Qualifizierungsmaßnahmen
Akteursgruppen
� Fokus liegt auf
Zusammenschlüssen von
Akteuren, nicht bei
einzelnen Bürgern
(Unterschied zwischen
Planungsbeteiligung und
Koproduktion sozialer
Dienstleistungen)
- Bürgermeister und
Gemeinderat
- Gemeindeverwaltung
- Verein für Ortsverschönerung
und Dorfentwicklung
Westerham e.V. (OVDE)
- Agenda 21-Forum, sog.
Familienforum (veranstaltet
seit 10 Jahren
Vernetzungstreffen, so dass
der Prozess daran anknüpfen
konnte)
- Ortsvertretungen
(Feldkirchen, Feldolling,
Vagen)
- Organisationen und
Institutionen, wie
Wohlfahrtsverbände (z.B.:
AWO), Nachbarschaftshilfe
- Initiativen
- Pfarrgemeinden
- Projektleiter des Amts für
Ländliche Entwicklung
- Expertin aus dem Bereich
Sozialwissenschaft, um den
Abstimmungsprozess zu
koordinieren
Notwendige Eigenschaften
- Bereitschaft zur Kooperation
- Vorteile von Kooperationen
müssen der Kommune wie
auch den Organisationen
bewusst sein
- Bestreben Zukunftsaufgaben
anzugehen
- Bewusstsein muss vorhanden
sein
Erfolgsfaktoren
Öffentlichkeitsarbeit
- Im Rahmen von Bürgerversammlungen wird
auf die Arbeit und den möglichen Verein
„Soziales Netzwerk Feldkirchen-Westerham
e.V.“ durch den 1. und 2. Bürgermeister
hingewiesen
- Bei der weiteren Arbeit des Vereins wird es
noch weiterer Öffentlichkeitsarbeit bedürfen
- E-Mail-Verteiler um alle Akteure
gleichermaßen zu informieren
- Sowohl Expertin als ein Mitglied des
Gemeinderats informieren aktive und
interessierte Bürger über aktuellen und
zukünftigen Projektstand
Informationsveranstaltungen
- Auftaktversammlung mit allen für den
Prozess wichtigen Akteure (sehr wichtig ist
die Auswahl der Akteure); gegenseitiges
Kennenlernen und Vorstellung des
geplanten Projektes
Dialoge zur Meinungsabfrage
- Experteninterviews durch die Expertin, um
die Meinung und Anregungen der
professionellen wie auch ehrenamtlich
tätigen Akteure abfragen und
berücksichtigen zu können
Dialogveranstaltungen
- Regelmäßige Akteurstreffen;
Berichterstattung über den aktuellen
Projektstand und die weiteren
Arbeitsschritte seitens der Expertin, die das
Projekt begleitet und betreut, Austausch der
unterschiedlichen Meinungen, Ideen und
Anregungen unter den Akteuren;
Arbeitsgruppen stellen ihre Ergebnisse dem
Plenum vor und gemeinsame Diskussion
- Konsens schaffen, welche Zielsetzungen
erreicht werden sollen; erstes gemeinsames
Ziel ist der Zusammenschluss aller Akteure
- Vereinigung unterschiedlicher Motivationsstränge und Denkansätze
- Viele starke Kräfte vor Ort
- Aufbauen auf großes Engagement im sozialen Bereich
- Nutzen von bereits bestehenden Organisationsstrukturen (z.B. Räumlichkeiten des Bürgertreffs der AWO als vorläufige Servicestelle)
- Ansprechpartner in der Gemeindeverwaltung ist sehr wichtig
Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
Gremien in der Entwicklungsphase
- Ursprünglich angedachte Vorgehensweise Arbeiten in Runden Tischen musste aufgrund sehr unterschiedlicher und vielfältiger
Interessensbekundungen und Zielvorstellungen variiert werden
- Stattdessen Arbeitsgruppen in den Bereichen „Leitbild“, „praktische Umsetzung“, „Strukturen der Zusammenarbeit“, „Satzung“, die mit
Akteuren der unterschiedlichen Organisationen wie auch teils mit Gemeinderäten besetzt waren
- Zielsetzung der Entwicklungsphase: Gründung eines Vereins zur Zusammenarbeit und Koordinierung aller Akteure und ihrer Angebote, in
dem auch neue Idee ausgehandelt, formuliert und in den politischen Prozess eingespeist werden; Erarbeitung einer Vereinssatzung (wird
vom Gemeinderat auch einstimmig mitgetragen)
Gremien in der Umsetzungsphase
- Verein „Soziales Netzwerk Feldkirchen-Westerham e.V.“ (keine Konkurrenz zu bestehenden Vereinen) als selbsttragendes System
- Vorstand besetzt durch ein Mitglied des Gemeinderats; Stellvertreter nicht zwangsläufig Gemeinderatsmitglied
- Koordinierungsstelle besetzt durch eine professionelle Kraft
- Mitglieder des Vereins nur juristische Personen wie Organisationen, Institutionen, Gemeinde (nicht aber Ortsvertretungen, Agenda 21-
Forum, da sie nur informelle Zusammenschlüsse sind)
- Beirat des Vereins besetzt mit Ortsvertretungen und Agenda 21-Forum
- Ausschüsse können zu bestimmen Frage- und Themenstellungen einberufen werden, in denen auch Nicht-Mitglieder mitarbeiten können
Aufgabenbereiche und Kompetenzen in der Entwicklungsphase
- Gemeinderat und –verwaltung geben Einblick in das Gemeindeleben und definieren die für den Prozess wichtigen Akteure gegenüber
der Expertin in einem gemeinsamen Treffen, da sie über wichtiges lokales Know-How verfügen
- Arbeitsgruppen haben in der Entwicklungsphase des Projektes eigenständig Ergebnisse zu ihren Themenbereichen bis zum jeweils
nächsten Akteurstreffen erarbeitet; je nach Bedarf hat die Expertin die Arbeitstreffen moderiert und geleitet
Aufgabenbereiche und Kompetenzen in der Umsetzungsphase
- Zwei Startprojekte im Bereich Senioren und im Bereich offene Jugendarbeit
- Vorstand übernimmt nicht nur den Vereinsvorsitz und wichtige Entscheidungsbefugnisse, sondern steht auch der Koordinierungsstelle vor
und ist weisungsbefugt
- Koordinierungsstelle hat 5 Aufgabenbereiche:
Vermittlungs- und Lotsentätigkeit für die Mitgliederorganisationen und externe Akteure, Bürgerfreundlichkeit schaffen, Weiterentwicklung
bedarfsgerechter Infrastrukturen wie z.B.: Schaffung eines Dienstes für alltagsnahe Unterstützungsleistungen, Förderung des
bürgerschaftlichen Engagements in der Gemeinde, Koordinierungsarbeit und interne Kommunikation und Information
- Vereinsmitglieder sollen die Koordinierungsstelle aktiv unterstützen, vorhandene Angebote übersichtlich machen; Mitgliederversammlung
und Vorstand geben zu bearbeitende Themen vor, auch für Koordinierungsstelle;
Wahl des stellvertretenden Vereinsvorstands
- Beirat des Vereins hat keine Mitbestimmungsrechte, aber starke Beteiligungsrechte; kann keine Entscheidungen treffen, aber wird in
jeder Phase eingebunden und kann Themen auf die Tagesordnung bringen
Zusammenarbeit der einzelnen Gremien
- Teils funktioniert die Zusammenarbeit bereits sehr gut, da Erfahrungen und Gewohnheit in der Zusammenarbeit mit anderen
Organisationen bestehen, teils bestehen Abgrenzungswünsche oder –bestrebungen
Zielsetzungen für die zukünftige Zusammenarbeit
- Konkurrenz überwinden, Kooperation etablieren
- Regelmäßige Mitgliederversammlungen dienen dem Gedankenaustausch und der Diskussion über wichtige Aufgaben- und
Themenbereiche sowie mögliche Weiterentwicklungen mit dem Ziel Projekte umsetzungsreif zu entwickeln
- Zusammenarbeit lebt von erfolgreichen Projekten; Strukturen müssen thematisch gefüllt werden
- Strukturen der Zusammenarbeit müssen so offen gestaltet sein, dass Mitglieder und Nicht-Mitglieder ihre Anliegen vorbringen können
Motivation
- Die Motivation der einzelnen Akteure und Akteursgruppen am Prozess aktiv teilzunehmen sind:
Einerseits gezielte Umsetzung zu erreichen, anderseits an den politischen Entwicklungsprozessen stärker mitzuwirken
- Bereitschaft verbindlich zusammenzuarbeiten
Gemeinde Feldkirchen-Westerham
Finanzierung
- Anschubfinanzierung des Projektes durch BZA der Verwaltung für
Ländliche Entwicklung (50%-Finanzierung)
- Finanzierung des Projektes durch die Gemeinde (50%-
Finanzierung)
- Zur Kostenreduzierung wurden seitens der Gemeinde Aufgaben je
nach Möglichkeit in Eigenregie übernommen
- Finanzierung der Koordinierungsstelle durch die Gemeinde
Handlungsfelder und Themenbereiche
- Projekt „Soziale Gemeinde Feldkirchen-Westerham“ als
Ergänzungs- und Erweiterungsprojekt zu Dorferneuerung
Westerham und Gemeindeentwicklung Feldkirchen-Westerham,
um auf die benötigten Bedarfe aufgrund des demographischen
Wandels reagieren zu können
- Zwei grundsätzlich unterschiedliche Handlungsbereiche:
1. Koproduktion sozialer Leistungen
2. Politischen Beteiligung am Entwicklungsprozess der
Gemeinde
- Themenbereiche:
� Zusammengehörigkeitsgefühl stärken
� Umgang mit dem demographischen Wandel / Generationen
� Schließen von Versorgungslücken in den Bereichen Jugend
und Senioren
� Gezielte Projektumsetzung durch Koproduktion sozialer
Dienstleistungen
� Politische Beteiligung am Entwicklungsprozess der Gemeinde
angeknüpft am Leitbildprozess im Rahmen der
Dorferneuerung
Organisatorisches
- Akteurs- und Abstimmungstreffen wurden in den Räumlichkeiten
der Gemeinde veranstaltet
- Koordinierungsstelle nicht bei der Gemeinde angesiedelt um dem
Anspruch der geteilten Verantwortung gerecht werden zu können;
auch um einen leichten Zugang für alle Bürger schaffen, daher
wird sie als Übergangslösung beim Bürgertreff der AWO
angesiedelt (Aufbauen auf bestehenden Strukturen)
Räumlicher Umgriff
- Projekt schließt ganzes Gemeindegebiet ein, nicht auf einzelne
Ortsteile beschränkt
- Zusammenarbeit zwischen Dorferneuerung Westerham und
Projekt „Soziale Gemeinde Feldkirchen-Westerham“ in baulich-
funktionalen Fragen: wie können Gebäude im Gemeindegebiet
funktional genutzt werden?
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 29
Hemmnisse
- Personalwechsel bei der Betreuung des Projekts seitens der Gemeindeverwaltung
- Negative Erfahrungen der Akteure und Ängste, dass Anliegen nicht ernst genommen werden
- Bewusstsein für die Vorteile von Kooperationen sind noch ausbaufähig

2.3 Gemeinde Perasdorf
1. KURZPORTRÄT
Die niederbayerische Gemeinde
Perasdorf liegt im Landkreis Straubing
– Bogen und ihre Einwohnerzahl
beträgt 673 (Stand 2009) Einwohner
(vgl. Bay. Landesamt für Statistik und
Datenverarbeitung).
In der Gemeinde Perasdorf wurde im
Jahr 2007 ein Verfahren der Dorf-
erneuerung angeordnet, um die
Entwicklung der ländlich geprägten
Gemeinde nachhaltig und zukunfts-
gerecht zu gestalten. Das
Dorferneuerungsgebiet umfasst den
Hauptort Perasdorf. Jedoch wird das
Verfahren als Gemeindeentwicklung
begriffen. Dies spiegelt sich auch im
Leitbild wider.
Der Anstoß eine Entwicklungsstrategie
Gemeinde Perasdorf
für das gesamte Gemeindegebiet zu planen und zu realisieren, ergab sich aus der Durchführung von
LENA (Ländliche Entwicklung – Nachhaltigkeit mit System). Dieses Instrumentarium, welches aus
unterschiedlichen Bausteinen zur Erfassung der Ist–Situation mit ihren Schwächen und Stärken
besteht, zeigte die unterschiedlichen Probleme und Handlungsbedarfe der Kommune auf. Perasdorf
ist eine der Modellgemeinden, in der sich das noch in der Entwicklungsphase befindende Instrument,
angewendet wurde.
Daraus konnte abgeleitet werden, dass ein einfaches Flurbereinigungsverfahren zur Verbesserung der
Hofstellen den zukünftigen Herausforderungen der Gemeinde nicht ausreichend gerecht werden kann,
wie es zuerst angedacht war. Diese aktuellen und zukünftigen Problemstellungen sind in vielen
Themenfeldern und Aufgabenbereichen bemerkbar und bedürfen langfristig angelegter Lösungswege,
die von einer breiten Bürgerbeteiligung getragen werden müssen und die Beteiligung unterschiedlicher
Akteursgruppen einschließlich ihrer unterschiedlichen Interessen zulassen. Daher wurde ein
Dorferneuerungsverfahren angeordnet.
Das Verfahren der Dorferneuerung wird voraussichtlich in den nächsten vier bis fünf Jahren
abgeschlossen sein.
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
ZUSAMMENSETZUNG DES AKTEURSKREISES
Abbildung 5: Räumliche Lage der Gemeinde Perasdorf
Quelle: Bearbeitet nach Regionaler Planungsverband
Die am Entwicklungsprozess beteiligten Akteure sind die Gemeinderäte und der Bürgermeister, die
Arbeitskreissprecher der im Rahmen der Dorferneuerung gegründeten Arbeitskreise, die
Vorstandschaft der Teilnehmergemeinschaft (TG) der Dorferneuerung sowie die der Flurbereinigung,
Vorstände unterschiedlicher ortsansässiger Vereine sowie interessierte Bürger.
All jene unterschiedlichen Akteursgruppen sind in der sog. Konstenz-Gruppe, welche als ein
bürgeroffenes, integrierendes Gremium zu beschreiben ist, vertreten und organisiert.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 30

Durch die Bildung eines solchen Gremiums,
dem sowohl eine Weisungs- als auch
eine Entscheidungskompetenz übertragen ist,
ist eine dem Prozess übergeordnete Instanz geschaffen
worden. Diese stellt einen wichtigen Bestandteil der
Organisationsstrukturen da (siehe Organisations-
prozess).
Durch die Zusammensetzung der Gruppe kann
vermieden werden, dass es zu einer Konkurrenz-
situation zwischen traditionellen Vereinen und neu
entstanden Arbeitsgruppen kommt. Da diese teils auf
gleichen Handlungsfeldern wie beispielweise im Bereich
Freizeit und Kultur aktiv sind, können durch eine geeignete
Informationspolitik und Aushandlungsprozesse Zielsetzungen
abgestimmt, gemeinsame Ideen entwickelt und realisiert werden.
IMPULSE DURCH EXTERNE AKTEURE
Gemeinderat
Bürgermeister
Projektgruppen
Gemeinde Perasdorf
Vereine
Einzelne
Bürger
Neben den ortsansässigen engagierten Personen wird der Entwicklungsprozess zudem durch Impulse
und Ideen von externen Experten unterstützt und gefördert. Um das Verfahren zu unterstützen wurde
ein Planungsbüro beauftragt, welches viele unterschiedliche Fachbereiche abdecken kann.
Der gesamte Prozess wird zudem intensiv seitens des Amtes für Ländliche Entwicklung (ALE)
Niederbayern begleitet.
3. ORGANISATIONSPROZESS (-STRUKTUREN)
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
GEMEINDERAT
Die Rolle des Gemeinderats ist entscheidend. Allerdings bedarf es hierzu einer sachlichen
Arbeitsebene, welche zu weiten Teilen erreicht ist. Jedoch sind noch weitere konfliktlösende Seminare
notwendig, um bestehende Probleme zwischen einzelnen Mitgliedern des Gemeinderats zu
thematisieren und einzugrenzen. Erst dann kann der Gemeinderat seine Rolle klarer definieren und
zielgerichteter arbeiten.
Der Bürgermeister ist ein Schlüsselakteur in dem Prozess, da er die Arbeit der einzelnen Projekt-
gruppen sowie des Vorstands der TG positiv unterstützt; teils übernimmt er die Rolle des moderaten
Konfliktmanagers. Zudem agieren auch andere Mitglieder des Gemeinderats als Schlüsselpersonen
des Entwicklungsprozesses.
All jene Akteure können zu einer dauerhaften Verstetigung des Prozess beitragen. Dennoch ist die
Rolle des Bürgermeisters so bedeutend, dass nach seiner möglichen Amtsaufgabe der
Beteiligungsprozess nicht zwangsläufig weitergeführt werden muss.
KONSTENZ-GRUPPE
Die Konstenz-Gruppe erarbeitet auf einer kooperativen Arbeitsebene einen Projektplan, welcher
Projekte aus unterschiedlichen Themenbereichen, wie Natur, Siedlung, Soziales, Kommunikation,
Infrastruktur und Wirtschaft beinhaltet.
„Konstenz -
Gruppe“
Diese Projekte werden klar nach ihrem zeitlichen Ablauf auf ein Jahr beschränkt sowie dem
verantwortlichen Projektgruppensprecher und der jeweiligen Unterstützer definiert. Die aus dem
Verfahren der Dorferneuerung bekannten Arbeitskreise sind durch diese projektbezogenen
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TG
Abbildung 6: Akteurskreis der
Gemeinde Perasdorf
Quelle: Eigene Darstellung
Fach-
experten
ALE

Gemeinde Perasdorf
Arbeitsgruppen ersetzt. Verantwortliche können dabei beispielsweise Akteure aus der Bürgerschaft,
dem Verantwortlichem des Amtes für Ländliche Entwicklung oder auch der Bürgermeister (eher selten
und auch nur im Falle einer konkreten Aufgabenstellung bezüglich der Gemeindebelange) sein. Um
den Projektstart zu sichern, wird zudem der erste Termin des Projekttreffens festgesetzt. Für all jene
Projekte bildet das Leitbild der Gemeinde den Orientierungs- und Handlungsrahmen. Diese
Herangehensweise erlaubt zeitnahe und sichtbare Erfolge zu generieren, welche wiederum
motivationsfördernd auf die Beteiligten wirken können.
Das bereits bestehende Aufgabenspektrum der Konstenz-Gruppe könnte möglicherweise noch um
weitere wichtige Arbeitsfelder ergänzt werden, wie die Evaluierung und Fortschreibung des Leitbilds
und damit einhergehend die Funktion einer Kontrollinstanz, inwieweit die Gemeinde das Leitbild bei
ihren Entscheidungen berücksichtigt.
PROJEKTGRUPPEN
Die Mitglieder einer Projektgruppe bearbeiten nicht nur festgesetzte Projekte eigenverantwortlich,
sondern sie übernehmen zudem die Funktion eines Multiplikators, um interessierte und potentielle
Akteure als Unterstützer und Mitarbeiter zu finden. Beispielsweise konnten auf diesem Weg
Jugendliche projektbezogen (z.B.: Holzkegelbahn, Wiederbelebung der KJD) gezielt in den
Beteiligungsprozess eingebunden werden.
Die jährlich neu gebildeten Projektgruppen sind offen und zugleich flexibel aufgebaut. Die
Teilnehmerzahl einer Projektgruppe kann sehr stark variieren, es kann auch nur eine Einzelperson
sein. Das Selbstbild der Projektgruppen hat sich im Verlauf des Prozesses derart gefestigt, sodass das
Engagement anhaltend ist.
Durch die Installierung der Projektgruppen wird der zukünftigen Herausforderung des
bürgerschaftlichen Engagements „Faktor Zeit“ auf zwei Arten Rechnung getragen. Zum einem ist der
zeitliche Aufwand für die Engagierten auf ein Jahr limitiert, zum andern ist durch die Flexibilisierung
der Strukturen ein „Ein- und Ausklinken“ jederzeit möglich.
Weitere Aufgabenbereiche sind die Finanzierung und Umsetzung der entwickelten Projekte. Hier
tragen die Gruppenmitglieder die Verantwortung die Finanzierung sicherzustellen. Dies kann
beispielsweise sowohl über die Akquise von Sachspenden als auch von Geldspenden erfolgen.
TEILNEHMERGEMEINSCHAFT (TG)
Die Teilnehmergemeinschaft und ihr Vorstand sind im Rahmen der Dorferneuerung für die
Leitbildumsetzung mittels passgenauer Maßnahmen zuständig. Hierbei entsteht sowohl ein größerer
Abstimmungs- und Planungs- als auch finanzieller Aufwand als bei den einzelnen Projekten der
Arbeitsgruppen. Die Teilnehmergemeinschaft und die Projektgruppen arbeiten nahezu getrennt
voneinander. In einem sehr geringen Umfang finden sich Überschneidungen zwischen diesen beiden
Gremien, dennoch ist der Vorstand stets über die aktuellen Projekte der einzelnen Arbeitsgruppen
informiert.
ZUSAMMENARBEIT UND SPIELREGELN DER GREMIEN
Zu Prozessbeginn wurden keine allgemeingültigen, den Prozess begleitende Spielregeln vereinbart.
Diese werden als nicht notwendig für den Prozess eingestuft, da beispielweise hinsichtlich der
Ergebnisverwendung schon bei der Konzipierung eines Projektes darauf geachtet wird, dass dessen
Realisierung auch umgesetzt werden kann.
KOMPETENZEN UND ZUSTÄNDIGKEITEN
Ein wichtiger Teil des Organisationsprozesses ist eine klare Definition der Kompetenz- und
Zuständigkeitsbereiche. Da sich diese teils überschneiden können, haben die einzelnen
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 32

Gemeinde Perasdorf
Akteursgruppen wie der Vorstand der TG oder der Gemeinderat ihre eigenen festgeschriebenen
Kompetenz- und Aufgabenbereiche. Jedoch ist jeder in seinem Bereich für das Initiieren,
Konkretisieren, Entscheiden, Finanzieren, Koordinieren, Realisieren, Präsentieren und Evaluieren
zuständig. Dadurch soll vermieden werden, dass sich die einzelnen Akteursgruppen in einem
Konkurrenzverhältnis befinden.
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
Einmal jährlich findet ein von einem externen, neutralen Experten moderiertes Treffen der Konstenz–
Gruppe, die sog. Status-Quo-Veranstaltung statt, welches jedoch nicht von zusätzlichen informellen
Treffen im Jahresverlauf unterstützt wird.
Dieses Treffen dient einem detaillierten Informationsaustauch zwischen allen engagierten Akteuren.
Zudem ist dieses jährliche Treffen von wiederkehrenden Eckpunkten gekennzeichnet. Jedes Projekt
und jeder Projektverlauf wird resümiert. So können neue und wichtige Erkenntnisse für die zukünftigen
Projekte abgeleitet werden
Dabei werden abgeschlossenen Projekte kritisch nach ihrem Verlauf, Ergebnissen, Problemen und
Erfolgsfaktoren hinterfragt. Außerdem wird ein gemeinsamer Blick in die Zukunft geworfen, um neue
an dem Leitbild orientierte Projekte zu entwickeln.
Jedoch wird es als kontraproduktiv erachtet während des Prozesses einzugreifen, zu kritisieren und so
möglicherweise die Motivation der Engagierten zu schmälern; die Vergabe der Projekt-
verantwortlichkeit kann als motivationsbefördernd erachtet werden.
Die Regelmäßigkeit in Form eines jährlichen Treffens ist ein wichtiger kooperationsfördender Faktor.
So kann eine etablierte Struktur kontinuierlich gestaltet werden, um so auch über das Verfahren
hinaus einen Fortbestand zu ermöglichen.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(WISSENSGENERIERUNG UND WILLENSBILDUNG)
BETEILIGUNGSMETHODEN
Ein wichtiges Kommunikationsinstrument ist die Öffentlichkeitsarbeit, welche sowohl das interne als
auch das externe Marketing verbessert und effizienter gestaltet. Hierbei wird vor allem auf die lokale
Pressearbeit und –berichte zurückgegriffen. Ein Gemeindeblatt gibt es nicht.
Ein weiterer Faktor der Öffentlichkeitsarbeit ist die Protokollierung der Treffen, welche für Interessierte
zugänglich sind.
Auch das nachbarschaftliche und soziale Netzwerk führt zu einer weiten Verbreitung der
Informationen. Diese funktioniert in der Gemeinde sehr gut und so bedarf es keiner weiteren
Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit um weite Teile der Bevölkerung zu erreichen.
Dem Beteiligungsprozess sind keine festgeschriebenen Informationsstrukturen zugrunde gelegt.
Vielmehr entstehen Kommunikation und Informationsfluss je nach Bedarf und bei drängenden Frage-
und Problemstellungen. Es besteht ein einseitiger Informationsfluss mit dem Bürgermeister und dem
Vorstand; erst in der nächsten großen Sitzung der Konstenz-Gruppe werden die anderen Beteiligten
über die Arbeit und den Projektstand der einzelnen Projektgruppen informiert.
Dies zeigt sich auch darin, dass zwischen den einzelnen Projektgruppen im Jahresverlauf keine
Vernetzungsgespräche bzw. -treffen stattfinden oder auch, dass es nur in unregelmäßigen Abständen
Meldungen über den Projektstand an die Vorstände gibt. Der Bürgermeister ist jedoch stets über die
Projekte informiert.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 33

QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
Gemeinde Perasdorf
In der Gemeinde sind zwischenmenschliche Probleme sehr stark vorhanden, die sich negativ auf die
Prozessstruktur auswirken können. Um diesen Problemen langfristig entgegenwirken zu können,
wurde in einem ersten Schritt ein Seminar für die Gemeinderäte angeboten, in dem diese Probleme
thematisiert wurden. In einem nächsten Schritt soll der Teilnehmerkreis des Seminars um
beispielsweise Vereinsvorstände und Meinungsträger erweitert werden um die Konflikte auf eine
neutrale Arbeitsbasis zu bringen.
Falls Probleme in der Arbeit der Projektgruppen auftreten sollten, können diese jederzeit auf Hilfe von
externen Experten zurückgreifen.
Durch die Mitgliedschaft in der Integrierten ländlichen Entwicklung (ILE) Nord 23 konnten zwei der
engagierten Akteure an einem Moderationsseminar teilnehmen. Im Rahmen des nächsten Konstenz-
Treffens soll diesen die Möglichkeit gegeben werden, die erworbenen Kenntnisse anzuwenden.
MOTIVATION UND ANERKENNUNG
Im Ort wird eine Dankeschön-Kultur durch den Bürgermeister den Engagierten gegenüber sehr stark
gepflegt und diese werden bei geeigneten Veranstaltungen öffentlich gelobt.
Als motivationsfördernd und als Anerkennung gegenüber den engagierten Akteuren und Akteurs-
gruppen kann ein erfolgreicher Abschluss eines Projektes bewertet werden. Das eigenverantwortliche
Arbeiten und Engagement wird dadurch belohnt, dass Projekte realisiert werden. Die Finanzierung der
Projekte liegt zwar auch im Kompetenzbereich der Arbeitsgruppen, sollten sich jedoch Finanzierungs-
probleme und –lücken ergeben sehen sich die politischen Entscheidungsträger in der Pflicht die
Arbeitsgruppen zu unterstützen, um einen erfolgreichen Projektabschluss zu gewährleisten.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
RÄUMLICHE HANDLUNGSEBENE
Durch die regionale Einbindung in die ILE Nord 23 ergeben sich für die Arbeit in der Gemeinde
Synergieeffekte, welche die Qualität der Beteiligungsarbeit vor Ort positiv durch Professionalisierung
und Qualifizierung beeinflussen.
Diese Vernetzung mit anderen Gemeinden kann als gewinnbringend für die Gemeindearbeit bewertet
werden.
FINANZIERUNG
Die Finanzierung unterscheidet sich nach „Finanzierung eines Projektes“ und „Finanzierung einer
Maßnahme“.
Der Kostenumfang eines Projektes ist zumeist sehr gering und dessen Finanzierung liegt in der
Verantwortung der jeweiligen Projektgruppe. Entstehen jedoch Finanzierungslücken besteht die
Möglichkeit, dass seitens des Amtes für Ländliche Entwicklung oder der Gemeinde die
Projektumsetzung finanziellen bezuschusst wird.
Hingegen ist die Realisierung einer geplanten Maßnahme kostenintensiver und verantwortlich hierfür
ist im Verfahren der Dorferneuerung der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft.
ZEITSPANNEN
Diese spielen eine wesentliche Rolle in der Organisation eines Beteiligungsprozesses, da sie eine
Arbeitsstruktur vorgeben und so einen Orientierungsrahmen bilden können. Durch einen jährlich
erarbeiteten Aktionsplan wie ihn die Konstenz-Gruppe erstellt, kann eine Kontinuität in der
Entwicklung- und Umsetzungsphase vorgegeben werden, die den Engagierten eine Sicherheit und
Zielvorgabe vermittelt. Dies kann sich positiv auf die Arbeit auswirken, da eine langfristige
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 34

Gemeinde Perasdorf
Verpflichtung der Akteure nicht zwingend erforderlich ist, sondern der Prozess vielmehr durch eine
Flexibilität gekennzeichnet ist.
Das Leitbild der Gemeinde Perasdorf bildet die Rahmensetzungen, an denen sich die Entwicklung der
Projekte orientiert. So kann gewährleistet werden, dass die Projekte die gewünschte und
zukunftsgerechte Entwicklung unterstützen. Die Leitbildarbeit kann einen wichtigen Beitrag zur
Verbesserung der Lebensqualität leisten sowie Impulse für ein freiwilliges Engagement geben.
Durch die Berufung eines bürgeroffenen Gremiums wird ermöglicht, dass Einzelinteressen der
verschiedenen Akteure sowie Akteursgruppen durch einen Abwägungsprozess Berücksichtigung
finden.
ORGANISATORISCHE RAHMENBEDINGUNGEN
Seitens der Gemeinde wird die Arbeit der Engagierten durch zur Verfügung gestellte Räumlichkeiten
unterstützt. Jedoch wird dieses Angebot kaum wahrgenommen, da Treffen der Projektgruppen oftmals
privat organisiert werden.
6. FAZIT
Die Anwendung und Durchführung des Instrumentes LENA hat es ermöglicht einen bedarfsgerechten
räumlichen Zuschnitt zu wählen, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Gemeinde
begegnen zu können. Aber nicht nur der räumliche Verfahrenszuschnitt, sondern auch die sozial-
gesellschaftlichen Problemen vor Ort konnten dadurch gezielt thematisiert werden.
Da die Akteure Träger des Entwicklungs- und Beteiligungsprozesses sind ist es wichtig eine neutrale
Arbeitsbasis und sachliche Diskussionseben zu schaffen. Durch die Benennung und Anerkennung
dieser Problematik kann diese im Prozessverlauf konkrete behandelt werden und gemeinsame
Lösungswege gefunden werden. Zudem wurde dadurch ermöglicht, dass auch weitere für den
Prozess relevante Akteursgruppen gezielt eingebunden werden konnten.
Eine konsensorientierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller am Prozess beteiligten Akteure
kann zu einer dauerhaft ausgerichteten und langfristig wirksamen Gestaltung des Beteiligungs-
prozesses beitragen.
Auf der politischen Ebene zeigen sich jedoch vielfältige Problematiken. Teils werden Meinungs-
verschiedenheiten der kommunalpolitischen Ebene ausgetragen, vor allem treten Gegenspieler des
Bürgermeisters sehr stark in den Vordergrund. Dennoch ist es auch wichtig, diese Akteure in den
Prozess einzubinden. Dies konnte beispielsweise dadurch gelingen, dass ihnen nach ihren
Präferenzen und Interessen ein Themenbereich eigenverantwortlichen übertragen wurde.
Der Bürgermeister ist ein Schlüsselakteur des Prozesses. Dies wirkt sich derzeit sehr positiv auf den
Prozess aus, jedoch besteht nach dessen Amtsaufgabe die Gefahr, dass der Prozess an Dynamik und
Beständigkeit verliert. Diese mögliche Gefahr könnte dadurch abgewendet werden, dass sich das
Selbstbild der Arbeitsgruppen sehr stark verfestigt hat, dass sie ihre Rechte und Pflichten auch
gegenüber einem neuen Bürgermeister und Gemeinderat einfordern.
Derzeit ist der Prozess von einer großen Dynamik und Intensität geprägt, sodass es zu Realisierungs-
und Unterstützungshemmnissen seitens der Verwaltung für Ländliche Entwicklung kommen kann.
Dies würde sich jedoch negativ auf den Prozessverlauf auswirken und ins Stocken bringen.
Eine weitere Besonderheit des Prozesses ist, dass erst nach der Durchführung von LENA und der
Auswertung der Ergebnisse ein interdisziplinäres Expertenteam als Berater und Begleiter in den
Prozess integriert wurden. Diese wurden für die spezifischen Problem- und Fragestellungen vor Ort gezielt
ausgewählt, um ein weiteres bedarfsgerechtes und zielorientiertes Vorgehen gewährleisten zu können.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 35

Gemeinde Perasdorf
Der Beteiligungsprozess ist insgesamt von einer großen Flexibilität gekennzeichnet, die es ermöglich, dass
interessierte und potentielle Akteure sich jederzeit in den Prozess einbringen können und andererseits, das
Akteure jederzeit ihre Teilnahme und ihr Mitwirken beenden können.
Ein weiterer Vorteil der Prozessstruktur ist ein zeitlich beschränkter Zeitraum für das Engagement
jedes Einzelnen, der sich aus der Erarbeitung eines jährlichen Aktionsplans ergibt. Einerseits wird so
der neue Trend sich zu engagieren zu wollen aber nicht verbunden mit langjährigen Verpflichtungen
berücksichtigt, anderseits kann so auch die Bereitschaft des Mitmachens gesteigert werden.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 36

Beteiligungsmodell der Gemeinde Perasdorf
Akteure Beteiligungsmethoden und Qualifizierungsmaßnahmen Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
Akteursgruppen
- Bürgermeister und Gemeinderat
- Teilnehmergemeinschaft (TG)
- Arbeitskreise
- Aktionsgruppen
- Konstenz-Gruppe
(Zusammenschluss aller beteiligten
Akteure)
- Planer
- Projektleiter des Amtes für Ländliche
Entwicklung
� Zielsetzung: lokal wichtige Akteure
zu identifizieren und
Meinungsträger abgeben
Erfolgsfaktoren
Öffentlichkeitsarbeit
- Um alle am Prozess beteiligten Akteure umfassend informieren zu können,
werden zwei unterschiedliche Vorgehensweisen angewendet
-Persönliche Ansprache der Interessensvertreter
-Allgemeine Ansprache insbesondere der Bürger
- Verwendete Informationsmedien: Pressearbeit, Aushänge, regelmäßige
Pflege und Aktualisierung der Homepage der Gemeinde
Informationsveranstaltungen
- Informationsveranstaltung zur Vorstellung von LENA (Ländliche
Entwicklung-Nachhaltigkeit mit System) und dem methodischen Ansatz
des Instruments
- Befragung der Akteure in der Startphase konnte Sichtweise auf Probleme
erweitern; Ergebnisse wurden öffentlich vorgestellt
Dialogveranstaltungen
- Auftakt des Prozesses war ein Gespräche mit Mitgliedern des
Gemeinderats und mit aktiven Vertretern der Arbeitskreise
- Regelmäßige Veranstaltung von Seminaren an einem neutralen Ort
(Kloster Konstenz), moderiert von Planer, der den gesamten Prozess
begleitet oder durch den Projektleiter des Amtes für Ländliche Entwicklung
unter Zuhilfenahme des Instrumentes LENA
� Drei aufeinander aufbauende Projektwerkstätten mit engagierten
Akteuren, welche in einem kurzen zeitlichen Rahmen abgehalten wurden,
um die Dynamik des Prozess aufrechtzuerhalten und konkrete Ergebnisse
zu erzielen
1. Information und Einführung in Methodik von LENA
2. Information über die Befragungsergebnisse und Interpretation dieser;
Gründung von projektspezifischen Aktionsgruppen
3. Zielformulierung und Gewichtung der zu bearbeitenden Handlungsfelder
und Projekte
� Versachlichung der Diskussion und gemeinsame Entwicklung eines
Zukunftskonzeptes für die Gemeinde
- Bürgermeister als Schlüsselakteur; hat sozial-gesellschaftliche Problematiken vor Ort ehrlich kommuniziert, was die Basis für
weiteres Vorgehen bildet
- Grundhaltung und -einstellung der Gemeinde gegenüber Bürgerarbeit ist entscheidend
- Gezielte Ansprache der Akteure je nach Erfordernissen (persönlich oder allgemein)
- Durch zwischenmenschliche Beziehung beeinflusste Situation konnte auf sachliche Diskussionsebene zurückgeführt werden
aufgrund der Anwendung von LENA
- Ehrliche und offene Problemerkennung vor Ort ermöglichte es, auch andere Akteursgruppen einzubeziehen
- Offenheit der politischen Ebene gegenüber Erprobung eines neuen Instrumentariums
- Auswahl des passenden Verfahrens der Ländlichen Entwicklung (Umfassende Dorferneuerung statt vereinfachtes
Flurbereinigungsverfahren)
- Erst nach Befragung wurden Planer für die spezifischen Problem- und Fragestellungen vor Ort ausgewählt
- LENA ermöglichte schnelles Handeln und Umsetzen durch strukturierte Erfassung der Situation vor Ort
Zunächst bestand ein Arbeitskreis zum Thema Hoferschließungen, welcher in einem weiteren
Schritt durch verschiedene Aktionsgruppen ergänzt wurde; es konnte somit auf eine
bestehende Struktur aufgebaut werden
Gremien
- Bürgermeister und Gemeinderat
- Teilnehmergemeinschaft (TG)
- Arbeitskreise
- Aktionsgruppen sind sowohl mit engagierten Bürgern als auch mit Gemeindevertretern
besetzt; durch diese Zusammensetzung kann Streitigkeiten um Kompetenzen entgegen
gewirkt werden und ein Miteinander gestärkt werden
- Konstenz-Gruppe
Aufgabenbereiche und Kompetenzen
- Gründung von Aktionsgruppen, um eine schnelle Projektumsetzung zu ermöglichen, welche
sich nach der Umsetzung wieder auflösen können; eine flexible Gestaltung fördert die
Eigeninitiative der beteiligten Akteure
Zusammenarbeit der einzelnen Gremien
- Kein Koordinierungs-und Steuerungsgremium, sondern Vernetzungsseminare gemeinsam
mit Planern im Kloster Konstenz als einem neutralen Ort
Anerkennung und Motivation
- Ehrliche Problemerkennung führt zur Entwicklung eines geeigneten Lösungswegs und
Motivation aller
Evaluierung
- Anwendung von LENA als Monitoringinstrument während des Prozesses, um Defizite zu
erörtern, Schwerpunkte in der Umsetzung zu setzen und Arbeitsweise und –fortschritt
kritisch zu hinterfragen; das Monitoring wird von externen Experten durchgeführt
� Wichtiges Instrumentarium um Bewusstsein für spürbare, nicht monetär sichtbare
Ergebnisse zu schaffen und zu stärken wie z.B. im sozialen Bereich
Hemmnisse
Gemeinde Perasdorf
Finanzierung
- Projektentwicklung und –umsetzung über
staatliche Finanzierungsmittel im Rahmen
des Dorferneuerungsverfahrens
Handlungsfelder und Aufgabenbereich
- Zunächst nur ein Handlungsfeld
„ Hoferschließungen“ im Rahmen eines
vereinfachten Flurbereinigungsverfahren
� Erprobung des neuen Instrumentariums
LENA, um Problematiken vor Ort und
Handlungsbedarf transparent erfassen zu
können, daraus konnten weitere
Handlungsfelder abgeleitet werden, wie
- Soziales (Projekt: Gründung einer KJD-
Gruppe)
- Technische Infrastruktur (Projekt:
Abwasserversorgung)
- Lokale Wirtschaft
Organisatorisches
- Setzung von Arbeitsschwerpunkten hat den
Verlauf des Beteiligungsprozesses stark
beeinflusst, da z.B. Thema Soziales
selbstständiges und eigenverantwortliches
Handeln der Akteure ermöglicht hat ohne
den Bedarf an finanziellen Mitteln
Räumlicher Umgriff
- Mitgliedschaft in der ILE Nord 23
- Verhältnis der Dorfgemeinschaft untereinander war zerrüttet
- Meinungsverschiedenheiten werden auf politischer Ebene ausgetragen, vor allem treten Gegenspieler des Bürgermeisters sehr
stark in den Vordergrund (über Jahre gewachsene Problematik)
- LENA ermöglicht schnelles Vorangehen, aber teils zu schnell für Verwaltung; es besteht die Gefahr, dass Prozess vor Ort
deswegen ins Stocken geraten kann
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 37

2.4 Gemeinde Weyarn
1. KURZPORTRÄT
In der Gemeinde Weyarn, welche in Ober-
bayern gelegen ist, leben aktuell ca. 3500
Einwohner. Sie besteht aus 21 Ortsteilen und
befindet sich ungefähr 35 km südöstlich von
München.
Die Herausforderungen waren ab den 1980er
Jahren u.a. ein zunehmender Zuzug aus
München, die Abwanderung junger Men-
schen und ein Verlust von Infrastruktur-
einrichtungen und ein drohender Identitäts-
verlust (vgl. http://www.weyarn.de/aktiv.htm).
Die Aufnahme in das bayerische Dorferneu-
erungsprogramm, welches eine umfassende
Bürgerbeteiligung erfordert, gab den Anstoß
sich auf den zu einer Nachhaltigen
Bürgerkommune im Sinne einer Aktiven
Bürgergesellschaft zu machen.
Um diesen Weg erfolgreich und zielorientiert
gehen und einen nachhaltigen und effizienten
Beteiligungs- und Entwicklungsprozess an-
Gemeinde Weyarn
stoßen zu können, wurde zu Beginn eine umfassende Bestandsaufnahme der Gemeinde durchgeführt
und in Zusammenarbeit aller interessierten Akteure vor Ort ein gemeinsames Leitbild für die
Gemeinde erarbeitet, welches die zukünftige Vorgehensweise der Gemeinde begleitet und als
Orientierungs- und Handlungsrahmen fokussiert auf die eigenen Qualitäten in der Zukunft dient.
Das Leitbild der Gemeinde lautet: „Wir wollen ländlicher Raum bleiben“. Dies drückt aus, dass
Weyarn nicht in den Sog der Verstädterung durch den Großraum München geraten will, sondern viel
mehr den Erhalt seiner ländlichen Eigenart und Lebensqualität bewahren will.
Ein weiterer Leitsatz lautet zudem: „Wir planen die Zukunft mit den Bürgern“. Diese beiden Leitsätze
begleiten die Gemeinde Weyarn eingeschlossen all ihrer aktiven Akteure auf den Weg zu einer
Nachhaltigen Bürgerkommune.
Der Abschluss der Dorferneuerung ist voraussichtlich im Jahre 2013.
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
Zusammensetzung des Akteurskreises
Abbildung 7: Räumliche Lage der Gemeinde Weyarn
Quelle: Bearbeitet nach Regionaler Planungsverband
Der Akteurskreis in der Gemeinde Weyarn setzt sich aus Vertretern der Kommunalpolitik und der
Gemeindeverwaltung, engagierter Bürger organisiert in Arbeitskreisen oder Vereinen, einem
Steuerungs- und Entscheidungsgremium, welches sich aus der Teilnehmergemeinschaft (TG) des
Dorferneuerungsverfahrens entwickelt hat sowie der Koordinierungsstelle zusammen (vgl. Abb. 8).
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 38

Abbildung 8: Akteurskreis der Gemeinde Weyarn
Quelle: Eigene Darstellung
Impulse durch externe Akteure
Gemeinderat
Bürgermeister
Arbeitskreise
Gemeindeverwaltung
Steuerungsgremium
Gemeinde Weyarn
In der Gemeinde wird besonderer Wert darauf gelegt Experten einzubinden, die den Prozess
begleiten und beraten. Je nach Bedarf werden in den Entwicklungsprozess Akteure unterschiedlicher
Fachrichtung eingebunden. Da sie den Prozess durch ihr Know-How, Wissen und Kompetenzen
wesentlich unterstützen sowie zielgereichtet und ergebnisorientiert leiten und lenken können. Insge-
samt entsteht für die Gemeinde dadurch ein Mehrgewinn.
So wurde beispielsweise eine lokale Demokratiebilanz durch einen externen Fachexperten durch-
geführt, um die Bürger nicht nur in den Prozess einzubinden, sondern auch deren Wünsche und
Bedürfnisse abfragen. So wurde auch der Grad der Zufriedenheit mit der derzeitigen Situation des
Ortes erfasst, welche Stärken und Schwächen aus Sicht der Bürger vorhanden sind. Um diese
Befragung durchzuführen und mit den Ergebnissen arbeiten zu können, war es notwendig einen
Experten damit zu beauftragen.
Zudem wurde die Gemeinde im Rahmen des Dorferneuerungsverfahrens u.a. in baulich-gestalter-
ischen Fragestellungen durch einen externen Experten unterstützt oder auch bezüglich sozialgesell-
schaftlicher Herausforderungen durch eine Experten aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich
beraten.
3. ORGANISATIONSPROZESS UND –STRUKTUREN
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
Die Prozessgestaltung basiert auf einem sog. „Zwei – Säulen – Prinzip“, welches sich im Rahmen
des Dorferneuerungsverfahrens entwickelt hat (siehe Abb. 9). Den heute bestehenden
Arbeitsstrukturen liegt ein langer Lern- und Entwicklungsprozess zugrunde. Sie beinhalten eine klare
Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen den einzelnen Gremien.
GEMEINDERAT
Der Gemeinderat ist stets über die Arbeit der einzelnen Arbeitskreise informiert.
Bei Sitzungen des Gemeinderats besteht die Möglichkeit, dass auf der Tagesordnung ein Tages-
ordnungspunkt festgesetzt wird, bei dem Arbeitskreise ihre Arbeit und evtl. Probleme dem Gemeinde-
rat schildern können. In regelmäßigen Abständen stellen Arbeitskreissprecher ihren Arbeitskreis im
Gemeinderat vor, informieren über den aktuellen Arbeitsstand, was bereits erarbeitet wurde und
welche Aufgaben noch anstehen.
Koordinierungsstelle
Fach-
experten
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 39

Gemeinde Weyarn
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit bei drängenden Fragestellungen und Problematiken der
Arbeitskreise, aber auch bei Unstimmigkeiten einen außerplanmäßigen Tagesordnungspunkt bei einer
Gemeinderatssitzung aufzustellen.
Von jeder Gemeinderatssitzung wird ein Protokoll erstellt, welches im Gemeindeblatt, im sog.
Gmoablattl, für alle interessierten Bürger veröffentlicht wird.
GEMEINDEVERWALTUNG
Bei der Bürgerarbeit darf die Gemeindeverwaltung nicht vergessen werden. Diese wird stets von der
Koordinierungsstelle über den aktuellen Stand informiert. Ein Mal im Monat wird ein Jour Fixe
abgehalten, in dem gegenseitig über die aktuelle Situation, Aufgaben und Entwicklungen informiert
wird. Denn ohne diesen steten Informationsaustausch kann es zu Blockaden und auch Ängsten
seitens der Gemeindeverwaltung kommen.
STEUERUNGS- UND ENTSCHEIDUNGSGREMIUM
Das Steuerungsgremium, hat einen Teil der Rolle der TG der Dorferneuerung übernommen. Es, ist ein
fester und wichtiger Bestandteil des Beteiligungsprozesses. Dieses wird alle sechs Jahre auf einer
Bürgerversammlung gewählt. Die Wahl verhält sich antizyklisch in einem Drei - Jahresabstand zur
Kommunalwahl. Durch diese zeitliche Abfolge kann ein effizienteres Arbeiten basierend auf einer
Vertrauensbasis gewährleistet werden.
Das Steuerungsgremium hat in der Regel acht Mitglieder. Mitglieder können sowohl engagierte Bürger
als auch Gemeinderäte sein. Es ist jedoch sehr wichtig, dass jeweils ein Vertreter der einzelnen
Arbeitskreise vertreten ist. Sollte ein Arbeitskreis nicht durch ein Mitglied vertreten sein, wird dieser
kooptiert. Daher kann die Mitgliederzahl teils variieren. Aus allen Mitgliedern wird dann ein
Vorsitzender gewählt. Dessen Aufgabe es ist in Abstimmung mit der Gemeinde Sitzungen
einzuberufen und zu leiten.
Das Gremium ist auch die Abstimmungsstelle zwischen den einzelnen Arbeitskreisen.
Da ein erfolgreicher Prozess von Offenheit und Transparenz bestimmt wird, wird von jeder Sitzung
des Steuerungsgremiums ein Sitzungsprotokoll angefertigt, welches an die Koordinierungsstelle zur
Verteilung an die Akteure (Gemeinderat, Arbeitskreise, Verwaltung) weitergeben wird.
ARBEITSKREISE
Derzeit sind elf Arbeitskreise aktiv, wobei die Zahl jedoch großen Schwankungen unterliegt. Einige
dieser Arbeitskreise sind seit Anfang an aktiv, andere sind erst in der jüngeren Vergangenheit
entstanden. Ursache für diesen Wechsel in der Zahl der Arbeitskreise kann beispielsweise sein, dass
Projekte erfolgreich abgeschlossen wurden oder auch aufgrund eines Arbeitsmangels, so dass
Arbeitskreise ihre Engagement und ihre Tätigkeiten beenden.
Tendenziell ist herauszustellen, dass sich die Arbeitskreise zumeist mit einem Handlungsfeld, in dem
sie konkrete Projekte bearbeiten beschäftigen, weniger eine Fokussierung auf lediglich ein Projekt.
Zudem gibt es Arbeitskreise, welche sich speziell mit einem Ortsteil und dessen Problemen und
Herausforderungen auseinandersetzen.
Für jeden der Arbeitskreise gibt es festgesetzte Spielregeln, die zu einer übersichtlichen Gestaltung
und Ablauf des Beteiligungsprozess beitragen. Dies sind u.a. die Wahl eines Arbeitskreissprechers,
öffentliche Einladungen zu Sitzungen, um Interessierten zu ermöglichen, an diesen teilzunehmen
sowie die Erstellung von Protokollen und deren Weitergabe an die Koordinierungsstelle.
KOORDINIERUNGSSTELLE
Die Koordinierungsstelle kann als Bindeglied zwischen dem Gemeinderat, Gemeindeverwaltung sowie
des Steuerungsgremiums und der Arbeitskreise beschrieben werden. Es ist besonders wichtig, dass
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 40

Gemeinde Weyarn
sich die Arbeit dieser vier Institutionen im Einklang befindet, sonst kann der Prozess ins Stocken
geraten.
Die Koordinierungsstelle befindet sich im Rathaus der Gemeinde und ist für die Bürger stets offen und
zugänglich. Da diese alle ehrenamtlich tätig sind, kann die Einrichtung dieser Stelle als Wertschätzung
gegenüber der Arbeit der Bürger beschrieben werden.
Das Aufgabenprofil umfasst folgende Bereiche: Ansprechpartner für engagierte Bürger zu sein, zu
koordinieren, ein Netzwerk aufzubauen und den Informationsaustausch zu unterstützen. Der
Informationsaustausch bspw. durch die Verbreitung der Protokolle (siehe Steuerungsgremium,
Arbeitskreise) oder durch einen persönlichen Kontakt mit den Arbeitskreissprechern ist von
besonderer Bedeutung. Eine umfassende Information bildet die Grundlage für eine erfolgreiche
Beteiligung. Sie dient einerseits den Prozess transparent zu gestalten, anderseits sowohl Ängste der
politisch Verantwortlichen als auch Ängste auf Seiten der engagierten Bürgerschaft vorzubeugen und
vermeiden.
Aufgabe der Koordinierungsstelle ist stets einen umfassenden Überblick über die Arbeit der einzelnen
Arbeitskreise zu haben. Dies kann besonders wichtig sein, wenn mehrere Arbeitskreise an einer
Thematik arbeiten und unterschiedliche Bearbeitungsintensitäten entstehen, um dann wieder ein
Gleichgewicht herstellen zu stellen. Teils bedarf es auch als Mediator aufzutreten. Sie ist Bindeglied
und Drehscheibe zwischen den Beteiligten (vgl. Abb. 9).
Durch die Koordinierungsstelle kann ein Beitrag zur Verstetigung des Prozesses geleistet werden.
Diese kann den Prozess dauerhaft aktivieren, indem sie diesen zielgerichtet steuert, den Engagierten
Hilfestellung gibt und neue Impulse setzt.
Abbildung 9: „Zwei – Säulen – Prinzip" der Gemeinde Weyarn
Quelle: http://www.weyarn.de/aktiv.htm
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 41

ZUSAMMENARBEIT UND SPIELREGELN DER GREMIEN
Gemeinde Weyarn
Die Entscheidungsfindung in der Gemeinde Weyarn unterscheidet sich deutlich von dem
herkömmlichen kommunalen Entscheidungsfindungsprozess.
Die konventionelle Vorgehensweise bei der, der durch die Wahl legimitierte Gemeinderat unterstützt
von der Gemeindeverwaltung Themenstellungen bearbeitet, plant und deren Umsetzung veranlasst
wird durch eine zwei Säule ergänzt. Diese umfasst alle engagierten Akteure aus der Bürgerschaft,
welche in Arbeitskreisen organisiert sind. Deren Aufgaben- und Kompetenzbereich umfasst die
themenbezogene Projekteentwicklung und -planung.
Das Steuerungsgremium übernimmt in der Prozessstruktur eine organisatorische und vermittelnde
Funktion ein. Sie stimmt Planungen und Aktionen aufeinander ab sowie deren Kostenerstellung. Diese
strukturierten und ausgearbeiteten Informationen werden an den Gemeinderat als Empfehlung zur
Umsetzung weitergegeben.
Derzeit gibt es neben dem Steuerungsgremium noch den Vorstand der Teilnehmergemeinschaft,
welcher im Rahmen des
Dorferneuerungsverfahrens gewählt wurde. Diese beiden Gremien stehen aber nicht in einem
Konkurrenzverhältnis zueinander, sondern ergänzen sich in ihren Aufgaben- und
Kompetenzbereichen und arbeiten aufgabenübergreifend. Diese Kooperation ist hinsichtlich der
Verstetigung der Prozessstruktur von besonderer Bedeutung, da mit Abschluss des Verfahrens der
Dorferneuerung die Teilnehmergemeinschaft nicht mehr bestehen wird. Mittels dieser
Übergangsphase aus beiden Gremien kann einem Bruch in dem Beteiligungsprozess vorgebeugt
werden.
Die Abstimmung der einzelnen Entscheidungen und über die Projekte wird im Gemeinderat gemacht.
Bei komplexen Projekten kann es sich anbieten, dass man eine Projektgruppe, die aus Vertretern des
Gemeinderates und den beteiligten Arbeitskreisen besteht, installiert. Damit kann man
Entscheidungen zum einen beschleunigen und zum anderen Konflikten vorbeugen. Die Rückkopplung
zum Gemeinderat und in die Arbeitskreise muss jedoch gewährleistet sein.
Diese Flexibilisierung des Prozesses kann als ein fördernder Faktor des Beteiligungsprozess gewertet
werden.
„Wichtig ist allerdings, dass diese Art der Beteiligungsform nicht einer Parteipolitik unterworfen wird.
Bürgerbeteiligung darf nicht für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert werden, denn dann ist dieser
Weg zum Scheitern verurteilt. “ (Benda:2)
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
Eine ständige Beobachtung des Prozesses ist sehr wichtig, um frühzeitig auf neue
Herausforderungen und Probleme reagieren zu können und die Zielerreichung erfassen zu können.
Durch eine regelmäßige Teilnahme an Wettbewerben wird die Kontrolle des Prozesses unterstützt, da
bei jedem Bewerbungsschreiben eine detaillierte und klare Beschreibung des Prozessverlaufs ein-
schließlich seiner Erfolgsfaktoren, Zielsetzungen und Ausrichtung verlangt wird.
Zudem wurde 2003 eine sog. lokale Demokratiebilanz in der Bevölkerung durchgeführt. Dazu wurde
das Know-how eines Experten sowohl bei der Erstellung des Fragebogens als auch bei der
Auswertung benötigt. So konnten Auskünfte über die Beteiligungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer
Stärken und Schwächen, die Verwaltungsarbeit und die geplanten und durchgeführten Maßnahmen
aus Sicht der Bürgerschaft generiert werden. Darauf aufbauend wird 2012 eine neuerliche
Bürgerbefragung (Demokratiebilanz) durchgeführt.
Auf Initiative des Arbeitskreises „Altersplanung“ wurde in der Gemeinde eine Befragung aller
Bewohner ab 65 Jahren durchgeführt. Die Mitglieder des Arbeitskreises haben die Adressaten
persönlich befragt, um Kenntnisse über das Wohnen und Leben vor Ort aus Sicht dieser zu
gewinnen.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 42

Gemeinde Weyarn
Des Weiteren wurde durch den Arbeitskreis „Energie und Umwelt“ eine Energiebilanz für die
Gemeinde mittels einer Befragung erstellt.
Neben einem großen Erkenntnisgewinn wurde die Erfahrung gemacht, dass insbesondere persönlich
Haushaltsbefragungen zielführend sind und einen großen Teilnehmerkreis erreichen. Da der
Entwicklungsprozess, seine Zielsetzungen und die daraus resultierenden Maßnahmen in ein
übergeordnetes Leitbild „Wir wollen ländlicher Raum bleiben“ eingebettet sind, wird dieses in
regelmäßigen Abständen in einem Workshop einer kritischen Analyse unterzogen und vom
Gemeinderat wiederum bestätigt. Dabei wird aber weniger das übergeordnete Leitbild als vielmehr die
themenbezogenen Leitbilder betrachtet. Diese werden gegebenenfalls orientiert an neuen
Rahmenbedingungen und Entwicklungen fortgeschrieben, ergänzt oder neu entwickelt. Teils
bearbeiten die jeweiligen Arbeitskreise auch eigenständig ihr Leitbild unter Berücksichtigung der
bestehenden und zukünftigen Herausforderungen.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(Wissensgenerierung und Willensbildung)
Kommunikation und die damit einhergehende Information sind Schlüsselfaktoren des
Beteiligungsprozesses, um Schwierigkeiten dauerhaft vermeiden zu können (siehe Koordinierungs-
stelle). Daher sind eine enge Kooperation und ein stetiger Dialog zwischen allen Akteursgruppen
unabdingbar.
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT UND BETEILIGUNGSMETHODEN
Um möglichst alle Bürger über den Entwicklungsprozess der Gemeinde zu informieren, werden
verschiedene Medien genutzt. Zum einen dient die Internetseite der Gemeinde als Informationsquelle,
zum anderen gibt es ein Gemeindeblatt, das in regelmäßigen Abständen erscheint. Aber die mediale
Öffentlichkeitsarbeit dient nicht nur der reinen Information, sondern ermöglicht auch neue Mitglieder
für die verschiedenen Arbeitskreise zu werben und Interessenten gezielt anzusprechen. Unterstützt
wird diese einseitige Kommunikationsstrategie durch den zweiseitigen Informationsaustausch auf
Bürgerversammlungen. Von diesen wiederum werden Informationsbroschüren angefertigt.
An interessierte und engagierte Bürger gerichtete Aktivierungsveranstaltungen, sog. Vorbereitungs-
und Integrationstreffen, welche je nach inhaltlicher Schwerpunktsetzung unterschiedlich gestaltet sind,
bilden einen Baustein des Beteiligungsprozesses. Dies sind beispielweise Bürgerwerkstätten,
Zukunftswerkstätten oder Anliegerveranstaltungen.
Abgerundet wird die Öffentlichkeitsarbeit durch eine gezielte Ansprache von Kindern und
Jugendlichen, bspw. durch die Einrichtung eines Kindergemeinderats. Dies kann ein frühzeitiges
Kennenlernen von Entwicklungsprozessen anstoßen.
QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
In regelmäßigen Abständen besuchen Gemeinderäte, Verwaltungsmitarbeiter sowie Vertreter der
Arbeitskreise ein zweitägiges Seminar an der Schule der Dorferneuerung und Landentwicklung in
Thierhaupten. Zum einem sind diese Seminare dienlich eine Austausch- und Diskussionskultur zu
pflegen, die Vernetzung zwischen den Akteursgruppen zu stärken sowie den Informationsaustausch
zu stärken, zum anderen um gemeinsam neue Zukunftsstrategien und Maßnahmen entwickeln und
drängende Frage- und Problemstellungen zu bearbeiten.
Zudem besteht für die Arbeitskreise die Möglichkeit Hilfe von externen Fachexperten in Anspruch zu
nehmen, wie beispielsweise einen moderierten Workshop zu besuchen, um das erarbeitete Leitbild zu
evaluieren und entsprechend anzupassen.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 43

Gemeinde Weyarn
Dadurch, dass die Gemeindepreisträger des Civitas-Projektes der Bertelsmann Stiftung war, wurde
ihnen fünf Jahre lang ein Coaching zur Verfügung gestellt, in dessen Rahmen u.a. Evaluierungen
(siehe Bewertungsprozess) durchgeführt wurden.
ANERKENNUNG UND MOTIVATION
Die Anerkennung des Engagements ist ein wichtiger Bestandteil des Beteiligungsprozesses. Im
Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung, einem jährlichen Neujahrsempfang, wird den aktiven
Bürgern gedankt. Zusätzlich werden Menschen, die sich besonders verdient gemacht haben bei
kleinen Feiern geehrt oder bekommen einen Gutschein überreicht.
Diese Anerkennung wird aber nicht nur den engagierten Akteuren in Arbeitskreisen zuteil, sondern
auch engagierten Vereinsmitgliedern. Hier ein Gleichgewicht zu schaffen ist wichtig, um eine
Konkurrenzsituation zwischen den Arbeitskreisen und den Vereinen zu vermeiden.
Als motivationsfördern und –steigernd können zum einen die Erfolge anderer Arbeitskreise sein, nach
dem Motto „Erfolg steckt an“, aber was noch viel wichtiger ist, insbesondere von Seiten der
Gemeinderäte und –verwaltung, dass Projekte nicht lediglich unter Vorbehalten und Bedenken
mitgetragen werden.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
ORGANISATORISCHE RAHMENBEDINGUNGEN
Den Arbeitskreisen werden im Rathaus Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, um ihre Sitzungen
abhalten zu können.
Eine Satzung, die sog. „Beteiligungssatzung“ ist ein wichtiges Instrumentarium, welches zu einer
dauerhaften Verstetigung des Prozesses beiträgt. Diese ist fest in der Gemeindeordnung verankert
und ist ein Pflichten-, Aufgaben- und Regelwerk sowohl für die politischen Gemeindevertreter als auch
die bürgeroffenen Arbeitskreise. Sie ist richtungsweisend und deren Beachtung kann sicherstellen,
dass alle beteiligten Akteure und Akteursgruppen zusammenarbeiten und die Teilbereiche
zusammengeführt werden. „Ohne Regeln geht es nicht.“ (Benda 2011:13)
FINANZIERUNG
Eine Vielzahl der im Beteiligungsprozess entwickelten Projekte und Maßnahmen konnte im Rahmen
des Dorferneuerungsverfahrens finanziell unterstützt und umgesetzt werden.
Auch werden durch Eigenleistungen der Engagierten Projekte immer wieder in die Umsetzung
gebracht.
Jährlich erstellen die Arbeitskreise eine Arbeitsplanung mit ihren Budgetanforderungen, welche im
kommunalen Finanzhaushalt mit einem eigenen Posten berücksichtigt werden.
Zusätzlich wird eine Summe von 20.000 Euro bereitgestellt, die je nach Bedarf abgerufen werden
kann. Dieser Haushaltsposten steht den Arbeitskreisen zur Verfügung um beispielsweise
professionelle Unterstützung für ihre Projektarbeit einzukaufen. Dazu wird eine zeitliche Planung
aufgestellt, welche die voraussichtlich benötigte Stundenzahl beinhaltet und dementsprechend ein
Werkvertrag geschlossen.
Ein weiteres Angebot seitens der Gemeinde ist die Finanzierung von Aus- und Weiterbildung und
Fortbildungsseminare.
„Man unterschätzt die Menschen vor Ort immer. Entscheidungsträgern ist nicht immer bewusst, das
durch das Einbinden der BürgerInnen Kosten gespart werden. Die Investitionen in Menschen rentieren
sich. (Benda 2011:18)
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 44

6. FAZIT
Gemeinde Weyarn
Der Beteiligungsprozess der Gemeinde zeichnet sich insbesondere durch drei Elemente besonders
aus. Zum einen wurde eine Koordinierungsstelle geschaffen. Diese wird von der Gemeinde finanziert
und leistet einen wichtigen Beitrag im gesamten Organisationsprozess der Bürgerarbeit vor Ort. So
gibt es einen zentralen Akteur, der für alle am Prozess beteiligten gleichermaßen zu einem Ansprech-
partner geworden ist und somit ein ständiger Informations- und Austauschprozess gewährleistet
werden kann. Ein weiterer Vorteil ist, darin zu sehen, dass die Koordinierungsstelle im Rathaus
lokalisiert ist, wodurch ein kurzer Weg der Kommunikation begünstigt wird.
Die Koordinierungsstelle kann als eine Art Lobby der Bürgerarbeit gegenüber der kommunal-
politischen Vertretern und der Gemeindeverwaltung begriffen werden.
Das Beteiligungsmodell der Gemeinde, das im Rahmen eines langen Lern- und Entwicklungs-
prozesses erarbeitet werden konnte, enthält zudem ein weiteres wichtiges Gremium, das Steuerungs-
und Entscheidungsgremium. Diese ist die übergeordnete Instanz der Bürgerarbeit.
Ein weiteres wichtiges Element des Beteiligungsprozesses ist die Beteiligungssatzung, welche in der
Gemeindeordnung verankert ist. Sie ist ein wichtiges Regelwerk, die Aufgaben- und Kompetenz-
bereiche auf politischer wie auch auf bürgerschaftlicher Ebene klar zu strukturieren und
festzuschreiben.
Ein Regelwerk ist für einen dauerhaft ausgerichteten und langfristig wirksamen Beteiligungsprozess
sehr wichtig, da es sowohl die Rechte als auch die Pflichten aller am Prozess beteiligten Akteure
bestimmt.
Die Etablierung dieser für den Entwicklungs- und Beteiligungsprozess sehr entscheidenden Faktoren
konnten vor allem dadurch erreicht werden, dass eine breite Akzeptanz gegenüber Bürgerbeteiligung
vorherrschend ist. Es ist gelungen, dass sowohl die politische als auch die bürgerschaftliche Ebene
die Vorteile und den Nutzen, die durch Bürgerbeteiligung generiert werden können, erkannt haben.
Beispielsweise bedeutet Bürgerbeteiligung für die Kommunalpolitik eine Arbeitsentlastung, da sie sich
nicht mehr alleine um die Entwicklung und Umsetzung der Projekte kümmern müssen. Für die Bürger
bedeutet es, dass sie ein Mitspracherecht haben und ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen in den
Entwicklungsprozess einbringen können.
Die Lernbereitschaft, die Offenheit für Neues und die Fähigkeit einer ständigen Weiterentwicklung aller
Akteure tragen zudem zu einer Verstetigung des Prozesses bei.
Zusätzlich wird das Fortbestehen der Bürgerbeteiligung durch ein regelmäßig abgehaltenes
Evaluierungsseminar an der Schule der Dorf- und Landentwicklung (SDL), welches von einem
externen Fachexperten moderiert wird, gesichert. Ein ständiges kritisches Überprüfen der eigenen
Arbeit und Entwicklungsziele setzt immer wieder neue Impulse für den Prozess, macht Erfolge
sichtbar und fördert die Motivation.
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Beteiligungsmodell der Gemeinde Weyarn
Akteure Beteiligungsmethoden und
Qualifizierungsmaßnahmen
Akteursgruppen
- Bürgermeister und
Gemeinderat
- Gemeindeverwaltung
- Koordinierungsstelle
- Steuerungsgremium
- Arbeitskreise,
Projektgruppen und
traditionelle Vereine
Externe Impulse
- Unterstützung von Experten
bei der Durchführung von
Evaluierungen und baulichgestalterischer
Maßnahmenplanungen, da
dafür notwendige
Kompetenzen nicht in der
Gemeinde vorhanden sind
Erfolgsfaktoren
Öffentlichkeitsarbeit
- Um die breite Öffentlichkeit vor Ort zu erreichen und zu
informieren, werden Informationsmedien wie Gemeindeblatt an
alle Haushalte, Gemeindehomepage und Broschüren zu
bestimmten Themen eingesetzt
- Bei der Koordinierungsstelle erhalten engagierte und interessierte
Bürger detaillierte Auskünfte rund um die Bürgerarbeit
Informationsveranstaltungen
- Je nach Bedarf werden Bürgerversammlungen abgehalten, um
die Bürger umfassend über die Situation vor Ort zu informieren
und Bewusstsein zu schaffen
- Aktivierungsveranstaltungen als Bürgerwerkstätten und
Zukunftswerkstätten
- Bevölkerungsbefragung „Lokale Demokratiebilanz“ um
Beurteilung der Bürger über Beteiligung vor Ort sowie Wünsche
und Bedürfnisse zu erfragen (im Rahmen des Civitas-Projekts)
unterstützt von Experten
- Weitere Bürgerbefragungen zu Themenbereichen wie Energie
und Altersplanung teils organisiert von der Gemeinde, teils von
den AKs, welche persönliche Befragungen durchgeführt haben
� Veröffentlichung der Ergebnisse
Dialogveranstaltungen
- Jedes Jahr findet an der SDL ein Workshop von Gemeinderäten,
engagierten Bürgern und Gemeindeverwaltung statt, um
gemeinsam über die Zukunft der Gemeinde und anstehende
Projekte zu diskutieren
- Exkursionen in andere Gemeinden, um Ideen und Erkenntnisse
für bestimmte Fragestellungen der eigenen Gemeinde gewinnen
und das Bewusstsein für Probleme vor Ort zu stärken
- Bei problematischen Themen- und Fragestellungen und im
Spannungsfeld einer breiten Meinungsvielfalt werden nach Bedarf
Workshops zur Konfliktlösung veranstaltet wie z.B. beim Thema
„Bebauung des Klosterangers“
Qualifizierungsmaßnahmen
- Coaching über 5 Jahre als Preisträger des Civitas-Projekts
- Gemeinde organisiert Weiterbildungsseminare für Aktive und trägt
die Kosten
- Bei Bedarf können AKs selbstverantwortlich Experten zu
bestimmten Themenbereichen als Unterstützung einladen
Gemeinde Weyarn
Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
Systematik der Organisationsstruktur
- Ansiedlung der Koordinierungsstelle im Rathaus ermöglicht kurze Kommunikationswege
- Steuerungs- und Entscheidungsgremium als übergeordnete Instanz der Bürgerarbeit
- Akzeptanz im Gemeinderat für Bürgerbeteiligung erleichtert Abstimmungsprozesse und schafft eine Vertrauensbasis („Nicht ohne
meine Bürger“)
- Erkennen von Vorteilen als akzeptanzfördernder Faktor bei allen Akteuren (Arbeitsentlastung des Gemeinderats, Mitspracherecht
der Bürger)
- Beteiligungssatzung als Regelwerk
- Regelmäßiges Evaluierungsseminar an der SDL; externe Moderation
2-Säulen-Prinzip (entstand im Verlauf eines fortwährenden Entwicklungs- und Beteiligungsprozesses)
� Kombination aus herkömmlichem Weg der Entscheidungsfindung (Gemeinderat als Ideengeber, Entscheider,
Umsetzer) und bürgerschaftliche Entscheidungsfindung (Bürger als Ideengeber und Entwickler)
Gremien
- Gemeinderat
- Koordinierungsstelle (befindet sich im Rathaus)
- Arbeitskreise (AK)
- Steuerungs- und Entscheidungsgremium wird alle 6 Jahre im Rahmen einer Bürgerversammlung gewählt (� antizyklisch
zu Gemeinderatswahl), besteht aus engagierten Bürgern und Sprechern bzw. Mitgliedern der Arbeitskreise (min. 8
Mitglieder)
- Nach Bedarf werden als ergänzende Gremien Projektgruppen zu bestimmten Problem- und Fragestellungen gegründet
Aufgabenbereiche und Kompetenzen
- Steuerungs- und Entscheidungsgremium -wichtiges Gremium des Beteiligungsprozesses, dessen Aufgabe es ist über
Planungen zu beraten und abzustimmen, einen jährlichen Finanzierungsrahmen zu erstellen; beruft Sitzungen ein
- Entscheidungskompetenz liegt beim Gemeinderat
- Koordinierungsstelle ist Ansprechpartnerin für engagierte Bürger, Kontaktstelle zu Gemeindeverwaltung (!),
verantwortlich für Informationsaustausch, Organisation, öffentliche Bekanntmachungen, Anerkennungskultur, nach
Bedarf Mediator
� Verbindungsglied der zwei Säulen
Zusammenarbeit der einzelnen Gremien
- Zusammenführung der Ideen, entwickelten Projekte und Arbeiten der einzelnen Arbeitskreise im Steuerungsgremium;
Weitergabe aller Informationen und Erkenntnisse an den Gemeinderat
- In gewissen zeitlichen Abständen stellen AKs stellen ihre Arbeit im Gemeinderat vor
Spielregeln
- Anfertigung von Sitzungsprotokollen, welche den anderen Gremien als Informationsquelle dienen
- Wahl eines AK-Sprechers, welcher Ansprechpartner ist und mit Koordinationsstelle in Kontakt steht
Anerkennung und Motivation
- Etablierung einer Anerkennungskultur wie Ehrungen besonders engagierter Bürger, Veranstaltung kleiner Feste,
Essenseinladungen, Gutscheine seitens der Gemeinde je nach Bedarf
� Richtet sich nicht nur an Mitglieder der AKs, sondern auch Mitglieder traditioneller Vereine
- Jedes Jahr Neujahrsempfang für alle ehrenamtlich tätigen Bürger
Evaluierung
- Aufgrund der Teilnahme an Wettbewerben, die eine detaillierte Beschreibung der Arbeit vor Ort mit ihren Hemmnissen
und Erfolgsfaktoren erfordern, wie Europäischer Dorferneuerungspreis 2004, Staatspreis des Bayer. Staatsministeriums
für Landwirtschaft und Forsten 2005/2006, ÖGUT-Preis 2006
- Im Rahmen von Workshops an der SDL werden das übergeordnete Leitbild und die Leitbilder der einzelnen
Handlungsfelder regelmäßig evaluiert
Hemmnisse
Finanzierung
- Finanzierung von Projekten
über die Dorferneuerung
- Umsetzung von Projekten teils
durch Eigenleistungen der
Engagierten
- Für Bürgerarbeit steht im
Gemeindehaushalt ein Budget
zur Verfügung, um
professionelle Unterstützung
einkaufen zu können
- Jeder Arbeitskreis kann
eigenverantwortlich über ein
Budget verfügen
- Finanzierung der
Koordinationsstelle wird von der
Gemeinde getragen
� Organisation
- Arbeitskreise und
Projektgruppen können
Räumlichkeiten im Rathaus für
Treffen nutzen
- Satzung zur Einbindung der
Bürgerschaft als
Arbeitsgrundlage in der
Gemeindeordnung verankert
� wichtiges Regelwerk für die
Zukunft („Ohne Regeln geht
es nicht“)
- Unterschiedliche Arbeitsweisen und –tempi bei der Zusammenarbeit verschiedener Arbeitskreise zu einen gleichen
Themenbereich
- Trotz großer Motivation der Arbeitskreise und Projektgruppen müssen Regeln eingehalten und Grenzen gesetzt werden
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 46

2.5 Integrierte ländliche Entwicklung (ILE) VG Syrgenstein
1. KURZPORTRÄT
Die Verwaltungsgemeinschaft (VG)
Syrgenstein ist ein Zusammenschluss aus
den drei Kommunen Bachhagel, Syrgenstein
und Zöschingen. Diese sind im Westen des
Landkreis Dillingen a. d. Donau im
Regierungsbezirk Schwaben gelegen. Sie
befinden sich an der Grenze zu dem
Bundesland Baden-Württemberg. Die VG
Syrgenstein zählt ca. 3.300 Einwohner
(Bachhagel: 1146 Ew., Syrgenstein: 1 818
Ew., Zöschingen 404 Ew., Stand:2009)
(vgl. https://www.statistik.bayern.de
/statistikkommunal/index.php).
Im Jahre 2007 beschlossen die
drei Gemeinden gemeinsam ein
Integriertes ländliches Entwicklungs-
konzept (ILEK) zu erstellen, um den
zukünftigen Herausforderungen, wie der
ILE VG Syrgenstein
demographischen Entwicklung und der damit einhergehenden Generationenfrage sowie dem
Flächenmanagement und durch ihre räumliche Randlage bedingten Herausforderungen gerecht zu
werden.
Als eine situationsgerechte Vorgehensweise erwiesen sich gemeinsam interkommunale Maßmahnen zu
entwickeln und zu realisieren.
Nach einer intensiven Vorbereitungs- und Konzeptionsphase unter Einbeziehung aller für den Prozess
relevanten Personen, wurde im Jahre 2008 das ILEK fertiggestellt. Basierend auf diesem konnte der ILE-
Prozess fortgesetzt werden und bereits im Jahre 2009 konnte mit der Umsetzung der geplanten
Maßnahmen begonnen werden.
Dadurch, dass die Verwaltungsgemeinschaft (VG) bereits bestand, konnte der ILE-Prozess auf bereits
bestehenden Strukturen initiiert und aufgebaut werden. Dies kann als sehr förderlich für den gesamten
Prozessverlauf bewertet werden.
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
ZUSAMMENSETZUNG DES AKTEURSKREISES
Der Bürgerbeteiligungsprozess der VG Syrgenstein basiert auf einem breiten Engagement
unterschiedlicher ortsansässiger Akteursgruppen und Bevölkerungsgruppen, wie politische
Verantwortungsträger, Mitarbeiter der Kommunalverwaltung und in Arbeitsgruppen organisierte Bürger,
aber auch projektbezogen auf der Einbindung von Wirtschaftsakteuren.
Abbildung 10: Räumliche Lage der ILE VG Syrgenstein
Quelle: Bearbeitet nach Regionaler Planungsverband
Region 9 Augsburg
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 47

Abbildung 11: Akteurskreis der ILE VG Syrgenstein
Quelle: Eigene Darstellung
Quelle: Eigene Darstellung
Impulse durch externe Akteure
Gemeinderäte
Bürgermeister
Arbeitsgruppen
ILE VG Syrgenstein
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 48
VG
Wirtschaftsakteure
Begleitet und unterstützt wird der gesamte Beteiligungsprozess durch interdisziplinär arbeitendes
Expertenteam.
3. ORGANISATIONSPROSS (-STRUKTUREN)
Der erfolgreiche und zielorientriete Verlauf des Beteiligungsprozesses der integrierten ländlichen
Entwicklung basiert auf einer sehr professionellen Vorgehensweise aller am Prozess mitwirkenden
Akteure. Insbesondere die Aktivierung der Menschen vor Ort spielt eine bedeutende Rolle, um Projekte
und Ideen auch langfristig gestalten und fortsetzen zu können.
Insgesamt konnte der ILE-Prozess auf den bestehenden Abstimmungs- und Entscheidungsstrukturen der
VG aufbauen. Das hat die Entwicklung des ILE-Prozesses von Anfang an erleichtert und befördert.
Mittels thematischer Schwerpunkte, welche bei allen am dem Prozess Beteiligten eine Betroffenheit
hervorrufen und einen Nutzen vermitteln, gelingt es Arbeitskreise, die die gesamte ILE-Region
einbeziehen, zu etablieren. Beispielsweise ist hier das Handlungsfeld „Bevölkerungsentwicklung mit
Schwerpunkt Familienfreundlichkeit“ (vgl. RAAB, KURZ 2008) zu nennen, in dessen Rahmen auf Initiative
des Arbeitskreise eine soziale Vernetzungsstelle „Bürgerservice Bachhagel“, die das Gesamtgebiet
bedient, eingerichtet werden konnte.
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
VERWALTUNGSGEMEINSCHAFT (VG)
Die Verwaltungsgemeinschaft (VG) als Institution bestand weit vor dem Entschluss gemeinsam in einen
ILE-Prozess einzutreten. Die VG übernimmt die Aufgaben einer Verwaltung und dient allen drei
Gemeinden als Anlaufstelle. Sie ist mittlerweile anerkannt und wird von allen genutzt. Das wirkt sich sehr
positiv auf den ILE-Prozess aus.
STEUERUNGSRUNDE
Die Steuerungsrunde, welche ein wichtiges Organ der Verwaltungsgemeinschaft darstellt, übernimmt auch
im ILE-Prozess wichtige Aufgabenbereiche.
Die Arbeit der VG wird durch die Steuerungsrunde, die sog. „Bürgermeisterrunde“ koordiniert und
organisiert. Diese setzt sich aus den Bürgermeistern sowie den Planern, welche den Prozess betreuen und
begleiten, zusammen. Sie stellt eine wichtige Schnittstelle und zu den Entscheidungsgremien der
einzelnen Mitgliedergemeinden dar und übernimmt eine Rückkopplungsinstanz.
Interdisziplinäres
Expertenteam

ILE VG Syrgenstein
Zu ihren Aufgabenbereichen gehört es beispielsweise Handlungsbedarfe zu erörtern, weitere inhaltliche
und strategische Verfahrensschritte gemeinsam zu diskutieren, eine gleiche Informationsbasis aller
Mitglieder des Steuerungsgremiums und des Beteiligungsprozesses zu schaffen und mit möglichen
Gesprächs- und Kooperationspartnern in Kontakt zu treten.
Insbesondere bei Umsetzungsfragen nimmt die Steuerungsrunde eine wichtige Funktion ein.
Die Steuerungsrunde wird noch um eine VG-Versammlung ergänzt.
Sowohl die Verwaltungsgemeinschaft als auch die Steuerungsrunde übernehmen in dem Prozessverlauf
eine Koordinierungsfunktion.
ARBEITSGRUPPEN
Die Arbeitsgruppen sind ein wichtiger Bestandteil der Beteiligungsstruktur des gesamten ILE-Prozesses.
Diese werden entweder themen- oder projektbezogen gegründet oder bereits bestehende Arbeitskreise
werden mit neuen, aktuellen Frage- und Problemstellungen betraut. Sie können als Ideenschmiede
beschrieben werden, welche auch als Umsetzer aktiv werden.
WIRTSCHAFTSAKTEURE
Durch thematisch bezogene Fragestellungen ist es im Beteiligungsprozess der VG Syrgenstein gelungen
Wirtschaftsakteure aus dem Immobilien- sowie dem Bankensektor zu beteiligen.
Jedoch ist hier festzuhalten, dass die Partizipation wirtschaftlicher Akteure vielmehr eine Information und
einen Dialog bedeutet als eine Kooperation zwischen den Engagierten der VG Syrgenstein mit den
Verantwortlichen aus dem Immobilien- und Bankensektor.
Es kann als besonders positiv bewertet werden, dass es der VG gelungen ist in Kontakt mit wirtschaftlichen
Akteuren zu treten. Jedoch basiert die gemeinsame Arbeitsgrundlage eher auf einer Informations- und
Konzeptionsebene als auf einer Handlungs- und Umsetzungsebene. Hier besteht noch ein großes
Entwicklungspotential, welches jedoch voraussetzt, dass die Notwendigkeit Kooperationen einzugehen
seitens der Unternehmer erkannt wird. Daher ist es wichtig, dass Vorbehalte seitens der
unternehmerischen Menschen abgebaut werden. Dies kann gelingen, in dem die
Kooperationsbestrebungen sichtbare und spürbare Vorteile und Mehrgewinne generieren.
ZUSAMMENARBEIT UND SPIELREGELN DER GREMIEN
Neben dem Vernetzen der unterschiedlichen Akteursgruppen, bedarf es auch einer Organisation und eines
Managements des gesamten Prozesses. Dieser Aufgabenbereich liegt bei der VG, dessen Vorsitz derzeit
ein Bürgermeister der ILE-Gemeinden inne hat.
Nicht nur organisatorische Fragestellungen sind Bestandteil des Prozesses, sondern auch eine aktive
Begleitung und fachliche Hilfestellungen von einem interdisziplinären Expertenteam.
Je nach fachlichen Problem- und Aufgabenstellungen werden Stadtplaner und Landschaftsarchitekten oder
Sozialexperten eingebunden.
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
Der Entwicklungsprozess stützt sich auf eine regelmäßige Evaluierungsarbeit. Einmal jährlich wird eine
sog. Zwischenbilanz erstellt, die eine transparente und nachvollziehbare Übersicht über die erreichten
Ergebnisse ermöglicht.
Jedoch wird seitens der Akteure diese noch als nicht ausreichend bewertet. Um die Erreichung der
Zielsetzungen besser gewährleisten zu können, ist hier eine Intensivierung notwendig.
Wie genau ein solcher Bewertungsprozess situationsangepasst und zielgerichtet gestaltet werden kann
und muss, bedarf aber noch weiterer Überlegungen.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 49

4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(WISSENSGENERIERUNG UND WILLENSBILDUNG)
ILE VG Syrgenstein
Die Kommunikation in der VG Syrgenstein ist durch verschiedene Arten der Interaktion zwischen allen
Handelnden gekennzeichnet.
BETEILIGUNGSMETHODEN
Zur Vorbereitung baulicher Projekte sowie Innenentwicklungsmaßnahmen beispielsweise wurden
wiederholt Workshops veranstaltet, um eine gemeinsame Informationsbasis zu schaffen und offene
Fragestellungen klären zu können, die eine Weiterentwicklung der Projekte konsensorientiert ermöglichen.
Nicht nur Workshops tragen zur Sensibilisierung und zur Bewusstseinsbildung für drängende Handlungs-
und Problemfelder in dem interkommunalen Zusammenschluss bei, sondern auch bedarfsorientierte
Haushaltbefragungen. Mittels dieser gelingt es gezielt Bevölkerungsgruppen anzusprechen und deren
Präferenz zu bestimmten Thematiken zu ermitteln. Dies ermöglicht ein zielgerichtetes und
ergebnisorientiertes Arbeiten und Umsetzen von Projekten, welche zu einem Mehrgewinn aller am Prozess
Beteiligten führen können.
Eine weitere kommunikationsunterstützende und -fördernde Maßnahme zur Öffentlichkeitsbeteiligung in
Form einer Internetseite ist aktuell in Bearbeitung. Um ein solches Angebot nutzerspezifisch gestalten zu
können, bedarf es der Beachtung verschiedener Kriterien wie Funktionalität, Informationsgehalt,
Gestaltung und Nutzerfreundlichkeit. Hier wurde im laufenden Prozess ein Defizit festgestellt, da die selbst
erstellte Internetseite den Ansprüchen der Nutzer nicht mehr entspricht und eine gewisse Professionalität,
die Expertenwissen bedarf, erforderlich ist. Dabei ist stets darauf zu achten, dass die inhaltliche Gestaltung
der Internetseite von Experten begleitet und betreut wird, um dem ganzheitlichen Anspruch und der
Philosophie, die einem solchen Prozess zugrunde liegt gerecht zu werden und um allumfassend und
verständlich informieren zu können.
QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
Das Qualifizierungsangebot, welches den Prozess begleitet umfasst keine Seminare zur Erlernung und
Verbesserung von soft kills der aktiven Bürger, sondern themen- und projektbezogen werden Seminare
beispielsweise an der Schule für Dorf- und Landentwicklung (SDL) angeboten und besucht. Dadurch
werden bestimmte Frage- und Problemstellungen, welche vor Ort zu bearbeiten sind, nicht nur unter den
Akteuren diskutiert und ein Meinungsbild erstellt, sondern durch externe Fachreferenten und Moderatoren
wird zu einer Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung der Teilnehmer beigetragen.
„Das darf man nicht überschätzen, wir als Fachleute sehen das natürlich schon, die ganzen Fortschritte,
aber bei den Menschen dauert das erfahrungsgemäß doch noch eine Zeit bis die Dinge ankommen.“
(KURZ:5)
Des Weiteren werden Fachexkursionen für die aktiven Akteure sowie Interessierte angeboten, welche
dienlich sind um Anregungen einzuholen und von guten Beispielen zu lernen.
ANERKENNUNG UND MOTIVATION
Die Anerkennungskultur der VG Syrgenstein ist dadurch gekennzeichnet, dass Erfolge gefeiert werden.
Dies ist besonders wichtig, um die Bereitschaft zur Mitwirkung und das Engagement der Einzelnen
anzuerkennen und die Motivation langfristig zu fördern. Darüber hinaus kann dies dienlich sein weitere
potenzielle Akteure für die Arbeit vor Ort und die Entwicklung der Region zu gewinnen.
Gemeinsame Feste, wie beispielsweise die Einweihung eines gemeinsamen Bauprojektes, wurden darüber
hinaus dazu genutzt neue Projekte öffentlich bekannt zu machen und zu bewerben. Dies trägt zu einer
Sensibilisierung und zu einem Bewusstsein für die bereits erreichten Ergebnisse bei sowie für wichtige
zukünftige Aufgabenbereiche und Tätigkeiten. Dies ist dienlich um die kontinuierlichen Entwicklungen den
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 50

ILE VG Syrgenstein
Engagierten sowie Interessierten zu präsentieren und einen Beitrag zu leisten diese anzunehmen und zu
nutzen.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
RÄUMLICHE HANDLUNGSEBENE
Trotz einer räumlichen Nähe zu Gemeinden in Baden-Württemberg besteht mit diesen derzeit noch kein
Austausch oder eine Kooperation. Dies ist damit zu begründen, dass das Wirken und der Nutzen der VG
den Menschen vor Ort zunächst bewusst werden muss, um dann in einem weiteren Schritt auf einer
größeren räumlichen Ebene zu agieren.
FINANZIERUNG
Einerseits werden Maßnahmen und Projekte in der VG Syrgenstein über die Verwaltung für Ländliche
Entwicklung gefördert, anderseits wurde die VG aufgrund ihrer bereits funktionierenden interkommunalen
Zusammenarbeit aus den drei Gemeinden in das Städtebauförderungsprogramm "Kleinere Städte und
Gemeinden - überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke", welches Bestandteil der „Initiative Ländliche
Infrastruktur“ ist, aufgenommen. Zwischen diesen beiden Fördertöpfen gibt es jedoch keine Verknüpfung.
Jedes dieser Förderprogramme fördert nach ihren eigenen Förderrichtlinien Projekte sowie eine
Umsetzungsbegleitung. Maßnahmen und Projekte werden nicht aus einer Kombination der beiden
Fördertöpfe gefördert, sondern vielmehr werden die Fördermittel projetbezogen eingesetzt.
Eine ressortübergreifende Zusammenarbeit findet hierbei nicht statt. Jedoch ist positiv hervorzuheben,
dass seitens der beiden zuständigen Behörden sehr engagierte Mitarbeiter tätig sind, die versuchen den
eigenen Handlungs- und Gestaltungsrahmen möglichst umfassend auszugestalten und somit die
Realsierung entwickelter Projekte maßgeblich zu unterstützen.
6. FAZIT
Besonders positiv auf den Einstieg in den Entwicklungs- und Beteiligungsprozess hat sich die Möglichkeit
auf bereits bestehende Strukturen ansetzen und aufbauen zu können ausgewirkt.
Die Vernetzung der drei Gemeinden in der Verwaltungsgemeinschaft Syrgenstein bestand bereits zu
Beginn des Prozesses. Diese ist durch eine Kultur der Kooperation und des Dialogs, eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit, gemeinsame Vorstellungen, Ideen und Wünsche der beteiligten Akteure und eine
Anerkennung der Strukturen auf politischer und kommunaler Ebene gekennzeichnet.
Diese Voraussetzungen erleichtern die Zusammenarbeit der VG und der externen Fachexperten und
beschleunigen die Erarbeitung eines gemeinsamen ILEKs wie auch den Beteiligungsprozess.
Die VG fungierte von Anfang an als Ansprechpartner für das interdisziplinäre Beratungsteam.
Eine vorherrschende Professionalität der Akteure ermöglicht es den gesamten Prozess ziel- und
umsetzungsorientiert zu gestalten.
Der Teilnehmerkreis des Entwicklungs- und Beteiligungsprozess ist offenen und flexible gestaltet und nicht
in starre Organisationsstrukturen eingebettet. Dies ermöglicht es je nach geplanten Maßnahmen und
Projekten den Teilnehmerkreis bedarfsgerecht und ergebnisorientiert um die relevanten wirtschaftlichen
und bürgerschaftlichen Akteure zu erweitern.
Der Teilnehmerkreis der Entwicklungsphase ist je nach Möglichkeit auch personell in der
Umsetzungsphase aktiv eingebunden.
Die Anwendung der unterschiedlichen Beteiligungsmethoden ist in dem ILE-Prozess sehr stark
projektbezogen. Dies bedeutet, dass weniger breitgefächerte und offene Frage- und Themenstellungen als
Dialog- und Diskussionsgrundlage dienen, sondern dass bereits angedachte und teils ausgearbeitet
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 51

ILE VG Syrgenstein
Projekte in Workshops erörtert werden. So wird das Instrument der offenen Bürgerbeteiligung nicht
überstrapaziert, da anhand konkreter Projekte ein Konsens gefunden werden kann. Dadurch können
konkrete Problem- und Fragestellungen leichter erläutert werden.
Der Beteiligungsprozess wird von einer offenen Kommunikation begleitet und es wird besonders darauf
geachtet, die Entscheidungsgründe transparent und nachvollziehbar darzustellen und vermitteln.
Als besonders prozessfördernd wirkt sich die Offenheit und Flexibilität der Projektleiter seitens der beiden
Ressorts Städtebauförderung und Amt für Ländliche Entwicklung aus. Sie unterstützen den Prozess
wesentlich, da sie im Rahmen ihrer Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten stets versuchen zu
unterstützen und nachhaltig zu gestalten. Dennoch können die Fördermittel der unterschiedlichen Fördertöpfe
nicht miteinander vereint werden.
Trotz der engen Vernetzung der drei Gemeinden, wirken sich immer wieder die unterschiedlichen
Handlungs- und Denkansätze der verschiedenen Akteure und Akteursgruppen hemmend auf den Prozess
aus. Dies zeigt sich beispielsweise dadurch, dass die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsakteuren schwierig
umzusetzen ist. Sie erkennen die Vorteile und den Mehrgewinn von Kooperationen nur sehr zögerlich, was
sich in geringem Engagement und Handeln im Entwicklungsprozess zeigt. Aber auch auf der
bürgerschaftlichen Ebene muss immer wieder Bewusstsein für die erreichten Fortschritte geschaffen
werden.
Auch auf der kooperativen Ebene zwischen den drei beteiligten Gemeinden bedarf es Zeit und Geduld um
gemeinsame Schnittstellen und eine gemeinsame Arbeitsebene der Beteiligten zu finden.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 52

Beteiligungsmodell der ILE VG Syrgenstein
Akteure Beteiligungsmethoden und
Qualifizierungsmaßnahmen
Akteursgruppen
- Verwaltungsgemeinschaft (VG)
- Gemeinderäte
- Steuerungsrunde, sog.
„Bürgermeisterrunde“
- Arbeitsgruppen
- VG-Versammlung
- Einbindung von Wirtschaftsakteuren
aus dem Finanz- und Immobiliensektor
zu bestimmten Themenbereichen wie
z.B. Immobilienportal
� Kontaktaufnahme und Austausch mit
Wirtschaftsakteuren möglich, jedoch
gemeinsame Handlungsebene zu
erreichen ist sehr schwierig
- Planer
- ALE
Externe Impulse
- Für den Themenbereich Soziales und
Verbesserung des Internetauftritts mit
integriertem Immobilienportal wurden
Experten in den Entwicklungs- und
Beteiligungsprozess eingebunden
Erfolgsfaktoren
Öffentlichkeitsarbeit
- Als Informationsverbreitungsmedium wird einerseits die
Internetseite der Verwaltungsgemeinschaft genutzt,
welche derzeit von Experten bedarfsgerecht und den
Ansprüchen und Wünschen der Bürger entsprechend
gestaltet wird; diese umfasst auch ein Immobilienportal,
andererseits die VG-Zeitung wie auch Wurfzettel
- Ansprechpartner vor Ort werden zu Multiplikatoren
(Mund-zu-Mund-Propaganda)
Dialogveranstaltungen
- Zu speziellen Fragestellungen werden Workshops
angeboten wie z.B. bei der Planung des Bauhofs, in
dem eine Bestandsaufnahme vorgestellt wurde, die
Standortwahl und die Personalentwicklung diskutiert
wurden
� Diskussionsprozess bei konkreten Projekten
intensiver und effektiver
- Durchführung von Bedarfsabfragen zu bestimmten
Themenbereichen bei entsprechendem Nutzerkreis
- Veranstaltungen, die je nach Bedarf die Arbeit der
Arbeitsgruppen ergänzen und betroffene
Bevölkerungsgruppen und Akteursgruppen miteinbeziehen
wie z.B. offene Bürgerwerkstätten
- Professionalität der Akteure und der Gestaltung des gesamten Prozesses
- Die Möglichkeit, auf bestehende Strukturen aufbauen zu können, erleichtert und beschleunigt den Beteiligungsprozess
- Planer haben Ansprechpartner vor Ort, auf die sie sich verlassen können
- Je nach Umsetzungsprojekt werden die relevanten Bevölkerungsgruppen eingebunden
- Instrument der offenen Bürgerbeteiligung wurde nicht überstrapaziert, da konkrete Projekte diskutiert und bearbeitet wurden
- Offene Kommunikation und transparente und nachvollziehbare Darstellung der Entscheidungsgründe
- Offenheit und Flexibilität der Projektleiter seitens der beiden Ressorts (Städtebauförderung und Amt für Ländliche Entwicklung)
Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
ILE VG Syrgenstein
Gremien
Finanzierung
- Verwaltungsgemeinschaft (VG)
- Projektentwicklung und –umsetzung über staatliche
- Gemeinderäte
Finanzierungsmittel im Rahmen einer Integrierten
- Steuerungsrunde, sog. Bürgermeisterrunde setzt sich aus den drei Bürgermeistern der ILE- ländlichen Entwicklung
Gemeinden zusammen sowie den Planern, welche den Prozess begleiten und beratend tätig sind - Fördermittel im Rahmen des
- Arbeitsgruppen sind bürgeroffene Gremien, in denen sowohl Bürger als auch von den
Städtebauförderungsprogramms "Kleinere Städte
Gemeinderäten benannte Akteure aktiv sind
und Gemeinden - überörtliche Zusammenarbeit und
- VG-Versammlung umfasst alle Mitglieder der drei Gemeinderäte
Netzwerke", Bestandteil der „Initiative Ländliche
Aufgabenbereiche und Kompetenzen
Infrastruktur“
- Verwaltungsgemeinschaft leitet und betreut die Entwicklung und Umsetzung von Projekten und - Finanzierung einer 400 €-Stelle durch die VG-
Maßnahmen sowie den Beteiligungsprozess
Gemeinden im Handlungsfeld Bevölkerungs-
- Steuerungsrunde diskutiert Projekte nach ihrer Priorität, Machbarkeit und Realisierbarkeit, dabei entwicklung mit Schwerpunkt Familienfreundlichkeit
wird zugleich die Vorgehensweise berücksichtigt; die Ergebnisse und Ideen werden dann mit den - Handlungsfelder und Aufgabenbereiche
jeweiligen Entscheidungsgremien (Gemeinderäte) rückgekoppelt, da diese ihre Zustimmung geben
müssen sowie einen Beschluss fassen
- Aufgabe der Bürgermeister ist es ihre Gemeinderäte über die Vorhaben und den Sachstand zu
informieren und die Projekte vorzustellen; Vorbereitung der Beschlussfassung
- Nach Beschlussfassung werden bereits bestehende Arbeitsgruppen beauftragt oder nach Bedarf
Arbeitsgruppen neu gegründet, welche die angedachten Projekte konkretisieren und planen, die
Ergebnisse und Ausarbeitungen der Planung wird mit der Steuerungsrunde rückgekoppelt
- Nach einem weiteren Abstimmungs- und Abwägungsprozess werden die Projekte und Maßnahmen
entscheidungsreif aufbereitet und der VG-Versammlung vorgestellt
� Insgesamt ist eine politische Legitimation für den Verlauf des Beteiligungsprozesses sehr wichtig;
neu gewählte Bürgermeister können gut in die Systematik eingebunden werden
Zusammenarbeit der einzelnen Gremien
- In der Bürgermeisterrunde laufen alle Informationen zusammen; diese koordiniert die
verschiedenen Projekte
Anerkennung und Motivation
- Nach erfolgreich abgeschlossenen Maßnahmen und Projekten werden Feste gefeiert, teilweise
werden sie genutzt um andere Projekte, welche bereits in Bearbeitung sind zu bewerben, wie z.B.
bei Einweihung des Bauhofs das sich im Aufbau befindliche Immobilienportal
- Einerseits können so die interessierten Bürger informiert werden, Kontakte können geknüpft werden
und die Motivation gesteigert werden, andererseits kann der Bekanntheitsgrad der Maßnahmen und
Projekte über die lokale Ebene hinaus gesteigert werden
- Anreize schaffen, die zum Mitmachen ermuntern wie z.B. die Nutzung des Immobilienportals, die
ersten 10 Teilnehmer bekommen das erforderliche Gutachten umsonst
Evaluierung
- 1x pro Jahr wird eine Zwischenbilanz erstellt, um den eigenen Arbeitsfortschritt überprüfen und
hinterfragen zu können
Hemmnisse
- (teils in der Konzeptions-, teils in der Umsetzungsphase
bzw. bereits realisiert)
- Bevölkerungsentwicklung mit Schwerpunkt
Familienfreundlichkeit (Projekt: Installierung eines
Bürgerservices)
- Siedlungsentwicklung mit Schwerpunkt
Innenentwicklung und Angebotsprofilierung (Projekt:
Immobilienportal)
- Grund- und Nahversorgung mit Schwerpunkt
Bauhofkooperation (Projekte: Gemeinsamer Bauhof
und Gemeinschaftsdorfladen)
� Alle Handlungsfelder und Aufgabenbereiche
bedürfen eines angepassten Zeitmanagements
Räumlicher Umgriff
- ILE grenzt an Baden-Württemberg
Bisher jedoch noch keine Zusammenarbeit, da
zunächst eine funktionierende Zusammenarbeit der
drei ILE-Gemeinden geschaffen werden soll
- Es bedarf Zeit und Geduld um gemeinsame Schnittstellen und Arbeitsebene der beteiligten Gemeinden zu finden
- Unterschiedliche Handlungs- und Denkansätze bei den verschiedenen Akteursgruppen
- Schaffen von Bewusstsein für die erreichten Fortschritte, da es hier einen deutlichen Unterschied zwischen Experten und
Bürgern gibt
- Zusammenarbeit mit Wirtschaftsakteuren ist nicht leicht umzusetzen
- Zögerliches Erkennen der Vorteile von Kooperationen seitens der Wirtschaftsakteure
- Vereinbarkeit der Fördermittel von zwei unterschiedlichen Ressorts
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 53

3 Externe Untersuchungsgemeinden und -projekte
Externe Untersuchungsgemeinden und -projekte
Das vorliegende Kapitel beinhaltet eine umfassende Auswertung der empirischen Untersuchung zu
den externen Untersuchungsgemeinden und –projekte. Basierend auf den Erkenntnissen aus den
leitfadengestützen Experteninterviews wurden die Beispiele nach folgenden fünf Kriterien untersucht:
„Akteure“, „Beteiligungsmethoden“, „Qualifizierungsmaßnahmen“, „Organisationsstrukturen“ und
„Rahmenbedingungen“. Wie die internen Beispiele liegt die Ergebnisauswertung der externen
Untersuchungsgemeinden und –projekte auch in Text- und Tabellenform vor.
Zu den externen Beispielen gehören sowohl Beispiele aus Bayern, aber auch aus Baden-
Württemberg, Österreich und Luxemburg. All jene Bespiele zeigen einen umfassenden und
erfolgreichen Bürgerbeteiligungsprozess auf, wobei sie sich in ihrer Arbeits- und Vorgehensweise
deutlich voneinander unterscheiden. Dies belegen auch die Ergebnisse in den unterschiedlichen
Auswertungskriterien.
Einerseits wurde Beteiligungsprozesse in den Kommunen Bernried am Starnberger See, Roßtal,
Langenegg und Beckerich genauer analysiert, andererseits Projekte, denen unterschiedliche
Beteiligungsmodelle zugrundeliegen wie die Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG, die Soziale
Genossenschaft RegioStar eG und Regionalmanagement XperRegio GmbH.
In der Abb. 12 ist die räumliche Verteilung der externen Untersuchungsgemeinden und –projekte
grafisch dargestellt.
Abbildung 12: Räumliche Verteilung der externen Untersuchungsgemeinden und -projekte
Quelle: Eigene Darstellung
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 54

3.1 Gemeinde Beckerich (L)
1. KURZPORTRÄT
Gemeinde Beckerich (L)
Die Anfänge des Beteiligungsprozesses der Gemeinde Beckerich, welche in Luxemburg gelegen ist,
gehen auf das Jahr 1982 zurück. Aufgrund der Neuwahl des Bürgermeisters, der bis heute in seinem
Amt ist und im Oktober 2011 erneut bestätigt wurde, gewannen das Thema und die Idee der
Bürgerbeteiligung an Bedeutung.
Zur damaligen Zeit befand sich die Gemeinde in einer desolaten Lage. Zudem war der damalige
Gemeinderat von einem hohen Durchschnittsalter t und vor allem von einer sehr einseitigen fachlichen
Ausrichtung gekennzeichnet. Denn die Mehrzahl der Mitglieder des Gemeinderats kam aus der
Landwirtschaft. Daher wurde seitens des Gemeinderats insbesondere Partikularinteressen verfolgt
ohne jede Einbindung der Bürger.
Um diesen Missständen entgegenzutreten und auch um die Lebensqualität vor Ort stärken und
steigern zu können und mit den Herausforderungen der ländlichen Gemeinde umgehen zu können,
wurde durch die Wahl des heute noch amtierenden Bürgermeisters Bürgerbeteiligung zu einer
Grundprämisse.
Der Beteiligungsprozess der Gemeinde ist dadurch geprägt, dass man den Engagierten und ihren
Präferenzen versucht gerecht zu werden. Es ist wichtig, verschiedene Formen und Möglichkeiten des
Engagements anzubieten. Die Engagementbereitschaft des Einzelnen wird durch seine persönliche
Lebenssituation, sein Alter und zeitlichen Ressourcen beeinflusst und dementsprechende
Engagementformen werden benötigt. Auch in der Gemeinde ist ein Trend weg vom langfristigen
Mitwirken hin zu kurzfristigem Teilhaben zu spüren.
Dieser erfolgreiche Ansatz und die dadurch bewirkten positiven Veränderung für die Gemeinde
wurden im Jahre 1996 mit dem „Europäischen Dorferneuerungspreis“ ausgezeichnet.
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
ZUSAMMENSETZUNG DES AKTEURSKREISES
Der Akteurskreis der Gemeinde Beckerich setzt
sich aus vier gemeindeangehörigen Akteuren
bzw. Akteursgruppen zusammen.
Dazu zählen der Bürgermeister und sein
Gemeinderat sowie ein Schöffenrat, in dem
sowohl der Bürgermeister als auch zwei
Vertreter des Gemeinderats vertreten sind.
Ergänzend zu diesen Gremien ist auch die
Gemeindeverwaltung aktiv in den Beteiligungs-
prozess eingebunden.
Die Arbeit der gemeindeangehörigen Gremien wird
durch die Arbeit einzelner Kommissionen ergänzt und
unterstützt, die sich jeweils mit einem Handlungsfeld und
den dazugehörigen Projekten Auseinandersetzen. Diese
Kommissionen sind sowohl mit Mitgliedern des Gemeinde-
rats als auch mit Bürgern besetzt.
Gemeindeverwaltung
Bürgermeister
Schöffenrat
Gemeinde
rat
Traditions
vereine
Kommissionen
Abbildung 13: Akteurskreis der
Gemeinde Beckerich
Quelle: Eigene Darstellung
Sie können als bürgeroffene Arbeitskreise beschrieben werden, die fest in dem Gemeindewesen
verankert sind. Durch diese Akteurszusammensetzung ist gewährleistet, dass die Kommissionen
Fach-
experten
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 55

Gemeinde Beckerich (L)
nicht losgelöst von der Arbeit des Gemeinderats handeln, sondern in den gesamten
Entwicklungsprozess eingebunden sind.
Auch die Traditionsvereine, die die Lebensqualität steigern und die Eigenheiten und Gepflogenheiten
der Gemeinde maßgeblich leben und fördern sind Teil des Akteurskreises. Sie leisten einen wichtigen
Beitrag um den Entwicklungsprozess zu fördern und sind fester Bestandteil des
Beteiligungsprozesses.
IMPULSE DURCH EXTERNE AKTEURE
Je nach Bedarf kauft die Gemeinde zur Entwicklung und Realisierung einzelner Bau- und
Projektvorhaben gezielt Expertenwissen ein. Entsprechend der Problem- und Themenstellungen
werden externe Experten unterschiedlicher Fachrichtungen in den Prozess eingebunden.
3. ORGANISATIONSPROZESS (-STRUKTUREN)
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
In der folgenden Übersicht werden die Aufgabenbereiche der einzelnen Gremien genauer betrachtet,
deren Zusammenarbeit und die zugrundeliegenden Spielregeln.
Zudem wird der Bewertungsprozess, in dem die Arbeit, der Inhalt und die Zielsetzungen des
Beteiligungsprozesses kritisch überprüft werden, beschrieben.
BÜRGERMEISTER
Der Bürgermeister ist für den Prozess zu einem Schlüsselakteur geworden, ein sog. „local hero“. Nicht
nur dass er diesen schon seit vielen Jahren leitet und lenkt, sondern er ist auch ein aktives Mitglied
des Beteiligungsprozesses.
Jedoch ist es gelungen, dass er nicht als einzige Person den Prozess trägt, sondern dass sich
mehrere Verantwortungsträger, insbesondere auch im Gemeinderat gefunden haben. Die Philosophie
der Bürgerbeteiligung wird von vielen aktiven Akteuren getragen.
GEMEINDERAT
Die Arbeit des Gemeinderats ist nicht durch parteipolitische Divergenzen gekennzeichnet, sondern die
Bürger wählen neun Kandidaten, die dann den Gemeinderat bilden und ein gemeinsames Programm
zur Entwicklung der Gemeinde beschließen. Der Gemeinderat wiederum wählt aus ihren Mitgliedern
den Bürgermeister und seine zwei Beisitzenden.
Der Gemeinderat ist zu einer wichtigen Stütze des Beteiligungsprozesses geworden, da sich ein
Bewusstseinswandel vollzogen und eine neue Denkweise etabliert hat sowie eine Vertrauensbasis
zwischen politischen Vertretern und Bürgern entstanden ist.
Er nimmt nicht nur seine politischen Aufgaben und Pflichten wie die Hoheit über die
Gemeindefinanzen wahr, sondern wirkt zusätzlich auch sehr aktiv in der Bürgerbeteiligung mit. Um
eine Bürgerbeteiligung ermöglichen zu können, sind in der Gemeinde bürgeroffene Kommissionen
tätig, in welchen auch Gemeinderatsmitglieder vertreten sind. Es ist den Mitgliedern des
Gemeinderats freigestellt, in welchen und in wie vielen Kommissionen sie aktiv mitwirken.
SCHÖFFENRAT
Der Schöffenrat ist die Exekutive des Gemeinderats, der sich aus dem Bürgermeister und zwei
Beisitzenden zusammensetzt. Dieser ist jedoch in den Gemeinderat fest integriert. Wenn es zu
Abstimmungen im Gemeinderat kommt, stimmt der Schöffenrat mit ab, nimmt jedoch danach wieder
die exekutive Funktion ein.
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Gemeinde Beckerich (L)
Der Schöffenrat ist eine Art Koordinierungsgremium, in dem alle Informationen zusammenlaufen und
über Projektideen und Maßnahmenvorschläge hinsichtlich juristischer, finanzieller und zeitlicher
Gesichtspunkte entschieden wird. Können nach Prüfung durch den Schöffenrat von den einzelnen
Kommissionen entwickelte Projekte nicht wie geplant realisiert werden, treten diese an den
Vorsitzenden der Kommission heran, um ihm die Gründe für die Entscheidung zu erklären und somit
eine Akzeptanz für die Entscheidung zu schaffen sowie Transparenz zu gewährleisten.
Zu den Aufgabenbereichen des Schöffenrats gehört es bspw. auch Ideen und Projekte zur
Entwicklung der Gemeinde zu entwerfen und diese dann an die entsprechenden Ausschüsse
weiterzugeben und diese mit der Konkretisierung zu betrauen.
Geht es ums größere Projekte wie den Bau einer Sporthalle, der möglicherweise die
Aufgabenbereiche mehrerer Kommissionen betrifft, ist es die Aufgabe des Schöffenrats darüber zu
beschließen, inwiefern Fachexperten eingebunden werden müssen und auch Kooperationstreffen
zwischen allen betroffenen Gremien benötigt werden. Diese Treffen finden jedoch ausschließlich
situations- und bedarfsabhängig statt und sind eine Ergänzung zu der regelmäßigen Arbeit der
einzelnen bürgeroffenen Gremien.
GEMEINDEVERWALTUNG
Die Gemeindeverwaltung ist als unterstützende Instanz in den Prozess eingebunden. Sie übernimmt
je nach Bedarf verwaltungsorganisatorische Aufgaben und stellt Arbeitsmaterialien für die
Kommissionen zur Verfügung. Projektbezogen ist sie jedoch auch in den Beteiligungsprozess
eingebunden, um mit ihrem Know-How und Erfahrungen dem Entwicklungsprozess zu nutzen.
KOMMISSIONEN
In den Kommissionen der Gemeinde sind sowohl Bürger als auch Gemeinderäte vertreten. Die
Kommissionen in den Handlungsfeldern Bildung (Schulkommission), Immobilienwirtschaft
(Mietkommission) und Integration (Ausländerkommission) sind verbindlich zu gründende
Kommissionen. Alle anderen beistehenden Kommissionen können von der Gemeinde
eigenverantwortlich je nach Bedarf gebildet werden.
Die Gemeinde Beckerich hat zudem beratende Ausschüsse in den Handlungsfeldern wie
wirtschaftliche und ländliche Entwicklung, Zusammenarbeit und Partnerschaften, Umwelt- und
Klimaschutz, Jugend, Kultur, soziale Kohäsion und Sport etabliert.
Insgesamt sind in der Beteiligungsarbeit zehn Ausschüsse mit ca. 80 Personen tätig. Ein Ausschuss
umfasst höchstens dreizehn, aber nie weniger als acht Engagierte, da sich diese Personenzahl für
einen stetigen Arbeitsprozess am besten bewährt hat.
Bei einer geschlechterspezifischen Betrachtung des Engagements ist jedoch eine geringere
Repräsentation der Frauen gegenüber der Männer festzustellen. Dies zeigt sich auch in der
Zusammensetzung des Gemeinderats. Hier wird noch Handlungsbedarf gesehen.
Es ist den Bürgern sowie den Gemeinderäten freigestellt in welchem Bereich sie sich engagieren
möchten. Augenfällig ist, dass oftmals neuzugezogene Bürger in den Kommissionen aktiv mitwirken.
Es wird immer darauf geachtet, dass die Präferenzen und Wünsche der Einzelnen berücksichtigt
werden und sie in ihrer favorisierten Kommission Mitglied sein können. Diese werden mittels einer
Wurfsendung, welche sich an jeden Haushalt in der Kommune richtet, erfragt. Je drei Prioritäten
können die Interessierten angeben, welche versucht werden zu berücksichtigen, um eine
Zufriedenheit bei allen generieren zu können. So können das Wissen, die Fähigkeiten und
Kompetenzen aller Beteiligten zum Wohle der Gemeinde zielgerichtet eingesetzt und ausgeschöpft
werden.
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Gemeinde Beckerich (L)
Die Kommissionen bilden eine selbstorganisierte und eigenverantwortliche Arbeitseinheit, welche über
eine Legislaturperiode von sechs Jahren aktiv ist. Jede Kommission hat einen Vorsitzenden sowie
einen Schriftführer, die nicht Mitglied des Gemeinderats sein müssen. Diese übernehmen wichtige
Funktionen um die Arbeit der Kommissionen bestmöglich zu strukturieren. Sie werden von den
Arbeitsruppen selbst gewählt.
Die Kommissionen bearbeiten entweder Projekte mit denen sie vom Schöffenrat beauftragt wurden
oder sie entwickeln selbstständig Ideen und Projekte, welche sie dann mit dem Gemeinderat
abstimmen und für deren Umsetzung eine Mehrheit des Gemeinderats erlangt werden muss.
Teils bilden sich innerhalb der Kommissionen auch Unterausschüsse, um den Interessen der
einzelnen Mitglieder gerecht werden zu können und die Kompetenzen bestmöglich zu nutzen. Deren
Arbeitsergebnisse werden dann in einer großen Kommissionssitzung diskutiert und zusammengeführt.
Zur Unterstützung der Arbeit werden den Arbeitseinheiten auch teils externe Fachkräfte zur Seite
gestellt.
Zudem wird die Arbeit der Kommissionen teils durch sog. ad-hoc Arbeitsgruppen ergänzt. In diesen
können interessierte Bürger projektbezogen und über einen begrenzten Zeitraum von mehreren
Monaten mitarbeiten. Diese Art des befristeten Engagements eignet sich auch besonders um
Jugendliche in den Entwicklungsprozess einzubinden. Dies wird ihren Interessen und Präferenzen
sich lieber für ein bestimmtes Projekt als den umfassenden Entwicklungsprozess einzusetzen gerecht.
So können sie ihre Ideen verwirklichen und ihre eigenen Bedürfnisse erfüllen.
Jedes Mitglied der Kommission bekommt eine kleine Aufwandsentschädigung, um ihr Engagement zu
honorieren und wertzuschätzen. Mitglieder, welche mit besonderen Aufgaben betraut sind bekommen
eine etwas höhere finanzielle Aufmerksamkeit, mit welcher jedoch auch eine höhere
Erwartungshaltung die ihnen anvertrauten Aufgaben gewissenhaft auszuführen verbunden ist. Es
gehört u.a. zu ihren Aufgaben Sitzungen vorzubereiten sowie sie ausführlich nachzubereiten sowie die
Sitzungen zielorientiert zu leiten.
Die Systematik des Beteiligungsprozesses ist insgesamt auf Rechten und Pflichten basierend
aufgebaut.
Die Bildung dieser Kommissionen ist nicht nur ein Mittel gegen die zunehmende Politikverdrossenheit,
sondern kann sogar soweit führen, dass ehemals Engagierte zu aktiven Politikern werden.
ZUSAMMENARBEIT UND SPIELREGELN DER GREMIEN
Jede Legislaturperiode beginnt mit einer Auftaktveranstaltung. Nachdem der Gemeinderat und die
Kommissionen gebildet sind, kommen alle Mitwirkenden zu einem großen Workshop zusammen.
Dieser ist für den Prozess insgesamt und die Motivation jedes einzelnen förderlich.
Hier wird der Grundstein für eine gemeinsame Zusammenarbeit über die nächsten sechs Jahre
gelegt. Dabei geht es voranging darum, dass sich die einzelnen Mitglieder untereinander
kennenlernen und sich als eine Gruppe mit einer gemeinsamen Zielsetzung, die Entwicklung ihrer
Gemeinde, ihres Lebensumfeldes und ihrer Lebensqualität, definieren.
„[…]man muss nur aufpassen, dass man nicht anfängt die Bürgerbeteiligung damit anzufangen, dass
die Leute eine Vision für ihre Gemeinde in 20 Jahren entwickeln. Das können die meist nicht, das
können nicht mal die meisten Bürgermeister.“ (Gira:17)
Dieses Treffen ist dienlich um allen Beteiligten ihren individuellen Nutzen und den Sinn ihres
Engagements zu vermitteln.
KOORDINATION UND VERNETZUNG
Der Kommunikationsprozess zwischen den einzelnen Gremien verläuft sowohl schriftlich als auch
mündlich. Einerseits werden die in den Kommissionen angefertigten Berichte und Protokolle verbreitet
und ausgetauscht, andererseits ist der Dialog ein wichtiges Vernetzungsinstrument.
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Gemeinde Beckerich (L)
Insbesondere werden hier die Möglichkeiten neuer Medien wie der E-Mailverkehr ausgeschöpft, die
eine Koordinierung vereinfachen.
Die Vernetzung aller Gremien durch einen regelmäßigen schriftlichen Berichtsaustausch ist auch
hinsichtlich der Bildung von Synergien wichtig. So können Einzelprojekte möglichweiser zu einem
Gemeinschaftsprojekt mehrerer Kommissionen werden, Kooperationen entstehen und die
Projektumsetzung wird gefördert.
Als besonders hilfreich für den Informationsfluss hat sich erwiesen, wenn Mitglieder des Gemeinderats
oder gar des Schöffenrats Kommissionsmitglieder sind.
Die Kommunikation beruht zudem auf einem engen nachbarschaftlichen Netzwerk, welches
Kennzeichen vieler kleinerer Kommunen mit einer intakten Dorfgemeinschaft und
Kommunikationstreffpunkten ist. Dieses ermöglicht es, dass ohne zusätzlichen Zeitaufwand
Informationen schnell verbreitet werden und eine Transparenz und gleiche Informationsbasis aller
Interessierten geschaffen werden kann.
SPIELREGELN
Eine Spielregel beispielsweise bezieht sich auf die Zusammenarbeit der Kommissionen und der
Traditionsvereine.
Um eine Konkurrenz- und Konfliktsituation zwischen den traditionellen Vereinen, welche das
öffentliche und gesellschaftliche Leben der Gemeinde mitprägen und den Kommissionen zu
vermeiden, wurden bestimmte Regeln aufgestellt. So wird beispielsweise darauf geachtet, dass die
Kulturkommission keine Veranstaltungen organisiert, welche auch der Musikverein organisieren kann,
sondern ein ergänzendes kulturelles Rahmenprogramm anbietet. Zudem wird darauf geachtet, dass
es zu keinen terminlichen Überschneidungen kommt.
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
In einem Rhythmus von sechs Jahren, nach jeder Kommunalwahl, werden die Arbeit, die
Vorgehensweise und der Inhalt der einzelnen bürgeroffenen Kommissionen und des Gemeinderats
hinsichtlich ihrer Erfolge und Hemmnisse evaluiert. Dieser Evaluierungsprozess wird durch ein
internes Zusammentreffen der engagierten Akteure durchgeführt. Zudem wird unter Berücksichtigung
der Zielsetzungen und zukünftigen Problem- und Ausgabenstellungen die Zukunft diskutiert, welche
Kommissionen benötigt werden und ob ein Bedarf an Neugründungen besteht.
Aber auch die Teilnahme an Wettbewerben wie dem Europäischen Dorferneuerungspreis kann als
eine Art Evaluierung verstanden werden. Da eine Teilnahme eine detaillierte Beschreibung der Arbeit
vor Ort eingeschlossen ihrer Hemmnisse und Erfolge erfordert.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(WISSENSGENERIERUNG UND WILLENSBILDUNG)
BETEILIGUNGSMETHODEN
Die vorrangige Beteiligungsmethode der Gemeinde Beckereich bezieht sich auf die erste Stufe der
Beteiligung das Informieren. Um nicht nur die engagierten Akteure über den Entwicklungsprozess,
seine Vorhaben und Projekte durch eine Mitgliedschaft in einer Kommission stets zu informieren,
sondern auch die breite Öffentlichkeit zu berücksichtigen, ist die Gemeindezeitung ein geeignetes
Medium. Sie richtet sich an alle Haushalte und so kann sichergestellt werden, dass alle Interessierte
die Möglichkeit und Chancen haben sich zu informieren. Zudem stützt sich der Informationsprozess,
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Gemeinde Beckerich (L)
an dem alle Bürger teilhaben können, auf ein dichtes und intaktes bürgerschaftliches und
nachbarschaftliches Netzwerk.
Die unter dem Punkt „Zusammenarbeit und Spielregeln der Gremien“ beschriebene
Auftaktveranstaltung ist auch eine Beteiligungsmethode, die nicht nur zur reinen Information, sondern
auch der Förderung des Dialogs und der Kooperation insbesondere durch das Schaffen einer
Vertrauensbasis aller am Prozess beteiligten Akteure dienlich ist.
QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
„[…] die Leute arbeiten autonom, aber wir helfen ihnen die Qualität ihrer Arbeit dadurch zu
verbessern, indem wir regelmäßig Fortbildungen für diese Menschen anbieten, vor allem für die
Vorsitzenden und Schriftführer, da das die wichtigen Leute sind.“ (Gira:3)
Die Weiterbildungsmöglichkeiten, die seitens der Gemeinde den Engagierten geboten werden, sind
sehr vielfältig. Insbesondere Themenbereiche wie „Arbeiten als Gruppe“, „Gruppenarbeit effizient
gestalten“ und „Grundlagen in der Strukturierung eines Arbeitstreffens“ werden in Seminaren
vermittelt. Diese sind dienlich, um den Engagierten Handwerkszeug mitzugeben um erfolgreich und
zielorientiert arbeiten zu können und ein Verständnis aufzubauen wie entscheidend Kleinigkeiten im
Arbeitsablauf sind.
Neben einem umfassenden Seminarangebot setzt die Gemeinde weitere Hilfsmittel ein. So wurde
eigens für die Arbeit der Kommissionen ein computerbasiertes, standardisiertes Berichtsystem
entwickelt, welches sich an die Schriftführer richtet. Dieses erlaubt ihnen vollständige Berichte zu
verfassen, welche Angaben zu den Aufgaben detailliert nach wer macht was bis wann beinhalten.
„Das klingt jetzt bürokratisch, aber ich war selbst lange im Vereinswesen in Beckerich aktiv und Sie
merken, dass der gute Wille gemeinsam was zu bewegen nicht genügt. Man muss sich auch
strukturieren […].“ (Gira:3)
Aber die Seminare- und Weiterbildungsmöglichkeiten richten sich nicht nur an die engagierten Bürger,
sondern auch an den Gemeinderat und den Bürgermeister. Auch dies ist wichtig um eine
Sensibilisierung der politischen Verantwortungsträger zu erreichen und weiterzuentwickeln.
„[…] wir wollen ja, dass Politiker partizipativer vorgehen, d.h. man muss die Verantwortlichen schulen,
das geht nicht von selbst. Die wenigsten haben von sich aus die Technik und die Talente mit so was
umzugehen, das wird meistens vergessen. Der gute Wille genügt nicht. Das muss man schulen, das
kann man schulen.“ (Gira:13)
Um das Wissen der Beteiligten zu erweitern und die Wahrnehmung der Gemeindesituation zu
schärfen, ist es zudem wichtig sich mit Fragen der Demographie und sozialgesellschaftlichen
Zusammensetzung der Bevölkerung zu beschäftigen, um entsprechende Entwicklungsziele
formulieren zu können. Dazu ist es hilfreich einen Fachexperten zu beauftragen eine sozial-
statistische Datenanalyse für die Gemeinde durchzuführen. Einerseits hilft dies, den sich langsam
entwickelnden Transformationsprozess nachvollziehbar und verständlich aufzubereiten, andererseits
ein situationsgerechtes und zielorientiertes Vorgehen zu entwickeln.
ANERKENNUNG UND MOTIVATION
Die Motivation der bürgeroffenen Kommissionen wird einerseits durch finanzielle Anreize verstärkt
(siehe „Finanzierung“), anderseits können der Vorsitzende und der Schriftführer durch ihren
persönlichen Einsatz und Engagement als Vorbilder die Gruppenmitglieder motivieren. Die
Gruppenmotivation und – dynamik hängt zu einem großen Teil von diesen beiden Akteuren ab. Daher
ist insbesondere die Wahl dieser von großer Bedeutung für den Prozess.
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Gemeinde Beckerich (L)
Die Anerkennungskultur wird in der Gemeinde mittels verschiedener Methoden ausgeübt. Zum einen
werden kleine finanzielle Aufwandsentschädigungen an die engagierten Bürger gezahlt, zum anderen
mittels Evaluierungen die Erfolge sichtbar gemacht.
Zudem wird jährlich ein gesellschaftlicher Event organisiert, zu dem alle aktiven Akteure des
Beteiligungsprozesses eingeladen werden. Dieser wird auch durch ein Rahmenprogramm begleitet.
Hier werden umgesetzte Projekte gezeigt und der Mitarbeiter des Jahres gekürt, der mit einer kleinen
Aufmerksamkeit belohnt wird. Einerseits wird den Engagierten gedankt und jeder Einzelne
wertgeschätzt, anderseits wird das Gemeinschaftsgefühl dadurch gestärkt.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
FINANZIERUNG
Um die Tätigkeiten der Kommissionen bestmöglich zu unterstützen, wird für einige Kommissionen ein
Budget im kommunalen Haushalt zur Verfügung gestellt. Über diese Finanzmittel können die
Kommissionen nach Absprache mit dem Schöffenrat selbständig und eigenverantwortlich verfügen.
Dies verleiht den geplanten Projekten nicht nur eine gewisse Dynamik in der Umsetzung und
Motivation der Arbeitsgruppe, sondern erkennt auch die Einsatzbereitschaft der Mitwirkenden an.
Um beispielsweise den Zielsetzungen im Handlungsfeld Energie gerecht werden zu können, wurde
eigens eine Energieberatungsfirma gegründet, an der sich derzeit ca. 150 Kleinaktionäre finanziell
beteiligen. Diese Firma wurde von einem Bürger der Gemeinde gegründet, der dafür seine Anstellung
als Lehrer aufgeben hat und seine Kompetenzen nun für die wirtschaftliche Wertschöpfung vor Ort
und die Dorfgemeinschaft einsetzt. So wurde das Handlungsfeld „Erneuerbare Energien“ zu einem
Selbstläufer.
6. FAZIT
Die Offenheit für Neues aller am Prozess beteiligten Akteure und die Bereitschaft gemeinsam einen
Lernprozess zu starten wirkt sich sehr positiv auf den Beteiligungsprozess aus. Die zunächst
vorherrschende Skepsis und Ängste seitens des Gemeinderats konnte zugunsten einer dauerhaften
und umfassenden Bürgerarbeit abgebaut werden.
Insbesondere die enge Verknüpfung und die gute Zusammenarbeit der Gemeinderäte und der Bürger
in den verschiedenen Kommissionen und die dadurch geschaffene enge Verbindung mit der
politischen Ebene haben diesen angestoßenen Prozess maßgeblich gefördert. Nicht nur dass alle
Akteure entsprechend ihren Interessen und Präferenzen an dem Prozess teilhaben können, sondern
auch die dadurch gewonnen Handlungs- und Gestaltungsfreiraum innovative Ideen einzelner Akteure
in den Entwicklungsprozess einzubinden und zu zulassen, bedeutet einen Mehrgewinn für die
Gemeindeentwicklung, wie beispielsweise das Handlungsfeld „Erneuerbare Energien“ aufzeigt.
Insgesamt konnte die Grundeinstellung der Akteure, die ein klares Bekenntnis zu bürgerschaftlichen
Engagement umfasst, geschaffen werden. Dies ist für den Prozess sehr entscheidend.
Ein besonderes Merkmal des Beteiligungsprozesses ist es, dass durch Qualifizierungsmaßnahmen
den Akteuren vornehmlich methodisches Handwerkszeug vermittelt wird, um die Qualität der Arbeit
weiter zu steigern.
„Das heißt Bürgerbeteiligung kostet kein Geld, aber es kostet Zeit. Wir müssen nach sechs Jahren
schon zeigen, dass wir die Welt verändert haben. Das ist nicht gut. Denn Bürgerbeteiligung braucht
Zeit, es kostet kein Geld, aber es braucht auch Know-how.“ (Gira:13)
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Beteiligungsmodell der Gemeinde Beckerich (L)
Akteure Beteiligungsmethoden und
Qualifizierungsmaßnahmen
Akteursgruppen
- Gemeinderat und -verwaltung
- Kommissionen
- Vereine
Einzelakteure
- Bürgermeister ist „local hero“,
aber die Philosophie der
Bürgerbeteiligung wird auch vom
Gemeinderat getragen
� ohne dessen Unterstützung
nicht denkbar gewesen
Öffentlichkeitsarbeit
- Als Informationsmedium wird die Gemeindezeitung,
die an alle Haushalte verteilt wird, genutzt
- Der Informationsfluss wird zusätzlich durch das
informelle nachbarschaftliche Netzwerk unterstützt
Informationsveranstaltungen
- Zu bestimmten Themenbereichen werden
Bürgerversammlungen für alle Interessierten
angeboten
- Nach jeder Kommunalwahl und Bildung der
Kommissionen wird eine Auftaktveranstaltung
organisiert, um über die anstehenden Aufgaben zu
berichten
Dialogveranstaltungen
- Nach Bedarf werden große Dialogveranstaltungen
mit allen Engagierten durchgeführt
- Zu aktuellen Frage- und Problemstellungen werden
regelmäßig Workshops abgehalten
Qualifizierungsmaßnahmen
- Die Gemeinde organisiert für die engagierten Bürger
Seminare und Workshops zu praktischen Themen,
um Arbeit in Gruppen effizienter gestalten zu
können, wie z.B. Möglichkeiten eine Sitzung ziel-
und ergebnisorientiert zu gestalten, Protokolle
richtig verfassen (wer macht was mit wem bis wann)
- Spezialisierung in Kommunikation zur Weiterbildung
der Engagierten
- Je nach Fragestellung und Themenbereich werden
unterschiedliche Experten eingeladen
� Angebot richtet sich an alle Prozessbeteiligten,
auch an Gemeinderäte
� Guter Wille alleine genügt nicht, es bedarf einer
Strukturierung und Verbesserung der
Arbeitsqualität
� Bürgerbeteiligung braucht Zeit und Know-How
Erfolgsfaktoren
- Innovative und mutige Menschen vor Ort, die bestimmte Kompetenzen haben und zum Wohl der Gemeinschaft einbringen
- Grundeinstellung aller am Prozess beteiligten Akteure gegenüber Bürgerengagement ist positiv
- Qualifizierungsmaßnahmen für alle am Prozess beteiligten Akteure um Arbeitsqualität zu verbessern
- Mitwirkung nicht um Partikularinteressen durchzusetzen, sondern um sich für das Gemeinwohl zu engagieren
- Durch Kommissionsarbeit können Gemeinderäte und Bürger nach ihren Präferenzen mitwirken und ihr Wissen und Know-How einbringen
- Unterschiedlichen Interessen der Bevölkerungsgruppen werden beim Angebot von Engagementmöglichkeiten berücksichtigt z.B. Neu- und
Altbürger. Dafür ist es wichtig von einem Experten in regelmäßigen Abständen eine Demographieanalyse erstellen zu lassen
- Bleibendes Know-How wurde vor Ort geschaffen durch Firmengründung im Bereich Erneuerbare Energien
Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
Gremien
- Gemeinderat besteht aus 9 Mitgliedern (Bürgermeister und 8 Gemeinderäte)
- Schöffenrat besteht aus dem Bürgermeister und zwei Beisitzenden; sie sind Teil des Gemeinderats
- Gemeindeverwaltung
- 3 obligatorische Kommissionen (Schul-, Miet-, Ausländerkommission) und ergänzend 7 freiwillige Kommissionen; insgesamt sind ca. 80
Personen aus Bürgerschaft und Gemeinderat in den Kommissionen organisiert, wobei zwischen 8 und 13 Mitglieder je Kommission nach ihren
Präferenzen aktiv sind; Mitgliederzahl je Kommission beschränkt, um Arbeitsatmosphäre einer Kleingruppe zu bewahren
- Untergruppen der Kommissionen bilden sich je nach Bedarf selbstständig
- Vereine stehen nicht in Konkurrenz zu den Kommissionen und umgekehrt, sondern sie ergänzen einander
- Ad-hoc-Arbeitsgruppen werden je nach Bedarf zu speziellen Themenbereichen auf einen kurzen Zeitraum (6 bis 8 Monate) in Ergänzung zu den
Kommissionen gegründet; bieten sich insbesondere für Jugendliche an, da ein permanentes Engagement von Jugendlichen kaum generierbar ist
Aufgabenbereiche und Kompetenzen
- Kommissionen arbeiten selbstständig und sind für die Koordinierung, Organisation und Arbeitsweise selbstverantwortlich; sie führen bei einer
Untergliederung in Teilgruppen Arbeitsergebnisse eigenverantwortlich zusammen; sie bearbeiten entweder Themen, die ihnen vom Schöffenrat
übertragen werden oder Themen, welche sie in Abstimmung mit dem Schöffenrat selbst entwickelt haben
� Vorteil: Gemeinderat kann Problem- und Fragestellungen an die Kommissionen weitergeben, welche teils mit Fachexperten zu bestimmten
Themenbereichen besetzt sind
- Jede Kommission wählt einen Vorsitzenden und einen Schriftführer; diese haben ein sehr wichtiges Amt inne, da sie für die Vor- und Nachbereitung
der Sitzungen sowie das Verfassen und Versenden von Sitzungsprotokollen zuständig sind, um den Informationsfluss innerhalb des gesamten
Beteiligungsprozesses zu gewähren und aufrechtzuerhalten
- Schöffenrat agiert als Koordinierungsgremium des gesamten Prozesses und bildet die Exekutive des Gemeinderats; er entwickelt Projektideen und
begleitet und kontrolliert die Projektumsetzung
- Gemeinderat trifft in Abstimmung Entscheidungen über die Finanzierung von Projekten, wobei die Entscheidungen jeweils transparent und
nachvollziehbar kommuniziert und präsentiert werden
- Gemeindeverwaltung ist projektbezogen integriert in den Beteiligungsprozess und übernimmt organisatorische Unterstützungsaufgaben wie
Druckaufträge und Versandaktionen
Zusammenarbeit der einzelnen Gremien
- Basis der Zusammenarbeit ist eine stetige Kommunikation, welche sowohl schriftlich mittels Sitzungsprotokollen als auch mündlich gewährleistet wird;
insbesondere die mündliche Kommunikation lässt Synergien entstehen; alle Informationen werden im Schöffenrat zusammengetragen
- Besetzung der Kommissionen aus Bürgern und Gemeinderäten erleichtert die Zusammenarbeit der Kommissionen, da ein frühzeitiges Abwägen der
Machbarkeit und Realisierbarkeit von Projekten gewährleistet ist und ein enge Verknüpfung und Rückkopplung mit dem Gemeinderat stattfindet
- Zusammenarbeit zwischen Vereinen und Kommissionen basiert auf klaren Richtlinien (wie z.B.: Festsetzung von Veranstaltungsterminen nur in enger
Absprache, Angebote der Kommissionen als Ergänzung und nicht als Konkurrenz zu denen der Vereine)
Motivation und Anerkennung
- Jeder Engagierte bekommt eine geringe Aufwandsentschädigung von der Gemeinde; Vorsitzende und Schriftführer erhalten einen höheren Satz
womit auch eine höhere Verantwortung und Erwartungshaltung an die gewissenhafte Ausführung ihres Amtes seitens der Gemeinde verbunden ist
- Kommissionen können teils über ihr eigens Budget aus dem Gemeindehaushalt verfügen
- Gemeinsam entwickelte Zielvorstellungen regen zu Engagement an und fördern die Motivation der Einzelnen
- Zur Anerkennung und Wertschätzung des Engagements aller wird ein jährliches stattfindendes Gemeinschaftsessen mit Gemeindeverwaltung, Politik,
Kommissionen veranstaltet, in dessen Rahmen der „Mitarbeiter des Jahres“ ehrt wird
Evaluierung
- In einem 6 Jahresrhythmus (nach jeder Kommunalwahl) wird Arbeit des Gemeinderats und der Kommissionen hinsichtlich ihrer Erfolge und
Hemmnisse intern überprüft mit dem Ziel zukünftige Handlungsfelder und Aufgaben herauszuarbeiten und gegebenenfalls Änderungen und
Neuerungen bei den Kommissionen vorzunehmen
- Aufgrund von Teilnahmen an Wettbewerben, die eine detaillierte Beschreibung der Arbeit vor Ort mit ihren Hemmnissen und Erfolgsfaktoren erfordern,
wie Europäischer Dorferneuerungspreis 1996
Gemeinde Beckerich (L)
Finanzierung
- Im Gemeindehaushalt wird für bestimmte
Kommissionen ein Budget zur
selbstverantwortlichen Verwaltung zur
Verfügung gestellt; dies führt zu einer
Dynamik des Prozesses
- Im Bereich Erneuerbare Energie wurde
eine Beratungsfirma mit 150
Kleinaktionären gegründet, welche von
einem Dorfbewohner geführt wird; dieses
Konzept wird als nachhaltig beurteilt, da
die Kompetenzen vor Ort genutzt werden
Handlungsfelder
- Manche Handlungsfelder werden zu
Selbstläufern, wie das Thema
Erneuerbare Energie ; dies ist auf die
Organisation durch die Gründung eines
Unternehmens zurückzuführen
Hemmnisse
- Beginn des Prozesses war insbesondere beim Gemeinderat eine gewisse Skepsis wahrnehmbar, nur widerwillige Teilnahme, Ängste mussten
abgebaut werden
� Lernprozess in Gang gesetzt mit Resultat, dass eine Vertrauensbasis zwischen Gemeinderäten und Bürgern entstanden ist
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3.2 Gemeinde Bernried am Starnberger See
1. KURZPORTRÄT
Die Gemeinde Bernried ist am Starnberger See im sog.
Fünfseeland gelegen.
Derzeit leben in der Gemeinde 2218 Bürger (Stand: 2009)
(vgl. www.statistik.bayern.de/statistikkommunal/
09190115.pdf). Bereits im Jahre 1997 wurde unter dem
damaligen Bürgermeister der Gemeinde versucht einen
Agenda 21-Prozess mit einer umfassenden Bürger-
beteiligung anzustoßen. Aufgrund einer mangelnden
Einbeziehung und Teilnahme der Mitglieder des
Gemeinderats sowie einer unzureichenden Informations-
und Aufklärungsarbeit aller Bürger, relevanter Akteurs-
gruppen sowie den bestehenden Organisationen und
traditionellen Vereinen vor Ort konnte zwar kein
andauernder Beteiligungsprozess aktiviert werden, aber
ein erster Schritt in Richtung Bürgerbeteiligung gemacht
werden.
Im Jahre 2007 erhielt die Gemeinde im Wettbewerb
„Unser Dorf hat Zukunft“ die Goldmedaille im Landes-
sowie im Bundesentscheid. Bereits im Jahre 1982 wurde
die Gemeinde Bernried im Wettbewerb „Unser Dorf soll
schöner werden“ mit der Goldmedaille auf Landesebene
und mit der Silbermedaille auf Bundesebene
ausgezeichnet (vgl. www.bernried.de).
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
ZUSAMMENSETZUNG DES AKTEURSKREISES
Der Bürgermeister fungiert als Multiplikator und hat
zugleich eine wichtige Schüsselrolle inne. Unterstützt
und getragen wird der partizipative Ansatz auch
von einer Mehrzahl der Gemeinderatsmitglieder
sowie der Gemeindeverwaltung.
Der Beteiligungsprozess ist in zwei Phasen zu
untergliedern. In die Entwicklungs- und
Umsetzungsphase, die mit unterschiedlichen
Akteurskonstellationen einhergehen.
In der Entwicklungsphase wurden
Zukunftsbildgruppen und ein Sprecherkreis gegründet, der
auch in
der Umsetzungsphase weiter besteht.
In der Umsetzungsphase arbeiten Bürger und
politische Entscheidungsträger gemeinsam in Arbeitskreisen
an unterschiedlichen Frage- und Problemstellungen.
Gemeinde Bernried am Starnberger See
Abbildung 14: Räumliche Lage der
Gemeinde Bernried am Starnberger See
Quelle: Bearbeitet nach Regionaler
Planungsverband München
Gemeind
everwaltung
Bürgermeister
Traditionsvereine
Gemeinderat
Arbeitsgruppen
Politischer
Arbeitskreis
Abbildung 15: Akteurskreis der
Gemeinde Bernried am Starnberger
Quelle: Eigene Darstellung
Fach-
experten
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 63

Zudem wurde ein politischer Arbeitskreis für „Nachhaltige Entwicklung gegründet.
Gemeinde Bernried am Starnberger See
Auch die vielfältigen Traditionsvereine sind stark in den Beteiligungsprozess eingebunden.
Auch Jugendgruppen sind temporär sehr aktiv an der Entwicklung der Gemeinde beteiligt.
EIGENSCHAFTEN UND BEFÄHIGUNG DER AKTEURE
Als wichtige Rahmenbedingung vor und während des Beteiligungsprozesses auf Gemeindeebene
zeigt sich die Einstellung und Haltung der einzelnen Akteure der Bürgerarbeit gegenüber. Hierzu zählt
beispielsweise die Bereitschaft Verantwortung abzugeben seitens des Gemeinderats und die
Bereitschaft Verantwortung anzunehmen seitens der Bürger.
„Die Bürger fordern ein Mitspracherecht vermehrt ein. Allerdings dieses Mitspracherecht nicht
unbedingt immer gleichzusetzen ist mit der Bereitschaft auch mitzuarbeiten.“ (STEIGENBERGER:21)
Aber dennoch ist den Bürgern verständlich zu vermitteln, dass die letztendliche Entscheidungs-
kompetenz beim Gemeinderat liegt.
IMPULSE DURCH EXTERNE AKTEURE
Je nach Bedarf werden externe Akteure in den Prozess eingebunden, um diesen zu begleiten und zu
beraten. Beispielsweise wurde das Leitbild der Gemeinde unter Anleitung eines professionellen,
neutralen Moderators entwickelt und erarbeitet. Auch zu einer regelmäßigen Evaluierung und
Monitoring des Beteiligungsprozesses wird seitens der Gemeinde das Know-How und Fachwissen
eines externen Fachexperten eingekauft.
3. ORGANISATIONSPROZESS (-STRUKTUREN)
Den Auftakt eines langfristig ausgerichteten Beteiligungsprozesses in der Gemeinde stellte der
Leitbildprozess dar. Dieser erstreckte sich über ein Jahr und hat zu einer Strukturierung und
Organisation der einzelnen Arbeitsschritte beigetragen.
Basierend auf den Erkenntnissen aus dem Agenda 21-Prozess (siehe „Kurzporträt“) wurde hierbei von
Anfang an auf eine bewusste Einbeziehung des Gemeinderats sowie aller aktiven und potentiellen
Akteure vor Ort sowie Vereins- und Organisationsmitglieder geachtet. Um dieser Zielsetzung einer
umfassenden Beteiligung gerecht zu werden, wurde insbesondere durch eine direkte Ansprache und
Kontakt mit den Multiplikatoren vor Ort wie beispielsweise Vereinsvorständen versucht möglichst viele
Menschen vor Ort zu motivieren und zu akquirieren.
Eine erste gemeinsame Zukunftswerkstatt ist der Anfang eines gemeinsamen Entwicklungs- und
Beteiligungsprozesses.
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
BÜRGERMEISTER
Der Bürgermeister nimmt in dem gesamten Prozess der Bürgerbeteiligung eine Schlüsselrolle ein.
Diese resultiert daraus, dass dem Bürgermeister seitens der Bevölkerung ein sehr großes Vertrauen
entgegengebracht wird. Die Vertrauensbasis ist für einen Beteiligungsprozess von besonderer
Bedeutung.
Seine Hauptaufgabe ist es stetig als Motivator sowie als Vermittler und Multiplikator zu wirken. Zudem
ist es wichtig nicht lediglich den Gemeinderat von dem Mehrgewinn und dem Nutzen eines
Beteiligungsprozesses zu überzeugen, sondern auch die Bevölkerung, insbesondere unter
Berücksichtigung gewachsener und bewährter Strukturen.
Auch auf den Konflikt zwischen Alt- und Neubürgern zu achten und eine gegenseitige Akzeptanz zu
schaffen und eine Zusammenarbeit zu ermöglichen, ist einer seiner Aufgabenbereiche. Hierbei ist es
auch wichtig Unterstützer zu finden, welche vor Ort anerkannt sind und als Vermittler mitwirken.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 64

Gemeinde Bernried am Starnberger See
„Betroffene zu Beteiligten machen gelingt nicht immer. Aber das ist die Grundvoraussetzung, dass
man Erfolg hat in der Politik und dass man eine gute Gemeindepolitik machen kann.“
(STEIGENBERGER:25)
GEMEINDERAT
Der Gemeinderat unterstützt nicht nur die Bürgerarbeit, sondern ist auch aktiv an dieser beteiligt. In
den letzten Jahren konnte eine Zunahme der Bereitschaft mitzuwirken aufgrund veränderter äußerer
Rahmenbedingungen festgestellt werden. Die Arbeit und das Bewusstsein des Gemeinderats vor Ort
wurden sowohl durch ein gestiegenes Interesse beeinflusst als auch einer wachsenden Bedeutung
bürgerschaftlichen Engagements auf bundespolitischer Ebene und damit einhergehend einer
vielfältigen medialen Berichterstattung.
Eine Mehrzahl der Mitglieder des Gemeinderats ist aktiv in einer der Arbeitsgruppen tätig und ist somit
das Bindeglied zwischen den bürgeroffenen Arbeitsgruppen und dem gesamten Gemeinderat.
Dabei übernimmt der jeweilige Gemeinderat die Funktion des Sprachrohrs und des Vermittlers gegen-
über dem Gemeinderat.
POLITISCHER ARBEITSKREIS
Innerhalb des Gemeinderats wurde ein Arbeitskreis „Nachhaltige Entwicklung“ gegründet. Dieser
beschäftigt sich mit Fragen und Themen, welche eine allumfassende und nachhaltige Entwicklung der
Gemeinde betreffen.
Zudem beschäftigt sich der politische Arbeitskreis auch mit den Ideen und Projekten, welche von den
Bürgern in den Arbeitsgruppen diskutiert und bearbeitet werden.
Dieser Arbeitskreis hat eine querschnittsorientierte thematische Ausrichtung.
GEMEINDEVERWALTUNG
Die Verwaltung ist auch stark in den organisatorischen Ablauf des Prozesses eingebunden, da sie die
Arbeitsgruppen beispielsweise bei dem Erstellen und Drucken von Flyern oder Plakaten unterstützt.
Der Leiter der Gemeindeverwaltung koordiniert und organisiert die Arbeit der Arbeitsgruppensprecher.
ARBEITSGRUPPEN
Um die unterschiedlichen Handlungs- und Themenfelder, welches sich stets am Leitbild orientieren,
bearbeiten zu können, wurden einzelne Arbeitsgruppen geründet. Hierbei wurde darauf geachtet,
dass jeweils mindestens ein Mitglied des Gemeinderats eingebunden ist und somit der
Informationsfluss sowie ein Austausch- und Abstimmungsprozess mit dem Gemeinderat gewährleistet
ist.
Jede dieser Arbeitsgruppen wählt einen Arbeitsgruppensprecher, der die Verantwortung für die ganze
Gruppe übernimmt. Die jeweiligen Sprecher sind wiederum in einem übergeordneten Arbeitskreis
organisiert. Die Arbeit der Arbeitsgruppen wird nicht durch Regularien und Spielregeln festgesetzt. Die
Organisationsform ist ihnen selbst überlassen. Jedoch ist es üblich, dass ein Sprecher gewählt wird.
Die Wahl des Sprechers gestaltet sich vielfach problematisch, da es sich teils als schwierig erweist
einen Verantwortlichen zu finden. Dies liegt darin begründet, dass Ängste bestehen nicht ausreichend
Kompetenzen für diesen Aufgabenbereich zu besitzen, die zu einer Hemmschwelle werden.
Die Arbeit der Arbeitsgruppen ist sehr stark von dem Engagement der einzelnen Mitglieder und
insbesondere des Sprechers abhängig. Der Arbeitskreissprecher hat nicht nur die Aufgabe innerhalb
der Gruppe zu koordinieren und nach außen den Arbeitskreis zu vertreten, sondern ihm wird auch die
Rolle eines Motivators und Ideengeber zugeschrieben. Fehlen die entsprechenden Kompetenzen oder
die Bereitschaft diese zu erfüllen kann es zu einem Stillstand der Arbeit kommen bzw. sogar zu einer
Beendigung. Ein frühzeitiges Erkennen solcher Problematiken ist wichtig, um den Fortbestand einer
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 65

Gemeinde Bernried am Starnberger See
Arbeitsgruppe sichern zu können. Insbesondere eine enge Verzahnung der Arbeitsgruppen mit den
politischen Entscheidungsträgern sowie deren Unterstützung ist in einem solchen Fall sehr wichtig um
Lösungen finden zu können.
Insgesamt ist bei den Arbeitsgruppen festzustellen, dass insbesondere die Mitwirkungsbereitschaft bei
aktuellen Thematiken wie Zum Beispiel „Soziales“ und „Erneuerbare Energie“ ansteigt.
In enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe „Soziales Netzwerk“ ist es beispielsweise gelungen
eine Beratungsstelle für Senioren und Familien zu gründen. Hierbei wurde eine klare Aufgabenteilung
zwischen der Arbeitsgruppe und den Gemeindevertretern gefunden, die besagt, dass die Trägerschaft
bei der Arbeitsgruppe liegt und die Kosten für die neu geschaffene 400 – Euro- Stelle, die von einer
Fachkraft besetzt ist, bei der Gemeinde liegt. Dazu wurde eigens ein Nachbarschaftshilfeverein
gegründet, der sich auf Basis von Spenden tragen soll. Dabei wird auch eine stetige Erweiterung der
Vereinstätigkeit nach dem Beispiel einer Nachbargemeinde angestrebt, um die Wirtschaftlichkeit zu
stärken und autark agieren zu können.
Zudem wirkt es sich sehr positiv auf die Tätigkeiten eines Arbeitskreises aus, wenn die Teilnehmer
bestimmte Kompetenzen, über welche sie aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit verfügen, einbringen.
Dennoch kann es auch trotz oder gerade wegen vorhandener Kompetenzen und Professionalität zu
Problemen, teils sogar zu unüberwindbaren Differenzen kommen.
JUGENDGRUPPE
Es ist gelungen auch Jugendliche, welche in einer Jugendgruppe organisiert sind in den
Beteiligungsprozess gezielt einzugliedern und nach ihren persönlichen Präferenzen zu beteiligen.
Allerdings ist bei Jugendlichen eine Tendenz zu erkennen sich weniger an einem strategisch-
perspektivischen Entwicklungsprozess zu beteiligen als vielmehr punktuell bei Projektarbeiten, die zu
einer Verbesserung ihres eigenen Lebensumfeld und der Erfüllung eigener Wünsche beitragen.
Jedoch ist dann ihre Einsatzbereitschaft von großem Interesse und Engagement gekennzeichnet,
wodurch es ihnen gelungen ist in Eigenleistung Projekte wie beispielsweise ein Beachvolleyballfeld zu
errichten. Je nach Bedarf wurde der Jugendgruppe auch ein Experte zur Unterstützung zur Seite
gestellt.
Insgesamt ist die Beteiligung der Jugendgruppen in den Gesamtprozess eingebunden, jedoch
erstreckt sich ihr Wirken auf ausgesuchte Projekte und ihre Aktivität ist nur temporär. Daher ist auch
ein Jugendparlament, das den Jugendlichen Mitspracherechte eingeräumt hätte nicht auf großes
Interesse gestoßen.
Derzeit ist die Jugendgruppe nicht mehr aktiv.
ZUSAMMENARBEIT UND SPIELREGELN DER GREMIEN
Die Koordination und Vernetzung der einzelnen aktiven Akteure und Akteursgruppen basiert in der
Gemeinde auf einem Drei-Ebenen-Modell, welches zu einer klaren Strukturierung des Prozesses
beiträgt, eine klare Aufgabenverteilung ermöglicht und die Abstimmungs- und Entscheidungs-
prozesse unterstützt. Dabei ist darauf zu achten, dass die Kompetenzen klar verteilt sind und dass die
Kompetenzen der Gemeinderatsmitglieder nicht verringert werden. Dies muss auch den Bürgern
verdeutlicht werden, dass die Entscheidungsmacht beim Gemeinderat liegt.
Das Drei-Ebenen-Modell basiert auf einer gegenseitigen Vertrauensbasis.
Auf der untersten Ebene tauschen sich die Beteiligten in ihren jeweiligen Arbeitsgruppen zu
bestimmten Fragestellungen und Projekten und entsprechenden Aufgabenbereichen aus.
Auf der zweiten Ebene werden die Ergebnisse, Überlegungen und Ideen der einzelnen Arbeits-
gruppen durch die jeweiligen Sprecher an die anderen Sprecher, welche zugleich alle als Multipli-
katoren und Informationsträger gegenüber ihren Arbeitsgruppenmitgliedern fungieren, weitergegeben.
Dadurch kann eine gleiche Informationsbasis geschaffen werden, Projekte und Ideen von
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Gemeinde Bernried am Starnberger See
Außenstehenden beurteilt werden und Abstimmungen über mögliche gemeinsame Projekte können
zeitnah stattfinden.
Auf der dritten Ebene treten der Arbeitskreis des Gemeinderats „Nachhaltige Entwicklung“ und das
Gremium der Arbeitsgruppesprecher in einen Dialog. In dieser Gruppenkonstellation wird besprochen,
welche Projekte weiterentwickelt werden und vor allem wie sie umgesetzt werden können. Auch die
Finanzierung wird auf dieser Arbeitseben erörtert. Als Ergebnis werden Beschlussvorschläge für den
Gemeinderat erarbeitet.
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
Grundlegend für die Weiterentwicklung des gesamten Prozesses ist eine Evaluierungsveranstaltung,
die im besten Fall in einem Zweijahresrhythmus stattfindet. Im Rahmen eines sog. Zukunftsforums, an
dem alle Bürger teilnehmen können, insbesondere die aktiven Bürger, wird einerseits ein Rückblick
über das bereits Erreichte gegeben, andererseits Ideen, Vorstellungen und Maßnahmen für die
Zukunft gesammelt. Unter Berücksichtigung des Leitbildes und der aktuellen Situation vor Ort werden
neue Ideen entwickelt und bestehende Projektvorschläge kritisch betrachtet und weiterentwickelt.
Zudem wird in einem weiteren Schritt berücksichtigt vom welchem Arbeitskreis welche Aufgaben
übernommen werden können oder ob es der Gründung eines zusätzlichen Arbeitskreises bedarf.
Dieser Workshop wird immer von einem externen, neutralen Moderator durchgeführt und begleitet und
bildet die Grundlage für jedes weitere Vorgehen. Die dabei entwickelten Ideen werden in die
bestehenden Arbeitsstrukturen des Beteiligungsprozesses eingegliedert.
Ein Monitoring der Projekte findet in der Regel nicht statt. Treten bei einem Projekt Schwierigkeiten
auf und werden diese an den Bürgermeister herangetragen, wird versucht aus diesen Lehren für die
Zukunft zu ziehen und bei den Folgeprojekten zu vermeiden. Jedoch findet weniger eine strukturierte
Fehleranalyse als ein informeller Informationsaustausch basierend auf einem engen
Kommunikationsnetz zwischen den Akteuren statt. Dies kann als Hilfsmittel für die
Prozessoptimierung bewertet werden, jedoch ist es zu wenig konstant.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(WISSENSGENERIERUNG UND WILLENSBILDUNG)
BETEILIGUNGSMETHODEN
Seitens der Gemeinde wird zweimal im Jahr eine Gemeindeinformation veröffentlicht, um umfassend
über die Entwicklungen in der Gemeinde zu berichten. Darin besteht auch für die Vereine und
Arbeitsgruppen die Möglichkeit über ihre Tätigkeiten zu berichten und so auch neue Mitglieder zu
werben und zu akquirieren. Dadurch, dass den Vereinen und Arbeitsgruppen eine Möglichkeit
geboten wird, sich in einem von der Gemeinde finanzierten Informationsblatt zu präsentieren, wird den
Aktiven gegenüber auch eine Wertschätzung entgegengebracht.
Darüber hinaus können die Arbeitskreise je nach Bedarf Rundschreiben oder Flyer zu ihren Projekten
an alle Haushalte versenden, welche in Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister erstellt werden.
Die Öffentlichkeitsarbeit basiert nicht nur auf einem Informieren und einer gezielten Ansprache der
breiten Öffentlichkeit, sondern auch auf einer bewussten Aktivierung der Bevölkerung bzw. Teilen der
Bevölkerung. Mittels einer Fragebogenaktion beispielsweise, welche auf Initiative einer Arbeitsgruppe
durchgeführt wurde, wurden die Senioren ab 60 Jahren gezielt nach ihren Wünschen und
Bedürfnissen befragt. So werden die Bürger als Nachfrager von Dienstleistungen und Infrastrukturen
betrachtet und ein entsprechendes bedarfsorientiertes Angebot kann geschaffen werden. Auf
Grundlage dieser Befragung wird nun zum Beispiel ein Wochenmarkt veranstaltet, der von
Bevölkerung gut angenommen wird.
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Gemeinde Bernried am Starnberger See
Auch zu bestimmten Themenbereichen wie „Bauen und Bebauungsplan vor Ort“ wird die Bevölkerung
mittels eines Fragebogens gezielt in den Prozess eingebunden.
Unterstützt werden all diese Maßnahmen von einer intakten Kommunikation der Dorfbewohner
untereinander.
Bürgerveranstaltungen wie zum Beispiel eine Auftaktveranstaltung zur Erstellung des Leitbilds, welche
sich an alle Interessierte richten, sind sehr wichtig für den Prozess. Sie bilden die Grundlage für den
weiteren Verlauf der gemeinsamen Zusammenarbeit. Dabei wird darauf geachtet, dass diese von
einem externen Moderator geleitet werden, um ein neutrales Meinungsbild aller Teilnehmer abzu-
fragen. Diese sind dienlich, um das Interesse für den Entwicklungsprozess zu wecken, die Motivation
der Mitwirkung zu steigern und eine breite Information aller zu erzeugen.
Zudem ist es überaus wichtig alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen und zu erreichen. Hierbei sind
gegebenenfalls unterschiedliche Kommunikationsmittel, Medien und Beteiligungsmethoden
einzusetzen. Gerade die traditionellen Arbeitsansätze in Vereinen beispielsweise unterscheiden sich
von den heutigen Arbeitsweisen und –strukturen von Bürgergruppen. Hier eine Verbindung zu
schaffen und alle gleichermaßen zu berücksichtigen und zu behandeln, erweist sich als
prozessfördernd.
WEITERBILDUNG UND QUALIFIZIERUNGSANGEBOT
Um die Tätigkeiten der Arbeitskreise zu unterstützen und Ergebnisse zu erreichen, werden nach
Möglichkeit Fachexperten zur Seite gestellt, wie in den Bereichen Moderation oder Projektrealisierung
und –umsetzung.
Qualifizierungsangebote wurden seitens der Gemeinde für die aktiven Bürger zwar angeboten, jedoch
ist das Interesse diese wahrzunehmen eher gering. Dieses geringe Interesse ist u.a. auf einen
zunehmenden Zeitmangel der Bürger zurückzuführen.
ANERKENNUNG UND MOTIVATION
Die Anerkennungskultur hat in der Gemeinde einen hohen Stellenwert. Einerseits wird den
Engagierten Wertschätzung gegenüber gebracht, indem man die von ihnen entwickelten Ideen bei der
Realsierung finanziell unterstützt zum anderem wird im Rahmen von Festlichkeiten für das Engage-
ment gedankt. Diese Festlichkeiten werden auch teils medienwirksam veranstaltet.
Engagierten Personen, welche sich durch die ihre Tätigkeiten und Leistungen für die Gemeinde
besonders verdient gemacht haben, wird auch eine Ehrung erteilt. Die Gemeinde hat eine sog.
Ehrenordnung, welche die Verleihung einer Auszeichnung nach bestimmten Kriterien festlegt.
Beispielsweise eine langjährige Mitgliedschaft und Aktivität in einem Verein ist ein solches Kriterium.
Aber da auch in der Gemeinde ein Trend weg zu einem langfristigen Engagement hinzu einem
projekt- und themenbezogen Engagement zu verzeichnen ist, werden auch Personen die sich in
einem Projekt besonders verdient gemacht haben nach ihrer Einzelleistung ausgezeichnet.
Die Motivation ist für den Beteiligungsprozess entscheidend, jedoch ist es nicht leicht diese beständig
bei den Engagierten hervorzurufen.
„Es wirkt sich einschränkend auf den Prozess aus, dass die Motivation eigentlich immer von einzelnen
Personen abhängig ist. Das Funktionieren des Ganzen ist von Einzelpersonen abhängig. Würde man
heute komplett die engagierten Personen austauschen, müsste man wieder von vorne anfangen, weil
dann ein anderes Denken wieder vorherrschend ist.“ (STEIGENBERGER:22)
Auch besteht die Problematik, dass seitens der Engagierten gegenüber dem Gemeinderat das
Argument geltend gemacht wird, dass dies Aufgabe des Gemeinderats sei. Hier zeigt sich die
angesprochene Problematik Personen zu finden, die Verantwortung übernehmen wollen und können
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 68

Gemeinde Bernried am Starnberger See
und so zu einer Verantwortungsteilung zwischen den Entscheidungsträgern und den Bürgern
beitragen.
Des Weiteren zeigen sich auch immer wieder Konkurrenzsituationen hervorgerufen durch
Einzelpersonen zwischen den Traditionsvereinen und den neu gegründeten Arbeitsgruppen, die sich
negativ auf die Motivation der aktiven Bürger auswirken können.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
FINANZIERUNG
Die von den Arbeitsgruppen entwickelten Projekte bewegen sich in einem kleineren finanziellen
Rahmen, sodass diese seitens der Gemeinde finanziert werden können. Zudem ist ein
Haushaltsposten von 1.500 Euro zur Unterstützung der Arbeitsgruppen im kommunalen
Jahreshaushalt vorgesehen. Bei einzelnen Thematiken, wie beispielsweise dem Thema Energie, steht
darüber hinaus eigens ein Fördertopf zur Verfügung.
Insgesamt kann man, durch kleinere Investitionen in der Bürgerarbeit viel erreichen.
Wenn es jedoch um größere Bauprojekte geht, die die Erwerbung von Grund und Boden erfordern
und somit einen hohen finanziellen Mitteleinsatz, ist es oftmals schwierig die Bevölkerung von Anfang
an und vollständig einzubinden. Insgesamt ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Bereich Bauen eine
große Herausforderung, die noch einer Lösungsfindung bedarf.
„Es gibt bestimmte Angelegenheiten, die nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden können, weil es
da um zu viel Geld geht.“ (STEIGENBERGER:21)
Zur Umsetzung baulicher Maßnahmen ist es der Gemeinde gelungen eine finanzielle Förderung in
einem großen Umfang über die Städtebauförderung zu erhalten.
6. FAZIT
Der Entwicklungs- und Beteiligungsprozess der Gemeinde Bernried am Starnberger See zeichnet sich
durch breite Akzeptanz für Bürgerbeteiligung im Gemeinderat aus. Diese ermöglicht es, dass alle am
Prozess beteiligten Akteure als gleichberechtigte Partner diskutieren und handeln können. So ist es
gelungen, dass die Engagierten vor Ort vertrauensvoll zusammenarbeiten und sich in ihren Kompe-
tenzen gegenseitig ergänzen. Alle Akteure haben die Möglichkeit in Arbeitskreisen zusammenzu-
arbeiten, in denen sowohl Bürger als auch politische Entscheidungsträger aktiv tätig sind. Dies ist
hervorzuheben, da dadurch eine von allen getragene Verantwortungsteilung erreicht werden kann.
Nicht nur die Schlüsselakteure sind für den Prozess von großer Bedeutung, sondern auch die Vielzahl
an aktiven Bürgern vor Ort. Sie gemeinsam tragen den Prozess und entwickeln ihn stetig weiter.
Insbesondere wirkt sich eine bereits vorhandene Methodenkompetenz bei vielen Bürgern positiv auf
den Prozess aus. Ihnen wird die Möglichkeit geboten, diese in den Arbeitskreisen anzuwenden, um
die Arbeit ziel- und ergebnisorientiert zu gestalten.
Zudem wurde seitens der Gemeinde stets darauf, geachtet die bereits bestehenden und gewach-
senen Strukturen gezielt in den Prozess einzubinden und auch bei diesen Akzeptanz für den
umfassenden Beteiligungsprozess zu schaffen. Dennoch ist die Zusammenarbeit zwischen Neu- und
Altbürgern in ihren unterschiedlichen Organisationsformen teilweise mit Vorurteilen behaftet.
In dem gesamten Prozess treten jedoch auch immer wieder Schwierigkeiten auf, die sich
beispielsweise in einem teils mangelnden Engagement und fehlender Motivation einzelner Akteure
wie zum Beispiel Arbeitskreissprecher zeigen. Dies wirkt sich insgesamt hemmend auf die Arbeit des
betroffenen Arbeitskreises aus.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 69

Gemeinde Bernried am Starnberger See
Trotz der bestehenden Bereitschaft seitens des Gemeinderats Verantwortung abzugeben, gestaltet es
sich teils problematisch Akteure zu finden die bereit sind diese Verantwortung anzunehmen. Dies liegt
einerseits darin begründet, dass kein Interesse besteht diese zu tragen und andererseits, dass Ängste
aufgrund fehlender Kompetenzen bestehen. Beispielsweise zeigt sich die Problematik, wenn ein
Nachfolger für einen Arbeitskreissprecher gefunden werden muss.
Insgesamt ist die funktionierende Systematik des Beteiligungsprozesses stark von Einzelakteuren ab-
hängig. Diese Zentralisierung kann sich insbesondere dann negativ auswirken, wenn diese Akteure
nicht mehr mitwirken.
Zusammenfassend konnte der Weg vom Mitreden zum Mitmachen trotzt erfolgreicher Ergebnisse und
eines wachsenden Nutzens noch nicht vollständig umgesetzt.
Trotzt erfolgreicher Umsetzungen werden Projekte und Arbeitsgruppen nicht zu einem Selbstläufer.
Vielmehr bedarf es eines Anschiebens seitens der Schlüsselakteure, insbesondere des Bürger-
meisters, der zum Motor für den gesamten Prozess geworden ist.
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Beteiligungsmodell der Gemeinde Bernried am Starnberger See
Akteure Beteiligungsmethoden und
Qualifizierungsmaßnahmen
Akteursgruppe
- Bürgermeister als
Schlüsselakteur des
Prozesses
- Gemeinderat
- Gemeindeverwaltung
- Traditionsvereine
- Neubürger, die bereits im
Rahmen des Agenda 21-
Prozesses aktiv waren
- Projektbezogene Mitarbeit
von Jugendgruppen (z.B.:
Beachvolleyball-Platz)
� versuchen alle Bürger zu
erreichen und einzubinden
(Insbesondere aktive ältere
Bürger bringen sich in den
Entwicklungsprozess ein)
- Wirtschaftsakteure,
deren Einbindung ist aber
relativ schwierig und nur
themenbezogen möglich
- Externe Fachexperten
um den Entwicklungsprozess zu
moderieren und zu unterstützen
(Leitbildprozess,
Energienutzungsplanung)
Eigenschaften der Akteure
- Bereitschaft der politischen Ebene
und der Bürger zusammenzuarbeiten:
Gemeinderat muss überzeugt
werden, dass Kompetenzen durch
Bürgerarbeit nicht eingeschränkt
werden
Bürger müssen überzeugt werden,
dass Gemeinderat Entscheidungskompetenz
inne hat
� Verantwortungsteilung ist ein
schwieriger Prozess getragen
durch Bürgermeister und einzelne
Gemeinderäte als Vorbilder
Öffentlichkeitsarbeit
- Zweimal jährlich erscheint
Gemeindeinformation, in der auch Vereinen
und den Arbeitskreise eine Plattform
geboten wird sich zu präsentieren
- Ergänzend dazu wird ein Rundschreiben
herausgegeben, je nach Bedarf und
Aktualität der Themen oder auch Flyer zu
bestimmten Aktionen
- Soziales-nachbarschaftliches Netzwerk ist
eine weitere wichtige Quelle zur
Informationsverbreitung
- Fragebogenaktion durch einen Arbeitskreis
um die Wünsche und Bedürfnisse der
älteren Bürger ab 60 Jahren im Allgemeinen
abzufragen und entsprechende Projekte zu
entwickeln und umzusetzen (z.B.
Wochenmarkt)
Informationsveranstaltungen
- Bürgerversammlungen
- Zu bestimmten Themenbereichen gezielte
Ansprache von betroffenen
Bevölkerungsgruppen
Dialogveranstaltungen
- Auftaktveranstaltung in Form eines
Zukunftsforums, an dem alle
Interessierten teilnehmen konnten
und auch Akteure und
Akteursgruppen gezielt eingeladen
wurden (durch persönliche
Ansprache des Bürgermeisters)
Bildung von sog. Zukunftsbildgruppen
Zielsetzung: Erarbeitung eines
Leitbildes für die Gemeinde
Qualifizierungsmaßnahmen
- „Tag der offenen Tür“ führt breite
Bevölkerung an unterschiedliche Themen
heran; Sensibilisierung für best.
Themenbereiche
- Angebot an Qualifizierungsmaßnahmen wie
Seminaren oder Weiterbildungsmaßnahmen
wird nur in einem sehr geringen Umfang
angenommen (Methodenkompetenzen sind
bei Verantwortlichen aufgrund ihres
beruflichen Hintergrunds meist bereits
vorhanden)
Erfolgsfaktoren
- „Learning by doing“ (negative Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung im Rahmen des Agenda 21 – Prozesses; Anstoß eines Lernprozesses)
- Durch unterschiedliche Gremien und Besetzung der Gremien Verbindung zwischen Bürgerarbeit und politischer Arbeit
- Schlüsselakteure arbeiten vertrauensvoll zusammen und ergänzen sich in ihren Kompetenzen
- Große Anzahl an aktiven Personen vor Ort, die Prozess nicht nur mittragen, sondern auch immer wieder vorantreiben
- Aktive Jugendgruppen
- Breite Akzeptanz im Gemeinderat für Bürgerbeteiligung
- Vorhandene Methodenkompetenz bei den engagierten Akteuren
- Akzeptanz für Prozess schaffen; insbesondere bei gewachsenen Strukturen, wie z.B. traditionellen Vereinen
Gemeinde Bernried am Starnberger See
Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
Gremien
- Gemeinderat
- In der Entwicklungsphase:
Zukunftsbildgruppen besetzt mit Bürgern um gemeinsame Zielvorstellungen und Visionen zu erarbeiten
- Sprecherkreis, in dem die Sprecher der Zukunftsbildgruppen zusammenarbeiten
- In der Umsetzungsphase:
Arbeitskreise, die mit Bürgern und mind. einem Mitglied des Gemeinderats besetzt sind; Gemeinderat bildet Schnittstelle zwischen politischer Ebene und
Arbeitsebene
- Traditionsvereine
- Arbeitskreis „Nachhaltige Entwicklung“, der mit Gemeinderäten besetzt ist
- Sprecherkreis in dem die Sprecher der Arbeitskreise zusammenarbeiten
- Themenbezogene Gründung von Trägerstrukturen „Nachbarschaftshilfeverein“, um eine Beratungsstelle im Bereich Soziales einrichten und finanzieren
zu können (wichtig um Fachkompetenz zu erhalten); Mitglieder des Vereins sind Einzelakteure und die Gemeinde; Zielsetzung: selbsttragende Struktur
- Gemeindeverwaltung
Aufgabenbereiche und Kompetenzen
- Arbeitskreis „Nachhaltige Entwicklung“ beschäftigt sich querschnittsorientiert mit dem Themenbereich Nachhaltigkeit sowie mit Projekten, die in den
Arbeitskreisen von den Bürgern erarbeitet wurden
- Arbeitskreise erarbeiten selbstständig in ihrem spezifischen Themenbereich Ideen und Projekte, welche sich entweder aus dem Leitbild ableiten oder auch auf
Eigeninitiative hin entstehen. Diese werden dann vom Sprecherkreis und dem Arbeitskreis „Nachhaltige Entwicklung“ diskutiert und an den Gemeinderat
weitergegeben; wählen ihren Arbeitskreissprecher; keine Regularien oder Spielregeln für die Arbeit der einzelnen Arbeitskreise; Struktur der Arbeitskreise ist offen
gestaltet, so dass Interessierte jeder Zeit mitwirken können; Ansprechpartner werden in Gemeindeinfo bekannt gegeben
- Gemeinderat trifft letztendliche Entscheidung über die Umsetzung der einzelnen Projekte und deren Finanzierung
- Bürgermeister nimmt je nach Bedarf auch Rolle des Mediators ein
- Gemeindeverwaltung unterstützt Arbeit der Arbeitskreise durch die Übernahme administrativer und organisatorischer Aufgaben
Zusammenarbeit der einzelnen Gremien
- Arbeitskreise und Gemeinde sind stets in einem Austausch- und Abstimmungsprozess; dies wird insbesondere dadurch gewährleistet, dass je mind. ein
Gemeinderat als Bindeglied in dem Arbeitskreis mitarbeitet
- Vereine stehen auch in einem Austauschprozess mit der Gemeinde
- Gemeinsame Sitzungen des Sprecherkreises der Zukunftsbildgruppen und des Arbeitskreises „Nachhaltige Entwicklung“ und gemeinsame Erarbeitung von
Beschlussvorlagen für den Gemeinderat
- Zwischen Traditionsvereinen und Arbeitskreisen entstehen immer wieder Konkurrenzsituationen, wenn sie in ähnlichen Themenbereichen arbeiten und einzelne
Akteure nicht miteinander arbeiten können
Anerkennung und Motivation
- Es bedarf immer wieder der gezielten Ansprache der Akteure, um sie zum Mitmachen zu motivieren und Akzeptanz zu schaffen; insbesondere bei Vereinen ist die
Grundhaltung „dafür haben wir einen Gemeinderat“ verbreitet
- Finanzierung der Projekte durch die Gemeinde bedeutet auch Anerkennung des Engagements der Akteure; so können Erfolge generiert werden, die wiederum die
Motivation fördern
- Einzelne Projekte werden gemeinsam mit allen Beteiligten gefeiert
- Ehrenordnung, welche die Verleihung einer Auszeichnung nach bestimmten Kriterien festlegt, z.B. langjährige Mitgliedschaft in einem Verein. An die neue
Situation ehrenamtlichen Engagements angepasst werden auch Einzelleistungen in einem Projekt geehrt
Evaluierung
- Etwa im zwei Jahresrhythmus Zukunftsforum, in dem alle interessierten Bürger und insbesondere die engagierten Bürger teilnehmen können um gemeinsam
einen Blick auf die vergangenen Jahre zu werfen, die Ziele neu zu überarbeiten und neue Ideen und Projekte für die Zukunft zu entwickeln; Aufgabenverteilung
auf die einzelnen Arbeitskreise und möglicherweise Gründung neuer Arbeitskreise
- Externe Moderation des Zukunftsforums
Finanzierung
- Gemeinde unterstützt die Umsetzung
der durch die Bürger entwickelten
Projekte immer finanziell; meist sind
diese Projekte auch nicht sehr
kostenintensiv
- Themenbezogen stellt die Gemeinde
auch spezielle Fördertöpfe zur
Verfügung (z.B. Energie)
- Zur Unterstützung der Arbeitskreise in
ihrem methodischen und fachlichen
Know-How steht auch ein Fördertopf
bereit (z.B. Einladen eines Experten)
- Projektrealisierung durch
Eigenleistung der engagierten
Akteursgruppen (z.B. Jugendgruppen)
- Themenbezogen übernimmt
Gemeinde Kostenträgerschaft, wie im
Bereich Soziales (Finanzierung der
Beratungsstelle)
- Ganz vereinzelt werden Projekte auch
durch Sponsorenaktionen unterstützt
- Maßnahmenfinanzierung durch
Städtebauförderung
Handlungsfelder und Themenbereiche
- Soziales
- Kultur
- Natur- und Landschaftsraum
- Verkehr
- Wirtschaft
- Erneuerbare Energien
- „Tag der offenen Tür“
(querschnittsorientiertes
Handlungsfeld)
� Es können jedoch nicht alle Themen
in der breiten Öffentlichkeit
diskutiert werden, insbesondere
wenn sie mit hohen Investitions-
und Geldsummen verbunden sind
Räumlicher Umgriff
- Themenbezogene Zusammenarbeit
mit Nachbargemeinden, wie z.B. im
sozialen Bereich mit der Gemeinde
Seeshaupt
Hemmnisse
- Mangelndes Engagement und Motivation einzelner Akteure (wie Arbeitskreissprecher)
- Mangelnde Bereitschaft oder Angst aufgrund fehlender Kompetenzen Verantwortung für einen Arbeitskreis zu übernehmen, insbesondere
Problem der Arbeitskreissprecher-Nachfolge
- Zusammenarbeit zwischen Neu- und Altbürgern ist teilweise mit Vorurteilen behaftet
- Projekte und Arbeitsgruppen werden nicht zu einem Selbstläufer; es bedarf eines Anschiebens seitens der Schlüsselakteure, insbesondere
des Bürgermeisters
- Funktionierendes System ist stark von Einzelakteuren abhängig
- Weg vom Mitreden zum Mitmachen noch nicht vollständig umgesetzt
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3.3 Gemeinde Langenegg (A)
1. KURZPORTRÄT
Die Gemeinde Langenegg ist im Vorarlberg in Österreich gelegen.
Es leben heute ca. 1117 Bürger in der Gemeinde (Stand 2010) und
sie verzeichnet einen leichten Bevölkerungszuwachs
(vgl. www.langenegg.at).
Die Gemeinde kann bereits auf einen 15 Jahre andauernden
Beteiligungsprozess zurückblicken, der in den 1990er
Jahren begann. Dieser ermöglichte es wertvolle Ergebnisse
für die Zukunft der Gemeindeentwicklung zu verwirklichen und
die Lebensqualität vor Ort zu steigern.
Der Auslöser für den Beteiligungsprozess war ein sichtbarer
Wegbruch der Nahversorgung, der Dienstleistungsangebote
sowie des letzten Wirtshauses. Die Nahversorgungsituation
Bürgermeister
Gemeindevertretung
Gemeindeverwal
-tung
Gemeinde Langenegg (A)
der Gemeinde war von einem starken Abwärtstrend gekennzeichnet, mehrere Gasthäuser und
Lebensmittelgeschäfte hatten zur damaligen Zeit bereits geschlossen. Daher gaben der damalige
Bürgermeister und sein Stellvertreter in den 1990er Jahren als Initiatoren den Anstoß für eine breite
Bürgerbeteiligung, um Lösungsansätze für die drohende Problematik zu entwickeln. Getragen wurde
dieser Prozess von weiteren Mitgliedern verschiedener Gremien. Das erste Projekt, welchen den
Beteiligungsprozess nachhaltig gestalten sollte, war die Umnutzung statt dem Rückbau eines
Gebäudes, welches zentral in der Dorfmitte gelegen ist. Um in diesem Gebäude den Bedürfnissen der
Bürger entsprechende Angebote anzusiedeln, wurden die Bürger aktiv mit einbezogen. Diese
Vorgehensweise war von dem Gedanken getragen, dass die Ansiedlung verschiedener
Dienstleistungen nur dann tragfähig sein kann, wenn sie von den Bürgern in Anspruch genommen
wird. Dabei war die Zielsetzung, die Lebensqualität der Gemeinde sollte erhalten und gesteigert
werden.
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
ZUSAMMENSETZUNG DES AKTEURSKREISES
Die Akteure des Prozesses sind zum einen der
Bürgermeister und die Gemeindevertretung, zum
anderen einzelne Bürger oder Bürger, welche in
Projektgruppen wie das Team „Lebenswert
Leben“ oder in Beiräten organisiert sind.
Unterstützt wird die Arbeit der Gemeindepolitik
und den Bürgern durch die
Gemeindeverwaltung.
Zudem wirken in dem Beteiligungsprozess
auch wirtschaftliche Akteure mit.
Im Verlaufe des Beteiligungsprozesses wurde
der Akteurskreis zudem um das sog. Burki-Büro
erweitert, welches als eine Servicestelle für
bürgerschaftliches Engagement fungiert.
Abbildung 16: Logo der Gemeinde
Langenegg
Quelle: www.langenegg.at
Wirtschaftsakteure
Beiräte
Projektgruppen
Burki-
Büro
Abbildung 17: Akteurskreis der
Gemeinde Langenegg
Quelle: Eigene Darstellung
Fach-
experten
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 72

IMPULSE DURCH EXTERNE AKTEURE
Gemeinde Langenegg (A)
Je nach Themen- und Aufgabenstellung bindet die Gemeinde externe Experten in ihren Entwicklungs-
prozess ein, um fehlendes Wissen zu generieren und neue Ideen und Impulse zu gewinnen.
Beispielsweise zur Erstellung und Durchführung von Bürgerbefragungen, die Fragen zur allgemeinen
Situation vor Ort und den Bedürfnissen und Wünschen der Bürger beinhalten, beauftragt die
Gemeinde regelmäßig ein Expertenteam. Aber auch um ein breites Qualifizierungsangebot für alle am
Prozess beteiligten Akteure vor Ort schaffen zu können, werden Experten aus unterschiedlichsten
Fachbereichen eingeladen, um in Seminaren nachfrageorientiert methodisches und fachliches Wissen
zu vermitteln.
Auch hat die Gemeinde in der Vergangenheit bereits mit Hochschulen, insbesondere im baulich-
architektonisch Handlungsbereich zusammengearbeitet. Durch die Arbeit studentischer Projekt-
gruppen beispielsweise wurden in Abstimmung und Mitwirkung der Bürger neue Ideen und
Anregungen für die Gemeinde entwickelt.
3. ORGANISATIONSPROZESS (-STRUKTUREN)
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
In der folgenden Übersicht werden die Aufgabenbereiche der einzelnen Gremien genauer betrachtet,
sowie deren Kooperations- und Vernetzungsformen.
Zudem wird der Bewertungsprozess, in dem die Arbeit, der Inhalt und die Zielsetzungen des
Beteiligungsprozesses kritisch überprüft werden, beschrieben.
KOMMUNALPOLITIK
Die kommunalpolitischen Vertreter nehmen in dem Beteiligungs- und Organisationsprozess der
Gemeinde neben den Bürgern eine Schlüsselrolle ein. Sie wirken in ihren Interessensgebieten sehr
stark an der Projektentwicklung und – umsetzung mit, indem sie gemeinsam mit den Bürgern in
handlungsfeldbezogenen Beiräten engagiert sind. Hier ist besonders hervorzuheben, dass die
politischen Verantwortlichen selbst entscheiden können, in welchem Beirat sie Mitglied sein wollen
und nicht gewählt werden. Dieser Ansatz kann als das politische Instrument zur Bürgerbeteiligung
beschrieben werden.
KOMMUNALVERWALTUNG
Die Kommunalverwaltung der Gemeinde ist eng in den Entwicklungsprozess eingebunden. Der
Bürgermeister ist nicht ausschließlich Repräsentant der Gemeinde, sondern auch Amtsleiter. Aber
nicht nur der Bürgermeister ist in den einzelnen Gremien vertreten, sondern ebenso wie die
politischen Vertreter sind auch die Mitarbeiter der Verwaltung in den Beiräten oder den Projektgruppen
aktiv engagiert.
TEAM „LEBENSWERT LEBEN“
Das Team „Lebenswert Leben“ agiert bereits seit 13 Jahre als Ideenschmiede in der Gemeinde und
zur Stärkung des Sozialkapitals vor Ort. Das Zusammenwirken der einzelnen Akteure wird hierbei in
den Vordergrund gerückt. Es hat sich aufgrund eines Landesprogrammes gegründet und besteht im
Gegensatz zu anderen Gemeinden bis heute.
Es gibt immer wieder Anstöße für den Entwicklungsprozess um die Lebensqualität vor Ort zu steigern.
Durch seine Aktivitäten, wie beispielsweise einer Bürgerbefragung, trägt es auch zur Sensibilisierung
und Bewusstseinsbildung der Bevölkerung bei.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 73

Gemeinde Langenegg (A)
Dieses Team wird von dem damaligen zweiten Bürgermeister, der bereits von Anfang an intensiv am
Beteiligungsprozess der Gemeinde mitwirkt, geleitet und dieser hält die Gruppe zusammen und belebt
stets den Prozess. Er ist der Schlüsselakteur und Motor dieser Arbeitsgemeinschaft. Die
Mitgliederzahl ist nicht konstant, sondern ist durch ein Kommen und Gehen der Engagierten
gekennzeichnet. Durch eine flexible Gestaltung im Aufbau dieses Gremiums kann jedoch auf einen
Mitgliederwechsel reagiert werden.
Zudem wird das Team vom Büro für Zukunftsfragen im Amt von der Vorarlberger Landesregierung
partnerschaftlich unterstützt.
PROJEKTGRUPPEN
In den Projektgruppen sind vornehmlich Bürger engagiert sowie teilweise Mitglieder der
Gemeindevertretung. Nicht immer sind in diesen Projektgruppen Mitglieder der Kommunalpolitik tätig
dennoch besteht auch hier der Vernetzungsgedanke zwischen der politischen und der Bürgerebene.
Jede Projektgruppe hat einen Leiter, dessen Aufgabe es ist den Austausch mit den anderen Gruppen
und Beiräte zu pflegen und die Gruppe nach außen zu repräsentieren.
Die Gründung einer Projektgruppe kann aufgrund zwei verschiedener Ansätze initiiert werden.
Einerseits kann der Anstoß aus der Bürgerschaft zu einer Projektgruppengründung führen, anderseits
kann dies aufgrund eines erkannten Bedarfs seitens der Gemeindevertretung erfolgen.
BURKI - BÜRO
Das Burki – Büro ist eine Beratungsstelle für Ehrenamtliche und wird von zwei ehrenamtlich tätigen
Frauen geleitet. Sie beantworten Fragen von Interessierten, informieren sie umfassend über die
Möglichkeiten rund um das Thema Ehrenamt und bieten zahlreiche Hilfestellungen für engagierte
Bürger an.
Einmal im Monat öffnen sie ihr Bürgerservicebüro im Rathaus für potentielle sowie engagierte Akteure
und sind darüber hinaus jederzeit telefonisch erreichbar. Über diesen Bürgerservice wird auch immer
wieder in der Öffentlichkeit informiert.
WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT
Die Wirtschaftsgemeinschaft dient der Vernetzung und Unterstützung der ortsansässigen Betriebe.
Diese wurde auf Initiative des ehemaligen Bürgermeisters gegründet. In dieser
Wirtschaftsgemeinschaft sind sowohl der Bürgermeister als auch die ortsansässigen Betriebe Mitglied.
Diese wird seitens eines Verantwortlichen aus der Kommunalverwaltung betreut. Dadurch wird
beispielsweise ermöglicht, dass die ortsansässigen Betriebe gemeinsame Werbeauftritte haben oder
in enger Zusammenarbeit einen Tag der offenen Tür organisieren.
Zudem wird auch darauf geachtet, dass ein Wirtschaftsakteur Mitglied der Gemeindevertretung ist. So
wird nicht nur die Vernetzung zwischen Bürgern und Gemeinderat, sondern auch zwischen
wirtschaftlichen Akteuren und dem Gemeinderat gestärkt. Dadurch kann ein Kooperieren und
Diskutieren auf Augenhöhe erreicht werden.
ZUSAMMENARBEIT UND SPIELREGELN DER GREMIEN
Ein wichtiger Bestandteil des Organisationsprozesses ist die Vernetzung der einzelnen Beiräte mit der
Kommunalpolitik und der Kommunalverwaltung. Diese Verbindung der einzelnen Gremien wird
insbesondere dadurch erreicht, dass in jeder engagierten Bürgergruppe auch mindestens zwei
Gemeindevertreter Mitglied sind. Dies ermöglicht über einen sehr direkten Weg die Verbindung
zwischen den politischen Entscheidungsträgern und den engagierten Akteuren. Zudem sind in den
Beiräten nur diejenigen vertreten, welche ein Interesse an der zu bearbeitenden Thematik haben.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 74

Gemeinde Langenegg (A)
Die Gemeindevertreter übernehmen die Aufgabe des Bindeglieds, welches Informationen zwischen
der aktiven Gruppe und dem Gemeinderat austauscht. Zudem können sie durch ihr Wissen die
Projekte hinsichtlich der Umsetzung unterstützen und frühzeitig einschätzen, ob deren Durchführung
realisierbar ist.
Ein weiterer Baustein der Vernetzung sind die Stammtische, welche zweimal im Jahr stattfinden.
Hierzu sind alle aktiven Bürgergruppen eingeladen. Dieses Treffen wird einerseits als Informations-
veranstaltung genutzt aber auch als Kooperationstreffen. Einerseits informiert die Gemeinde die
Engagierten über die Ist-Situation und die zukünftigen Maßnahmen, anderseits schildern die Projekt-
gruppen ihren Projektstand. Zudem wird geklärt wie sich die Gruppen bei ihren Projekten gegenseitig
unterstützen können und wo dringende Unterstützung erforderlich ist.
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
Die Evaluierung des Prozess spielt in der Gemeinde eine wichtige Rolle, da nur so ein Mehrwert des
Prozesses generiert und Schwachstellen erkannt werden können.
In einem fünf Jahresrhythmus nach jeder Legislaturperiode wird mittels der am Anfang erstellten
Themen- und Zeitplanung intern überprüft, welche der Maßnahmen realisiert werden konnten, welche
nicht und welche möglicherweise zusätzlich umgesetzt wurden.
Diese Klausurtagung wird aber nicht nur dazu genutzt einen kritischen Blick in die Vergangenheit zu
werfen, sondern auch um die Weichen für die nächsten fünf Jahre zu stellen.
Der inhaltliche Schwerpunkt ist dabei der Gemeindeentwicklungsplan. Dieser legt fest, was in den
nächsten fünf Jahren erreicht, welche Handlungsfelder bearbeitet und welche Maßnahmen dazu
umgesetzt werden sollen. Aufbauend auf diesen Zielsetzungen werden die Aufgaben entsprechend
zugeteilt. Falls Themen einer besonders intensiven Bearbeitung bedürfen, werden sie einer
Projektgruppe zugewiesen, die anderen Themen werden den verschiedenen Beiräten übertragen.
Neben einer regelmäßigen Evaluierung des Prozess durch den Gemeinderat, wird auch mittels einer
Bürgerbefragung erfasst wie die Bürger den Entwicklungsprozess beurteilen. Diese wird ebenso alle
fünf Jahre durchgeführt. Die Ergebnisse wiederum fließen in die zukünftigen Planungen der Gemeinde
ein. Diese Bürgerbefragung wird im Gegensatz zu der internen Evaluierung durch den Gemeinderat
von einem externen Kompetenzteam durchgeführt.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(WISSENSGENERIERUNG UND WILLENSBILDUNG)
BETEILIGUNGSMETHODEN
Die Gemeinde nutzt unterschiedliche „Ein-Weg-Kommunikationswege“ um die breite Bevölkerung
über den gesamten Entwicklungsprozess zu informieren.
Zum werden die Bürger in regelmäßigen Abständen über das Gemeindeblatt informiert, zum anderen
können Informationen über das Internet abgerufen werden. Die Homepage der Gemeinde wird
regelmäßig aktualisiert und wird als umfassendes Informationsmedium genutzt.
Auch hier wird der Beteiligungsaspekt berücksichtigt, da die Berichterstattung von Bürgerjournalisten
ergänzt wird. Beispielsweise machen diese auf Veranstaltungen vor Ort Fotos und können diese mit
einem kleinen Beitrag auf die Internetseite stellen.
Zudem veranstaltet die Gemeinde einmal im Jahr einen Dorfabend, zu dem alle Bürger eingeladen
sind und umfassend über die vergangenen, aktuellen und zukünftigen Ereignisse und deren
Hintergründe in der Gemeinde in Kenntnis gesetzt zu werden.
Diese Methoden tragen zu einem transparenten Prozess bei, in dessen Folge die Akzeptanz für
Vorhaben bei den Bürgern gesteigert werden kann und ein bewusstseinsbildender Prozess in Gang
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 75

Gemeinde Langenegg (A)
gesetzt wird. Sie gehen über die reine Information hinaus und tragen so zur Etablierung einer
Diskussions- und Kooperationskultur aller am Prozess beteiligten Akteure bei.
QUALIFIZIERUNGSANGEBOT
Für die am Prozess beteiligten Akteure werden Qualifizierungsmaßnahmen gratis angeboten oder
finanziell unterstützt. Diese werden durch die Sitzungsgelder der Gemeindevertretung finanziert. Denn
die Honorare werden nicht ausbezahlt sondern stattdessen wird ein praxisnahes Aus- und
Weiterbildungsprogramm geschaffen. Beispielsweise werden Seminare zu Themen wie Gestalten
einer Sitzung, Werben von Mitgliedern und Öffentlichkeitsarbeit veranstaltet.
Es werden aber zum Beispiel auch Unternehmensberater engagiert, um den Vereinen Vorgehens-
weisen in der Projektentwicklung, -gestaltung und –organisation zu vermitteln.
Einerseits sind die Seminare dazu gedacht die tägliche Arbeit der Bürgergruppen zu unterstützen,
anderseits auch um den Lernprozess zu fördern.
Insgesamt soll so für die engagierten Akteure ein Mehrwert generiert werden.
ANERKENNUNG UND MOTIVATION
Die Anerkennungskultur der Gemeinde Langenegg ist sehr facettenreich gestaltet.
Zum einen ist sie kennzeichnet durch kleine Gesten mit großer Wirkung. Der Bürgermeister bedankt
sich persönlich bei den Personen, die sich durch ihr Engagement besonders verdient gemacht haben.
Zum anderen werden immer wieder Dorfabende veranstaltet, in deren Rahmen aktive Bürger geehrt
werden und eine Ehrennadel in Gold verliehen bekommen.
Personen, die sich schon länger an dem Entwicklungsprozess der Gemeinde aktiv engagieren,
bekommen nicht nur eine Ehrennadel, sondern eine Figur überreicht. Diese Figur ist in der
ortsansässigen Behindertenwerkstätte entworfen worden und wird „Burki“ genannt. Diese ist mit einer
Plakette versehen auf der sowohl der Name des Bürger als auch „Vielen Dank für dein
außerordentliches Engagement“ steht. Dadurch, dass diese Auszeichnung sehr persönlich ist, kann
sie eine großen Wirkung und Motivation hervorrufen.
Die gegenwärtige Situation vor Ort und die Entwicklungsperspektiven sind ein wichtiger
motivationsfördernder Faktor. Herrscht ein gewisser Leidensdruck in der Gemeinde vor wird die
Dringlichkeit lösungs- und zukunftsorientiert zu handeln, vor allem gemeinsam zu handeln gesteigert.
Zudem bedarf es aber auch, dass alle Akteure den Sinn und den Nutzen der Aktivitäten erkennen. Da
sich ein Beteiligungsprozess in einem Tetraeder aus wie, wer, was und wozu aufspannt, ist es von
großer Bedeutung die Frage nach dem Wozu zu beantworten. Dies kann sich positiv auf den Prozess
auswirken, da so die Sinnhaftigkeit des Prozesses verdeutlicht wird. Ein erster Schritt kann hier sein,
dass sich Bürger insbesondere für ein Handlungsfeld interessieren und ihnen die Möglichkeit geboten
wird sich mit diesem auseinanderzusetzen, um sich so in den Prozess einzubringen.
Ein weiterer wichtiger motivationssteigender Baustein des Prozesses ist es alle Akteure, ihre
Meinungen und Ideen ernst zu nehmen. Dies geht eng einher mit einer gelebten Anerkennungskultur,
welche dies vermittelt oder auch mit einer finanziellen Unterstützung der Arbeit von engagierten
Bürgern.
Wertschätzung ist der Schlüsselfaktor für die Motivation und somit eines dauerhaften
Beteiligungsprozesses.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 76

5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
RÄUMLICHE HANDLUNGSEBENE
Gemeinde Langenegg (A)
Die Gemeinde Langenegg ist in verschiedenen Handlungsfeldern wie im Bereich „Erneuerbare
Energien“ in kommunale Netzwerke eingebunden.
Jedoch ist hier festzustellen, dass diese nicht nur einen Nutzen und Vorteile für die Gemeinde und
ihren Beteiligungsprozess bringen, sondern auch die vorhandenen personellen Ressourcen stark
vereinnahmen und sich teils auch als ein zusätzlicher Aufwand der zu einer Belastung führen kann
erweisen.
FINANZIERUNG
Die Gemeinde hat eine eigene Währung, die sog. „Langenegger Talente“, welche auf Initiative zweier
Bürger initiiert wurde. Diese wird nun auch von der Talente – Genossenschaft Vorarlberg unterstützt.
Von den Projektgruppen angedachte Projekte werden zumeist von der Gemeinde finanziert. Hier spielt
die enge Vernetzung zwischen den Projektgruppen und dem Gemeindevorstand eine sehr wichtige
Rolle. Durch die frühzeitige Einbindung aller Beteiligten, einem gleichen Informationsstand und einem
stetigen Austausch können Projekte hinsichtlich der Umsetzung und ihren finanziellen
Rahmensetzungen erarbeitet werden. Darüber hinaus kann dies als Wertschätzung gegenüber den
Engagierten kommuniziert werden.
Auch eine Beteiligung in Form finanzieller Unterstützung hat sich die Gemeinde bereits zu nutzen
gemacht. Der Wunsch ein Bürgercafé zu errichten, wurde durch Bürger unterstützt die je 1.000 Euro
investiert haben, um dieses Projekt realisieren zu können.
ZEITPLANUNG
Neben der Finanzierung von Projekten ist auch ein Zeitplan, welcher festsetzt, welche Themen von
welchem Beirat bearbeitet werden sollen eine wichtige Rahmensetzung. Dieser wird von den
Gemeindevertretern erstellt und bezieht sich immer auf fünf Jahre. Dieser wird am Anfang einer neuen
Legislaturperiode unter Berücksichtigung der Erfahrung aus den vergangenen fünf Jahren erstellt. In
diese Zeitplanung fließt das Wissen über Erfolge und Misserfolge in der Maßnahmen- und
Projektplanung ein.
Dieser gibt eine grobe Orientierung vor. Die Ausgestaltung der Zeitplanung wird dann mittels einer
Prioritätensetzung von den einzelnen Beiräten selbstverantwortlich bestimmt. Diese bezieht sich dann
jeweils auf ein Jahr.
Hingegen gestaltet sich die Zeitplanung bei den Projektgruppen different. Diese wird auf einer jährlich
veranstalteten Klausur für ein Jahr festgelegt.
ORGANISATORISCHE RAHMENBEDINGUNGEN
Die Projektgruppen haben jederzeit die Möglichkeit Räumlichkeiten im Rathaus zu nutzen, um sich zu
treffen. Zudem können sie diese auch für Veranstaltungen nutzen. Allgemein ist festzuhalten, dass die
Gemeinde für Fragen, Anregungen und Ideen von Bürgern immer offen ist. Es gibt keine
Sprechstunden, sondern Bürger können immer kommen um ihr Anliegen vorzutragen.
Dieses Angebot seitens der Gemeinde wird von den engagierten Akteuren sehr gut angenommen.
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6. FAZIT
Gemeinde Langenegg (A)
Der Beteiligungsprozess der Gemeinde Langenegg ist so ausgerichtet und strukturiert, dass die
Verantwortung nicht nur von den politischen Entscheidungsträgern getragen wird, sondern von allen
am Prozess beteiligten Akteuren. Dies zeigen die unterschiedlichen Gremien wie Beiräte,
Projektgruppen und dem Burki-Büro.
Insbesondere der enge Austausch zwischen der politischen und bürgerschaftlichen Ebene fördert den
Prozess, da so frühzeitig mögliche Problemstellungen erkannt werden können und gemeinsame
Lösungswege gefunden werden.
Der Beteiligungsarbeit der Gemeinde ist durch sehr vielfältige positive Eigenschaften gekennzeichnet,
wie dass allen beteiligten Akteuren die Sinnhaftigkeit der Beteiligung vermittelt werden kann und so
eine positive Grundhaltung gegenüber Bürgerengagement etabliert werden konnte.
Außerdem ist der Prozess gekennzeichnet durch eine gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung materieller
wie auch immaterieller Art sowie dass die Bürger ernst genommen werden. Dies zeigt sich beispielsweise
darin, dass in einem regelmäßigen Abstand eine professionelle Bürgerbefragung durch geführt wird,
die in der Weiterentwicklung der Gemeinde Berücksichtigung findet.
Dennoch wird bei der Frage der Verantwortungsabgabe und –übernahme noch Handlungsbedarf
gesehen und nach geeigneten Lösungswegen gesucht. Von Seiten des Bürgermeisters und dem
Gemeindevorstand besteht die Bereitschaft Verantwortung abzugeben, aber Bürger für eine
Verantwortungsübernahme zu gewinnen erweist sich teils noch als sehr schwierig.
Vorherrschend ist insgesamt die Grundhaltung, endogene Potentiale einer ländlichen Region zu
nutzen und zu stärken. Eines der größten Potentiale einer ländlich geprägten Gemeinde ist die
Gemeinschaft.
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Beteiligungsmodell der Gemeinde Langenegg (A)
Akteure Beteiligungsmethoden und Qualifizierungsmaßnahmen Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
Akteursgruppen
- Zwei politische Verantwortungsträger haben in
Zusammenarbeit mit weiteren Gremien visionär
und innovativ den Beteiligungsprozess
angestoßen
- Gemeindevertretung und -vorstand
- Gemeindeverwaltung
- Beiräte und Projektgruppen
- Wirtschaftsakteure in Wirtschaftsgemeinschaft
organisiert und von der Gemeindeverwaltung
betreut
� Gründung einer Projekt- und
Strukturentwicklungsgenossenschaft mit
Experten
� Ziel: ein Wirtschaftsakteur Mitglied der
Gemeindevertretung
Einzelakteure
- Bürgermeister trägt Hauptverantwortung des
Beteiligungsmodells
- Starke Persönlichkeiten vor Ort, wie der Vize-
Bürgermeister (leitet bis heute engagiert das
Team „Lebenswert leben“, das bereits vor 13
Jahren von ihm aufgrund eines
Landesprogramms gegründet wurde
- 2 Bürger haben Dorfwährung ins Leben gerufen
- 2 engagierte Bürgerinnen leiten ehrenamtlich ein
Bürgerbüro, sog. „Burki-Büro“ (Ehrenamtliche für
Ehrenamtliche)
Externe Impulse
- Architekturstudenten, die in Zusammenarbeit mit
Bürgern Ideen für die Zukunft der Gemeinde
entwickelt haben
� Präsentation der Ergebnisse
- Zusammenarbeit mit externen Partnern zu
bestimmten Themenbereichen wie Energie,
Sozialkapital und Dorfwährung
Erfolgsfaktoren
Öffentlichkeitsarbeit
- Internet als wichtiges umfassendes Informationsmedium; dieses wird
inhaltlich insbesondere von Bürgerjournalisten gefüllt
- Regelmäßige Informationsschrift an alle Haushalte
- Enges bürgerschaftliches Netzwerk als Verbreitungsmedium von
Informationen
Informationsveranstaltungen
- Dorfabende zur Information über die Ist-Situation der Gemeinde und
Sensibilisierung für bestehende und zukünftige Problematiken
Aufklärung was wurde bereits gemacht, was wird zukünftig gemacht
und warum. Diese richten sich an Interessierte
� institutionalisierte Veranstaltungen um stetig zu informieren und
aufmerksam zu machen und mit Aufruf zur Mitarbeit
Dialogveranstaltungen
- Veranstaltung von Zukunftswerkstätten zusammen mit interessierten
und engagierten Bürgern, um über die gemeinsame Zukunft vor Ort zu
diskutieren
- Zu Beginn des Beteiligungsprozesses Bevölkerungsumfrage von Team
„Lebenswert leben“ zur allgemeinen Situation vor Ort sowie zu
Bedürfnissen und Wünschen der Bürger
� Beitrag zu Bewusstseinsbildung
- In einem 5-Jahresrhythmus wird eine Bevölkerungsbefragung zu
bestimmten Themen durchgeführt, welche von externen Fachleuten
durchgeführt wird, um Anonymität zu gewährleisten und
Teilnahmebereitschaft zu erzielen
Qualifizierungsmaßnahmen
- Anstatt von Sitzungsgeldern werden Weiterbildungsmaßnahmen und
Fortbildungen für Mitglieder der Gemeindevertretung veranstaltet
- Fortbildungen für Projektgruppen und Vereine werden seitens der
Gemeinde angeboten zu Themen wie Öffentlichkeitsarbeit,
Sitzungsgestaltung, Mitgliederwerbung
� Erwerb von praktischem „Handwerkszeug“, Generierung von
Mehrwert für Engagierte und Gemeindevertretung, da dadurch
Aufgaben übertragen werden können
- Vereine bekommen eine Unternehmensberatung zur Seite gestellt
(Hälfte der Kosten wird von der Gemeinde getragen)
- Sinnhaftigkeit der Beteiligung wurde von allen Akteuren erkannt
- Interesse und Motivation engagierter Bürger zu einer bestimmten Frage- und Problemstellung wurde ernst genommen
- Wertschätzung und Anerkennung der Engagierten
- Grundhaltung und –einstellung der Gemeindevertretung gegenüber Bürgerengagement („mit gutem Beispiel vorangehen“)
- Bereitschaft der politischen Ebene Macht abzugeben
- Verknüpfung der mit Bürgern besetzten Gremien mit Gemeindevertretung und –verwaltung stellt Bürgerbeteiligung sicher
Gremien
- Gemeindevertretung und Bürgermeister (keine politischen Fraktionen)
- Gemeindevorstand (entspricht Gemeinderat) besteht aus 4 Personen
- Beiräte zu Themenbereichen wie Infrastruktur, Jugend, Familien, Senioren,
Vereine, Kultur und Kommunikation
- Projektgruppen wie Team „Lebenswert leben“, Öffentlichkeitsarbeit und
Energieportal
Zusammenarbeit der einzelnen Gremien
- engagierte Bürger, Mitglieder der Gemeindevertretung und Mitarbeiter der
Gemeindeverwaltung arbeiten gemeinsam in den Beiräten
� Mitglieder der Gemeindevertretung sind Bindeglieder zu Gemeindevorstand
� Kein Beirat arbeitet losgelöst von der Gemeindevertretung da immer mind. zwei
Mitglieder der Gemeindevertretung aktive im Beirat sind
- Projektgruppen bestehen meistens aus engagierten Bürgern, die sich gezielt und
vertieft mit bestimmter Thematik beschäftigen; sie werden entweder aufgrund des
Gemeindeentwicklungsplans oder auf Initiative der Bürger selbst gegründet;
Zeitrahmen zumeist 1 Jahr
� Positive Auswirkungen auf Prozessdynamik, da sich jeder nach eigener
Präferenz beteiligen kann
- Informeller Austausch zwischen Projektgruppen und Beiräten
- Alle Informationen laufen im Gemeindevorstand zusammen,
� Koordinierungsleistung des Gemeindevorstands
Anerkennung und Motivation
- Eigens entworfene Engagement-Figur „Burki“, welche engagierten Bürgern als
Dank und Zeichen der Wertschätzung verliehen wird
- Dankeschön-Kultur wird durch den Bürgermeister bei jeder Gelegenheit gepflegt
- In unregelmäßigen Abständen werden Dankeschön-Abende veranstaltet
Evaluierung
- Evaluierung im Rahmen einer gemeinsamen Klausurtagung durch externen
Experten
- Im 5-Jahresrhythmus nach jeder Legislaturperiode
- Inhalt: Erarbeitung eines Gemeindeentwicklungsplans für die nächsten 5 Jahre,
kritischer Rückblick auf die vergangenen 5 Jahren nach Erfolgsfaktoren und
Hemmnissen
� Festsetzung: Welcher Beirat macht was (Erstellung einer eigenen Prioritätenliste
der jeweiligen Beiräte)
- Aufgrund von Teilnahme an Wettbewerben, die eine detaillierte Beschreibung der
Arbeit vor Ort mit ihren Hemmnissen und Erfolgsfaktoren erfordern, wie
Europäischer Dorferneuerungspreis 2010
Hemmnisse
Gemeinde Langenegg (A)
Finanzierung
- Finanzierung von durch Bürger entwickelten
Projekten durch den Gemeindevorstand
� Form der Anerkennung und
Wertschätzung des Engagements
- Projekt- und Maßnahmenumsetzung teils
mittels Fundraising und Sponsoring, teils
durch Eigeninitiativer engagierter Bürger
- Dorfwährung „Talente“ zur Stärkung der
lokalen Wirtschaft und als
Finanzierungsmittel
- Materielle Beteiligung (1000 Euro pro
Bürger) bei Einzelvorhaben, wie
Revitalisierung eines zentralen Gebäudes im
Dorf und Umgestaltung zu einem sozialen
Treffpunkt
Organisation
- Für Bürgerarbeit sind Räumlichkeiten im
Gemeindeamt vorhanden
Räumlicher Umgriff
- Projekt- und themenbezogene
Zusammenarbeit mit angrenzenden
Gemeinden und weiteren Partnern
� mehr Austausch, aber auch höherer
Koordinationsaufwand; nicht ausreichend
Personalressourcen vorhanden
- Frage der Nachfolge bei Aufgabe von Ämtern durch freiwillig Engagierte
- Zentralisierung der Strukturen auf wenige Prozessverantwortliche
- Bürger scheuen sich Verantwortung zu übernehmen, aufgrund mangelnder Kompetenzen, hoher Anforderungen und aus
Zeitmangel
- Problematische zwischenmenschliche Beziehungen
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 79

3.4 Gemeinde Roßtal
1. KURZPORTRÄT
Die Marktgemeinde Roßtal ist im Landkreis
Fürth in Mittelfranken gelegen. Sie liegt am
Rande einer Industrieregion und befindet
sich im Einzugsbereich der Stadt Nürnberg,
etwa 15 km entfernt. (vgl. Abb. 16) Im Jahre
2009 zählte die Gemeinde, die sich in 17
Ortsteile untergliedert, 9806 Einwohner.
(vgl. https://www.statistik.bayern.de/
statistikkommunal/09573125.pdf)
Die Gemeinde ist geprägt durch die Nähe
zum Städtedreieck Nürnberg-Fürth-
Erlangen.
Bereits in den Jahre 2002 – 2004 wurde in
der Gemeinde das Leitbild „Markt Roßtal
1050 Jahre Heimat – offen und lebendig“
entwickelt. Dieses wurde nach dem Grundsatz „von Roßtalern für Roßtaler entwickelt“.
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
ZUSAMMENSETZUNG DES AKTEURSKREISES
An dem Beteiligungsprozess der Marktgemeinde ist neben
dem Gemeinderat und dem Bürgermeister auch die
Gemeindeverwaltung integriert. Die Gemeinderäte
sind je nach ihren Präferenzen und persönlichen
Interessen Referenten für ein Handlungsfeld wie
„Arbeit und Wirtschaft“, „Bauen und
Flächennutzung“, „Verkehr“, „Energie und
Wasser“.
Die Beteiligungsarbeit ist durch sog. „Runde
Tische“ organisiert, welche unterschiedliche
Themenbereiche bearbeiten. Diese sind durch
Vertreter der Kommunalpolitik, Interessensvertreter,
Vertreter gemeinwohlorientierter Organisationen, Träger
sozialer Belange oder auch Pfarrgemeinden besetzt.
Diese Akteurszusammensetzung ermöglicht eine Vernetzung
der Arbeit der „Runden Tische“ mit der Arbeit Kommunalpolitik
und -verwaltung. Ergänzt und unterstützt werden deren
Gemeinderat
Bürgermeister
Traditionelle
Vereine
Gemeinde Roßtal
Abbildung 18: Räumliche Lage der Gemeinde Roßtal
Quelle: Planungsverband Industrieregion Mittelfranken
Tätigkeiten durch den seit mehreren Jahren bestehenden Agenda 21 – Ausschuss.
Gemeindeverwaltung
Runde
Tische
Agenda
21 -
Ausschuss
Abbildung 19: Akteurskreis der
Marktgemeinde Roßtal
Quelle: Eigene Darstellung
Neben den aktiven „Runden Tischen“ und dem Agenda 21-Ausschuss ist die Bürgerbeteiligungsarbeit
in der Gemeinde durch die Vereinsarbeit von über 100 traditionellen Vereinen geprägt.
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3. ORGANISATIONSPROZESS (-STRUKTUREN)
Gemeinde Roßtal
Die Verstetigung der Prozessstruktur, welche sich aus dem Entwicklungs-, Beteiligungs- und
Organisationsprozess zusammensetzt, kann durch eine dauerhafte Teilhabe der Akteure und
Akteursgruppen erzielt werden. Ein jedoch zu beobachtender Wechsel der Engagierten und die damit
verbundenen Schwierigkeiten neue aktive Bürger durch entsprechende Projekte zu gewinnen und zu
motivieren, erschwert oder macht es gar unmöglich den Prozess dauerhaft ausgerichtet und langfristig
wirksam zu verankern.
Zudem unterliegen die Motive und die Interessen für ein gemeinwohlorientiertes Engagement einem
stetigen Wandel. Um den Prozess seitens der Gemeinde bestmöglich zu gestalten, werden eine
gewisse Offenheit für Neues und auch eine breite Unterstützung praktiziert.
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
KOMMUNALPOLITIK
Der Bürgermeister ist insofern in den Beteiligungsprozess integriert, dass er durch die jeweiligen
Arbeitsgruppensprecher über den Projektstand, die anstehenden Tätigkeiten und gegebenenfalls
auftretenden Schwierigkeiten informiert wird. Er ist Ansprechpartner für die einzelnen „Runden
Tische“, koordiniert die Arbeitsprozesse und stimmt in enger Kooperation mit den Referenten über die
Vorschläge und Projektideen der einzelnen Arbeitsgruppen ab.
Die Gemeinderäte haben ihren eigenen thematischen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich wie
zum Beispiel Sport, Senioren, Familie und Jugend oder Kultur. Im Kompetenz- und Aufgabenbereich
der Marktgemeinderäte liegt auch das Antragsrecht.
Sie haben eine Schlüsselrolle in der Beteiligungsarbeit, da sie als Bindeglieder zwischen den
Vereinen, Interessensvertretern und den Bürgern agieren. Ihre Aufgabe ist es auch darauf zu achten,
dass Einzelinteressen nicht über die Interessen des Gemeinwohls gestellt werden und auch als
Moderatoren bei Sitzungen zu auftreten bzw. bei Bedarf auch als Mediatoren. Durch ihre Funktion als
Referenten bzw. als Sprecher der „Runden Tische“ übernehmen sie auch eine Vernetzungs- und
Koordinierungsfunktion.
Die wichtigste Aufgabe lautet jedoch für die Kommunalpolitik Unterstützung der ehrenamtlich Tätigen
zu leisten.
GEMEINDEVERWALTUNG
Die Gemeindeverwaltung ist stets in den Entwicklungsprozess eingebunden. Sie übernimmt die
Koordinierungsleistung der einzelnen Projekte, welche von den „Runden Tischen“ entwickelt und
konzipiert werden.
„RUNDE TISCHE“
Die „Runden Tische“ sind die Ideenschmiede der Marktgemeinde. Sie entwickeln Ideen und Projekte
oder finden Lösungsmöglichkeiten für bestehende und zukünftige Herausforderungen und Probleme,
über welche sie dann den Gemeinderat sowie die Gemeindeverwaltung in Kenntnis setzen. Hierbei
haben sie einen sehr offenen Gestaltungs- und Handlungsrahmen bei der Entwicklung und
Umsetzung einzelner Projekte.
Zusätzlich wird die Arbeit der „Runden Tische“ durch den Gemeinderat sowie die –verwaltung
begleitet. Die Durchführung der einzelnen Projekte wird je nach Bedarf von der Gemeinde bzw. den
entsprechenden Ausschüssen finanziell unterstützt.
Die „Runden Tische“ sind nicht durch ein Steuerungsgremium oder eine Koordinierungsstelle
organisiert, jedoch findet stets ein informeller Austausch zwischen den Arbeitsgruppen statt.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 81

Gemeinde Roßtal
Der Informationsaustauch und die Kommunikation sind mit der Kommunalpolitik sowie der
Gemeindeverwaltung dadurch gesichert, dass sie Mitglieder der „Runden Tische“ und zugleich die
Sprecher der Arbeitsgruppen sind.
Die einzelnen „Runden Tische“ dienen ihren Mitgliedern als Erfahrungsbörse. Hier können Angebote,
welche die einzelnen Institutionen und Organisationen, wie die Pfarrgemeinden oder
Wohlfahrtsverbände anbieten aufeinander abgestimmt werden und miteinander kombiniert werden.
Die Arbeit der „Runden Tische“ ist maßgeblich von ihren Sprechern beeinflusst, denn sie sind
verantwortlich für deren Bestehen und Weiterentwicklung. Die Sprecher können als Mediatoren und
auch als Motivatoren wirken und geben Anstöße und Ideen für die Tätigkeiten der „Runden Tische“.
AGENDA 21 – AUSSCHUSS
Mitglieder des Agenda 21 – Ausschusses sind sowohl aktive Bürger als auch Gemeinderäte, welche
vom Gemeinderat gewählt worden sind. Er ist ein Unterausschuss des Haupt- und
Finanzausschusses. Zu jeder Zeit ist es für Interessierte möglich sich in diesem Ausschuss zu
engagieren. Die Sitzungen des Ausschusses sind immer öffentlich und an alle engagierten wie
potentiellen Akteure gerichtet.
Dieser hat für die Gemeinde das Leitbild „Markt Roßtal 1050 Jahre Heimat – offen und lebendig“ unter
Berücksichtigung der drei Säulen der Nachhaltigkeit Ökonomie, Ökologie und Soziales erarbeitet.
Diesem wiederfährt jedoch weder im öffentlichen noch im politischen Diskurs bisher kaum Bedeutung.
Es wird berücksichtigt, aber langfristige Entwicklungsziele werden nicht aufgrund dieses Leitbildes
erarbeitet.
Der Agenda 21 - Ausschuss bearbeitet wie auch die „Runden Tische“ themenbezogene Projekte,
wobei diese insbesondere das Thema der Nachhaltigkeit berücksichtigen.
VEREINE
Die unterschiedlichen Vereine haben eine lange Tradition in der Gemeinde und prägen diese bereits
seit vielen Jahren. Viele dieser Vereine können auf eine lange Geschichte und Tradition zurück-
blicken, in der sie das gesellschaftliche und öffentliche Leben geprägt haben und einen wichtigen
Beitrag für die Lebensqualität vor Ort geleistet haben. Den Vereinen werden zu ihrer Vereinsarbeit
auch teils kommunale Aufgaben übertragen.
Jedoch steht die Gemeinde bereits heute vor der Problematik, dass sie kaum oder nur schwer
freiwillig verantwortliche Vorstände findet. Diese Tendenz wird sich in den nächsten Jahren noch
verstärken.
Jedoch könnte sich diese langjährige Vereinsarbeit wiederum positiv auf die neue, projektorientierte
Bürgerbeteiligung auswirken. Die bestehende Vereinsstruktur und auch Tradition ehrenamtlich tätig zu
sein kann zu einem wichtigen Baustein des Entwicklungsprozesses werden.
FREIWILLIGEN AGENTUR
Ein zusätzliches Angebot wird über die Freiwilligen Agentur geschaffen, welche von drei ehrenamtlich
tätigen Frauen geführt wird. Diese befindet sich im Rathaus und ist einmal die Woche für alle
interessierten Bürger geöffnet. Dieser liegt das Prinzip zugrunde: „Das suche ich – das biete ich“.
Durch einen Vermittlungs- und Organisationsprozess, welcher ausschließlich ehrenamtlich geleitet
wird, werden die Dienstleistungen entsprechend mit einander vernetzt und wirksam gestaltet.
ZUSAMMENARBEIT UND SPIELREGELN DER GREMIEN
Der Entwicklungsprozess der Gemeinde stützt sich im Wesentlichen auf die Organisation und
Koordination von Projekten in unterschiedlichen Handlungsfeldern, welche von den engagierten
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 82

Gemeinde Roßtal
Bürgern in enger Zusammenarbeit mit den Kommunalvertretern und der –verwaltung konzipiert
werden.
Diese Projektorientierung stützt sich im Gegensatz zu der traditionellen Vereinsarbeit auf ein kurz- bis
mittelfristiges, weniger auf ein langfristig angelegtes Engagement. Dies ermöglicht der in der
Vereinstätigkeit zunehmenden Problematik einer sinkenden Bereitschaft zur Verantwortungs-
übernahme entgegenzuwirken.
KOORDINATION UND VERNETZUNG
Die Vernetzung der oben beschriebenen Gremien „Runde Tische“, Agenda 21 – Ausschuss und
Vereine wird im Wesentlichen durch die Gemeinderäte und den Bürgermeister getragen.
Die Koordinierungsaufgabe ergibt sich für die politischen Kommunalvertreter insbesondere dadurch,
dass sie sowohl als Referenten in den „Runden Tischen“ als auch im Agenda 21 – Ausschuss
Mitglieder sind. So wird ihnen die Aufgabe eines Multiplikators übertragen und sie werden zu
Gestaltern eines informellen Austausches mit dem Bürgermeister sowie den anderen Sprechern.
Dieser Austausch zwischen den Verantwortlichen findet jedoch nicht im Rahmen von zu diesem
Zweck organisierten Treffen statt, sondern vielmehr wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt. Aus
Zeitmangel konnten Vernetzungstreffen bisher noch nicht stattfinden. Dies ein Defizit, welches aus
Sicht des Bürgermeisters zukünftig behoben werden muss.
Jedoch konnte durch eine gute Koordinierungs- und Vernetzungsarbeit vermieden werden, dass die
neu gegründeten Arbeitsgruppen und die seit langem bestehenden Vereine in einem Konkurrenzver-
hältnis zueinander stehen. Vielmehr konnten durch eine regelmäßige Kommunikation und einen regen
Erfahrungsaustausch gemeinsam Projektideen entwickelt und umgesetzt werden.
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
Ein Bewertungsprozess wurde in der Gemeinde noch nicht angestoßen. Da bisher noch keine
Entwicklungsziele basierend auf dem bestehenden Leitbild erarbeitet wurden, gibt es keine
Effizienzprüfung der durchgeführten Maßnahmen und Projekte. Auch werden einzelne Projekte nicht
hinsichtlich ihrer Ergebnisse oder ihres Prozesses, Inhaltes und der Akteure evaluiert.
Jedoch wurde seitens des Gemeinderats diesbezüglich ein Handlungsbedarf erkannt, welcher bereits
bearbeitet wird.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(WISSENSGENERIERUNG UND WILLENSBILDUNG)
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
Im Wesentlichen dient das Amtsblatt für eine umfassende Information und Bewusstseinsbildung aller
Bürger. Dieses wird an jeden Haushalt in der Gemeinde verteilt.
Ein 14-tägig erscheinendes Amtsblatt informiert die Bürger umfassend über die Entwicklungen der
Markgemeinde. Ergänzend erscheint in jeder zweiten Ausgabe eine Sonderseite, welche sich speziell
an die älteren Mitbürger richtet. Der Inhalt dieser Seite wird von den Mitgliedern des entsprechenden
Runden Tisches selbst und eigenverantwortlich gestaltet.
Zudem wird von dem Runden Tisch „Kultur“ zweimal im Jahr ein Kulturflyer veröffentlicht. Dieser dient
nicht nur als Plattform für den Runden Tisch selbst, sondern bietet auch anderen Vereinen die
Möglichkeit über ihre Projekte und Tätigkeiten zu informieren.
Im Rahmen dieser Flyer oder auch anderer Vereinsschriften wird teils eine unternehmerische
Beteiligung erreicht. Indem ortsansässige Unternehmen Werbeanzeigen in den verschiedenen
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 83

Gemeinde Roßtal
Veröffentlichungen aufgeben, unterstützen sie die freiwillige gemeinwohlorientierte Arbeit der Vereine
und „Runden Tische“.
Als weitere Möglichkeit die Bürger über die aktuelle Situation und die zukünftigen Planungen zu
informieren wird einmal jährlich eine Bürgerversammlung veranstaltet. Diese wird jedoch von den
Bewohnern kaum angenommen. Anders verhält es sich, wenn Informationsveranstaltungen zu
dringenden Problematiken angeboten werden. Dann ist die Besucherzahl deutlich höher, was
beispielsweise an dem eigenen Grad der Betroffenheit liegen kann.
BETEILIGUNGSMETHODEN
Zur neuen und adressatengerechten Gestaltung der bestehenden Freizeit- und Erholungsfläche
wurde ein direkter Einbezug der Bedürfnisse und Wünsche der Bürger benötigt. Um die Vorstellungen
gezielt abfragen zu können, wurde den Bürgern die Möglichkeit gegeben auf einem Plan die Fläche
selbst zu entwerfen und zu überplanen. Über das Amtsblatt wurde an jeden Haushalt ein solcher Plan
verteilt.
Diese Beteiligungsaktion wurde vom Agenda 21 – Ausschuss organisiert und koordiniert. Die Entwürfe
wurden von den Bürgern im Rathaus abgeben und von der Agenda 21- Gruppe analysiert und
ausgewertet.
Eine weitere Beteiligungsmöglichkeit richtete sich speziell an die jungendlichen Bürger der Gemeinde.
Es wurde von dem Runden Tisch „Jugend“, in dem Vertreter der Jugendgruppen, der evangelischen
Kirche sowie der Vereine sind, eine Jugendkonferenz veranstaltet, um gemeinsam von und für
Jugendliche Ideen und Projekte zu entwickeln.
QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
Ein Angebot an Qualifizierungsmaßnahmen für ehrenamtlich Tätige soll in naher Zukunft entwickelt
und eingeführt werden. Es ist beispielsweise ein Einbezug von Experten in den unterschiedlichen
Handlungsfeldern angedacht.
Dadurch, dass die Gemeinde Mitglied des Netzwerks „Nachhaltige Bürgerkommune Bayern“ ist,
wurden Impulse ein solches Angebot zu schaffen gegeben.
ANERKENNUNG UND MOTIVATION
Jährlich am 5. Dezember wird den ehrenamtlich tätigen Bürgern die Ehrennadel der Marktgemeinde
Roßtal verliehen.
Eine wichtige Rolle spielt hier auch die Identifikation der Bürger mit ihrer Gemeinde. Das Motiv „Die
eigene Identifikation bewahren“ kann zu einem motivierenden und fördernden Faktor werden. Daher
ist es wichtig, dass die einzelnen Ortsteile ihre Identifikation bewahren auch wenn sie zu der
Marktgemeinde Roßtal gehören.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
RÄUMLICHE HANDLUNGSEBENE
Die Gemeinde ist seit dem Jahr 2005 Mitglied der Kommunalen Allianz Bibertal-Dillenberg.
Die Vernetzung mit den anderen Mitgliedsgemeinden, der Dialog und der Erfahrungsaustausch sowie
die Zusammenarbeit bei Projekten auf sehr unterschiedlichen Handlungsfeldern wirken sich positiv auf
die eigene Arbeit vor Ort aus.
Jedoch ergeben sich für den Beteiligungsprozess kaum direkte Effekte von der regionalen Ebene auf
die gemeindliche Ebene, da die Bürgerbeteiligung auf der übergeordneten Ebene bisher keine Rolle
spielt.
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ORGANISATORISCHE RAHMENBEDINGUNGEN
Gemeinde Roßtal
Um die Arbeit der Runden Tische sowie der Vereine gezielt und praxisnah zu unterstützen bietet die
Gemeinde den Engagierten praktische Hilfestellung wie den Druck von erstellten Flyern.
Beispielsweise bietet die Gemeinde auch die Möglichkeit Aktionen und Projekte zu verwirklichen,
indem sie als Sammelstelle dient und den engagierten Personen Räumlichkeiten zur Verfügung stellt.
FINANZIERUNG
Die Umsetzung und Durchführung einzelner Projekte wird in der Regel von der Gemeinde finanziell
unterstützt oder auch vollständig getragen.
Zudem werden von den Runden Tischen entwickelte Projekte von diesen selbst umgesetzt. Einerseits
gelingt dies durch die Akquise von Finanz- oder Sachspenden verschiedener Sponsoren, anderseits
durch die Organisation von öffentlich wirksamen, gewinnbringenden Aktionen, wie zum Beispiel einem
Galadiner.
So kann die Realisierung von Projekten zielorientiert und eigenständig erreicht, aber auch eine
Entlastung des kommunalen Finanzhaushaltes bewirkt werden.
Für die Projekte in den Handlungsfelder „Senioren“ und „Jungend“ werden den Runden Tischen
jeweils 2000 Euro seitens der Gemeinde zur Verfügung gestellt, welche eigenverantwortlich
beispielsweise für Unternehmungen investiert werden können.
6. FAZIT
Der Markgemeinde Roßtal ist es im Verlauf ihres Beteiligungsprozess gelungen eine Offenheit für
Neues und eine enge Vertrauensbasis aller am Prozess beteiligten Akteure zu entwickeln.
Insbesondere die Akzeptanz der kommunalpolitischen Entscheidungsträger gegenüber Bürgerbetei-
ligung wirkt sich positiv auf den gesamten Entwicklungsprozess aus. Nicht nur die breite Akzeptanz,
sondern auch die intensive Unterstützung ist für den Prozess sehr bedeutsam.
Die Arbeitsstruktur und klare Aufgabenverteilung in den Runden Tischen und die damit einhergehende
enge Vernetzung zwischen der bürgerschaftlichen und politischen Ebene zeigen sich als ein
wesentlicher Erfolgsfaktor des Gemeindeentwicklungsprozesses.
Das Gelingen hängt aber auch im Wesentlichen von den handelnden und engagierten Personen, die
über einen langen Zeitraum aktiv sind, ab. Jedoch tritt in diesem Zusammenhang auch eine
Problematik auf, die sich insbesondere in der Vereinsarbeit zeigt. Es gestaltet sich immer schwieriger
die Frage der Nachfolge zu klären, wenn Bürger, die in einem Verein wichtige Aufgaben übernommen
haben und ihr Amt niederlegen. Dies stellt die Gemeinde zunehmend vor Probleme.
Eine dauerhafte Verstetigung ist aus Sicht des Bürgermeisters kaum erreichbar, da die engagierten
Personen nicht dauerhaft mitarbeiten und immer wieder wechseln. Ein ständiger Wechsel der Akteure
und eine Zentralisierung auf wenige Engagierte, die Verantwortung übernehmen, erschwert die Arbeit
und führt immer wieder dazu, dass der Beteiligungsprozess gefährdet ist.
Auch erweist es sich als Herausforderung nach einem erfolgreichen Projektabschluss neue, begeisterungsauslösende
Projekte und somit genügend engagierte Mitstreiter zu finden.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 85

Beteiligungsmodell der Gemeinde Roßtal
Akteure Beteiligungsmethoden und Qualifizierungsmaßnahmen Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
Akteursgruppen
- Marktgemeinderat und
Bürgermeister
- Gemeindeverwaltung
- Agenda 21-Ausschuss
- Runde Tische
- Freiwilligen Agentur Roßtal
- Traditionsvereine (Vereine sind
sehr wichtig insbesondere auch
für Arbeit in ihren eigenen
Ortsteilen zur Stärkung der
Identifikation und Einbindung)
Externe Impulse
- Architekturbürowettbewerb für
Erstellung eines
Einzelhandelskonzepts um
städtebaulich verträgliche Lösung
zu finden
Erfolgsfaktoren
Öffentlichkeitsarbeit
- Im Rhythmus von zwei Wochen wird ein Amtsblatt an alle Haushalte des
Gemeindegebiets verteilt, welches über die Entwicklungen vor Ort berichtet
- In jeder 2. Ausgabe erscheint zusätzlich eine Informationsseite speziell für Senioren;
diese wird inhaltlich vom Runden Tisch „Älter werden“ gestaltet
- 2x pro Jahr (Sommer und Herbst) erscheint ein Kulturflyer mit
Veranstaltungshinweisen, in dem sich auch einzelne Vereine mit ihren
Tätigkeitsfeldern vorstellen; Herausgeber ist der Runde Tisch „Kultur“
� Öffentlichkeitsarbeit wird im Wesentlichen von Bürgern für Bürger unterstützt
- Enges nachbarschaftliches Netzwerk und persönliche Bekanntschaften bieten eine
weitere Informationsquelle (vor allem im Hauptort)
Informationsveranstaltungen
- 1x pro Jahr wird eine Bürgerversammlung abgehalten, welche jedoch meist weniger
gut angenommen wird, außer aktuelle und drängende Themen werden behandelt
- Ergänzend werden zu bestimmten Themenbereichen für alle interessierten Bürger
Informationsveranstaltungen angeboten wie z.B. im Bereich Städtebau ein
Bürgerforum
Dialogveranstaltungen
- Zur Revitalisierung einer Naherholungsfläche im Gemeindegebiet wurde eine
interaktive Bevölkerungsbefragung durchgeführt, um die Wünsche, Bedürfnisse,
Ideen und Vorschläge abzufragen; Mit einer im Amtsblatt beigelegten Karte wurden
diese erfasst, die Bürger konnten ihre Ideen visualisieren; alle Einsendungen wurden
soweit wie möglich berücksichtigt, jedoch wurden die Ergebnisse nicht in einer
öffentlichen Veranstaltung präsentiert und zur Diskussion gestellt
- Spezielle Angebote für Jugendliche wie Workshops, Jugendkonferenz, Jugendtag mit
unterschiedlichen Attraktionen
Kooperationsprojekt
- Um Bürgern das Thema „Gesplittete Abwassergebühr“ näher zu bringen wurde ein
Pilotprojekt ausgelobt, in dem die Bürger kooperativ mitgearbeitet haben
Formale Beteiligung
- Durchführung von zwei Bürgerentscheiden zur Standortwahl für neuen Einzelhandel
Qualifizierungsmaßnahmen
- Derzeit werden für engagierte Bürger noch keine Qualifizierungsmaßnahmen
angeboten, aber diesbezüglich ein Angebot zu schaffen wurde bereits im Rahmen
„Nachhaltiger Bürgerkommune“ angedacht
- Arbeit der Runden Tische leistet einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen des Beteiligungsmodells
- Konstante des Beteiligungsmodells sind die handelnden Personen, die über einen bestimmten Zeitraum
aktiv am Prozess beteiligt sind
- Entstehung von Offenheit und Vertrauensbasis aller am Prozess Beteiligten
- Offenheit der Gemeinderäte gegenüber den engagierten Bürgern
- Klein angedachte Projekte erfolgreicher als erwartet (Ausflug für Senioren wurde zu einer festen regelmäßigen Veranstaltung
Gremien
- Gemeinderat (jeweils Referent eines Themenbereichs)
- Runde Tische zu bestimmten Themenbereichen wie Kultur, Senioren, Jugend,
Sport, besetzt mit Bürgern, Vertretern von Organisationen wie AWO, Kirchen,
Mitgliedern traditioneller Vereine und Mitgliedern des Gemeinderats; Vertreter der
Runden Tische sind die Markträte; Aufbau flexibel, d.h. Teilnahme und Mitwirkung
von Interessierten jederzeit möglich
- Agenda 21–Ausschuss besteht aus Gemeinderatsmitgliedern und Bürgern
- Freiwilligen Agentur Roßtal angegliedert an das Rathaus, ist ehrenamtlich geführt
Aufgabenbereiche und Kompetenzen
- Runde Tische sind wichtige Gremien, die Projektideen entwickeln und bearbeiten,
selbstständige Problemanalysen durchführen;
- Aufgaben der Sprecher der Runden Tische sind es, den Bürgermeister,
Gemeinderat und Gemeindeverwaltung über den Arbeitsstand, Projekte und
Ideen zu informieren und im Austausch zu stehen; Sitzungen der Runden Tische
zu leiten und zu moderieren
� Referenten haben Schlüsselrolle im Prozess
- Arbeitskreise arbeiten projektorientiert
- Gemeindepolitik und –verwaltung unterstützen die Arbeit der Runden Tische z.B.
übernimmt Bürgermeister je nach Bedarf Moderatorenrolle bei Arbeitstreffen der
Runden Tische Aufgabenbereiche des Agenda 21-Ausschusses sind
Leitbildarbeit und Projektarbeit mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit
Zusammenarbeit der einzelnen Gremien
- Regelmäßige Arbeitstreffen der Runden Tische
- Bei Bürgermeister laufen alle Informationen zusammen
� Abstimmungs- und Koordinierungsaufgaben
- Vernetzung des Agenda 21-Ausschusses mit den Runden Tischen über
Gemeinderäte (personelle Vernetzung)
- Sitzungen des Agenda 21-Ausschusses sind öffentlich
- Bürgermeister und Gemeindeverwaltung bieten den Bürgern die Möglichkeit ihre
Meinung und Kritik im persönlichen Gespräch zu äußern
Anerkennung
- Jedes Jahr am 05. Dezember wird Tag des Ehrenamts gefeiert mit Verleihung der
Ehrennadel für besonders engagierte Bürger
Evaluierung
- Derzeit noch keine Evaluierung, jedoch angedacht
Hemmnisse
Gemeinde Roßtal
Finanzierung
- Öffentliche Finanzierungsmittel über
Städtebauförderung (Konzept für
Einzelhandel)
- Ausschüsse beschließen die finanziellen
Mittel der Runden Tische
- Für die Senioren- und Jugendarbeit steht
den jeweiligen Runden Tischen ein kleines
Budget welches sie eigenverantwortlich
einsetzen können zur Verfügung; dieses
wird von den Sprechern verwaltet
- Umsetzung einzelner Baumaßnahmen wie
Umbau einer Scheune zu einem
Kulturtreffpunkt wurde in Eigenregie und mit
Eigenleistung des Runden Tisch „Kultur“ mit
Unterstützung der Gemeinde realisiert
- Runde Tische veranstalten Events um
Gelder einzunehmen und betreiben
Sponsorensuche (Unternehmen und
Betriebe vor Ort geben finanzielle
Unterstützung)
Organisation
- Räumlichkeiten für Engagierte stehen zur
Verfügung (u.a. im Rathaus)
Räumlicher Umgriff
- Kooperative Zusammenarbeit in der
Kommunalen Allianz Biberttal-Dillenberg
seit 2005
� Inhaltliche Impulse für die Gemeinde zu
Themen wie Erneuerbare Energien
(Entwicklung eines gemeinsamen
Klimaschutzkonzeptes), Landwirtschaft und
Gewerbe (Ausstellung Gewerbevereine)
� Positive Einflüsse für die Gemeindearbeit
durch Vernetzung, Erfahrungsaustausch und
gemeinsame Projekte
� Jedoch ist Bürgerbeteiligung auf dieser
räumlichen Ebene derzeit kein Thema
- Frage der Nachfolge bei Aufgabe von Ämtern in Traditionsvereinen durch freiwillig Engagierte
- Intensität der Vernetzungstreffen zwischen Sprechern der Runden Tische und Bürgermeister zu gering (schwierig in täglichen
Arbeitsablauf zu integrieren)
- Nach Projektabschluss ist es oft schwierig neue, begeisterungsauslösende Projekte und genügend Mitstreiter zu finden
- Dauerhafte Verstetigung kaum erreichbar, da engagierte Personen nicht dauerhaft mitarbeiten und immer wieder wechseln
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 86

3.5 Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG
1. KURZPORTRÄT
Die Gründung der Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG
im Jahre 2006 mit Sitz in Südbaden in Baden-Württemberg
geht auf eine Einzelperson zurück und deren persönliche
Betroffenheit. Die Marke sowie ihr Konzept sind
urheberrechtlich geschützt.
Drei Hauptgründe sind hier zu nennen. Der erste Grund ist
die Frage nach der Hofnachfolge im Einzelnen und im
Allgemeinen. Um den potentiellen Hofnachfolgern die Ent-
Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG
Abbildung 20: Logo der Regionalwert AG
www.regionalwert-ag.de/
scheidung offen zu gestalten, wollte der Gründer der Regionalwert AG eine neue Organisation des
eigenen landwirtschaftlichen Betriebs installieren. Diese persönliche Betroffenheit und Problematik ist
auch einer übergeordneten Ebene festzustellen. Mit den Problemen und Herausforderungen der
Hofnachfolge sehen sich heute viele landwirtschaftliche Betriebe konfrontiert. Zudem gibt es eine
Vielzahl an qualifizierten Fachkräften auf dem Landwirtschaftssektor, die jedoch aufgrund eines hohen
Kapitalbedarfs im Verhältnis zu geringen Erträgen kaum die Möglichkeit haben einen eigenen Hof zu
erwerben und zu bewirtschaften.
Aus dieser zu beobachtenden Ist-Situation und der Knappheit verfügbarer Finanzmittel für
landwirtschaftliche Betriebe leitet sich der zweite Grund für die Gründung der Regionalwert AG ab. Die
Generierung finanzieller Mittel für notwendige Investitionen oder den Betriebsaufbau wird zunehmend
erschwert, insbesondere für Investitionen zu einer qualitativen Erweiterung.
Zudem fußt die Gründung auf dem Gedanken die Interessen von Stadt und Land zusammenzuführen
und die Stadt-Land-Partnerschaft durch eine stärkere Beteiligung nachhaltig zu gestalten. Dazu bedarf
es jedoch geeigneter Strukturen.
Diese Bewegründe definieren auch die Leitzeile der Regionalwert AG. Zum einen sollen anwendbare
und übertragbare Lösungswege bei Problemen der Hofnachfolge gefunden werden, zum anderen soll
eine angepasste Kapitalwirtschaft an die regionale Landwirtschaft geschaffen werden. Zudem sollen
Regionalcluster entworfen werden und eine Professionalisierung der Bürgerbeteiligung erreicht werden.
Eine der Grundvoraussetzungen für die Etablierung der Regionalwert AG ist, dass sie sehr verbreiteten
Bedürfnissen wie Bürgerbeteiligung und Sozialisation entgegenkommt. Zudem schafft sie Nähe sowie
Vertrauen auf dem Ernährungssektor. Sie ermöglicht es auch den Beteiligten im ökologischen sowie im
sozialen Bereich aktiv zu sein und mitgestalten zu können.
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
ZUSAMMENSETZUNG DES AKTEURSKREISES
Derzeitig sind ca. 500 Personen Aktionäre der Regionalwert AG, welche die Hauptversammlung
bilden. Zudem gibt es einen Aufsichtsrat, welcher aus sechs gewählten Personen sehr
unterschiedlicher Fachrichtungen besteht. Dazu gehören ein Jurist, eine Forstwirtin des Landratsamtes
der Regionalentwicklungsbehörde, ein Biologe, ein Landwirt (gleichzeitig Kreisvorsitzender des
Bauernverbandes), ein ehemaliger Bürgermeister und ein beratender Volkswirt.
Da sich der Aufsichtsrat aus sehr verschiedenen Fachrichtungen zusammensetzt, kann eine
umfassende Betrachtung der regionalen Entwicklung hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Handlungs-
felder, Problemstellungen und Herausforderungen erreicht werden.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 87

Der Vorstand umfasst zwei weitere Personen. Ein Landwirt und
ein Finanzwirt bilden den Vorstand der Regionalwert AG.
Diese drei rechtlich vorgeschriebenen Organe werden
noch durch ein informelles Gremium ergänzt, dem sog.
Unternehmerforum. In diesem sind alle Unternehmen
der Wertschöpfungskette (derzeit 20 Unternehmen),
welche Kapital von der Regionalwert AG beziehen,
Mitglied.
Diese Unternehmen können, müssen aber nicht
Aktionäre der Aktiengesellschaft sein.
3. ORGANISATIONSPROZESS (-STRUKTUR)
Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG
Unternehmerforum
Bürger als
Aktionäre
Öffentlichkeit
Vorstand
Aufsichtsrat
Abbildung 21: Akteurskreis der
Regionalwert AG
Quelle: Eigene Darstellung
Die Struktur der Regionalwert AG mit der Regionalwert Aktie ermöglicht es, dass Bürger einer Region
Verantwortung übernehmen, um ihr Umfeld insbesondere nach qualitativen Gesichtspunkten
weiterzuentwickeln. Durch ihr finanzielles Engagement tragen sie zu einer zukunftsfähigen und
nachhaltigen Entwicklung der Region bei.
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
Der Beteiligungsprozess umfasst die Organe, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Um diesen erfolgreich
initiieren zu können, bedarf es nur ein oder zwei Gründern, die das Unternehmen aufbauen. Erst mit
dem Verkauf der Aktien wird bereite Beteiligung der Bürger geschaffen.
VORSTAND
Der Vorstand der Aktiengesellschaft trifft die Entscheidungen hinsichtlich der Investitionen. Jedoch
stehen diese in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Aufsichtsrat.
Der Vorstand überprüft auch mögliche Investitionen, welche von der Hauptversammlung bzw. dem
Aufsichtsrat an ihn herangetragen werden.
AUFSICHTSRAT
Der Aufsichtsrat, welcher die Delegation der Hauptversammlung ist, hat eine Entscheidungsgewalt inne.
Da der Aufsichtsrat den Entscheidungen des Vorstands bei der Kapitalvergabe zustimmen muss, kann
er die finanzielle Beteiligung an einem Betrieb maßgeblich mitbestimmen. Ihm steht auch das Recht zu
die Zustimmung zu verweigern.
HAUPTVERSAMMLUNG
Je nach der Kapitaleinlage eines Bürgers ändert sich sein Mitbestimmungsrecht und somit seine
Verantwortung. In der Aktiengesellschaft gibt es nicht wie in einer Genossenschaft eine pro Kopf-
stimme, sondern eine Kapitalstimme. D.h. je mehr Aktien ein Aktionär hält, desto größer ist sein
Mitbestimmungsrecht.
UNTERNEHMERFORUM
Das Unternehmerforum, welches wie oben beschrieben ein informelles Organ der Aktiengesellschaft ist,
trifft sich in einem regelmäßigen Abstand von zwei Monaten, um die Entwicklung zu diskutieren, kritisch
zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 88

ZUSAMMENARBEIT UND SPIELREGELN DER GREMIEN
Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG
Die Organisationsstrukturen der Regionalwert AG sind sehr klar vorgeben, weil sie ein Unternehmen ist,
welches nach dem Handelsgesetzbuch und dem Aktiengesetz geführt werden muss. Eine
Aktiengesellschaft ist stark formalisiert, was zu einer Stabilitätsgarantie werden kann.
Die Vernetzung der Regionalwert AG ist differenziert zu betrachten. Zum einen ist eine interne
Vernetzung zwischen dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und den Aktionären wichtig, zum anderen die
Kooperation zwischen den einzelnen Unternehmen im Sinne einer Wertschöpfungskette. Diese
Vernetzung ist innerhalb der Aktiengesellschaft sehr wichtig.
Eine externe Vernetzung mit den Kommunen, in der die Aktiengesellschaft tätig ist und mit höheren
Verwaltungsebenen ist zudem wünschenswert.
Die interne Vernetzung wird durch die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, die einmal im Jahr
stattfindet, an der auch der Aufsichtsrat und der Vorstand teilnehmen, erreicht. Auf dieser stellen sich
alle Unternehmen vor, welche finanziell von der Regionalwert AG unterstützt werden. Durch diesen
kommunikativen Austausch zwischen den Aktionären und den Betrieben wird einerseits eine
Transparenz des Prozesses geschaffen, anderseits werden so der Mehrwert und der Nutzen des
Engagements repräsentiert.
Zudem gibt es aber auch Sitzungen, an denen nur der Vorstand und der Aufsichtsrat teilnehmen.
Die Vernetzung mit den Kommunen und den Verwaltungen ist bisher nur sehr schwach ausgeprägt.
Diese Vernetzung wäre jedoch wünschenswert, da durch die Regionalwert AG eine Struktur geschaffen
wurde, die einen Beitrag in der Regionalentwicklung leistet. Auf dieser Struktur könnte eine
Zusammenarbeit aufbauen und zielgerichtet und zukunftsfähig gestaltet werden. Wenn Kommunen
oder Verwaltungen Aktionäre der Bürgeraktiengesellschaft werden, können sie einen weiteren Beitrag
zur Regionalentwicklung leisten. So könnte seitens der Kommunen und Verwaltungen auch ein Zeichen
der Akzeptanz geschaffen werden.
„[…] eine engere Zusammenarbeit mit den öffentlichen Stellen, Kommunen oder höheren
Verwaltungsebenen […] könnte ich mir gut vorstellen. Dass man in der Förderpolitik auf uns
aufmerksam wird und sagt, das ist ein Modell, was auch für die Förderinstrumente interessant sein
könnte. […] Aber im Sinne des Kapitals, die Kommunen können dazukommen mit Kapital und können
sicher sein, dass mit dem Kapital gearbeitet wird. […] Und was ganz wichtig ist, wir haben riesige
Potentiale von privatem Kapital. Das ist so, gerade in Deutschland ist das Privatvermögen
außerordentlich hoch. Und dieses Privatvermögen, das wird in der Regel global angelegt, überall auf
der Welt wirkt es irgendwo und das wäre eine große Chance auch für die öffentliche Hand […]
Regionalwert AG […] ist das Mittel, um privat Kapital wieder für öffentliche Belange zugänglich zu
machen“. (Hiß:16)
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
Die Arbeit der Regionalwert AG wird auf verschiedenen Wegen in regelmäßigen Abständen evaluiert.
Als Evaluierungsrahmen dienen Nachhaltigkeitsindikatoren zur Abbildung der immateriellen Leistungen
der ökologischen Landwirtschaft. Diese Indikatoren wurden im Rahmen des Forschungsprojektes
„Nachhaltigkeitswerte als Rendite auf Aktien“ von der Regionalwert AG mit der Unterstützung aus der
Wissenschaft und der Beratung für sozial-ökologische Investitionen erarbeitet.
Die auf den Indikatoren basierenden Evaluierungen werden in einem zweiten Schritt diskutiert und je
nach Bedarf weiterentwickelt. Denn nur dadurch, dass sie durch die individuelle Sicht der einzelnen
Akteure der Regionalwert AG betrachtet und interpretiert werden, können sie ihren Zweck erfüllen.
Die Nachhaltigkeitsindikatoren beziehen sich auf die Bereiche Mitarbeiter (Beschäftigungsstruktur,
Entlohnung, Fluktuation und Qualität der Arbeitsplätze), Ökologie (Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität,
Entwicklung der Öko-Landbaufläche, Ressourcenverbrauch und Anwendung der EG-Öko-Verordnung)
und Regionalwirtschaft (Wertschöpfungsverteilung, Wertschöpfung in der Region, Engagement in der
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 89

Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG
Region, Dialog in der Wertschöpfungskette) (vgl. bandenova 2009:6). Mittels dieser Indikatorenvielfalt
sollen neben den materiellen auch die immateriellen Geschäftsergebnisse der Aktiengesellschaft
ermittelt werden.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(WISSENSGENERIERUNG UND WILLENSBILDUNG)
KOMMUNIKATIONSSTRATEGIEN
Die Kommunikation der Regionalwert AG umfasst zwei verschiedene Kommunikationsbereiche. Zum
einen die interne Kommunikation, welche insbesondere durch das gesetzlich vorgeschriebene
Berichtswesen bedient wird, zum anderen die externe Kommunikation, die unterschiedliche
Marketingstrategien einsetzt.
Die interne Kommunikation baut auf der Berichtspflicht auf, zu welcher die Gesellschaftform verpflichtet
ist. Dies ist eine sehr detaillierte Form der Berichterstattung gegenüber den Kapitaleignern, welche
einmal pro Jahr durchgeführt wird. Dieser Geschäftsbericht umfasst Aussagen darüber, wie das Kapital
eingesetzt wurde und was erreicht wurde, beschreibt den aktuellen Stand und betrachtet und bewertet
das bestehende Risiko. Ergänzt wird dieser Bericht um einen sozialökologischen Nachhaltig-
keitsbericht, der über die einzelnen Betriebe und deren Arbeit berichtet.
Die interne Kommunikation bedient sich aber nicht nur einer Ein-Weg-Kommunikation, sondern es
werden auch immer wieder Treffen zwischen den landwirtschaftlichen Betreiben, welche unterstützt
werden und den Aktionäre vor Ort veranstaltet.
Die externe Kommunikation wird durch einen regelmäßig erscheinenden Newsletter, in dem
beispielsweise über aktuelle Beteiligungen an den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben berichtet
wird, gestaltet. Zudem wird mittels des Einsatzes neuer Medien die breite Öffentlichkeit über die
Regionalwert AG informiert, beispielsweise gibt es Beiträge auf Internetplattformen wie „youtube“. Ein
weiterer Baustein des Außenmarketings ist öffentlich aufzutreten, wie die Teilnahmen an Symposien
oder auf der Grünen Woche.
Auch durch die Eröffnung eines Regionalwert-Biomarkts wird die Idee der Aktiengesellschaft
weitergetragen.
All jene Kommunikationsstrategien tragen zu einer engen Verknüpfung zwischen den Aktionären und
den Betrieben, an welchen sie mit ihrem Kapital beteiligt sind, bei.
QUALIFIZIERUNGSSTRATEGIEN
Die Qualifizierungsstrategien sind ein wichtiger Bestandteil der Aktiengesellschaft, welche sich an die
Unternehmen und Betriebe richtet, die durch die Aktiengesellschaft unterstützt werden.
Dazu zählen insbesondere die betriebswirtschaftliche und juristische Beratung sowie Coachings und
Mitarbeiterschulungen der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe. Diese Beratung ist spezifisch auf die
Probleme und Herausforderungen kleiner landwirtschaftlicher Betriebe ausgerichtet. Sie begleitet bspw.
auch Existenzgründungen, hilft bei der Erstellung von Förderanträgen und vermittelt Wissen zu Themen
wie Aufstellen eines Geschäftsplans und Kalkulieren von Investitionsmaßnahmen. Die Beratung
umfasst alle Aufgabenbereiche, die wichtig sind um ein Unternehmen führen zu können.
Um diese Beratung weiter professionalisieren zu können wurde eine eigene Regionalwert
Dienstleistungs-GmbH gegründet.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
RÄUMLICHE HANDLUNGSEBENE UND VERNETZUNG
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 90

Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG
Die Regionalwert AG ist derzeit in Südbaden aktiv. Jedoch ist hier zu unterscheiden zwischen dem
Engagement der Aktiengesellschaft, dass sich auf die Region beschränkt und der Beteiligung der
Bürger, welche unabhängig ihres Wohnsitzes Aktionäre sein können.
Die Vernetzung zwischen der Regionalwert AG und der Kommunen aus der Regionen bestehen
hinsichtlich kapitalwirtschaftlicher Verknüpfung nicht. Sie können Aktionäre werden, aber derzeit halten
sie noch keine Aktien. Jedoch hat der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde, in der die Regionalwert
AG ansässig ist, bei der Gründung mitgewirkt und ist heute im Aufsichtsrat.
FINANZIERUNG
Ein wichtiger Finanzierungsfaktor der Regionalwert AG ist die Kapitalakquise. Da die Regionalwert AG
durch den Verkauf von Aktien finanziert ist, ist die Steigerung der Zahl der Aktionäre ein wichtiger
Finanzierungsschritt. Diese werden zu einem Großteil von Bürgern aus der Region erworben, aber auch
aus anderen Regionen deutschlandweit investieren Bürger Kapital. Viele der Aktionäre sind
Kleinaktionäre, welche sich beispielsweise mit 500 oder 1000 Euro engagieren. Derzeit stammt das
meiste Kapital aus der Region nach dem Konzept “Kapital aus der Region für die Region“.
Die Finanzierung ist zu einem gewissen Grad gefestigt, da das Kapital gegenüber der Gesellschaft
unkündbar ist, d.h. das Unternehmen kann auf einer festen Finanzierungsbasis aufbauen. Falls ein
Anleger die Aktiengesellschaft verlassen möchte, muss er seine Aktie bzw. Aktien an einen Dritten
verkaufen. Die Gründung einer Aktiengesellschaft hat zudem einen weiteren Effekt, da mit dem
Stichwort Aktiengesellschaft andere Kapitalbeträge assoziiert werden als bei einem Verein oder einer
Genossenschaft. Dies bringt zum Ausdruck, dass es um Wirtschaften geht.
6. FAZIT
Der konzeptionelle Ansatz der Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG ermöglicht eine breite Basis
für ein gemeinsames wirtschaftliches Handeln bezogen auf die Regionalentwicklung. Durch diese
Unternehmensform wird eine Professionalität in der Vorgehensweise aber auch der Bürgerbeteiligung
sichergesellt.
Ein weiterer Vorteil einer Aktiengesellschaft ist, dass mit dieser Rechtsform von Aktionären mit höherer
Wirtschaftlichkeit assoziiert, wodurch die Investitionssumme gegenüber anderen Gesellschaftsformen
steigt.
Die Gründung einer Bürgeraktiengesellschaft ist auf der einen Seite mit einem großen formalen wie
auch rechtlichen Arbeitsaufwand verbunden, auf der anderen Seite stellen jedoch genau diese hohen
Anforderungen und Auflagen eine Stabilitätsgarantie dar. Dies ermöglicht einen dauerhaft gestalteten
und langfristig wirksamen Entwicklungs- und Beteiligungsprozess nicht nur anzustoßen, sondern diesen
auch nachhaltig zu sichern.
Sie wird zudem den unterschiedlichen Akteursbedürfnissen und –präferenzen gerecht, da sie
Mitgestaltungsmöglichkeiten in unterschiedlichen thematischen Bereichen, wie im ökologischen und
sozialen bietet. Aktionär der Bürgeraktiengesellschaft zu sein bedeutet aber nicht nur einen finanziellen
Beitrag für die Regionalentwicklung zu leisten, sondern auch ein immaterielle Beteiligung und
Mitwirkung ist für die einzelnen Aktionäre zu ermöglich.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 91

Beteiligungsmodell der Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG
Akteure Beteiligungsmethoden und
Qualifizierungsmaßnahmen
Einzelakteure
- Gründer der AG selbst Landwirt
- Bürgermeister vor Ort hat den Aufbau der AG aktiv
unterstützt und mitgearbeitet
- Aktionäre
- Unternehmer der Wertschöpfungskette
(Unternehmerforum)
Prozessfördernde Kompetenzen
- Offenheit gegenüber unterschiedlichen Interessen
- Interesse an politischen Prozessen hilft neue
Handlungsfelder zu erschließen
Erfolgsfaktoren
Öffentlichkeitsarbeit und Marketing
- Newsletter als Kommunikationsmittel und zur Schaffung von
Bewusstsein
- Öffentliche Auftritte und Vorträge bei Veranstaltungen
- Medienarbeit ist ein wichtiger und entscheidender Faktor, da sie
einen Ausstrahlungseffekt hat
- Bewerben von Handlungsfeldern wie erfolgreiche
Umstrukturierungen von landwirtschaftlichen Betrieben
- Gründung eines Regionalwert-Marktes, der auch zu
Marketingzwecken dient
- Schulprojekte (gezielte Kooperation mit Schulen zur
Bewusstseinsbildung der Schüler)
- Vermarktung eigener Produkte; Entstehung einer
Wertschöpfungskette
Qualifizierungsmaßnahmen
- Anbieten von Beratungsleistungen seitens der AG für
Unternehmer, wie z.B. juristische Beratung
- Spezifische, qualifizierte Beratung von Unternehmen auch über
die Partnerunternehmen innerhalb des Netzwerkes von 20
Unternehmen (Regionalwert- Dienstleistungs- GmbH)
- Erfahrene Akteure in der AG tätig, die Existenzgründern bei
Fragen und Problemen zur Seite stehen
- Mitarbeiterschulungen und Coaching
- Zusammenarbeit mit Wissenschaft (Vergabe von Master-,
Bachelorarbeiten und Forschungsarbeiten)
- Konzeptioneller Ansatz der Aktiengesellschaft ermöglicht breite Basis für gemeinsames wirtschaftliches Handeln und
umfassende Regionalentwicklung
- AG wird breiten Akteursbedürfnissen gerecht (Möglichkeit der Mitgestaltung im ökologischen sowie sozialen Bereich)
- Professionalität der Vorgehensweise und der Bürgerbeteiligung
- Rechtsform wird von Geldgebern mit höherer Wirtschaftlichkeit assoziiert, dadurch steigt die Investitionssumme gegenüber
anderen Gesellschaftsformen
Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
Organe der Aktiengesellschaft
- Vorstand besteht aus zwei Personen aus den Fachbereichen
Ökonomie und Agrarwissenschaften
- Aufsichtsrat besteht aus 6 Personen unterschiedlicher Fachdisziplinen
(Delegierte der Hauptversammlung)
- Hauptversammlung derzeit 500 Aktionäre
Ergänzendes Organ
- Unternehmerforum ist ein informelles Gremium, in dem alle Partnerunternehmen
zusammengeführt werden; dieses tagt alle zwei Monate und berät über mögliche
zukünftige Entwicklung und notwendige Schritte
Aufgabenbereiche und Kompetenzen
- Vorstand trifft die letztendliche Entscheidung über zukünftige Entwicklungen und
Investitionen
- Aufsichtsrat entscheidet jedoch mit über einzelne Investitionsschritte; muss seine
Zustimmung geben
- Investitionsvorschläge kommen aus dem Vorstand oder der Hauptversammlung
- Alle Aktionäre haben eine Kapitalstimme. Dadurch besteht eine Verbindung
zwischen dem investierten Kapital und der übernommenen Verantwortung.
Zusammenarbeit der einzelnen Organe
- Regelmäßige Sitzungen um Problem- und Fragestellungen zu besprechen und
Informationstransfer sicherzustellen
- 1x im Jahr Hauptversammlung auf der sich alle Unternehmen vorstellen können,
die Kapital von der AG beziehen
- Austausch zw. Aktionären und Kapitalempfängern über Geschäftsbericht und
Aktionen an den einzelnen Höfen und Betrieben
� enge Beteiligung der Bürger an den Betrieben
� Struktur der AG ermöglicht, dass Bürger für die Entwicklung ihres
Lebensumfelds Verantwortung übernehmen
Anerkennung und Motivation
- Keine Anerkennungskultur, um keine Konkurrenzsituation und Ranking innerhalb
der Wertschöpfungskette zu schaffen
� dennoch in irgendeiner Form denkbar
Evaluierung
- besteht aus einem finanziellen Geschäftsbericht (Risikobetrachtung des
Unternehmens) ergänzt um einem sozialökologischen Nachhaltigkeitsbericht
basierend auf eigens entwickelten Indikatoren
� AG ist Gesellschaftsform mit der höchsten Berichtspflicht und bietet Möglichkeit
zur Information und Kommunikation
Hemmnisse
- Intensivierung von Öffentlichkeitsarbeit und Marketing
- AG formal (gesetzlich) sehr aufwändig, stellt jedoch dann eine Stabilitätsgarantie dar
Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG
Finanzierung
Keine öffentlichen Finanzmittel, sondern
Kapitalanhäufung für Investitionen durch die
Gewinnung von Aktionären (1 Aktie 500 Euro)
- Kapitalakquise wichtiger Bestandteil
- Unkündbarkeit des investierten Aktionärskapitals
- Keine kapitalwirtschaftliche Verknüpfung mit
Kommunen (könnten jedoch Aktionäre werden)
� Kapital aus der Region für die Region
Organisation
Gründungsvoraussetzungen:
Unternehmensgründung mit so wenig Akteuren wie
möglich
� Bürgerbeteiligungsprozess beginnt mit der
Ausgabe der Aktien
� keine allgemeine Interessensabfrage vor
Gründung der AG
� Akteurskreis je nach Bedarf schrittweise
erweitern
Handlungsfelder und Aufgabenbereiche
- Kapitalwirtschaft
- Probleme und Herausforderungen der
Hofnachfolge
- Stadt-Land - Partnerschaft bilden zur Interessenszusammenführung
Räumlicher Umgriff:
Aktionsradius der AG ist räumlich auf Südbaden
beschränkt, jedoch werden Finanzmittel bundesweit
akquiriert
(über Baden-Württemberg hinaus 15 weitere
Aktionäre);
weitere Gründungen sind geplant
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 92

3.6 Soziale Genossenschaft RegioStar eG
1. KURZPORTRÄT
Die RegioStar eG ist eine soziale Genossenschaft im Sinne
der Agenda 21. Sie verfolgt soziale Zielsetzungen und erstrebt
die Stärkung eines sozialen Miteinanders. Sie gibt entwickelt
und setzt nachhaltige Projekte um und fördert nachhaltiges
Wirtschaften in der Region. Beispielsweise sollen die
regionalen Qualitäten wie die Serviceleistungen und
Produkten
Wieder verstärkt in das Bewusstsein der Menschen vor Ort
gerufen werden und dadurch ein Anstieg der Nachfrage erreicht werden.
Wissen-
schaftlicher
Beirat
Soziale Genossenschaft RegioStar eG
Diese entwickelten Ziele und Ansprüche sind in einer für alle Genossenschaftsmitglieder
rechtsverbindlichen Satzung festgeschrieben.
Aktuell zählt die Genossenschaft etwa 200 Mitglieder.
Dazu wurde eine Regionalwährung, den sog. „Sterntaler“ nach dem Prinzip des Chiemgauer eingeführt,
die die regionalen Wirtschaftskreisläufe unterstützen soll.
„Jetzt die Genossenschaft […] das ist ein anderer Ansatz für mich, da gebe ich mein Kapital rein und da
bin ich beteiligt an einer Unternehmensform, wo ich sage, ich will hiermit wirtschaften, wenn das
erfolgreich ist […].“ (Zimmer:16)
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
ZUSAMMENSETZUNG DES AKTEURSKREISES
Der Akteurskreis der sozialen Genossenschaft RegioStar eG
setzt sich aus den Mitgliedern der Genossenschaft
zusammen, die sich aufgrund unterschiedlicher Motive
für eine Mitgliedsschaft entscheiden. Jede
interessierte natürliche Person aus der Region kann
Mitglied werden. Dazu muss er eine
Mindesteinlage von 300 Euro zahlen, wobei die
Einlage nicht höher als 5.000 Euro sein darf.
Der Genossenschaft steht ein Vorstand vor,
welcher aus zwei Mitgliedern besteht. Dessen Arbeit
wird durch einen Aufsichtsrat, der sich aus vier
Mitgliedern zusammensetzt, ergänzt.
Begleitet und beraten wird die Arbeit der einzelnen
Gremien der Genossenschaft durch einen wissenschaftlichen
Beirat, welcher sich derzeit aus sieben Personen unterschied-
licher Fachrichtungen zusammensetzt.
Die administrativen und organisatorischen Aufgabenbereiche
sind an ein externes Büro vergeben.
Abbildung 22: Logo der RegioStar eG
www.regiostar.com
Mitglieder
Externes
Büro
Vorstand
Aufsichts-
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 93
rat
Abbildung 23: Akteurskreis der
RegioStar eG
Quelle: Eigene Darstellung

3. ORGANISATIONSPROZESS (-STRUKTUREN)
Soziale Genossenschaft RegioStar eG
Der Arbeitsprozess der Genossenschaft basiert auf einem 3 – Schalenmodell, welches sich in die
Regionalwährung „Sterntaler“, den Kooperations-Tauschring, in dem Dienstleistungen, Talente und
Waren zwischen den Genossenschaftsmitgliedern getauscht werden und einer Zeitkonten untergliedert.
Darauf basierend werden von der Genossenschaft Projekte in unterschiedlichen Themenfeldern initiiert,
wie zum Beispiel ein Dorfladen, die Regionalwährung, Gartenbauprojekte sowie ein Energieprojekt. All
jene Maßnahmen leisten einen Beitrag den Wirtschaftskreislauf in der Region zu stärken und ein
regionales Wirtschaftsnetzwerk zu installieren.
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
GENERALVERSAMMLUNG
Die Bürger aus der Region sind Mitglieder der Genossenschaft und bilden zusammen die
Generalversammlung. Sie sind vornehmlich an der Entwicklung von Ideen und Projekten beteiligt. Je
nach persönlicher Präferenz und Interesse können sie sich bei den unterschiedlichen Projekten aktiv
einbringen. Dazu werden Arbeitsgruppen gebildet, die projektbezogen arbeiten. Hierbei wird darauf
geachtet, dass der Arbeitskreis so gestaltet ist, dass ein Genossenschaftsmitglied jederzeit mitarbeiten
kann, aber auch im Bedarfsfall wieder aussteigen kann. Da dies hauptsächlich auf einer ehrenamtlichen
Basis beruht, ist diese Flexibilisierung sehr wichtig.
Wenn die Ergebnisse umsetzungs- und entscheidungsreif ausgearbeitet sind, werden sie dem Vorstand
und dem Aufsichtsrat präsentiert und zur Diskussion gestellt. Und in einem weiteren darauf folgenden
Schritt der Generalversammlung.
In der Generalversammlung sind alle Mitglieder der Genossenschaft eingeladen. In dieser werden die
verschieden bereits entwickelten Ideen und Projekte in den unterschiedlichen Handlungsfeldern
vorgestellt und von den Teilnehmern diskutiert. Daraufhin werden die Entscheidungen nach dem
Mehrheitsprinzip getroffen. Jedes Mitglied hat eine Stimme unabhängig der Beitragseinlage.
Es ist sehr wichtig, dass alle Mitglieder über die einzelnen Projekte informiert sind, das Kapital jedes
Einzelnen zur Durchführung und Realisierung eingesetzt wird.
Wenn Projekte in den Umsetzungsprozess kommen, besteht die Möglichkeit, dass ein ehrenamtlich
tätiges Mitglied der Genossenschaft dies federführend leitet.
Insgesamt wird von den Mitgliedern eingefordert, dass sie sich aktiv in den regionalen
Entwicklungsprozess einbringen. Dies bedeutet, aber nicht ein zwangsläufiges Engagement in einer der
Arbeitsgruppen, sondern das Zahlen mit der Regionalwährung leisten bereits einen großen Beitrag.
VORSTAND
Der ist das das Lenkungs- und Leitungsorgan der Genossenschaft und besteht aus 2 Mitgliedern.
Dieser verabschiedet Beschlüsse im Sinne der genossenschaftlichen Zielsetzungen.
Dieser trifft sich zu regelmäßigen Vorstandssitzungen, in denen beispielsweise von den Arbeitskreisen
entwickelten Projekte diskutiert und kritisch auf ihre Realisierbarkeit und Finanzierung hin überprüft
werden.
In Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat regelt der Vorstand den Geschäftsbetrieb.
AUFSICHTSRAT
Der Aussichtsrat besteht aus vier Mitgliedern. Er benennt sowohl einen Aufsichtsratsvorsitzenden als
auch einen stellvertretenden Vorsitzenden.
Der Aufsichtsrat ist wie der Vorstand der Genossenschaft beschlussfähig.
Zu den Aufgaben- und Kompetenzbereichen des Aufsichtsrat gehören u.a. den Vorstand in der Führung
der Genossenschaft zu unterstützen und zu fördern und ihn auch zu beraten. Desweitern hat der
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 94

Aufsichtsrat eine Kontrollfunktion dem Vorstand gegenüber zu erfüllen.
WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT
Soziale Genossenschaft RegioStar eG
Der wissenschaftliche Beirat hat eine beratende und begleitende Funktion inne. In diesem Beirat sind
sieben Mitglieder aus unterschiedlichen Fachbereichen und unterschiedlichen Themenschwerpunkten
aus der Wissenschaft und der Praxis vertreten. Hier zu zählen beispielsweise die Fachrichtungen
Sozialwissenschaft, Wirtschaftwissenschaften, Historik und Naturwissenschaft. Außerdem ist auch ein
Experte aus der Regionalentwicklung Mitglied.
Alle Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats sind zugleich Mitglieder der Genossenschaft.
Zudem arbeitet der wissenschaftliche Beirat eng mit der Leopold – Kohr – Akademie in Österreich
zusammen. Die Philosophie „Small is beautiful“ nach Leopold Kohr, der aus Oberndorf bei Laufen
stammt, prägt die Idee der RegioStar eG.
Die Aufgabenbereiche des wissenschaftlichen Beirats sind sehr vielfältig. Der Hauptaufgabenbereich
umfasst die Analyse bereits bestehender Ansätze und Modelle in der Regionalentwicklung und die
daraus abzuleitenden Ideen und Möglichkeiten für die RegioStar eG. Der Blick richtet sich sowohl ins
In- als auch ins Ausland. Auch werden unternehmerische Ansätze und Modelle berücksichtigt, wie z.B.
Gemeinwohlbilanzen.
Wenn Grenzen in der Umsetzung auftreten, ist es die Aufgabe des wissenschaftlichen Beirats
Lösungswege zu entwickeln und methodische Fragestellungen zu beantworten.
Das Gremium dient auch dem Austausch von Erfahrungen und Kompetenzen, um gemeinsam Ideen für
die Praxis zu entwickeln. So entsteht eine Rückkopplung zwischen Praxis und Theorie mit dem Ziel die
Genossenschaft weiterzuentwickeln und zukunftsfähiges Handeln zu gestalten.
EXTERNES BÜRO
Die Genossenschaft hat die administrativen und organisatorischen Aufgaben an ein externes
Dienstleistungsbüro übertragen. Diese ist zu einem bestimmten Teil an den Erträgen der
Genossenschaft beteiligt und übernimmt dafür gewisse Aufgaben.
ZUSAMMENARBEIT UND SPIELREGELN DER GREMIEN
Das Zusammenspiel der Akteure in der RegioStar eG ist durch den persönlichen Kontakt
gekennzeichnet. Es wird viel Wert darauf gelegt, dass sich die Genossenschaftsmitglieder
untereinander kennen und dass die Strukturen der Genossenschaft arbeitsfähig bleiben. D.h. eine zu
große Mitgliederzahl kann die Strukturen in Frage stellen. Ein möglicher Lösungsweg wäre dann
Regionalgruppen zu gründen, die unter einem Dachverband zusammenwirken.
Die Identifikation mit der sozialen Genossenschaft wird durch ein enges Zusammenarbeiten und ein
partnerschaftliches und vertrauensvolles Miteinander gestärkt. Zudem wird diese durch einen ähnlichen
Denkansatz aller Mitglieder gefördert.
„Aber es gibt sicher so eine Grenze, die wird man dann merken, wenn gewisse Strukturen nicht mehr
ausreichen, sage ich mal. Also es gibt ein paar so, wenn Sie schauen, wie funktionieren solche
Verbandstrukturen und so, solange sich jeder kennt, ist es überhaupt kein Problem, wenn die Struktur
groß genug wird, dass man sich nicht mehr kennt, dann braucht es andere Regeln und dann ist der
Zeitpunkt wahrscheinlich erreicht, wo man was tun muss, wo man handeln muss.“ (Zimmer:11)
Die Vernetzung zwischen den einzelnen Mitgliedern und den einzelnen Organen gestaltet sich
unterschiedlich.
Die Mitglieder des Vorstands treffen sich in regelmäßigen Abständen zu Vorstandsitzungen.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 95

Soziale Genossenschaft RegioStar eG
Der Vorstand und der Aufsichtsrat treffen sich vierteljährlich und die Generalsversammlung findet
einmal im Jahr statt. Zudem werden die Mitglieder vornehmlich über Email kontaktiert. Aber auch der
von der Genossenschaft geführte Dorfladen dient als Kommunikations- und Treffpunkt für die Mitglieder
und die Einwohner der Region.
Zudem wurden Koordinierung- und Kooperationsaufgaben an ein externes Büro ausgelagert, das den
Organisationsprozess der Genossenschaft unterstützt. Aber auch die Öffentlichkeitsarbeit wie das
Veröffentlichen des Newsletters, der alle vier Wochen erscheint oder das Pflegen der Internetseite
werden von diesem Büro ausgeübt.
Da auch Unternehmen Teil des genossenschaftlichen Netzwerks sind, wird ein regelmäßiger
Unternehmerstammtisch veranstaltet, der dem Austausch und der Kommunikation dient. Gemeinsam
werden hier Ideen entwickelt, wie man das eigene Unternehmen in Zusammenarbeit mit anderen
stärken und die Marktorientierung und –fähigkeit ausbauen kann. Darüber hinaus bietet er eine
Plattform das eigene Unternehmen in das unternehmerische Netzwerk der Region zu integrieren und
wichtige Kontakte zu knüpfen. Dadurch, dass er für die Teilnehmer einen Mehrwert generiert, ist er
auch sehr gut besucht.
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
Jährlich müssen in der Generalversammlung ökonomische Zielsetzungen beschlossen werden, da die
Genossenschaft im Jahresrhythmus von dem Genossenschaftsprüfverband überprüft wird. Hierzu wird
von der Generalversammlung ein Geschäftsbericht erarbeitet, der hinsichtlich der Erreichung der
Zielsetzungen diskutiert wird. Entsprechend dem Grad der Zielerreichung bzw. Nicht-Erreichung werden
Veränderungen vorgenommen.
Zudem bildet der Geschäftsbericht die Grundlage zur Ableitung neuer, zukunftsgerichteter Handlungs-
und Aufgabenfelder, die das Kapital der Genossenschaft langfristig sichern und vergrößern.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(WISSENSGENERIERUNG UND WILLENSBILDUNG)
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
Die Öffentlichkeitsarbeit ist ein wesentliches Werkzeug um den Bekanntheitsgrad zu steigern und um
neue Mitglieder zu werben. Diese stützt sich vornehmlich auf neue Medien, wie eine eigene
Internetseite und die Verteilung des Newsletters über einen E-Mail-Verteiler.
Aber auch von der Genossenschaft begründete Projekte sind für die Öffentlichkeitsarbeit dienlich.
Insbesondere die Regionalwährung „Sterntaler“ hat eine große Außenwirkung dadurch dass er im
täglichen Leben der Bevölkerung vor Ort immer präsent ist.
Zudem werden immer wieder Vortragsreihen zu bestimmten Themenbereichen veranstaltet, die in
Zusammenarbeit mit verschiedenen Vereinen und Verbänden oder beispielsweise mit dem Landratsamt
entwickelt werden.
QUALIFIZIERUNGSSTRATEGIEN
Gezielte Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitglieder der Genossenschaft werden nicht angeboten. In
enger Zusammenarbeit mit der Hochschule München wurde ein Zertifikatskurs gegründet, an dem auch
die Mitglieder teilnehmen können um ihr Wissen und ihre Kenntnisse zu erweitern.
Treten thematische oder fachliche Fragestellungen und Probleme auf oder werden Kenntnisse bei der
Zusammenarbeit von Großgruppen benötigt, sind in der Genossenschaft zumeist Mitglieder, die
aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung ihr Können und Wissen einsetzen können.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 96

Soziale Genossenschaft RegioStar eG
Durch die Einbindung in verschiedene Verbände und Netzwerke, wie Regionalgeldverband und
Regionalentwicklungsnetzwerke können einerseits Anregungen und Ideen von anderen in der
Regionalentwicklung aktiven Initiativen gewonnen werden, anderseits dienen diese Plattformen auch
um für eine Steigerung des eigenen Bekanntheitsgrad zu erzielen und eine Außenwirkung zu erreichen.
Die Mitgliedschaft in unterschiedlichen Netzwerken führt insgesamt zu win-win-Situationen.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
FINANZIERUNG
Die finanzielle Basis der Genossenschaft bilden die Einlagen der Mitglieder, welche eine Höhe von 300
bis 5.000 Euro betragen können. Die Einlagen sind auf höchstens 5.000 Euro limitiert, um die
Genossenschaft bei einem möglichen Mitgliedsaustritt zu sichern. Tritt ein Mitglied aus, wird auch sein
eingelegtes Kapital aus dem finanziellen Grundstock gezogen. Dieses finanzielle Defizit kann dann nur
durch neue Mitglieder wird ausgeglichen werden.
Die von der Genossenschaft getätigten Investitionen müssen immer entsprechend ihrer Tragfähigkeit
überprüft werden und im besten Fall einen langfristig planbaren Ertrag erwirtschaften.
6. FAZIT
Die Soziale Genossenschaft RegioStar eG ermöglicht es den Bürgern aus der Region sich sowohl
materiell als auch immateriell in den Entwicklungsprozess einzubringen und ihn zukunftsfähig und
nachhaltig mitzugestalten. Es ist eine große Bereitschaft der Bevölkerung zu erkennen Kapital zu
investieren. Dies wird zudem durch die derzeitig Situation auf bundespolitischer und europäischer
Ebene begünstig, die oftmals mit der Stärkung des Heimatgedanken und –gefühls einhergeht und zu
einem Handeln vor Ort führt.
Aber neben einer materiellen Beteiligung, wird auch insbesondere die aktive Mitarbeit aller Mitglieder
wird eingefordert und gefördert, in dem Angebote geschaffen werden, die je nach zeitlicher
Verfügbarkeit und Interessensgebiete der einzelnen Akteure wahrgenommen werden können. Zudem
wird kommuniziert, dass nur durch die eigene Mitwirkung die Weiterentwicklung der Genossenschaft
und deren Erfolge verstetigt werden können.
Sich lediglich materiell in die Genossenschaft einzubringen ist für die Ansprüche und Zielsetzungen der
RegioStar eG nicht ausreichend.
Der regionale Entwicklungsprozess wird ganzheitlich und umfassend begriffen, sodass sehr
unterschiedliche Themenbereiche und Handlungsfelder aufgegriffen werden und die engagierten sich je
nach ihren Präferenzen unterschiedlich stark in den einzelnen Schwerpunktbereichen engagieren
können. Dies fördert den Willen und die Bereitschaft der Projektumsetzungen, die je nach Möglichkeiten
von einem Genossenschaftsmitglied federführend angeleitet und gesteuert werden.
Durch innovative und vorausschauende Menschen ist es gelungen die soziale Genossenschaft
RegioStar eG aufzubauen und in der Region zu verankern, wobei sie nicht mit der kommunal-
politischen Ebene verbunden ist.
Die Genossenschaft bildet aber nicht nur ein in sich geschlossenes Netzwerk, in dem unterschiedliche
Akteure gemeinsam agieren, sondern sie ist auch eng mit anderen Partnern vernetzt. Durch die
Mitgliedschaft in anderen Netzwerken werden immer wieder neue Anregungen und Impulse für die
Genossenschaft gewonnen. Insbesondere die Zusammenarbeit mit einer Hochschule wirkt sich positiv
auf die Entwicklung der Genossenschaft aus.
Die Begleitung und Beratung durch den wissenschaftlichen Beirat ist besonders herauszustellen, da mit
diesem eine Instanz geschaffen wurde, die Arbeit der Genossenschaft und ihrer einzelnen Gremien
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 97

Soziale Genossenschaft RegioStar eG
(Vorstand, Aufsichtsrat, Generalversammlung) einerseits von einer Außensicht betrachtet und
weiterentwickeln kann und andererseits aufgrund verschiedener fachlicher Disziplinen ein weites
Entwicklungspotential ermöglicht wird.
Durch ihre rechtsverbindliche Satzung ist die Genossenschaft dauerhaft ausgerichtet und langfristig
wirksam. Die Verankerung der Ziele in einer Satzung verbunden mit den Pflichten und Rechten der
einzelnen Gremien trägt zu einer Verstetigung des Beteiligungsmodells bei.
Neben den Stärken der Genossenschaft zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements sieht sie sich
auch mit großen Herausforderungen und teils sogar Einschränkungen konfrontiert.
Aufgrund gesetzlicher Regelungen und Rahmenbedingungen wie das Genossenschaftsrecht sowie
bürokratischer Hürden wird die Arbeit der Genossenschaft teils gehemmt. Angestrebte Zielsetzungen
und gewünschte Veränderungen und Innovationen können nur durch einen sehr intensiven Einsatz
verwirklicht werden oder müssen gar für den Moment verworfen werden.
Zudem stehen traditionelle Denkrichtungen und -ansätze wie beispielsweise das Wachstumsdenken
teils dem Ansatz der sozialen Genossenschaft RegioStar eG entgegen.
Auch wird Genossenschaft und ihren Tätigkeiten immer wieder mit Vorbehalte und Vorurteile gegen die
aus Teilen der Bevölkerung begegnet.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 98

Beteiligungsmodell der Sozialen Genossenschaft RegioStar eG
Akteure Beteiligungsmethoden und
Qualifizierungsmaßnahmen
Akteursgruppen
- Mitglieder der Genossenschaft, die
in der Region leben
� Großer Mitgliederzuwachs, da
Vorteile besonders von
Unternehmen erkannt werden
� eigener Nutzen der Beteiligung
wie z.B.: knüpfen von
Wirtschaftsbeziehungen
� Durch die Integration von
Wirtschaftsakteuren und
Landwirtschaft können viele
Kompetenzen und Know-How,
welches den Prozess fördert
gewonnen werden
- Kommunen sind nicht Mitglied,
auch keine Unterstützung seitens
des Landkreises oder der
Gemeinden
Öffentlichkeitsarbeit und Marketing
- Außenmarketing mit eigenen Projekten wie
z.B. Regionalwährung „Sterntaler“ und
genossenschaftseigenem Dorfladen
- Homepage, Emailrundschreiben und
Newsletter (spätestens alle 4 Wochen) als
Informationsplattform
- Informeller Informationsaustausch der
Genossenschaftsmitglieder bei Treffen im
genossenschaftlichen Dorfladen
- Veranstaltung von Vortragsreihen durch
die Genossenschaft, teils in
Zusammenarbeit mit verschiedenen
Akteursgruppen wie Verbänden,
Landratsamt etc.
Informationsveranstaltung
- Unternehmerstammtisch findet mindestens
1 x pro Monat statt und dient dem
Austausch zwischen den einzelnen
Unternehmen und der Weiterentwicklung
von Ideen für den Genossenschaftstauschring
Qualifizierungsmaßnahmen
- Qualifizierungsmaßnahmen werden nicht
aktiv aufgebaut
- Zertifizierungskurs gemeinsam mit
Hochschule München gegründet; in
diesem Rahmen werden auch
Vortragsreihen angeboten, welche von
Mitgliedern der Genossenschaft als
Fortbildungen besucht werden können
Erfolgsfaktoren
- Innovative und vorausschauende Menschen
- Wille und Bereitschaft zur Projektumsetzung
- Bereitschaft der Bevölkerung Kapital zu investieren
- Erfolge tragen zur Verstetigung und Entwicklung neuer Projekte bei
- Genossenschaft ist durch ihre Rechtsform auf Langfristigkeit angelegt
Soziale Genossenschaft RegioStar eG
Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
RegioStar eG ist eine soziale Genossenschaft mit Satzung und richtet sich nach der Philosophie von Leopold Kohr
(„Small is beautiful“)
Gremien
- Vorstand besteht aus zwei Personen
- Aufsichtsrat besteht aus vier Personen
- Generalversammlung umfasst alle Mitglieder der Genossenschaft, wobei jedes Mitglied nur eine Stimme hat (Kopfstimme)
- Arbeitsgruppen zur Entwicklung einzelner Projekte sind von den Mitgliedern nach ihren Präferenzen und verfügbarer Zeit
besetzt, offene und flexible Gestaltung mit der Zielsetzung möglichst alles vorhandene Wissen und Kompetenzen zu integrieren
- Externes Organisationsbüro (Büro für Regionalentwicklung) geführt von Begründer der eG
Ergänzendes Gremium
- Wissenschaftlicher Beirat setzt sich aus 7 Personen aus den Bereichen Wirtschaft, Geschichte, Regionalentwicklung,
Bürgerbeteiligung zusammen und ist beratend und begleitend tätig
Aufgabenbereiche und Kompetenzen
- Vorstand diskutiert von Arbeitsgruppen entwickelte Projekte und stellt diese in der Generalversammlung zur Abstimmung vor
- Generalversammlung trifft Entscheidungen nach Mehrheitsentscheid, diskutiert und stimmt über angedachte Projekte der
Arbeitsgruppen ab mit der Zielsetzung Agenda 21 – orientierte Projekte umzusetzen
- Verantwortlichkeit für Umsetzung der Projekte tragen unterschiedliche Akteure nach ihrem Interessensschwerpunkt wie z.B.
Umsetzung eines Projekts im Bereich Erneuerbare Energie von einem aktiven Mitglied
- Wissenschaftlicher Beirat dient dem Erfahrungsaustausch und diskutiert neue Ideen und Alternativen für die eG, macht
Vergleichsstudien mit anderen Institutionen und Organisationen und dient der Wissensmehrung und dem Erkenntnisgewinn
- Externes Organisationsbüro übernimmt Verwaltungsaufgaben sowie Verantwortlichkeit für Öffentlichkeitsarbeit und
Koordinierungsleistungen
Zusammenarbeit der einzelnen Gremien
- Vorstandsitzungen in regelmäßigen Abständen
- Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat 1x im Quartal
- Generalversammlung 1 x pro Jahr
- 1x pro Jahr Vernetzungstreffen von wissenschaftlichem Beirat und Genossenschaft
� Mitgliederzahl ist beschränkt, keine feste Anzahl, aber wenn Strukturen nicht mehr nach dem Prinzip „Jeder kennt jeden“
funktionieren ist es ein Zeichen lokale Untergruppen unter einem Dachverband zu bilden
Motivation
- Mitgliedschaft kann zu Aktivitätssteigerung für die Region beitragen, da Effekte sichtbar und spürbar werden; ein Beleg hierfür
ist der z.B. Umsatz des Sterntalers
- Persönlicher Kontakt ist das wichtigste, da er identifikationsstiftend wirken kann, einen Austausch mit Personen, die den
gleichen Denkansatz haben, fördert und Vertrauen schafft
Evaluierung
- Erstellung einer Finanzierungsbilanz, die Prüfung durch Genossenschaftsprüfverband unterliegt
- Erstellung eines Geschäftsberichts, der in der Generalversammlung diskutiert wird hinsichtlich der Zielerreichung und Gründen
für Misserfolge
� Ableitung von entsprechenden Handlungsfeldern und zukünftigen Aufgaben
Finanzierung
- Regionalwährung „Sterntaler“ nach dem
Vorbild der Regionalwährung
„Chiemgauer“, um regionale Wirtschaft
zu stärken
- Einmalige Einlagen der
Genossenschaftsmitglieder zwischen
300 und maximal 5.000 Euro
Tätigkeitsfelder im Bereich regionales
Wirtschaften
- Nahversorgung (Gründung eines
Dorfladens)
- Wirtschaft (Schaffung einer
Regionalwährung)
- Landschaft (Projekte im Bereich
Gartenbau und Permakultur)
- Erneuerbare Energie (Betrieb einer
Photovoltaikanlage)
Thematische und räumliche Vernetzung
- Mitglied in
Regionalentwicklungsnetzwerken
- Mitglied im Regionalgeldverband
� Mitgliedschaften dienen dem
Erfahrungsaustausch und für
Marketingzwecke
Externe Bedingungen
- Mediale Berichterstattung wie z.B.: über
Finanzmärkte und ihre Krise
- Bewusstseinswandel im Bezug auf
Lebensstile
- Steigender Leidensdruck der
Bevölkerung im Bezug auf
Geldsicherheit
� begünstigen Zuwachs an Mitgliedern
Interne Bedingungen
- Alle Mitglieder müssen sich aktiv
einbringen, inaktive Mitglieder
entsprechen nicht dem Grundverständnis
einer sozialen Genossenschaft
Hemmnisse
- Die Weiterentwicklung und Neuausrichtung der eG wird teils durch gesetzliche Regelungen gehemmt (z.B. Genossenschaftsrecht)
- Traditionelle Denkrichtungen z.B. Wachstumsdenken stehen teils dem Ansatz der eG entgegen
- Zielverfolgung mit viel Aufwand verbunden, da bürokratische Hürden teils sehr hoch sind
- Vorbehalte und Vorurteile gegen die Tätigkeiten der eG in Teilen der Bevölkerung
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 99

3.7 XperRegio GmbH
1. KURZPORTRÄT
Vereine/
Bürgerinti
ativen
Regionalmanagement
LEADER-
Aktionsgruppe
Lenkungsausschuss
Beirat
XperRegio GmbH
In den Jahre 2007 und 2008 standen XperRegio im Rahmen des EFRE- Projektes „Innovative
Maßnahmen“ von der EU 3 Millionen Euro für die direkte Förderung von Unternehmen in der Region zur
Verfügung. Dadurch konnte vor Ort entschieden werden, welches Unternehmen mit wie viel finanziellen
Mittel gefördert wird. Da in der Region insbesondere kleine Betriebe und Unternehmen angesiedelt
sind, die durch Wirtschaftsförderung normalerweise nicht gefördert werden, stellte diese frei
verfügbaren finanziellen Mittel eine Besonderheit dar. Dadurch wurden die Weichen für die Zukunft
gestellt, die mit einem enormen Aufschwung und Antrieb einher gingen. Diese materielle Unterstützung
der Betriebe wirkte sich nicht nur nachhaltig auf die einzelnen Unternehmen aus, es wurde auch ein
fachübergreifendes Unternehmernetzwerk geschaffen. Aufbauend auf diesen auf diesen ersten
Regionalentwicklungsaktivitäten agiert heute das Regionalmanagement.
Die heutige Form des XperRegio-Regionalmanagements besteht seit 2009 und hat eine eigene
Geschäftsstelle. Das Regionalmanagementwird aus Mitteln aus dem EFRE-Programm „Regionale
Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft,
Infrastruktur, Verkehr und Technologie kofinanziert und betreut zugleich die LEADER - Förderung für
die Region.
2. AKTEURE DES ENTWICKLUNGSPROZESSES
Der Akteurskreis der XperRegio GmbH setzt sich
aus einer Vielzahl an unterschiedlichen Gremien
zusammen. Zu einem ist das
Regionalmanagement Träger des Prozesses,
dessen Arbeit durch die Lenkungsgruppe,
die Gesellschafterversammlung und dem
Beirat unterstützt wird.
Zum anderen ist die LEADER-
Aktionsgruppe aktiv in den
Beteiligungsprozess integriert und trägt
auch zu einem dauerhaft ausgerichteten
und langfristig wirksamen
Entwicklungsprozess bei.
Neben den verschiedenen Gremien sind die
bürgerschaftlichen Akteure eine wichtige Stütze des
Prozesses.
Gesellschafterversammlung
Abbildung 24: Akteurskreis der XperRegio GmbH
Quelle: Eigene Darstellung
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 100

3. ORGANISATIONSPROZESS (-STRUKTUREN)
XperRegio GmbH
Der Organisationsprozess der XperRegio GmbH ist sehr komplex, da eine Vielzahl von Gremien an
diesem teilhat.
AUFGABENBEREICHE IN DER ORGANISATIONSSTRUKTUR
REGIONALMANAGEMENT
Das Regionalmanagement, welches von einer Regionalmanagerin, die zugleich LAG-Managerin ist,
geleitet wird, hat ein großes Aufgabenspektrum, da es zwei Programme bedienen muss. Sie ist
Vernetzung- und Koordinierungsstelle innerhalb der Region sowie nach außen, aber auch
Ansprechpartnerin für die Kommunen. Sie vermitteln bspw. Kontakte zwischen den Kommunen und
Fachexperten oder Hochschulen, falls dies bei einer Maßnahme oder einem Projekt erforderlich ist.
Durch die Funktion als LAG – Managerin erweitert sich ihr Aufgabenspektrum noch. Dazu zählen bspw.
die Organisation von Sitzungen, die regelmäßige Information der Mitglieder über die Projekte und auch
neue Projektanträge und die ausführliche Dokumentation des LEADER – Prozesses unter Mitwirkung
der Aktionsgruppe. Die Projektanträge werden aber nicht durch die Managerin der Aktionsgruppe
genauer erläutert, sondern die Antragsteller werden zu der Sitzung eingeladen, um ihre Projektidee zu
präsentieren.
LENKUNGSGRUPPE
Der Lenkungsgruppe ist ein Gremium des Regionalmanagements. Diese setzt sich aus einem Vertreter
des Staatsministeriums, einem Vertreter der Regierung von Niederbayern, einem Vertreter der
Hochschulen, einem Vertreter des Landkreis Rottal-Inn und eines des Landkreis Dingolfing-Landau,
den zwei Geschäftsführern und dem Regionalmanagement zusammen.
GESELLSCHAFTERVERSAMMLUNG
Derzeit sind 22 Kommunen, welche im Landkreis Dingolfing - Landau und Rottal – Inn liegen, Mitglied
der Gesellschafterversammlung. Zu den 22 Kommunen, die Gesellschafter der XperRegio GmbH sind,
gehört auch der Landkreis Rottal – Inn. Die Zusammenarbeit zwischen dem Regionalmanagement und
den Kommunen gestaltet sich vornehmlich über die Bürgermeister. Dadurch werden die Bürgermeister
zu Multiplikatoren und sind eine wichtige Schnittstelle im Informationsfluss. Jedoch kommt es auch
immer wieder zu einer Selektion der weitergegebenen Informationen.
Ein weiterer Aufgabenbereich der Gesellschafterversammlung ist, Entscheidungen über finanzielle
Fragen zu treffen.
Die Kommunen haben die Möglichkeit von dem Regionalmanagement bei verschieden Frage- und
Problemstellungen unterstützt zu werden. Wenn sie bspw. eine Projektidee haben können sie sich
hilfesuchend an das LAG-Management wenden, jedoch die Verantwortlichkeit zur Planung und
Durchführung bleibt bei der Gemeinde selbst. Sie ist Projektträger.
BEIRAT
Der Beirat setzt sich aus mindestens fünf Personen zusammen. Mindestens die Hälfte der Mitglieder
müssen Gesellschafter, sprich Bürgermeister der Gesellschafterkommunen sein. Diese werden von der
Gesellschafterversammlung für eine Dauer von drei Jahren gewählt.
Zu den Aufgabenbereichen des Beirats zählen u.a. Personalfragen zu klären oder auch
richtungsweisende Entscheidungen zu treffen. Auch in Vorbereitung einer Gesellschafterversammlung
wird der Beirat kontaktiert, um gemeinsam mit dem Regionalmanagement diese vorzubereiten.
Durch seine kleine Größe eignet sich der Beirat auch sehr gut Fachfragen zu erörtern.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 101

LEADER- AKTIONSGRUPPE
XperRegio GmbH
Da die XperRegio GmbH auch für das Leader-Programm zuständig ist, gibt es ein weiteres Gremium,
die lokale LEADER – Aktionsgruppe (LAG). Dieses setzt sich aus den kommunalen
Entscheidungsträgern und mindestens genauso vielen Partner aus dem Bereich Wirtschaft und wie
Soziales zusammen. Derzeit sind in der LAG elf Mitglieder, fünf Bürgermeister, zwei Wirtschaftsakteure,
ein Vertreter des Bund Naturschutzes, ein Landwirtschaftsvertreter und ein Jugendvertreter.
Die LAG XperRegio trifft die Entscheidungen über die im LEADER – Programm zu fördernden Projekte.
Diese sind mehr ein Abstimmungsgremium als ein Fachgremium.
VEREINE UND BÜRGERINITIATIVEN
Je nach Projekt und Thematik, wie Dorfhäuser, sind teils auch Vereine und Bürgerinitiativen oder
einzelne engagierte Bürger beteiligt. Diese sind besonders wichtig, um Projekte anzustoßen und
umzusetzen. Oftmals geht auch von diesen die erste Initiative aus. Gibt es diese engagierten Bürger vor
Ort jedoch nicht, kann seitens des Regionalmanagements kaum unterstützt werden.
VERNETZUNG UND KOORDINIERUNG
Die Basis für eine gute Vernetzung bildet die umfassende Information aller beteiligten Akteure auf und
bedarf Transparenz.
Die jeweiligen Gremien werden immer über die Versammlungen der anderen Gremien in Kenntnis
gesetzt. In jeder Sitzung der einzelnen Gremien bezieht sich ein Tagesordnungspunkt immer auf die
Informationen und Ergebnisse aus den anderen Gremien und zudem werden jeweils Protokolle
angefertigt, die an alle Teilnehmer gesendet werden. Die Gesellschafterversammlung wird immer über
die Ergebnisse des Beirats und der Lenkungsgruppe informiert.
Gemeinsame Treffen aller Gremien gibt es nicht, da es zu personellen Überschneidungen in den
einzelnen Gremien kommt. Jedoch können diese Überschneidungen auch einen wichtigen Beitrag zu
der Vernetzung beitragen, da die betroffenen Akteure die Information weitertragen können.
Um die gemeindeübergreifenden Projekte vor Ort verankern zu können, bedarf es in jeder Gemeinde
einen Verantwortlichen für das Projekt. Das kann sowohl ein Mitarbeiter der kommunalen Verwaltung
als auch ein aktiver Bürger sein. Das muss möglichst von Anfang an installiert werden und auch durch
entsprechende Schulungen unterstützt werden. Wünschenswert wäre eine Art Multiplikatorensystem zu
schaffen, in dem Wissen durch Fachexperten vermittelt wird, um es an die Betroffenen weitergeben zu
können.
EVALUIERUNG, CONTROLLING UND MONITORING
MONITORING UND CONTROLLING
Der LEADER- Prozess ist stark standardisiert und wird durch eine detaillierte Dokumentation evaluiert.
Bereits bei der Antragstellung muss ein sog. „Beiblatt Monitoring“ ausgefüllt werden. Hierbei sollen
vorab, die sog. „smarten Zielsetzungen“ zu den einzelnen Projekten sehr genau beschrieben werden,
die durch erfassbare Indikatoren wie Schaffung von Arbeitsplätzen und Anstieg der Besucherzahlen,
konkretisiert werden. Der erste Schritt der Evaluation ist eine Vorab-Evaluation und in einem zweiten
Schritt wird vom Staatsministerium überprüft, ob die angestrebten Zielsetzungen erreicht wurden bzw.
wo sind Abweichung. Der Prozess durchläuft ein Controlling.
EVALUIERUNG
Im Bereich des Regionalmanagements hingegen gibt es diese Evaluierungswerkzeuge nicht. Bei
Beantragung einer Weiterförderung werden die Maßnahmen und Projekte der vergangenen
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 102

XperRegio GmbH
Förderperiode evaluiert, wobei keine Indikatoren zugrunde gelegt werden, sondern die Antragstelle
beurteilen und bewerten den Prozess aus ihrer persönlichen Sichtweise. Dies kann als eine Art
Evaluierungsbericht verstanden werden und Projektziele und Handlungsfelder der neuen
Ausgangssituation angepasst werden können. Für eine neue Förderperiode werden neue
Zielsetzungen, welche basierend auf den Kenntnissen und dem persönlichen Lernprozess aus der
vergangenen Förderperiode, formuliert.
4. BETEILIGUNGSMETHODEN UND QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
(WISSENSGENERIERUNG UND WILLENSBILDUNG)
Die Kommunikations- und Qualifizierungsstrategien gehen in der Region eng miteinander einher. Sie
bauen aufeinander auf, wobei sie die Zielsetzung verfolgen, die Bewusstseinsbildung bei allen Akteuren
zu stärken und zu fördern.
BETEILIGUNGSMETHODEN
Es ist bei den Kommunikationsstrategien zwischen „Ein-Weg-Kommunikation“ und „Zwei-Weg-
Kommunikation“ zu unterscheiden.
Bei der „Ein-Weg-Kommunikation“ spielt die Internetseite eine große Rolle wie auch der dreimal jährlich
erscheinende Newsletter. Zudem gibt es einen Kommunikationsdienst, den sog. „Xpress“, welcher sich
ausschließlich an die Bürgermeister richtet. So kann der Informationsfluss zwischen den
Gesellschaftern und der XperRegio GmbH eng verknüpft werden. Leider gestaltet sich dieser zumeist
sehr einseitig, Reaktionen und ein Informationsaustausch werden dadurch nur in einem sehr geringen
Umfang angestoßen.
In der Region gibt es vierteljährlich stattfindenden Netzwerkabende, sog. „MINT“-Abende, an den
sowohl Wirtschaftsakteure als auch Akteure aus den Schulen teilnehmen, um eine langfristige
Kooperation zwischen Unternehmen und Schulen zu etablieren. So kann die Kommunikations- und
Austauschkultur gestärkt werden. Diese Abende gestalten sich abwechslungsreich. Einerseits werden
immer verschiedene Themen besprochen und diskutiert, anderseits wechselt der Veranstaltungsort
jedes Mal, da immer ein anderes Unternehmen verantwortlich für die Ausrichtung ist. So kann auch
gewährleistet werden, dass alle Unternehmen, die sich engagieren, berücksichtigt werden, die
Teilnahmebereitschaft erhöht wird und eine breite Vernetzung über die Region hinweg geschaffen wird.
Um die Information und die Kommunikation weiter zu stärken, ist bzw. im Tourismussektor angedacht,
eigens eine Stelle zu schaffen die sich mit der Innen- und Außenvermarktung der Region befasst. Um
einerseits den Tourismus zu fördern, aber auch um anderseits die lokale Bevölkerung aufmerksam zu
machen und zu sensibilisieren.
QUALIFIZIERUNGSMAßNAHMEN
Die Qualifizierungsstrategie bezieht sich insbesondere auf die Bewusstseinsbildung der Bürger und
unternehmerisch tätigen Akteure vor Ort, aber auch auf die Vermittlung praxisnaher Kenntnisse für
Unternehmen und ihre Mitarbeiter (Business – Englisch- Kurs oder Personalentwicklung für
Unternehmer).
Thematiken und Problemstellungen wie der demographische Wandel und drohender Fachkräftemangel,
welche im regionalen Entwicklungskonzept für die Region herausgearbeitet sind, stehen im Fokus der
Bewusstseinsbildung. Auch wenn zukünftige Herausforderungen bekannt sind, so bedarf es doch einer
stetigen Information. Daher bietet und organisiert XperRegio Angebote an Qualifizierung sowie Weiter-
und Ausbildungsmöglichkeiten für Bürger und Unternehmen an.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 103

XperRegio GmbH
Hierzu werden auch in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule nachfrageorientiert Kurse entworfen
und angeboten.
Desweiteren wurde die Fortbildungsmaßnahme „Haus der kleinen Forscher“ geschaffen, die sich an
Erzieherinnen richtet. Geschulte Erzieherinnen bilden durch die regelmäßigen Fortbildungen ein
Lokales Netzwerk Haus der kleinen Forscher. Das Haus der kleinen Forscher ist eine Stiftung und es
werden deutschlandweit solche lokalen Netzwerke aufgebaut. Das Lokale Netzwerk XperRegio deckt
die Landkreise Dingolfing-Landau und Rottal-Inn ab und es findet zugleich neben der pädagogischen
Fortbildung eine landkreisübergreifende Vernetzung der Kindergärten statt.
Ein weiterer Schritt über das Informieren hinaus, wäre die Schaffung geeigneter Programme und
Projekte in Zusammenarbeit mit den Betrieben und Unternehmen vor Ort.
ANERKENNUNG UND MOTIVATION
Je nach Akteursgruppe bedarf es unterschiedlicher motivationsfördernder Ansätze. Bei den
Wirtschaftsakteuren ist die Notwendigkeit hier eher gering, jedoch bei den Bürgermeistern entsteht hier
immer wieder die Notwendigkeit. Um die Motivation immer wieder hervorzurufen, werden gezielt die
Gemeinderäte der einzelnen Kommunen angesprochen und in Gemeinderatssitzungen werden mittels
Präsentationen zu bestimmten praktischen Projekten versucht zu überzeugen und für die Projekte zu
argumentieren. Auch Schlüsselakteure, die von den Projekten überzeugt sind und den Mehrwert für die
Region erkannt haben, sind gute Motivatoren. Ein weiterer motivationsfördernder Faktor ist die Aussicht
auf Erfolg des Projektes. Insbesondere die Eigenverantwortlichkeit muss immer wieder gestärkt und
gefördert werden.
Wenn der Mehrwert der einzelnen Projekte mit festen Zahlen belegt werden kann, ist das für
Gemeinden oft ein Grund sich daran zu beteiligen. Jedoch liegt hier die Schwierigkeit bei den sog.
weichen Indikatoren, die nicht anhand von Zahlen beschreibbar sind.
5. STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
HANDLUNGSRAHMEN
Das Regionalmanagement bezieht sich ab Herbst 2011 auf insgesamt sechs Handlungsfelder, wobei
diese nahezu identisch mit den Handlungsfeldern des LEADER – Programms sind.
Die Handlungsfelder gliedern sich in folgende Themenschwerpunkte. Die Sicherung von Fachkräften ist
ein Schwerpunktthema, welches in den letzten Jahren an enormer Bedeutung gewonnen hat. Das
Handlungsfeld „Starke Menschen – Freude am Beruf“ befasst sich mit dieser Fragestellung, wobei die
Schwerpunktsetzung auf „MINT“ liegt. „MINT“ umfasst die Fachrichtungen Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaften und Technik. Maßgeblich für eine technische Fokussierung war, dass ein Großteil
der Betriebe der Region auf diesem Gebiet tätig ist. Hier gilt es, Handlungsspielräume für die Betriebe
zu entdecken mit welchen einerseits Fachkräfte generiert, anderseits Fachkräfte gehalten werden
können.
Der zweite Themenschwerpunkt nennt sich „Starke Kinder und Jugendliche“, welcher in engen Bezug
zu dem ersten steht. Dieser befasst sich mit der Berufsfindung von Kindern und Jugendlichen und bietet
die Möglichkeit, dass sie ihre Interessen, Fähigkeiten und Talente entdecken.
Das dritte thematische Handlungsfeld widmet sich dem Tourismussektor. Im Bereich „Freizeit und
Tourismus“ werden Ideen zur Vermarktung lokaler Besonderheiten entwickelt. Dabei steht das
Radfahren im Fokus.
Die weiteren drei Bereiche umfassen die Thematiken „Gesunde Umwelt – Nachhaltige Landnutzung“, „
Zukunftsfähige Orte“ und Regionale Identität durch Beteiligung“. Diese Themenschwerpunkte bilden die
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 104

XperRegio GmbH
Grundlage für eine Vielzahl an Einzelprojekten, die in einzelnen Kommunen oder in einem
Zusammenschluss weniger erarbeitet werden.
FINANZIERUNG
In der Region wurde ein regionaler Fond geschaffen, welcher sicherstellt, dass ein regionaler
Wertschöpfungskreislauf in der Region entsteht. Dieser wird von der eigens gegründeten XperCapital
Beteiligung GmbH & Co. KG verwaltet.
Zur Gründung und jeweiligen Mitgliedschaft in der XperRegio GmbH musste jede Kommune einen
Beitragssatz von 10.000 Euro zahlen. Zusätzlich wurde im Jahre 2008 von jeder Gemeinde ein Beitrag
von 3,67 Euro je Bürger eingebracht. Basierend auf diesem Mitgliedsbeitrag handelt die XperRegio
GmbH.
Die weiteren Finanzierungssäulen der Projekte und Maßnahmen sind das Regionalmanagement und
das LEADER-Programm. Das Handeln des Regionalmanagements und die Leader-Projektentwicklung
sind durch Förderrahmen stark reglementiert. Somit ermöglicht der Einsatz von Fördermitteln,
insbesondere der Anfangsphase von Projekten, nicht nur Entwicklungsfortschritte. Die starke
Reglementierung der Förderrahmen wirkt oftmals zugleich als Hemmnisfaktor für die Beteiligung vor
Ort. Es ist oftmals schwer zu vermitteln, warum einzelne Projekte nach den Förderrichtlinien nicht
gefördert werden können und somit doch wieder aus dem Kreis der angedachten Projekte
verschwinden müssen. Zudem unterliegen die Förderrichtlinien stetigen Veränderungen, in dessen
Folge die Förderkriterien geändert werden. Hier fehlt eine Kontinuität.
Um auch zukünftig den Entwicklungsprozess der Region durch die Regionalmanager gestalten zu
können, werden derzeit Finanzierungskonzepte überprüft. Da die Finanzierung aktuell auf zwei Säulen
aufbaut ist, zusammengesetzt aus einer Förderung des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft,
Infrastruktur, Verkehr und Technologie und aus dem Kapital der XperRegio GmbH. Vorstellbar sei, dass
sich die XperRegio zu einem kommunalen Dienstleister entwickele, der bspw. Beratungs- und
Vermittlungstätigkeiten anbietet. Bekommt bspw. eine Kommune eine LEADER-Förderung, die mit einer
Projektentwicklung seitens des Regionalmanagements einhergeht, könnte ein bestimmter Prozentsatz
der Förderung an die XperRegio zu leisten sein. Dieses Modell wäre ebenso wenig frei von
Widersprüchen, und wird auch von Seiten des Regionalmanagements nicht durchwegs favorisiert.
ORGANISATORISCHE RAHMENBEDINGUNGEN
Da die XperRegio eine GmbH ist, bewegt sie sich in einem festgesetzten Rechtsrahmen. Dieser
schreibt bspw. vor, wie oft eine Gesellschafterversammlung stattfinden muss und wann dazu
eingeladen werden muss. Diese Rechtvorgaben beeinflussen und strukturieren den Organisations-
prozess in den Bereichen Information, Vernetzung und Koordinierung und unterstützen die Schaffung
von Transparenz.
TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung 105

6. FAZIT
XperRegio GmbH
Durch die Fördermittel aus EFRE ist es gelungen einen erfolgreichen Auftakt des
Beteiligungsprozesses der XperRegio zu gestalten. Dadurch, dass kleineren und mittleren Betrieben
konkrete finanzielle Unterstützung angeboten werden konnte, wurde für diese ein Mehrgewinn generiert
und ihre Bereitschaft und ihr Wille sich aktiv in den Entwicklungsprozess einzubringen gesteigert. Durch
diese Finanzierungsmöglichkeiten wurde eine win-win-Situation geschaffen, da die wirtschaftlichen
Akteure einerseits und die Region anderseits von der dynamischen Entwicklung profitieren konnten.
Jedoch ist die Integrierung der wirtschaftlichen Akteure nicht so stark wie gewünscht. Ihr
Selbstverständnis ist sehr stark geprägt durch eine ehemals vorherrschende Unternehmensförderung
geprägt, das ein inhaltliches Arbeiten mit Betrieben erschwert. Die Zusammenarbeit könnte zukünftig
stärker intensiviert werden und eine gemeinsame Entwicklung angestoßen werden und gemeinsame
Projekte und Programme für die Zukunftsfähigkeit der Region zu entwickeln.
Insgesamt setzen alle in den Gremien entwickelten Projekte und Maßnahmen bei den Menschen vor
Ort an, um deren Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen zu berücksichtigen und somit insgesamt
eine Begeisterungsfähigkeit der Teilhabe zu bewirken und steigern.
Für den Prozess als sehr hilfreich erweisen sich Vorzeigeakteure, die den Prozess unterstützen,
gestalten und Mut haben etwas zu bewegen. Ihr Engagement kann auf andere Akteure und
Akteursgruppen wie ein Dominoeffekt wirken und den Teilnehmerkreis um weitere engagierte und
interessierte Akteure vergrößern. Ein Anschieben der am Prozess beteiligten Akteure durch Dritte
(Außenstehende) bleibt wirkungslos.
Teilweise wird der Prozess zudem durch die Förderprogramme gehemmt und eingeschränkt, da sie
teils zu eng gefasst sind und durch eine fehlende Kontinuität gekennzeichnet sind bzw. langfristiges
Arbeiten nur schwer möglich ist. Zudem wirkt sich ein häufiger Wechsel der Förderkriterien/ Kriterien zur
Förderwürdigkeit von Projekten negativ auf den Prozess aus. Erschwert wird die Arbeit vor Ort zudem
durch Vorgaben der Förderrichtlinien, die einen hohen bürokratischen Aufwand bei den einzelnen
Projekten und Maßnahmen bringen.
Eine fehlende Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Förderrichtlinie und damit einhergehend einem
fehlenden Verständnis der Akteure vor Ort für die Förderlandschaft kann zu einer Demotivation der am
Prozess beteiligten Akteure führen.
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Beteiligungsmodell der XperRegio GmbH
Akteure Beteiligungsmethoden und
Qualifizierungsmaßnahmen
Akteursgruppe
- Regionalmanagement
- Gesellschafterversammlung
- Beirat
- Lenkungsgruppe
- LEADER-Aktionsgruppe
- Wirtschaftsunternehmen
aus der Region
- Je nach Projekt engagieren
sich unterschiedliche
Akteursgruppen, dies
variiert je nach
Einzelmaßnahme von
Gemeinde zu Gemeinde
wie z.B. bei der
Realisierung von
Gemeinschaftshäusern
� Einbeziehung der Schulen
in einem sogenannten
„Schule-Wirtschafts-
Arbeitskreis“
� Aufbau eines
Unternehmensnetzwerks
durch Unternehmensförderung
(abgeschlossene
Förderperiode von EFRE)
Externe Impulse
- Fachexperten zu
bestimmten
Themenbereichen wie z.B.
Ingenieurbüros bei
Wasserver- und Abwasserentsorgung
Erfolgsfaktoren
Öffentlichkeitsarbeit
� Regelmäßige Presseberichte begleiten Arbeit von
Regionalmanagement zur Bewusstseinsbildung, da Problematiken
in der Öffentlichkeit noch nicht richtig präsent sind wie z.B.
demografischer Wandel
� Allgemeiner Newsletter berichtet z.B. über Fortschritt und aktuellen
Stand der LEADER-Projekte (3 mal pro Jahr)
� Öffentlichkeitsarbeit, verbessertes Innen- und Außenmanagement
z.B. im Bereich Freizeit und Tourismus über Newsletter und
Internetseite
- Informationsschrift „Xpress“ ist ein Email-Rundbrief um
Kommunikation zwischen Gesellschaftern und XperRegio möglichst
transparent zu machen (spätestens alle drei Wochen)
- Erstellung eines Buches mit Porträts von 40 Menschen in der
Region und Ausstellung, um Bewusstsein für Engagement in seiner
Vielfalt und Bedeutung zu schaffen; Aufruf zum Mitmachen bei dem
Buchprojekt mittels eines Wettbewerbs
Informationsveranstaltungen
- Vierteljährlich stattfindende Netzwerkabende mit einem
thematischen Schwerpunkt dienen dem Austausch und der
Information; finden an wechselnden Orten statt (bei
unterschiedlichen Unternehmen) um die gesamte Region
abzudecken und richten sich an Wirtschaftsakteure und Schulen
aus der Region
Dialogveranstaltungen
- Regionalmanagement besucht Gemeinderatssitzungen;
Informationsveranstaltungen für Gemeinderäte alle beteiligten
Gemeinden
- � Diskussion über Projekte und Projektbeteiligung der Kommune
� wichtig, da Gemeinde Beteiligung an größeren (höherer
finanzieller Aufwand) beschließen muss (zwecks Ko-Finanzierung
der Förderprojekte notwendig)
Qualifizierungsmaßnahmen
- Qualifizierungsangebote, welche sich an Fachkräfte aus dem
Bereich MINT (Mathematik-Informatik-Naturwissenschaften-
Technik) richten, um Handlungsspielräume für Betriebe zu schaffen
� Erst im Aufbau, noch keine konkreten
Erfahrungen
� (punktuelle Maßnahmen, wie Englisch-Kurse auf Anfrage von
Unternehmen)
- Maßnahmen werden vom Regionalmanagement teils gemeinsam
mit der VHS vor Ort entwickelt
- In regelmäßigen Abständen Fortbildungen „Haus der kleinen
Forscher“ für Erzieherinnen gemeinsam mit der Berliner Stiftung um
naturwissenschaftlich technisches Denken im Kindergarten zu
fördern
� Trägt zu einer Vernetzung der Kindergärten vor Ort bei
- Erfolgreicher Auftakt des Entwicklungsprozesses durch konkrete finanzielle Unterstützung der
Wirtschaftsbetriebe
- Herangehensweise bei den Menschen vor Ort anzusetzen, steigert die Begeisterungsfähigkeit
- Vorzeigeakteure, die den Prozess unterstützen und Mut haben; Engagement Einzelner wirkt wie ein
Dominoeffekt; nur ein Anschieben der am Prozess beteiligten Akteure durch Dritte ist wirkungslos
Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen
Gremien
- Regionalmanagement (Zwei Regionalmanager und Teamassistenz)
� Gesellschafterversammlung umfasst alle Mitgliederkommunen, deren Mitgliedschaft bei GmbH auf freiwilliger Basis nach
Beschlussfassung in der Gemeinde rechtlich wird; sie bilden die Basis der XperRegio GmbH
- Beirat, mindestens Personen; mindestens die Hälfte der Mitglieder müssen Gesellschafter, sprich Bürgermeister der
Gesellschafterkommunen sein. Diese werden von der Gesellschafterversammlung für eine Dauer von drei Jahren gewählt.
- Lenkungsausschuss des Regionalmanagements setzt sich aus folgenden Mitgliedern zusammen: Wirtschaftsministerium,
Regierung, Hochschulen, Landkreisvertreter Rottal-Inn und Dingolfing-Landau, zwei Geschäftsführer von XperRegio GmbH und
Regionalmanager
- LEADER-Aktionsgruppe setzt sich aus Bürgermeistern und Partnern aus Wirtschaft und sozialem Bereich zusammen
Aufgabenbereiche und Kompetenzen
- In den einzelnen Kommunen entstehen Projektideen für Einzelmaßnahmen, während die Projektentwicklung vom
Regionalmanagement begleitet wird und Umsetzung dann bei den Gemeinden selbst liegt; die Projektverantwortung übernimmt
dabei bspw. eine Gemeinde oder ein öffentlicher Verein
- Regionalmanagement unterstützt mit Kontakten nach außen, ist Vermittler zwischen Verwaltungsvorschriften / Förderrichtlinien
und den Menschen und Unternehmen vor Ort, lädt zu Sitzungen mit Tagesordnung ein, welche Projektaufträge/ -
beschreibungen enthalten, erhält Informationsfluss aufrecht und schafft Bewusstsein (z. B. durch regelmäßiges Infomieren,
verbreiten der Sitzungsprotokolle an alle Teilnehmer)
- Regionalmanagerin ist zugleich LAG-Managerin
- Beirat wird einberufen für Diskussion von Fachfragen, Personalfragen, richtungsweisende Entscheidungen
- Beirat wird oft vor Gesellschafterversammlung einberufen, um vorzubereiten und Richtung zu bestimmen für nächste
Versammlung
- Gesellschafterversammlung trifft Finanzentscheidungen
- LAG ist sowohl ein Abstimmungs- als ein Fachgremium
Zusammenarbeit der einzelnen Gremien
- Kontakt zwischen den Kommunen und Regionalmanagement erfolgt in erster Linie über Bürgermeister
- Enge Zusammenarbeit zwischen Gesellschafterversammlung und Beirat
- Vernetzung der Gremien erfolgt über Informationsaustausch und personelle Überschneidungen (z.B. zwei Geschäftsführer in
aktuellen Gremien)
- Gesellschafterversammlung wird über Ergebnisse des Beirats und Lenkungsausschusses informiert (jeweils regelmäßige
Tagesordnungspunkte)
- Bürgermeister sind Bindeglied zwischen der GmbH und Gemeinden
- bei Sitzungen stellt Projektbeteiligter selbst Projekt vor
- Zur Initiierung und Umsetzung von Projekten bedarf es ein gewisses Maß an Enthusiasmus
Anerkennung und Motivation
- Praxisbeispiele überzeugen am besten und erweisen sich als starker Motivationsfaktor, insbesondere wenn Bürger vor Ort sich
mit Begeisterung für bestimmte Dinge engagieren und darüber berichten
- Projekte mit Aussicht auf Erfolg wirken motivationsfördernd. Da insbesondere finanzielle Ausgaben eine Zurückhaltung bei den
Gemeinden bedingen, muss hier Überzeugungsarbeit geleistet werden, am besten indem man den finanziellen Zugewinn genau
berechnen kann. Dies ist jedoch bei den meisten Projekten kaum möglich (� Indikatoren für Messung entwickeln)
- Bereitschaft zur Kooperation und zur Mitwirkung in gemeindeübergreifenden Projekten bedarf stetiger Motivation der
Bürgermeister; möglich über konkrete Projekte
Evaluierung
� Bei Leader-Antragsstellung wird bereits ein Beiblatt Monitoring bearbeitet („Vorab-Evaluierung“) mit Schwerpunkt auf Zielen und
präzise beschreibbaren Indikatoren (SMART-Methode „Specific Measurable Accepted Realistic Timely“); dient der
Auswertbarkeit und unter liegt einer Überprüfung des StMLF (LEADER)
� Insgesamt muss der Evaluierungsprozess in Zukunft noch stärker fokussiert werden insbesondere im Regionalmanagement
(bei Antragsstellung auf Weiterförderung wurde ein Evaluierungsbericht über die letzten zwei Jahre erstellt)
Hemmnisse
XperRegio GmbH
Finanzierung
- Start des Beteiligungsprozesses durch
Unternehmensförderung im Rahmen des EFRE -
Projekts „Innovative Maßnahmen“
� große Wirkung, da dies für die
Betriebe spürbare finanzielle Unterstützung hat
durch Vernetzung und Beratung
- Gründung des regionalen Fonds XperCapital
- LEADER –Förderung seit 2009
- für Großprojekte keine ausreichende Förderung
durch LEADER; daher werden nach Möglichkeit
und Bedarf andere Finanzierungswege und
-lösungen bei der Umsetzung notwendig; Banken
und Unternehmen als Sponsoren gewinnen
- Förderung durch das Regionalmanagement
- Neue Finanzierungswege finden, da Kombination
aus Fördermitteln und Ko-Finanzierung für
Regionalmanagement nicht auf Dauer zu
gewährleisten ist
� Finanzierungsmodell „Kommunaler Dienstleister“
(Jede Kommune, die Dienstleistungen in
Anspruch nimmt, muss diese bezahlen)
- Gründung der GmbH, in die jede
Mitgliedskommune zum Stammkapitel einzahlt;
zusätzlich wurde einmalig von jeder
Mitgliedsgemeinde ein Kostenbeitrag (anteilig
nach Einwohneranzahl) erhoben
Handlungsfelder und Themenbereiche
- Fachkräftesicherung (Projekt: Fachkräfteschulung
im Rahmen der Initiative MINT)
- Starke Kinder und Jugendliche (Talente
entdecken)
- Freizeit und Tourismus (Projekt: XperBike)
- Gesunde Umwelt – nachhaltige Landnutzung
- Zukunftsfähige Orte
- Regionale Identität (Projekt: Menschen machen
Regionen)
� Unterscheidung zwischen Maßnahmen
einzelner Gemeinden und interkommunalen
Maßnahmen
Organisatorisches
- Rechtliche Grundlage der XperRegio GmbH bildet
der Gesellschaftervertrag
- Verknüpfung von Regionalmanagement LEADER
und EFRE
Räumlicher Umgriff
- XperRegio erstreckt sich über 21 Gemeinden,
welche in zwei Landkreisen gelegen sind , zudem
ist der Lk. Rottal – InnMitglied der GmbH
- Integrierung der wirtschaftlichen Akteure nicht so intensiv wie gewünscht, d.h. bisher keine Entwicklung gemeinsamer Projekte und Programme, verhaltenes Agieren seitens der
Wirtschaft
- Förderprogramme teils zu eng und fehlende Kontinuität, wechselnde Förderkriterien
- Bürokratischer Aufwand bei einzelnen Projekten und Maßnahmen durch Förderprogramme
- Verständnis für Bestehen einer Förderrichtlinie fehlt bei Akteuren vor Ort; dies führt zu Demotivation
- Informationen werden nicht immer vollständig transportiert, einseitiges Meinungsbild und Darstellung der Situation vor Ort durch Verantwortliche
- Selbstverständnis der Akteure/ Öffentlichkeit sehr stark geprägt durch Unternehmensförderung (erstes XperRegio Projekt im Jahre 2007/2008), dies erschwert inhaltliches Arbeiten
im heutigen Regionalmanagement (seit 2009)
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Literaturverzeichnis
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MKS – MOLNAR – KULZER – STOLL ARCHITEKTEN INGENIEURE (2002): Organisationsuntersuchung
Agenda 21 Gemeinde Ascha. Bearbeitung: R. Schanzer, Straßkirchen, S. 8.
RAAB, A., KURZ, O. (2008): Integriertes ländliches Entwicklungskonzept VG Syrgenstein.
SOZIALE GENOSSENSCHAFT REGIOSTAR EG: Online unter: http://www.regiostar.com/(Stand: 08.09.2011).
TRUX, P. (2009): Neue Ansätze zur Unterstützung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung im Rahmen
der Dorferneuerung. Untersuchung anhand der Gemeindeentwicklung Fraunberg. Diplomarbeit am
Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung der TU München, München.
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