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SUMO #40

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ST. PÖLTEN UNIVERSITY

OF APPLIED SCIENCES

Hier lernst

du, die

Zukunft der

Medien mitzugestalten.

Medienmanagement

Bachelorstudium: 6 Semester,

Vollzeit

Schwerpunkte

• Medienwirtschaft & Strategie

• Publizistische und journalistische

Grundlagen

• Medienproduktion und

-technologie

© Peter Rauchecker

Wissen, was

morgen zählt.

Jetzt informieren:

fhstp.ac.at/bmm


© 2023 SUMO Medienfachmagazin

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Telefon: +43(2742) 313 228 - 200

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Fachliche Leitung Mag. Dr. Gabriele Falböck und

FH-Prof. Mag. (FH) Dr. Johanna Grüblbauer

E-Mail: johanna.grueblbauer@fhstp.ac.at

Telefon: +43 676 847228422

© Titelbild: Michael Katzlberger, 3LIOT.ai

Druck in Auftrag gegeben bei gugler*

Leitstern für Kommunikation und Wandel

Auf der Schön 2

A-3390 Melk/Donau

www.gugler.at


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TECHNOLOGIE

BOT or NOT – Kann künstliche Intelligenz

die menschliche Kreativität ersetzen?

Sebastian Püttner

Zwischen Pixel und Pinselstrich: Kunst im Zeitalter der Gen Z

Patrizia Bruckner

Die Zukunft der Unterhaltungsbranche –

Wie Computerspiele die Filmindustrie verändern

Lena-Sophie Kornfeld

01

28

31

33

FINANZIERUNG DIGITALER MEDIEN

Online only: Müssen wir Finanzierungsmodelle neu denken?

Emilija Ilić

Die Faszination hinter OnlyFans

Vanessa Huber

„BeFake“ lautet die Zukunft der Gesellschaft

Magdalena Kanev

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41

44

45

47

MUSIK

Wie TikTok und Instagram die Musikindustrie

maßgeblich verändern

Sebastian Baumschlager

Beethoven versus Einaudi: Wie populär darf Klassik sein?

Mavie Berghofer

Business in der Musikbranche – Wichtiger als Kreativität?

Iris Göbl

Ich mag die Drogen nicht, aber die Drogen mögen mich

Julian Landl

05

4

Inhaltsverzeichnis

Thema


40. Ausgabe - Kreativität in Medien

02 Von

FILM UND FERNSEHEN

der Idee bis zur Umsetzung: Der Schaffensprozess im Film

Leon Flurer

Wenn der Kinosaal bebt – Wie technische Entwicklungen die

Kreativität von Filmen beeinflusst

Luise Kopeszki

Endlich mal was Neues! –

Innovation und Kreativität im altbekannten TV

Leo Himmelbauer

19

23

25

04 Der

ONLINE-JOURNALISMUS

Titel ist Kunst

Alexander Kortan

Soziale Medien – Im Redaktionsalltag umsetzbar?

Alexandra Bauer

Generation Selbstinszenierung:

Wie Kunst zum Wisch-Objekt wurde

Antonella Bacher

35

37

39

Inhaltsverzeichnis Thema

5


Editorial

Liebe Leser*innen,

Ohne Kreativität wären Filme, Podcasts, Magazine

und andere Medien langweilig und uninspiriert. Immer

schon. Geht es letztendlich bei Kreativität doch

darum Neues in die Welt zu bringen, anstatt Altes

und Dagewesenes neu aufzugießen. Die Mittel, die

uns für die Umsetzung von Ideen zur Verfügung stehen,

ändern sich hingegen stetig. Ob Technologien

die Kreativität in der Medienbranche verflachen oder

anreichern, und welche Auswirkungen dies auf essenzielle

Rahmenbedingungen wie Finanzierung mit

sich bringt, ist Thema dieser 40. Ausgabe von SUMO.

Virtual Reality und künstliche Intelligenz verändern

die Art und Weise, wie wir Inhalte erstellen und konsumieren.

Wir konnten uns mit dem Cover der Ihnen

vorliegenden Ausgabe selbst davon überzeugen. Die

KI wurde hier als Hilfsmittel genutzt. Doch noch

wichtiger war es wohl, einen erfahrenen KI-Flüsterer,

einen sogenannten AI Prompter, zu engagieren, der

die erforderlichen menschlichen Ideen und Inspiration

einbringt, um die KI entsprechend anzuweisen

und schlussendlich innovative, kreative und erfolgreiche

Ergebnisse zu erzielen.

Blitzgeschwind wurden verschiedene Design-Optionen

generiert. Dann waren wir wieder an der Reihe

und hatten die Qual der Wahl, in welchen der

Entwürfe wir das Thema Kreativität in Medien am

ehesten wiedererkennen. Nicht einfach. Wir blieben

bis zuletzt unentschlossen. Neben dem Cover finden

Sie deshalb auf den jeweiligen Ressort-Titelseiten

weitere KI-generierte Vorschläge. Hintergründe und

tiefergehende Gedanken dazu erfahren Sie im ersten

Artikel dieser SUMO-Ausgabe.

Ein Team von wachen und aufmerksamen Studierenden

im 3. und 5. Semester des Bachelorstudiengangs

Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten

ging auf Erkundung, um das kreative Potenzial

in der österreichischen Medienwelt und der daran

angrenzenden Kulturindustrie auszuloten. Eine Auswahl

der mehr als ertragreichen Streifzüge ist in

der vorliegenden Ausgabe des Medienfachmagazins

SUMO nachzulesen. Weitere Beiträge finden Sie auf

www.sumomag.at.

Opportun war die Ausleuchtung des kreativen Schaffensprozesses

an sich: Welche Rolle spielt die Technologie

bei kreativen Prozessen? Ist das nicht ein

Widerspruch in sich oder fällt die Art der Schöpfung

selbst dem Kundigen nicht weiter auf: Bot or not?

Wo liegt das Kunsterlebnis in immersiven Ausstellungen,

in denen man durch virtuelle Welten wandelt?

In einer zunehmend transmedialen Realität, galt

das Interesse auch den Wechselwirkungen der verschiedenen

Medienkanäle: Wie beeinflusst die Filmbranche

die Games-Industrie? Machen technische

Möglichkeiten wie 5D Filme den Anspruch an eine

gute Geschichte im Film obsolet? Wie arbeiten Filmregisseure

für Spielfilme und Filmportraits?

Nachdem Medienanbieter letztendlich an ihre Wertschöpfung

denken müssen: Welche Ansätze für neue

Finanzierungsmodelle gibt es für Community Medien

wie OKTO und der Redaktion „andererseits“? Da

Sex bekanntlich eine ertragreiche Einnahmequelle ist:

Worin liegt die Faszination von Only-Fans und wie

kreativ ist das Metier?

Wie gelingt die Kreation von neuen Formaten im

Fernsehen? Wie schreibt man den kunstvollen, catchy

Titel für Zeitung und Zeitschrift? Wie werden

soziale Medien in Redaktionsalltag und Strukturen

von klassischen Medien wie ORF und „Oberösterreichische

Nachrichten“ implementiert?

Wie prägen TikTok und Co. die Games- aber auch

die Musikindustrie? Wie kann man in der sich zunehmend

beschleunigenden Musikindustrie kreativ

bleiben?

Als neuen Inhalt finden Sie in dieser Ausgabe Meinungsbeiträge

angehender Medienmanager*innen

im 5 Semester. Lesen Sie, wie diese Generation die

(eigene) Nutzung von Sozialen Medien reflektiert und

wie sie über die Musikbranche der Vergangenheit wie

Gegenwart nachdenkt.

Wo und wie Kreativität in der Verlagsbranche gefragt

ist, erfuhren die Studierenden in diesem Praxislabor

„Journalistisches Arbeiten“ sehr konkret. Sie arbeiteten

nicht nur am redaktionellen Inhalt, sondern auch

in den Bereichen Bildredaktion, Sales, Print- und Online-Produktion,

Vertrieb und Marketing.

Wir wünschen eine unterhaltsame Lektüre der 40.

und damit runden Ausgabe von SUMO!

Johanna Grüblbauer und

Gabriele Falböck

6

Thema Editorial


© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai

7


© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai

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Thema BOT or NOT – Kann künstliche Intelligenz die menschliche Kreativität ersetzen?


BOT or NOT – Kann künstliche

Intelligenz die menschliche

Kreativität ersetzen?

Vor einiger Zeit ging ein Bild viral, auf dem man sieht, wie das letzte Selfie der Welt aussehen

könnte. Das Besondere daran: Das dystopische Gemälde wurde mithilfe der „Midjourney“-KI

generiert. „Midjourney“ ist eines von vielen Systemen, die auf der Basis von Texteingaben

Befehle in Kunst konvertieren können. Kann dieser technologische Fortschritt den Menschen

bei seinem kreativen Schaffensprozess unterstützen oder macht er ihn gar obsolet? Um diese

und weitere Fragen zu beantworten, hat SUMO mit dem Experten für künstliche Intelligenz

(KI) Michael Katzlberger sowie dem Schweizer Kreativen Andy Lusti gesprochen.

Dass künstliche Intelligenz (KI) Schach, Go und

verschiedene Videospiele besser beherrscht

als die geübtesten Menschen ist seit längerem

bekannt. Bereits im Jahr 1997 gelang es „Deep

Blue“ als erstem Computer, den damals amtierenden

Schachweltmeister Garri Kasparow in einer

Partie zu schlagen. Seit einiger Zeit haben auch

Künstler*innen einen neuen, mächtigen Konkurrenten:

KI, die Bilder auf Knopfdruck erstellt. Ein

paar Textanweisungen, sogenannte „Prompts“,

genügen und schon schafft der Algorithmus ein

Bild, das es zuvor nie gab. Wenn es nicht gefällt,

startet man das Programm erneut und erhält

binnen kürzester Zeit neue Alternativen. Zu

den bekanntesten dieser Systeme zählen etwa

„Dall-E 2“, „Midjourney“ oder „Stable Diffusion“. Sie

sind teilweise kommerziell verfügbar, gar nicht

für die Öffentlichkeit zugänglich oder können von

jedem frei genutzt werden. Interessierte können

ihrer Kreativität freien Lauf lassen, technisches

Wissen muss man dafür keines mitbringen. Es ist

also kein Zufall, dass immer mehr KI-generierte

Bilder im Netz auftauchen. Bei „Midjourney“ können

User*innen beispielsweise ihre ersten 25 Bilder

kostenlos generieren, bevor ein Abonnement

abgeschlossen werden muss. Wer sich bei „Dall-E

2“ anmeldet, erhält 50 Credits, die man gegen

Befehle an die KI eintauschen kann. Benötigt man

mehr, muss man dafür bezahlen. „Stable Diffusion“

ist hingegen eine Open-Source-Variante und kann

von jedem frei genutzt werden.

Von Bits und Bytes zur Künstler*in

Doch wie funktionieren diese Wunderwerke der

Softwaretechnologie? „KI ist der Versuch, die

Funktionsweisen im menschlichen Gehirn künstlich

nachzubilden“, erzählt Michael Katzlberger. Er

beschäftigt sich seit 2016 intensiv mit dem Thema

der künstlichen Intelligenz in der Kreativindustrie.

Davor war er 20 Jahre lang Geschäftsführer

der führenden österreichischen Digitalagentur

„Tunnel23“. Mit seinem neuen Unternehmen

„3LIOT.ai“ hat er es sich zur Aufgabe gemacht, das

Thema KI zu entmystifizieren und einer breiten

Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

KIs werden von ihren Entwickler*innen mit grundlegenden

Einstellungen ausgestattet, die Anweisungen

darüber enthalten, was sie lernen sollen.

Anschließend werden sie mit Daten gefüttert, die

sie gemäß ihren Instruktionen mittels Algorithmen

auswerten. Dieser Vorgang wird als „maschinelles

Lernen“ bezeichnet. Im Falle der Bilder-KIs

kommen dabei Wort-Bild-Paare zum Einsatz. Also

Bilder mit beigestellter Beschreibung, die festhält,

was zu sehen ist. Das ermöglicht es den KIs zu

erlernen, welche Formen, Farben und Anordnungen

bestimmte Dinge haben. Auf diesem Wege

können sie auch stilistische Informationen gewinnen,

etwa darüber wie ein altes Foto oder ein

Ölgemälde typischerweise aussieht. Das gilt auch

für die einzigartigen Zeichenstile verschiedener

Künstler*innen und ermöglicht Nutzer*innen später

Eingaben wie „Elch auf dem Mond im Bauhausstil“.

Auf die Frage, ob dabei wirklich etwas Neues

entsteht, meint Katzlberger: „Im Rahmen unserer

Projekte haben wir oft erlebt, dass eine KI unvorhersehbares,

außergewöhnliches, lebendiges

produziert und uns mit kreativem Output überrascht.

Der Mensch hat Vorbilder, von denen er

lernt, demnach darf eine Maschine auch Vorbilder

haben. Bach beispielsweise war das Vorbild von

Mozart. In dem Sinne könnte man dem Menschen

auch vorwerfen, dass er nicht kreativ ist, sondern

bestehendes, gelerntes neu kombiniert hat, oder?“

Utopie und Dystopie

Während manche Menschen diese Entwicklung

neugierig begrüßen, verschließen sich andere

komplett davor. „In der breiten Öffentlichkeit ist

das Thema KI nach wie vor negativ besetzt. Schuld

daran sind in erster Linie Science-Fiction-Filme,

wie ,Terminator‘ oder ,Matrix‘, in denen Menschen

von einer KI ausgebeutet oder vernichtet werden.

Ich würde mir wünschen, dass sich das ändert und

die einfachen Bürger*innen die riesigen Potenziale

dieser Technologie erkennen“, erzählt Katzlberger.

Dieser Zustand ließe sich nur erreichen, indem

man aufklärt und die vielen positiven Beispiele

hervorhebt. KI kann beispielsweise den Arbeitsprozess

in der Kreativindustrie effizienter machen

und beschleunigen. Wenn Werbeagenturen in

Zukunft Bilder suchen, können sie entweder auf

klassische Stock-Archive zurückgreifen oder ihre

eigenen Bilder erzeugen. KI ist aber nicht nur in der

BOT or NOT – Kann künstliche Intelligenz die menschliche Kreativität ersetzen? Thema

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Michael Katzlberger

/ © Roland Pelzl

Andy Lusti / © Ella Mettler

Lage, Bilder zu generieren, sondern kann

auch Texte verfassen. „Das sind Textmodelle,

die so unfassbar gut sind, dass

sich selbst Literaturkritiker schwertun zu

erkennen, ob diese von einer Maschine

oder einem Menschen geschrieben wurden“,

so Katzlberger. Dabei entständen

Marketingtexte, Claims oder Texte, die für

den Wettstreit mit Menschen angefragt

werden.

Berufsfeld im Wandel

Müssen Kreative also um ihren Job bangen?

Michael Katzlberger ist optimistisch: „Ich

vergleiche das gerne mit der Erfindung der

Fotografie. Bis dahin konnten Maler*innen

als Einzige die Realität auf einer Leinwand

abbilden und haben die Fotograf*innen

abgelehnt. Letztendlich hat sich die Fotografie

zu einer eigenständigen Kunstform

entwickelt, ohne die der Film nicht möglich

wäre, und Millionen von Jobs geschaffen.

Das wird mit KI ähnlich sein.“

Dieser Meinung ist auch Andy Lusti: „Als

Kreativer ist es essenziell neugierig zu sein,

Strömungen und Trends zu beobachten und

Neues für sich zu nutzen. Für mich ist KI ein

neues Werkzeug, das neue Möglichkeiten

bietet.“ Der Schweizer arbeitet als Creative

Director für Direktkunden und Agenturen

in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich.

Seine Arbeiten wurden bereits in

allen relevanten Kategorien der weltweit

wichtigsten Kreativ-Wettbewerben ausgezeichnet.

Er vergleicht KI mit einem Junior-

Texter, der zwar unglaublich fleißig ist, dessen

Output aber auch dementsprechend

selektiert werden muss: „Das Ergebnis ist

nur so gut wie der Input. Es braucht Leute,

die mit KI umgehen können und Kuratoren,

um die Spreu vom Weizen zu trennen.“ KI

solle gezielt eingesetzt werden, um einen

Mehrwert zu schaffen, statt einfach aus

Prinzip. „Jeder von uns könnte theoretisch

ein mehrfacher Grammy-Gewinner sein.

Denn seit vielen Jahren ist die Musik-Software

,Garage Band‘ auf jedem Gerät von

‚,Apple‘ installiert und trotzdem haben es

bisher nur Billie Eilish und ihr Bruder geschafft,

damit zu Hause Welthits zu produzieren.

Genauso hat jeder die Möglichkeit

mit KI großartige Dinge zu erschaffen. Das

heißt aber nicht, dass dies jedem gelingen

wird“, illustriert Lusti.

Die Hamburger Kreativagentur „Häppy“

nutzt die KI-Software „Dall-E“ beispielsweise

bei der Suche nach kreativen Talenten.

Neben schrägen Illustrationen findet man

bei ihnen etwa Texte wie: „KI kann viel, aber

unsere nächste Kampagne machst besser

du.“ Die KI-generierte Employer-Branding-

Kampagne will dabei nicht nur originell sein

und für Gesprächsstoff sorgen, sondern

letztlich auch deutlich machen, dass die

Werbebranche nicht ohne menschliche Intelligenz

und Kreativität auskommt.

Problematische Inhalte und

Urheberrecht

Die Mächtigkeit der Bilder-KIs wirft nicht

nur Fragen zur künstlerischen Leistung

auf, sondern auch zu ihrem Missbrauchspotenzial.

Bereits heute kursieren immer

wieder „Deepfakes“ im Internet. Dabei

handelt es sich um täuschend echt wirkende,

manipulierte Bild-, Audio- oder

Videoaufnahmen, die mit Hilfe von KI erzeugt

werden. In den nächsten Jahren

könnte auch die Frage des Urheberrechts

relevant werden. Die Bildagenturen „Getty

Images“ und „Shutterstock“ haben

KI-generierte Inhalte bereits wegen Urheberrechtsbedenken

verboten. Erste

Künstler*innen haben sich bereits darüber

beschwert, dass KIs ihren Zeichenstil

imitieren können. In den Datensätzen,

von denen „Midjourney“ und Co. gelernt

haben, befinden sich auch zahlreiche geschützte

Werke. Eine rechtliche Bewertung

steht noch aus.

Ein Blick in die Zukunft

Katzlberger ist jedenfalls davon überzeugt,

dass es sich in Zukunft keine Agentur

leisten kann, nicht mit KI zu arbeiten.

Ähnlich wie sich „Photoshop“ über die

Jahre immer wieder verbessert hat, werden

sich auch diese Tools weiterentwickeln,

um kreative Köpfe bei ihrer Arbeit

zu unterstützen. Künftig könnte KI auch in

der Lage sein auf der Basis von Texteingaben,

Werbefilme zu erstellen oder Musik

zu komponieren und die Kreativindustrie

so weiterhin zu revolutionieren. Auch

Lusti betont abschließend noch einmal,

dass es unerlässlich ist, offen für Neues

zu sein. „Die wichtigste Eigenschaft, die

ein Mensch für die Zukunft braucht, ist

Flexibilität. Unsere Welt verändert sich

rasend schnell und je mehr man sich darin

zurechtfinden und neue Möglichkeiten

nutzen kann, desto einfacher hat man es

im Leben – egal ob beruflich oder privat“,

reflektiert er.

Sebastian Püttner

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BOT or NOT – Kann künstliche Intelligenz die menschliche Kreativität ersetzen?


Entweder, oder?

Ich will alles.

Johannes, 24 Jahre

Teile deinen persönlichen #glaubandich

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BOT or NOT – Kann künstliche Intelligenz die menschliche Kreativität ersetzen? Thema

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Zwischen Thema Pixel und Pinselstrich

© Jakayla Toney / unsplash

© Redd F


Zwischen Pixel und Pinselstrich:

Kunst im Zeitalter der Gen Z

Wer kann schon von sich selbst behaupten im Schlafzimmer von Van Gogh zu stehen oder

zwischen von ihm gemalten Feldern zu gehen? Durch immersive Ausstellungen ist es uns

mittlerweile möglich Kunst überall multimedial zu erleben. SUMO durfte mit Rob Kirk, Head

of Touring bei dem australischen Unternehmen „Grande Experiences“ (Produzent von „Van

Gogh Alive“), Ines Groß-Weikhart, Kunsthistorikerin und Leiterin der Kunstvermittlung und

Tourismus der Albertina in Wien und Natascha Mansvelt, Projekt-Koordinatorin des Van-Gogh-

Museums in Amsterdam, über die Zukunft der Kunstrezeption sprechen.

Die Klassiker mal anders inszeniert

Große Räume, ausgefallene Standorte, klassische

Gemälde und multimediale Elemente – all

das kombiniert eine immersive Kunstausstellung.

Die fortschreitende technologische Entwicklung

macht auch vor der Kunstszene keinen

Halt. Die Klassiker aus Museen werden mithilfe

von Audio, Video, Licht und interaktiven Elementen

neu zum Leben erweckt. So waren auch

in der Wiener METAStadt die Werke von Van

Gogh im multimedialen Stil bis Februar 2022 zu

sehen – aber ganz ohne die Originale. Die immersive

Kunstausstellung „Van Gogh Alive“ von

dem Unternehmen „Grande Experiences“ wurde

weltweit von beinahe neun Millionen Menschen

besucht. Anhand der Zahl lässt sich erkennen,

dass die multimedialen Ausstellungen keineswegs

nur auf Kunstinteressierte anziehend wirken.

„Wir wollen mit unseren Ausstellungen ein

Stück fremde Kultur in die Länder bringen und

so auch neue Zielgruppen in die jeweilige Thematik

einbeziehen“, so Rob Kirk, The Head of

Touring bei „Grande Experiences“. Klar ist, dass

Menschen nach Zugehörigkeit und dem Gefühl

von Beisammensein streben. Wir lieben es mit

Gleichgesinnten Neues zu erleben und sich ab

und an in eine andere Welt zu entziehen. „Als

Menschen sind wir von Natur aus neugierig und

wollen Dinge erforschen und erleben“, fügt Kirk

hinzu. Neben dem technologischen und finanziellen

Fortschritt im Bereich Audio- und Videotechnik

sind es auch die Standorte der Ausstellungen,

die ausschlaggebend für den Erfolg

sind. „Wir nutzen beabsichtigt unkonventionelle

Orte wie Fabriken, ungenutzte Gebäude, Lagerhallen,

Einkaufszentren – was auch ein Teil des

Reizes ist. Die Besucher*innen erwarten diese

Erfahrung nicht in einem traditionellen Umfeld“,

erklärt er diesbezüglich. Trotz des relativ hohen

Eintrittspreises von 25 Euro scheint sich das

Konzept seit über

zehn Jahren für „Grande Experiences“ zu bewähren.

Denn nach dem Erfolg von „Van Gogh

Alive“ strömen weitere auf gleichem Prinzip basierende

Ausstellungen anderer Unternehmen

auf den Markt. Beispiele dafür sind Ausstellungen

wie „Klimt – The Immersive Experience“

und „Monets Garten“. Jedoch kommt dabei die

Frage auf, warum diese Ausstellungen erst jetzt

ihren Aufschwung erleben.

Generation Z macht es möglich

„Wenn man sich den Zeitraum von 2009 bis fast

2017 ansieht, würde ich sagen, dass die Akzeptanz

für diese Art von immersiven Ausstellung

nicht so groß war“, argumentiert Kirk. Seither

hat sich jedoch einiges in der Gesellschaft getan.

Aufgrund des raschen technologischen Fortschritts

sind Smartphones nicht mehr aus den

Händen der jungen Menschen zu bekommen.

Der „7. OÖ. Kinder-Medien-Studie 2020“ der

„Education Group“ zufolge besitzen Kinder in Österreich

bereits zwischen sechs und zehn Jahren

ihr erstes Smartphone. Dabei zählen soziale

Netzwerke schon hier zur Basisausstattung. Die

Kinder von heute wachsen in einer Welt auf, die

sich in Bezug auf Technik und sozialen Medien

nicht mit dem Niveau von 2009 vergleichen lässt.

„Ich denke, es ist einfach die Akzeptanz, die diese

Generation mit der Technologie hat – man hat

sie jetzt in der Tasche und sie ist jederzeit verfügbar“,

stellt Kirk fest. Auch Ines Groß-Weikhart,

Leiterin der Kunstvermittlung und Tourismus der

Albertina, sieht darin Gründe für den Erfolg von

immersiven Ausstellungen. „Anscheinend trifft

es einen Nerv der Zeit, da kommt, glaube ich,

auch viel zusammen. Durch die Corona-Pandemie

sind die Leute digitalaffiner geworden oder

sind es auch gewohnt Kultur digital zu nutzen.“

Zusätzlich merkt sie an, dass die Generation

Z „ein ganz anderes Kulturverständnis als die

Generationen davor“ habe. Ebenfalls verändert

hat sich die Beziehung zwischen der Gen Z und

Unternehmen. Denn laut einer „Verizon Media“

Studie schätzen es mehr als die Hälfte der 18-

bis 24-Jährigen, wenn Unternehmen auf neue

und innovative Art mit ihnen in Kontakt treten.

„Die Art und Weise, wie man das (junge) Publikum

anspricht und unterhält, ist ein wichtiger Faktor

mit dem traditionelle Museen und Kunstgalerien

zu kämpfen haben“, fügt Kirk hinzu. Mit der

Adressierung der digitalaffinen Jugend hat das

immersive Kulturangebot keine Probleme. Durch

Videos zu den TikTok-Hashtags „vangoghalive“

oder „vangoghexhibition“ wurde der Trend der

multimedialen Erlebniswelt weiter angefeuert.

Dabei ist es kaum verwunderlich, dass Besucher*innen

die App TikTok für das Teilen ihrer

Eindrücke wählen. Eine US-amerikanischen Studie

des „Pew Research Centers“ hat ergeben,

dass 67 Prozent der US-amerikanischen

Ines Groß-Weikhart / © Privat

Rob Kirk / © Grande Experiences

Zwischen Pixel und Pinselstrich Thema

13


Teenager im Alter von 13 bis 17 Jahren TikTok regelmäßig

nutzen. Die Verbreitung von Foto- und Videocontent auf

sozialen Netzwerken wird erfreulich aufgefasst. „Ich denke,

dass unsere Position zu Social Media immer positiv

sein wird, denn wir machen so die Kunst einem breiteren

Publikum zugänglich“, sagt Kirk. Auch Groß-Weikhart

stimmt bezüglich des Teilens der Kunst auf Social Media

zu: „Insofern sehen wir das als absolut positive Entwicklung

und haben aus diesem Grund selbst eine Social

Media Abteilung im Haus.“

Zwickmühle zwischen Pixel und Pinselstrich

„Sie sehen sich nicht nur ein Gemälde an. Sie treten

in sie hinein und spüren die Kraft.“

Unterschiede nochmal deutlich. Während „Grande Experiences“

darauf abzielt, dass ihre Besucher*innen unterhalten,

begeistert und weitergebildet werden, ist das

Vermitteln laut Groß-Weikhart nur eine der insgesamt

vier Säulen eines Museums. Während „Grande Experiences“

darauf abzielt, dass ihre Besucher*innen unterhalten,

begeistert und weitergebildet werden, ist das Vermitteln

laut Groß-Weikhart nur eine der insgesamt vier

Säulen eines Museums. Laut ihr seien nach Definition

die drei weiteren Aufgaben das Sammeln, Bewahren und

Forschen.

Demnach stehen beide nicht unmittelbar in Konkurrenz

zueinander. Laut Groß-Weikhart sei es durchaus auch etwas,

was sich ergänzt und vielleicht nur in Wechselwirkung

existieren kann: „Immersive Experiences wäre nicht

möglich, gäbe es die Originale nicht – genauso kann aber

Mit diesem Satz wirbt die Wanderausstellung „Van Gogh

Alive“ auf ihrer Internetseite. Neben einer Schaustellung

aus Licht-, Ton- und Videoelementen ist es auch der

Duft aus Zypressen und Zeder, der die Besucher*innen

in die Welt der Gemälde von Van Gogh entführen soll.

Doch auch wenn sich die Werke über riesige Leinwände

schmiegen, scheint etwas nicht vollständig zu sein. „Das

Dreidimensionale geht verloren“, beschreibt Groß-Weikhart.

Pixel bleiben Pixel und können kaum mit Pinselstrichen

verglichen werden. „Niemals werden die Farben und

der haptische Eindruck so wiedergegeben, wie wenn ich

vor dem Original stehe“, so die Leiterin der Kunstvermittlung

der Albertina. Eine immersive Ausstellung hat einen

gewissen Reiz. Doch besonders in Zeiten, in denen das

Digitale unseren Alltag bestimmt, kann etwas Abstand

gut tun. „Was wir gemerkt haben, ist, dass die Leute in

die Albertina kommen, um das Museum als solches zu

erleben. Einen Ort zu erleben, der multimedial frei und

sehr analog ist“, erklärt Groß-Weikhart. Statt Duftnoten

von Zypressen und Zedern wahrzunehmen, können sich

Besucher*innen auch in Museen in eine andere Welt

entführen lassen. „Ich stehe vor etwas, was von vor 200

Jahren gemacht wurde und es ist dreidimensional, man

sieht die Farbbatzen und den Pinselstrich und man riecht

die Ölfarbe vielleicht noch – es ist eine andere Qualität“,

so Groß-Weikhart. Das Kulturangebot eines Museums

ist ein anderes als jenes einer immersiven Ausstellung.

„Deswegen haben wir auch begriffen, dass wir ein Ort sein

können, der Ruhe und meditative Stille vermittelt und wo

es keinen Leistungsdruck gibt“, beschreibt Groß-Weikhart.

Auch Rob Kirk teilt den Ansatz, dass Menschen aus

ihrem stressigen Alltag entfliehen wollen: „Viele Menschen

möchten einfach in eine Umgebung gehen, in der

man von der Außenwelt abschalten und die Erfahrung

genießen kann.“ Beide sprechen wichtige Punkte an, doch

die Entscheidung ob analog oder digital ist schlussendlich

der persönlichen Präferenz geschuldet.

Parallel nebeneinander existierend oder doch

in einem kombiniert

Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig sich zwischen

klassischen oder immersiven Kunstausstellungen entscheiden

zu müssen. „Ich glaube, dass es sich nicht unmittelbar

kannibalisiert, sondern etwas ist, dass sich gut

ergänzen lässt“, meint Groß-Weikhart. Beides sind Kulturangebote,

aber nicht beides ist Kunst. „Klar, es ist etwas,

das was mit Kunstwerken macht, aber wenn ich aus

dem Bauch heraus antworten würde, ist es keine Kunst“,

erklärt sie weiter. Auch die Aufgabenbereiche zeigen die

14

Thema Zwischen Pixel und Pinselstrich


auch eine immersive Ausstellung neugierig machen und

dazu anregen das Original anzusehen.“

Die Frage, ob Museen sich zukünftig multimedial rüsten

müssen, um junge Menschen erreichen zu können, spaltet

die Meinungen. Ein positives Beispiel für eine Kombination

aus gemalten Klassikern und Multimedia-Räumen

ist das „Van-Gogh-Museum“ in Amsterdam. Natascha

Mansvelt, Projektkoordinatorin des Museums, sieht die

Integration von multimedialen Elementen durchaus etwas,

das uns in Zukunft bleiben wird: „Ich denke, dass

immersive Ausstellungen in Zukunft immer populärer

werden – daher halte ich dies nicht für einen kurzfristigen

Trend.“ Je nach Museum kann eine Kombination aus

Multimedia und Klassik gut funktionieren. „Immersive

Erlebnisse sind ein unterhaltsamer Weg Kunst auf eine

neue Art und Weise kennenzulernen.“ Mansvelt betont

jedoch, dass dies nicht für alle Museen in Frage kommt:

„Ich würde anderen Museen zwar raten auch Multimedia

Experiences anzubieten, jedoch ist die Investition enorm

und kommt auch nicht für jedes Museum in Frage.“ Ein

Ende des Trends ist demnach nicht in Sicht. Digital oder

analog – beides wird uns wohl erhalten bleiben.

Patrizia Bruckner

© Redd F

Zwischen Pixel und Pinselstrich Thema

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Die Zukunft der Unterhaltungsbranche

– Wie Computerspiele

die Filmindustrie verändern

Lange Zeit gingen die Spiele- und Filmindustrie weitgehend getrennte Wege.

Lediglich vereinzelte Adaptionen galten als transmedialer Content. Das soll

sich nun ändern. In einem Gespräch mit Drehbuchautorin Julia R. Waldner und

Jens Mehlan, Geschäftsführer von „k18“, hat SUMO herausgefunden, wie die

Zukunft der Filmindustrie aussehen könnte und welche Rolle die Computerspielbranche

in diesem Wandel spielt.

Julia R. Waldner / © jrw

Jens Mehlan / © Rainer Zettl

Wie die Filmindustrie von der

Game-Branche gelernt hat

Seit längerer Zeit wirkt es, als ob der Filmindustrie

die Ideen ausgehen würden. Eine

Neuverfilmung nach der anderen kommt

ins Kino. Kreativität scheint zu fehlen. Ein

neues Erfolgsrezept muss her. Und dieses

könnte in einer ganz anderen Branche

gefunden werden. Denn parallel dazu

entwickelt sich die Computerspielbranche

in rasantem Tempo weiter. Neue Möglichkeiten

realistisch aussehende Spiele zu

entwickeln, revolutionieren den Markt und

beeinflussen dabei nicht nur die Games der

Zukunft.

Von der Filmentwicklung, über die Finanzierung

und Produktion bis hin zur Vermarktung.

Viele Hollywood-Studios nutzen

mittlerweile Techniken, die man so nur von

der Spieleentwicklung kennt. Der Einfluss

der Spielebranche auf die Filmindustrie

nimmt immer weiter zu. So hat die Filmindustrie

in den letzten Jahren bereits das

eine oder andere von der Computerspielbereich

gelernt. Das Konzept der langen

Kameraaufnahmen ohne Schnitt wurde

beispielsweise von der Videospielperspektive

übernommen. Diese Art der Aufnahme

wird immer beliebter und wird inzwischen

sogar häufiger in Oscar-preisgekrönten Filmen

verwendet. Ein Beispiel dafür stellt

der Film „1918“ dar, in dem eine äußerst

imposante, knapp neun-minütige Aufnahme

zu sehen ist. Der deutsche Regisseur

Sebastian Schipper hat sogar einen ganzen

140-minütigen Film, „Victoria“ (2015), mit

nur einer Kameraeinstellung gedreht. Aber

auch Serien wie „The haunting of hill house“

übernehmen diese neue Art Bilder in Szene

zu setzten. Auch erste wirkliche Verschmelzungen

der Branchen wurden entwickelt.

Eine Möglichkeit eine Hybridform

aus Film und Computerspiel zu kreieren,

stellt beispielsweise der Film „Black Mirror:

Bandersnatch“ (2018) dar. In diesem

Film können Zuschauer*innen erstmals

selbst mitentscheiden, wie sich der

Handlungsstrang der Geschichte weiterentwickelt

und können so das Ende

des Filmes stark beeinflussen.

Nicht nur Techniken der Computerspielbranche

werden von der Filmindustrie

übernommen. Zusätzlich bieten Streaming-Anbieter

inzwischen auch ihre

eigenen Spiele an. Durch ihre neuen

Gamestudios kreieren Netflix und Amazon

laufend neue Games, die als Erweiterungen

ihrer beliebtesten Filme und

Serien dienen, wie das Spiel „Stranger

things: Puzzle tales“ zur Serie „stranger

things“.

Die Suche geht weiter

Die Verschmelzung der Branchen soll

hier noch nicht stoppen, denn noch wurde

keine neue Form der cineastischen

Unterhaltung gefunden. „Ein Grund dafür

warum ständig Bücher und Games

verfilmt werden, ist der, dass es dafür

schon eine existierende Fangemeinde

beziehungsweise ein Publikum gibt“, so

Drehbuchautorin Julia R. Waldner. „Beispielsweise

die Verfilmung des Computerspiels

‚,World Of Warcraft‘. Man geht

davon aus, dass alle, die das Spiel spielen,

auch den Film ansehen wollen. Es

ist im Grunde genommen ein Versuch

der Filmindustrie neue Zielgruppen zu

erreichen.“ Doch so einfach ist das nicht.

„Wie kann man etwas so erzählen oder

zwei Medien so verschmelzen lassen,

dass die Story für die Leute funktioniert?

Das ist genau die Frage“, sagt die Drehbuchautorin.

„Die Filmindustrie ist noch

auf der Suche nach dieser passenden

Erzählstruktur. Diese darf nicht genau

wie ein Film sein und sie darf sich nicht

genau wie in einem Game abspielen. Es

geht darum die richtige Erzählformel,

den richtigen Mix zu finden.

16

Thema Die Zukunft der Unterhaltungsbranche – Wie Computerspiele die Filmindustrie verändern


Ansonsten begleitet das Publikum immer auch eine gewisse

Enttäuschung darüber, dass diese Verschmelzung oder ‚,Übersetzung‘

ins andere Medium nicht ganz funktioniert. Es braucht

daher transmediale Stoffe, die Games und Filme im richtigen

Maß vereinen können und beide Fangemeinden befriedigen.

Solche Stoffe sind wichtig, um eine medienübergreifende Erzählstruktur

zu entwickeln beziehungsweise zu finden.“

Die revolutionäre Technologie der ‚Unreal Engine

5‘

Im Frühjahr 2022 veröffentlichten die Entwickler von „Epic

Games“ die neue „Unreal Engine 5“. Diese soll zusätzlich zu

den herkömmlichen Unterstützungen, die Entwickler*innen

ein technisches Grundgerüst gibt, um schnell und effizient

Spiele zu erstellen, nun unter anderem auch noch für fotorealistischere

Grafiken und ein generell optimiertes Open-World

Erlebnis sorgen. „Was die ‚,Unreal Engine 5‘ so besonders

macht, sind im Prinzip zwei Techniken: Einerseits die ‚,Nanites‘.

Das hat ermöglicht, dass man tatsächliche Fotos in Geometrie

zurückrechnen kann und diese dann in Echtzeit dargestellt

werden können. Und das Zweite nennt man ‚,Loomen‘ und

das ermöglicht in Echtzeit Sekundärbeleuchtung herzustellen.

Das macht es also für den*die Artist*in viel einfacher es zu verwenden“,

erklärt Jens Mehlan, Geschäftsführer von „k18“. Die

‚,Unreal Engine 5‘ soll in den kommenden Spielen, beispielsweise

bei dem neuen Spiel „The Witcher“, verwendet werden

und für unzählige Verbesserungen sorgen. Was bedeutet das

jetzt aber für die Filmindustrie? „Es vereinfacht den üblichen

Postproduktionsprozess im Gebiet der Visual Effects immens.

Das heißt theoretisch, in der vereinfachten Form, filme ich am

Set und bin fertig. Weil die Farbe, die von den LED-Walls auf die

Schauspieler*innen fällt, ist direkt die richtige. Das heißt, dass

ich gar nicht mehr an der Farbkorrektur arbeiten muss und die

Hintergründe werden direkt von den Engines generiert. Die

Schauspieler*innen sehen also, wo sie stehen müssen und ich

bin fertig. Das heißt, wenn ich es abdrehe, dann habe ich das

genauso in der Kiste als wäre man wirklich an so einem Set gewesen.

Theoretisch ist das so, praktisch gibt es dann natürlich

Limitierungen“, erzählt Mehlan. Games-Engines werden bereits

von Filmstudios für Teaser-Trailer und gelegentlich ganze

Filme genützt. „Die Zeit, die es normalerweise gedauert hat, so

eine Engine in einer Filmproduktion zu verwenden, war einfach

zu lang. Und dieses Problem wurde jetzt gelöst.“ Zukünftig wird

die „Unreal Engine“ aber auch immer mehr bei TV-Serien eingesetzt.

Ähnlich wie schon bei „The Mandalorian“ von Disney+.

Diese Verschmelzung von Film und Spiel soll zunehmen und

so neue Wege eröffnen.

Auf Entdeckungsreise durch neue Universen

Wo nun also Games-Technologie auf Filmgeschichte trifft,

steht die Filmindustrie trotzdem noch vor einer schwierigen

Aufgabe. Doch so langsam entpuppen sich erste Anzeichen,

in welche Richtung es gehen könnte. Denn zurzeit steigt das

Interesse an ganzen Universen. Ein Universum, in dem unzählige

Filme, TV-Serien und Videospiele stattfinden können.

Fiktionale Welten sollen sich also immer weiter entwickeln und

nicht nur auf einen Erzählstrang beschränken. „,Worldbuilding‘

wird in Zukunft eine Schlüsselrolle spielen. Man muss eine

Welt kreieren, die nach ganz eigenen Regeln funktioniert. Innerhalb

dieser Regeln findet dann die Handlung statt“, so Julia

R. Waldners Einschätzung.

Nach ähnlichem Prinzip funktionierte bereits das Matrix-Franchise.

Die Idee, dem Film ein Spiel hinzuzufügen, war damals

seiner Zeit weit voraus. Durch die Computerspiele wurde es

ermöglicht die Geschichten einiger Figuren zu erfahren. Jada

Pinkett Smiths Charakter wird hier beispielsweise tiefgründiger

erforscht. „Das ist eigentlich etwas, was es bei Games

auch gibt. Beim Erzählen wird mehr in die Tiefe gegangen. Im

Grunde genommen erforscht man eine neue Welt oder ein

neues Universum.“ Zurzeit kann man ähnliche Entwicklungen

im Marvel-Universum von Disney+ erkennen. So bekommen

einige Marvel-Figuren, wie „Loki“, ihre eigene Serie, die ihre

Geschichten über die „Avengers“-Filme hinaus erzählen.

Teil einer neuen Welt

In Zukunft könnte also eine Zusammensetzung aus Film, Serie

und Videospiel dafür sorgen spannende, transmediale Universen

zu kreieren, in denen sich die Fans regelrecht verlieren

können. „Dadurch, dass du dich auskennst in diesem Universum,

fühlst du dich als wärst du Teil davon. Umso wichtiger

ist es sich an die Regeln zu halten. Du kennst die Charaktere

und die Insider-Jokes. Es geht darum Teil von etwas Neuem zu

werden. Und dieses Erlebnis kann man mit anderen Fans teilen.

Es gibt einem ein Gefühl von Gemeinschaft.“ Das ist also nur

der Anfang einer großen Wandlung, die uns durch die zunehmenden

Verschmelzung Hollywoods mit der Gaming-Industrie

bevorsteht. Und mit den sich stetig weiterentwickelnden

Spielmechanismen könnten immer immersivere, interaktive

Universen entstehen.

Lena-Sophie Kornfeld

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Thema

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© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai


Von der Idee bis zur

Umsetzung: Der

Schaffensprozess im Film

Wenn der Saal dunkel wird und auf der weißen Leinwand das erste Bild

erscheint, ist es ruhig. Der Film beginnt, die Augen des Publikums werden

langsam größer und die Außenwelt verschwindet. Das wäre der Idealfall

bei einem Kinobesuch, welcher nur dann zustande kommen kann, wenn

dabei interessante Geschichten erzählt und ansprechende Bilder gezeigt

werden. Spielfilm-Regisseur David Wagner und Filmporträt-Regisseur

und Produzent Reiner Holzemer sprachen mit SUMO über den Schaffensprozess

ihrer Filme und gaben einen Überblick, welche Phasen dabei

durchlaufen werden.

David Wagner / © Arend Krause

Reiner Holzemer / © Frank Bauer

Durch den Austausch mit Freunden und

Kreativen evaluiert Kurzfilm-Schaffender

und „Eismayer“-Regisseur David

Wagner, wovon seine neue Produktion

handeln könnte. Dadurch wird die Vorstellung

eines Films konkreter. Außerdem

findet er so heraus, was dabei gut

laufen würde oder was er überdenken

sollte. Dokumentarfilm-Regisseur Reiner

Holzemer hingegen überlegt sich,

welche Personen ihn interessieren,

welche Lebensgeschichten er näher

beleuchten möchte und welche Charaktere

er seinem Publikum näherbringen

will. Dabei wählt er hauptsächlich

Künstler*innen aus und recherchiert,

welche Geschichten diese Menschen

erzählen können und wollen und versucht

Kontakt aufzunehmen. In weiterer

Folge begleitet Holzemer den zu

Porträtierenden mit der Kamera so lange,

bis er das Gefühl hat, alle relevanten

Aspekte des Filmes und der Person eingefangen

zu haben.

Die Konkretisierung einer Idee

Im Gegensatz zu Filmporträts brauchen

Spielfilme ein Drehbuch, in dem

aufgeschrieben ist, welche Dialoge wie

verlaufen und an welchem Ort diese

stattfinden. „Immer wenn ich eine Idee

habe, überträgt sich diese sehr stark

auf einer bildlichen Ebene. So kann ich

mir die Entwicklung einer Szene besser

vorstellen“, beschreibt Wagner seinen

Denkprozess beim Schreiben. Während

des Verfassens eines Drehbuchs

können bereits potenzielle Schauspieler*innen

und mögliche Drehorte

gesucht werden, um Situationen noch

lebhafter gestalten und beschreiben

zu können. Die handelnden Personen

erhalten dann noch dazu passende

Kleidung und Requisiten. Diese Visu-

alisierung, basierend auf Recherchen,

hilft den Drehbuchautor*innen eine

Vorstellung davon zu bekommen, wie

Dialoge realistisch verlaufen könnten.

Währenddessen hören sich manche

von ihnen bereits Musik an, welche gut

in ihrem*seinem Film passen würde,

und schicken diese vorab zur Produktionsfirma.

Wagner fasst dies folgendermaßen

zusammen: „Es ist ein Prozess,

bei dem es schwer ist zu sagen, wo eine

Sache anfängt und aufhört – alles läuft

parallel ab.“ Freilich sieht der besagte

Prozess bei jedem anders aus, immerhin

handelt es sich bei einem Film um

ein künstlerisches Werk.

Der skizzierte Ablauf setzt voraus, dass

man sowohl Drehbuchautor*in als auch

Regisseur*in ist. Es kann aber auch

sein, dass das Drehbuch nicht selbst

geschrieben wurde, sondern mit einem

Werk einer anderen Person gearbeitet

wird. In diesem Fall fällt zwar der

Prozess des Verfassens weg, jedoch

müssen sich die Regisseur*innen genauso

überlegen, welche Musik, welcher

Schnitt oder welche Einstellungen

sie wählen wollen. Dabei kann eine

Produktion entstehen, die womöglich

nicht derselben Vision der Drehbuchautor*innen

entspricht. „Wenn ich ein

Drehbuch lese, egal ob es von mir ist

oder nicht, dann sehe ich einen Film.

Dann sehe ich meinen Film“, so Wagner.

Er beschreibt einen Unterschied, ob ein

fremdes oder eigenes Werk verfilmt

wird: „Beim eigenen entwickelt man

blinde Flecken.“ Deswegen braucht

es eine zweite Person, die das selbst

geschriebene Skript kritisch liest und

womöglich Verbesserungsvorschläge

liefert. Beim fremden Drehbuch ist

mehr Distanz vorhanden, wodurch ein

kritischerer Blick darauf geworfen werden

kann.

Von der Idee bis zur Umsetzung: Der Schaffensprozess im Thema Film

19


Die Filmförderung als Geldbeschaffung

Damit diese Ideen und möglicherweise bereits fertigen

Drehbücher umgesetzt werden können, bedarf es

einer Finanzierung. Dabei gibt es bestimmte Förderstufen,

bei denen Regisseur*innen anfragen können.

Zuallererst gibt es die Möglichkeit, die Stoffentwicklung,

also die Entwicklung des Drehbuchs, zu fördern.

Hierfür muss ein Treatment abgegeben werden, womit

die Förderstelle dann entscheidet, ob sie das Projekt

unterstützen möchte. Eine weitere Stufe bildet die Vorproduktion,

bei der wiederum die Organisation für den

Film gefördert wird. Darunter fällt unter anderem die

Bezahlung einer Produktionsfirma, das dazugehörige

Casting, das Location Scouting und die Teamzusammenstellung.

Weiters gibt es Fördermittel für die Herstellung

eines Films, darunter fallen beispielsweise der Dreh und

die Post-Produktion. Den Abschluss bildet die Verwertung,

für die nach Geldmitteln angefragt werden kann.

Das beinhaltet den Kinostart, die mögliche Teilnahme

bei Filmfestivals oder das Vermarkten der Produktion.

Bei Dokumentarfilmen oder Filmporträts werden zwar

dieselben Phasen durchlaufen, jedoch gibt es hierbei

kein striktes Drehbuch. „Im Vorhinein lassen sich die

dramaturgischen Grundlinien beschreiben, wie sich die

Regisseur*innen die Umsetzung vorstellen und welche

Themen behandelt werden möchten“, erzählt Reiner

Holzemer. Aufgrund dessen kann es dazu kommen, dass

das Endprodukt nicht mehr im Detail dem entspricht,

was zuvor ausgemacht wurde. Dessen ist sich die Förderstelle

bewusst und solange die Grundelemente nicht

verändert wurden, sollte es laut Holzemer keine Probleme

geben.

Der Schnitt als Kunstwerk

Nachdem die Förderung erhalten wurde und der Dreh

abgeschlossen werden konnte, geht es in den Schnitt

des Rohmaterials. Hierbei findet die Fortsetzung des

künstlerischen Prozesses statt. Es wird überlegt bei

welchen Einstellungen die gezeigte Szene am besten

funktioniert oder eben nicht. Dadurch kommt es dazu,

dass das Endprodukt nicht mehr genauso abläuft, wie

es das Drehbuch anfangs vorgab. „Eine schlechte Szene

kann einen guten Film kaputt machen“, meint Wagner.

„Wenn man diese schlechten Szenen entfernt und dadurch

mehrere Sequenzen vertauschen oder das Ende

an den Anfang geben muss, wird es dadurch anders sein

als zuvor geplant, aber vielleicht ein besserer Film.“

Bei Holzemer macht der Schnitt den Hauptteil der Kunst

aus. Eine Dokumentation hat in der Regel nämlich einiges

mehr an Bildmaterial als Spielfilme, deswegen

bedarf es einer genauen Evaluierung, wie der Film aufgebaut

werden soll. „Ich sichte das ganze Material im

Schnitt und bilde dann eine Grundstruktur. Dabei überlege

ich wo die Stärken des Films sind beziehungsweise

die Dreh- und Angelpunkte“, beschreibt Holzemer diesen

Prozess. Die Schwierigkeit ist umfassende Themen

oder das Leben eines Menschen in begrenzter Zeit so

ausführlich und einprägsam wie möglich zu zeigen.

Bildlich gesprochen: Die Entstehung eines

Films

Die Produktion eines Filmes fasst David Wagner in ein

Bild, das ihm ein isländischer Regisseur einst vorzeichnete:

„Du stehst am Ufer eines Flusses und möchtest

das andere Ende erreichen. Die einzige Möglichkeit, das

Wasser zu überqueren, ist so lange Steine hineinzuwerfen

bis langsam einzelne Inseln entstehen. Manchmal

verschwindet ein Stein sofort, andere Male bleibt er

hängen und hilft das Ziel zu erreichen“, erzählt David

Wagner. Manche Elemente bleiben also im Endprodukt,

andere müssen entfernt werden.

Leon Flurer

© Jakob Owens

20

Thema Von der Idee bis zur Umsetzung: Der Schaffensprozess im Film


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© Fabian Lahninger, Stable Diffusion

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Thema Wenn der Kinosaal bebt – Wie technische Entwicklungen die Kreativität von Filmen beeinflusst


Wenn der Kinosaal bebt –

Wie technische Entwicklungen die

Kreativität von Filmen beeinflusst

Kugeln fliegen auf dich zu, eine kalte Brise bläst dir in den Nacken, Schweißperlen bilden sich auf

deiner Stirn, es schüttelt dich von links nach rechts, die Blitze schlagen neben dir ein. Solche Effekte

werden in manchen Kinosälen angewandt, um szenische Inhalte in Filmen von der Leinwand zu

holen und in den Saal hineinzubringen. Kinos mit den neuesten technischen Entwicklungen, wie

IMAX oder 5D-Kinos, bieten den Besucher*innen spannende Erlebnisse. Die Technik hat sich in den

letzten Jahren immens verändert und weiterentwickelt und damit auch die Filmbranche. SUMO

sprach mit dem Kommunikationswissenschaftler und Kurator der Ausstellung „medien.welten“ im

Technischen Museum Wien Wolfgang Pensold und dem Metropol-Geschäftsführer Mario Hueber

über technische Entwicklungen im Kino und deren Einflüsse auf die Kreativität der Kinofilme.

Daumenkinos kennen wir alle aus unserer Kindheit.

Wenn man die einzelnen Bilder ganz schnell

durchblättert, entsteht der Eindruck, als ob sich

das Bild bewegt. Im Grunde genommen sieht

man hier den ersten Schritt in der Filmgeschichte

auf dem Weg zu Blockbustern wie „Avatar“. Im 18.

Jahrhundert fing alles an, die Illusion von Bewegtbildern,

geschaffen durch die Aneinanderreihung

von Fotos. Im Laufe der Jahrzehnte wurde dann

eine Tonspur mit den Bildern verbunden – der

Tonfilm war geboren. Später kamen dann neue

Erfindungen wie der Farbfilm, um die Jahrtausendwende

Animationen fiktionaler Charaktere

und die 3D-Technologie.

Wie alles begann

Wolfgang Pensold erzählt, dass zu Beginn der

Entstehungsgeschichte des Films das Ziel der

Menschen war die Realität immer authentischer

auf der Leinwand abzubilden. „Man wollte die

Illusion erschaffen, dass die Menschen, die im

Publikum sitzen, bei den gezeigten Geschehnissen

selbst mit dabei waren und das Ereignis, das

gezeigt wurde, wie live miterleben. Wenn wir das

mit der Technik in Kinosälen heute vergleichen,

sehen wir bei 3D, 4D oder 5D die genau gleichen

Ansätze und Ideen“, so der Kommunikationswissenschafter

und Ausstellungskurator im technischen

Museum. Wirft man einen Blick zurück

in der Geschichte, ist zu erkennen, dass man

schon früh versuchte technische Innovationen in

Filmen anzuwenden (entsprechend der Evolution

im Bereich dieser, auszubreiten und verschiedene

Dimensionen mit in den Film einzubauen). Für

gegenwärtige Kinorezipient*innen sind technische

Gadgets wie die 3D-Brille neben dem Popcorn

fast Standardausrüstung. Zu einem 5D-Kino,

welches einzigartige Erlebnisse bietet, gehören

meist ein Regenmantel oder Gummistiefel. Durch

die eingesetzten Effekte will man möglichst viele

Sinne der Zuseher*innen beanspruchen. Blitz und

Donner oder gar ein Erdbeben können simuliert

werden, was zu einem, im wahrsten Sinne des

Wortes, mitreißenden Kinoerlebnis führt.

Dazu stellt man sich die Frage: Was macht das mit

der Kreativität der Filme selbst?

Möglichkeiten und Herausforderungen

von neuen Techniken

Die Versuchung ist groß, dass alle verfügbaren

Mittel genutzt und künstliche Effekte so oft

wie möglich angewandt werden. Wenn man

allerdings die Handlung der Filme nicht aus dem

Blick verlieren möchte, muss evaluiert werden,

ob diese Spezialeffekte eine Unterstützung oder

eine Behinderung der Geschichte sind. Pensold

meint, dass sehr wohl neue Möglichkeiten zur

kreativen Gestaltung geboten sind und solche

Effekte in der richtigen Dosierung den Nervenkitzel

erhöhen. Dadurch können die Zuseher*innen

in die Vision der Produzent*innen eintauchen

und diese mit allen Sinnen wahrnehmen.

„Durch die technischen Entwicklungen haben

Filmschaffende neue kreative Möglichkeiten“,

meint auch Mario Hueber. Er ist Geschäftsführer

der Metropol Kinos, welches in Sachen

Technik in Kinosälen auf dem neuesten Stand

ist. In diesen sind verschiedene Techniken eingebaut

wie die IMAX-Technik, welche sich auf

die Kameratechnik bezieht, 4DX, wobei einige

Effekte in den Kinosälen angewandt werden,

und Kinosäle mit einer 270 Grad Bildfläche.

Andererseits muss man beachten, dass auch

wenn die Produzent*innen der Filme eine einfallsreiche

Idee zur Anwendung von 5D-Effekten

bei ihren Projekten eingefügt haben, es

nicht viele Säle gibt, die mit dem entsprechenden

kostspieligen Equipment ausgestattet

sind. Dadurch kann es nicht zu einer Vereinheitlichung

der Kinos auf internationaler Ebene

kommen, wodurch der Markt für derartige Produktionen

gering ist. Aufgrund dessen machen

sich nicht viele Firmen die Mühe überhaupt mit

den Effekten zu experimentieren, denn nur eine

kleine Personengruppe hat Zugang zu entsprechenden

Spielstätten. Laut einer Statistik der

österreichischen Wirtschaftskammer gibt es in

Österreich 138 Kinos mit 565 Sälen, davon sind

Wenn der Kinosaal bebt – Wie technische Entwicklungen die Kreativität von Filmen beeinflusst Thema

23


346 in der Lage 3D-Filme abzuspielen, jedoch keine 5D-

Kinos. Außerdem wird durch alle zusätzlichen Elemente

die Magie der Bilderwelten durch zusätzliche Reize in gewissem

Maß verringert, wie Pensold erörtert. Es braucht

die richtige Dosis an Effekten zur richtigen Rührung der

Zuseher*innen, ansonsten kann es passieren, dass die

Sinne der Zuseher*innen so überflutet werden, dass sie die

wünschenswerten Reize gar nicht mehr registrieren oder

schlimmer noch, durch das Antizipieren von extravaganten

Tricks gar nicht auf die Handlung des Films geachtet

wird. Leidet durch diese Fokuslenkung nicht die Kreativität

der Filme? Aus einer künstlerischen Sicht muss man sich

eingestehen, dass nicht jedes Filmgenre durch verrückte

Techniken unterstützt werden kann. In nicht jedem Film

gibt es Szenen, bei denen das Wackeln der Sitze oder

simulierter Donner zum Erlebnis beiträgt. Oft wird Totenstille

im Kinosaal als Stilmittel von den Produzent*innen

antizipiert. Zusätzliche Effekte könnten hierbei die erwünschte

Reaktion zerstören. Pensold erklärt, dass dezent

angewandte Effekte durchaus interessant seien, vor allem

auf Seiten der Produzent*innen, die sich mit diesen spielen

und neue Ideen ausprobieren können. Wie profitabel die

Techniken dann sind, liegt an den Zuseher*innen, die die

Filme rezipieren und sich eine Meinung zu diesen bilden.

Die Rolle der Gesellschaft

Ob Kinos mit ausgefallener Technik der Renner sind oder ein

totaler Flop, hängt teils auch von der Kultur der Kinogeher*innen

ab, denn weltweit sind die Menschen unterschiedliche

Arten von Unterhaltung gewohnt. Mit dieser Art von Entertainment

hängt ein gewisses Maß an Adrenalinausstoß zusammen.

„Die ‚Digital Natives sind totale Adrenalin-Junkies.

Immer wenn sie ihre Social Media Kanäle aufrufen, sehen

sie den nächsten lebensgefährlichen Stunt oder krassen

Skandal – und das in 20 Sekunden-Videos“, so Pensold. Es ist

also eine Frage der Nachfrage selbst und der Besucher*innen,

die Filme mit solch technischen Besonderheiten rezipieren

wollen. Feststeht, dass die Kinosäle ein Erlebnis bieten, das

nicht leicht nachgeahmt werden kann, schon gar nicht auf der

Couch und mit Streamingdiensten zu Hause. Der Meinung ist

auch Hueber: „Streaming ist ein großer Konkurrent von uns,

allerdings bieten Kinos mehr und sind einfach besser, auch

wegen der spannenden Technologien. Durch unsere Premiumformate

kosten dann die Tickets auch ein wenig mehr,

aber unsere Kund*innen wissen: Zahle ich mehr, bekomme

ich mehr. Die besonders Filmaffinen meinen auch, die großen

Blockbuster muss man im Kino, im IMAX-Format, gesehen

haben.“ Weiters erklärt der Kinobetreiber, dass Österreichs

Kinobesucher*innen weniger am Preis der Tickets interessiert

seien, sondern mehr an der Leistung, die sie für ihre Zeit

bekommen. Die angebotenen Premiumformate, die in Österreich

sehr gut funktionieren, verwandeln den Ausflug ins

Kino in ein Erlebnis. Außerdem wählt die Mehrheit bewusst

Filmvorstellungen mit außergewöhnlichen Technologien. In

einem internationalen Vergleich kommen neue technische

Entwicklungen in Kinosälen bei den Österreicher*innen besonders

gut an. So gut, dass der Kinobetreiber auf jeden

Fall bereit wäre seine Kinosäle entsprechend neuer Technik

umzubauen.

Der Kampf zwischen Kreativität

und Technologie

Zu Beginn wurde geschildert, wie in den frühen Entwicklungen

nach realitätsnahen Darstellungen in Kinosälen gestrebt

wurde. Nach Jahrhunderten ist man hierbei fast in der Lage

tatsächlich in einen Film einzutauchen. Die 5D-Technologien

bieten aktuell, von einem technischen Standpunkt aus, noch

nicht die bestmöglichen Effekte, da diese noch ausgebaut

und neue Entwicklungen in der Zukunft vorgestellt werden

müssen. Die Nutzung der technischen Möglichkeiten, welche

derzeit verfügbar sind, ist also als sehr innovativ einzustufen,

denn: Einerseits haben wenige Rezipient*innen bisher so

eine Technik kennen lernen dürfen, andererseits gibt es nicht

viele Produzent*innen, der Zugriff auf die nötigen Ressourcen,

wie Budget oder entsprechend ausgestattete Kinosäle,

haben. „Es stellt sich auch die Frage der Nachfrage“, merkt

Pensold an. Er erklärt, dass jede*r Zuseher*in in unterschiedlichem

Ausmaß in eine Geschichte eintauchen möchte,

wobei einem die Technik diese Entscheidung gewissermaßen

abnimmt. Dadurch gibt es weniger Freiraum für die eigenen

Emotionen, welche Zuseher*innen im Laufe eines Filmes

selbst fühlen, wenn diese durch die sinnlichen Reize überlagert

werden. Auch Huebers Prognose geht in diese Richtung:

„Das klassische Kino ohne besondere Effekte ist durch

neue Technologien nicht zu verdrängen. Der erzählerische

Einfallsreichtum der Produzent*innen wird immer Dreh und

Angelpunkt bleiben.“

Wolfgang Pensold / © Verena Mandragora Ritzengruber

Luise Kopeszki

Mario Hueber / © Metropol Kinos

24

Thema Wenn der Kinosaal bebt – Wie technische Entwicklungen die Kreativität von Filmen beeinflusst


Endlich mal was Neues! –

Innovation und Kreativität im

altbekannten TV

Fernsehen beinhaltet für die Zuseher*innen immer eine Mischung aus einerseits Bekanntem,

Gewohntem und andererseits Neuem und Innovativem. Während die „ZIB“, der „Tatort“,

„Bauer sucht Frau“ oder „Die Barbara Karlich-Show“ für viele Österreicher*innen zu einem

unverzichtbaren in Inhalt und Aufbau vertrautem Teil der Alltagsroutine geworden sind,

bieten Sendungsformate wie „Tinderreisen“ oder „3 Am Runden Tisch“ Abwechslung und

Überraschung. Aber wie entstehen neue Formate? SUMO fragte bei Oliver Svec, Director of

Entertainment & License Acquisition beim Sender ATV, und Patricia Pawlicki, Moderatorin

und Redakteurin im ORF, über die Abläufe und die Protagonist*innen bei der Formatentwicklung

nach.

Grundsätzlich unterscheidet man im Fernsehen

zwei Grundformate: Unterhaltung und Information.

Es ist anzunehmen, dass im Bereich Unterhaltung

mehr Kreativität gefragt ist als im Feld der faktischen

Berichterstattung. Aber wie sehen das die

Expert*innen?

Das Unterhaltungsformat

Oliver Svec, früher Programmchef bei „Puls 4“, ist

jetzt als „Director of Entertainment“ bei „ATV“ zuständig

für alle Unterhaltungsformate sowie für

„Licence Acquisition“, also den Ankauf von Lizenzen

für Film, Serien oder Shows. Während Newsredaktionen

unter Zeitdruck recherchieren und senden

müssen, steht im Entertainmentsektor mehr Zeit

für Entwicklung und Produktion zur Verfügung. In

seinem Team hat Oliver Svec fünf Personen, die

sich gemeinsam um alle neuen Serien und Unterhaltungsformate

und deren Produktion kümmern.

Darunter seien Formate, die speziell für „ATV“ entwickelt

wurden und viele, die per Lizenz übernommen

wurden, die also bereits in ähnlicher Form

im internationalen Fernsehen liefen oder laufen.

Neue Formate, die kürzlich auf Sendung gingen,

sind beispielsweise „Forsthaus Rampensau“ oder

„Tinderreisen“. Der Ausstrahlung und Entwicklung

neuer Formate gingen im Team intensive Diskussionen

voraus.

„Tinderreisen“ wurde ursprünglich von „ATV“ für

das Format „ATV die Reportage“ selbst entwickelt.

Das ist eine Sendeschiene, unter der zur Primetime

Reportagen zu unterschiedlichen Themenfeldern

gesendet werden. In „Tinderreisen“ werden Protagonisten*innen

zu Dates im Ausland begleitet,

was vor allem junge Seher*innen ansprechen soll.

Da die Produktion nur einer Sendung zu teuer und

aufwendig gewesen wäre, wurden gleich drei Sendungen

gedreht, die dann so erfolgreich waren,

dass mittlerweile laut Svec jedes Jahr zwölf Folgen

pro Staffel entstehen. Die Produktion von Serien

und Shows wird aber meist an externe Produktionsfirmen

ausgelagert, da das im Normalfall sehr

aufwendig ist. „Für ein Produktionsprojekt braucht

man viele Leute in einem bestimmten Zeitraum.

Diese Zahl an Personen steht in einem regulären

Sendebetrieb gar nicht zur Verfügung. Deshalb wird

dieser Teil ausgelagert. ATV arbeitet mit sechs bis

acht Produktionsfirmen, die alle Formate liefern“,

erzählt Svec. Einzelne Serien, die in der Produktion

sehr teuer sind, würden auch von mehreren

Sendern in Kooperation gemacht. Das

ist nicht unüblich in der Branche, mittlerweile

arbeiten die Sender auch mit Streaming-Anbietern

zusammen. So wurde zum Beispiel „Die

Totenfrau“, eine Krimi-Bestsellerverfilmung, die

im November 2022 erstmals im „ORF“ ausgestrahlt

wurde, von „ORF“ und „Netflix“ koproduziert.

SUMO wollte außerdem wissen, ob

es auch Sinn macht einem Sender wie „ATV“ als

externer, kreativer Kopf Formatideen vorzuschlagen.

Dazu meint Svec: „Viele Leute, die mit

einer guten Idee kommen, unterschätzen den

Aufwand der Umsetzung. Die Hauptschwierigkeit

bei Reality-Formaten wie ‚,ATV die Reportage‘

oder ‚,Bauer sucht Frau‘ ist das Casting

der Protagonist*innen. Erst durch diese werden

die Formate aber möglich.“ Insofern wäre

es am besten die eigene Idee direkt an eine

Produktionsfirma zu richten. Im Gegensatz

dazu würden Talksendungen, Nachmittagsformate

und Informationssendungen inhouse

produziert, also von eigenen senderinternen

Produktionsteams und Redakteur*innen.

Lizenzerwerb- und Verkauf

Der Bereich Lizenzerwerb ist ein eigener Tätigkeitsbereich,

den Oliver Svec bei „ATV“ verantwortet.

Österreich selbst ist kein bedeutender

Produktionsmarkt. Die Lizenz für „Tinderreisen“

konnte aber kürzlich nach Belgien verkauft

werden. Der Großteil der Sendungslizenzen

wird in Österreich von großen Distributoren

angekauft, die sich speziell auf Lizenzhandel

spezialisiert haben. Die „Großen“ unter ihnen

heißen „Banijay“, „Freemantle“ oder „Talpa“. Sie

verfügen über große Formatkataloge und sind

auf den Kauf und Verkauf von Formatlizenzen

spezialisiert. Die Kosten für eine Lizenz berechnen

sich laut Svec folgendermaßen: „Eine

Lizenz für ein Format sind üblicherweise fünf

bis acht Prozent von den Produktionskosten.

So zahlt man zum Beispiel bei Produktionskosten

von 50.000 Euro einer Folge 2.500 bis

3.000 Euro an Lizenzgebühren.“

Aber wie wird sich die Fernsehlandschaft nach

Meinung von Oliver Svec künftig entwickeln?

Patricia Pawlicki / © Günther Pichlkostner

Oliver Svec / © Marlena Koenig

Endlich mal was Neues! – Innovation und Kreativität im altbekannten Thema TV

25


Hat das klassische Fernsehen überhaupt

eine Zukunft? Es gäbe laut Svec

zwar Veränderungen, schon in den letzten

Jahren wäre es zu einer Verlagerung

von Show-Formaten zu Reality-TV-Formaten

gekommen, ferngesehen würde

aber weiterhin. In den USA boomen

derzeit Quizsendungen, die hierzulande

noch weniger gezeigt werden. Manche

großen Kanäle wie „RTL“ produzierten

Formate auch nur für Streaming-Apps

wie das Abo-pflichtige „RTL+“. Diese

Tendenz werde vielleicht zunehmen, ist

aber in Österreich aufgrund der Kleinheit

des Marktes noch Zukunftsmusik,

sagt Svec. Die aktive und interaktive

Teilnahme von Seher*innen sei

und bleibe im klassischen Fernsehen

schwierig, weil die meisten Formate

vorproduziert werden. Social Media

würde aber sehr wohl als Werbe- und

Austauschmedium genutzt. Wie immer

die Zukunft für das klassische Fernsehen

aussehen wird, es braucht kreative

Köpfe für die Weiterentwicklung. Doch

wie gelangen Interessierte in diesen

Bereich? Laut Oliver Svec gäbe es keine

klassische Ausbildung für den Entertainment-Bereich.

Die meisten hier

Tätigen haben mit unterschiedlichen

Jobs bei Produktionsfirmen begonnen

und wachsen dort weiter. Als wichtige

Voraussetzung sieht Svec die Fähigkeit

mit verschiedensten Menschen gut

umgehen zu können. Das ist wohl eine

Eigenschaft, die auch Moderator*innen

von politischen Talkformaten zwingend

brauchen.

Raum für Innovation im Info-

Segment?

Petra Patricia Pawlicki ist Redakteurin

und Moderatorin beim „ORF“. Sie hat

in ihrer 30-jährigen Laufbahn schon

verschiedenste Informationsformate

gestaltet und moderiert. Pawlicki startete

ihre berufliche Karriere parallel zu

einem Studium der Politikwissenschaft

und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft

als Regieassistentin beim

„ORF“. Sie arbeitete als Korrespondentin

in Berlin, sammelte erste Erfahrungen

bei „3Sat“ und hatte ihren ersten Moderationsjob

beim ORF in der Sendung

„Treffpunkt Kultur“. Danach moderierte

sie unter anderem die Politsendung

„Inlandsreport“, die Parlamentssendung

„Hohes Haus“ und den „Runden

Tisch“, eine politische Diskussionssendung.

Aktuell moderiert sie die Sendung

„Weltjournal“ auf „ORF 2“ und

die Sendung „3 Am Runden Tisch“, eine

Talkrunde zu aktuellen gesellschaftlichen

Themen. Wie beurteilt Pawlicki

die Wichtigkeit von Kreativität und Innovation

im Informationsformat? Die

Hauptaufgabe von Journalist*innen in

Newsformaten wäre gründliche und

umfangreiche Recherche. „Das schließt

aber Kreativität nicht aus. Sie ist einer

der wichtigsten Motoren von Journalismus,

denn nur wer kreativ denken will,

wird neue Fragen finden und neue Zugänge

zu Themen entwickeln können“,

betont Pawlicki. Das Sendungsformat

„3 Am Runden Tisch“ wurde beispielsweise

von Patricia Pawlicki selbst entwickelt.

„Meine Ausgangsidee war eine

Sendung, in der den Gästen mehr Zeit

und Raum gegeben wird. Ich wollte kein

Format machen, wo die eingeladenen

Expert*innen nach der Reihe abgefragt

werden, sondern konstruktiven Journalismus

bieten. Es sollen auch die Gäste

in eine Diskussion gebracht werden,

anstatt dass von der Moderatorin allein

die Fragen gestellt werden“, schildert

Pawlicki die initiale Idee zur Sendung.

Auch für die Kameraführung wurden

bei „3 Am Runden Tisch“ neue Wege

gesucht. Es gibt beispielsweise eine

Kamera, die die Vogelperspektive einnimmt.

Die Sendung ist nur 30 Minuten

lang, also recht kurzgehalten, was

den neuen Seher*innengewohnheiten

entspräche. Es ist immer ein gewisses

Risiko, neue Sendungsformate auszuprobieren

und auszustrahlen, vermutet

SUMO und so ist Patricia Pawlicki sehr

froh und dankbar, dass ihre Chef*innen

das Potenzial dieser Sendung erkannten,

die Sendung ermöglichten

und diese seit zwei Jahren erfolgreich

ausgestrahlt wird. Die Gästeauswahl

trifft Patricia Pawlicki in Teamarbeit mit

ihrer Redaktionsleiterin Barbara Wolf,

die seit vielen Jahren auch für die Sendung

„Im Zentrum“ tätig ist.

Raum für Kreativität und Innovation

gibt es also auch im Informationsformat,

denn diese würden hauptsächlich

„inhouse“. Was aber rät Patricia Pawlicki

Newcomer*innen, die in diesem Bereich

Fuß fassen wollen? Sie findet es

großartig, wenn sich junge Studierende

für die Bereiche Politik, News und Information

interessieren, denn gerade in

Zeiten von News-Channels und Social

Media würde es immer wichtiger, dass

fundierter Journalismus stattfindet. Ihr

Appell an Interessierte im Bereich Information:

„Bleibt kritisch. Schaut euch,

wenn möglich, viele verschiedene Medien

an. Geht ins Ausland. Versucht zumindest

drei Sprachen gut zu können

und haltet euch immer an die Regel:

check-recheck-double check.“

Das Resümee von SUMO: So unterschiedlich

die Formate Unterhaltung

und News auch dem Wesen nach sind,

Kreativität und Innovationsgeist sind

dort und da gefragt.

Leo Himmelbauer

26

Endlich mal was Neues! – Innovation und Kreativität im altbekannten TV


© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai

Thema

27


Online only: Müssen wir

Finanzierungsmodelle neu

denken?

Der Trend ist klar: Online, online, online. Nun ist auch bei den letzten Medien in

Österreich angekommen, dass sie Online-Inhalte produzieren müssen. Doch die

Zahlungsbereitschaft für qualitativen Journalismus im digitalen Raum steigt nur

langsam. Wer will schon für (Online-) Journalismus zahlen, wenn überall kostenlose

Inhalte zur Verfügung stehen? Im Gespräch mit Redaktion „andererseits“ und

„OKTO“ wird ausgeleuchtet, ob wir Finanzierungsmodelle neu denken müssen und

ob es neue Rahmenbedingungen für die Medienförderung braucht.

Christian Jung / © Sebastian Phillip

Clara Rotsch / © Laura Sanmartin Marco

Lukas Burnar / © Clara Sinnitsch

Katharina Brunner / © Stefan Fürtbauer

Soziale Netzwerke wie Instagram, TikTok

oder Twitter sind für Jugendliche heute

nicht mehr wegzudenken. Sei es für den

Austausch mit Freund*innen oder um auf

dem neusten Stand zu bleiben. Nachrichten

von Online-Medien zu beziehen, ist selbstverständlich

geworden und jedes Medium

ist sich dessen mittlerweile bewusst. In den

verschiedensten Redaktionen von „Kurier“,

„Falter“ bis hin zu „Heute“ werden die journalistischen

Inhalte auch für soziale Medien

aufbereitet. In Form von Kurzvideos, Infografiken

oder interaktiven Instagram-Stories

versucht man die junge Zielgruppe zuerreichen

– und das mit Erfolg.

Die letzten Jahre zeigen, dass die neue

Generation an Medienkonsument*innen

sich immer weiter von analog zu digital

bewegt. Online-Produktion ermöglicht niederschwellige,

kostenlose Information für

jedermann*frau, doch können sich Medien

so über Wasser halten? Laut dem „Digital

News Report 2022“ gibt es im Vergleich

zum letzten Jahr einen Anstieg von 1,5

Prozent an Personen, die für einen Online-Nachrichtendienst

bezahlt haben. Die

Zahlungsbereitschaft steigt seit Jahren an,

aber nur relativ langsam. Laut dem Report

greifen 82,7 Prozent der österreichischen

Bevölkerung ausschließlich auf kostenfreie

Online-Nachrichteninhalte zurück. Das

häufigste Bezahlungsmodell erfolgt noch

über eine Mitgliedschaft oder ein Abonnement.

Doch wie bewegt man Rezipient*innen

dazu für den genutzten Content auch

zu bezahlen?

Neue Ansätze

Als junges, digitales Medium stand die Redaktion

„andererseits“ im September 2021

vor vielen Überlegungen, wie sie ihr neues

Medium finanzieren möchte. Als erste österreichische

Redaktion, in der Menschen

mit und ohne Behinderung gleichberechtigt

journalistisch arbeiten, setzen sie auf

andere Strukturen als alteingesessene

Medien in Österreich. „Es war ein langer

Prozess ein Finanzierungsmodell zu finden,

das auch nachhaltig funktioniert. Wir

sind immer noch in der Entwicklungsphase

und probieren verschiedene Ansätze aus,

die sich immer wieder verändern können.

Jedoch ist der Schlüssel für uns mehrere

Standbeine zu haben. Es ist fast utopisch

zu glauben, dass man sich am Anfang nur

durch Abos finanzieren kann“, berichtet

Social Media Managerin Katharina Brunner.

Das Medium finanziert sich derzeit von

verschiedenen Abomodellen, Sponsorings

und Förderungen. „Wir setzen vor allem

auf Transparenz. Bei‚„andererseits“ fokussieren

wir uns stark auf unser Publikum.

Wir wollen die Leute mitnehmen und sie

so motivieren, uns auch finanziell zu unterstützen“,

erzählt Brunner. Das Medium produziert

im Rahmen von Themenschwerpunkten

wie zuletzt Thema „Spenden“, die

sich alle paar Monate neu finden. Im Zuge

dessen gehen sie Kooperationen ein, um

die produzierten Inhalte und Veranstaltungen

finanzieren zu können. Sponsorings

und Kooperationen sind für „andererseits“

derzeit essenziell. Im Gegensatz dazu nutzen

sie ihren Social Media Auftritt (noch)

nicht für Finanzierungszwecke. Vermarktung

über Social Media sei in dem Sinne

wichtig, dass sie Inhalte vermittelt, die

dazu führt, dass die Leser*innen auf die

Arbeit der Redaktion aufmerksam werden.

„Wir versuchen von Instagram die Brücke

auf unsere Website oder unseren Podcast

zu schlagen und durch unsere Inhalte zu

überzeugen uns auch finanziell zu unterstützen.

Zukünftig könnte man jedoch auch

auf Instagram auf bezahlte Kooperationen

eingehen“, schließt Katharina Brunner

nicht aus. Das Medium setzt besonders

auf Crowdfunding-Kampagnen. Sie ist der

Meinung, dass das Denken in Kampagne

sehr wichtig für junge, digitale Medien sei.

Nach jeder Kampagne sehe man, dass das

Medium sowohl von der Aufmerksamkeit

als auch durch viele Unterstützer*innen

einen Push bekommt. Ein Paradebeispiel

hierfür ist die von „andererseits“ produ-

28

Thema Online only: Müssen wir Finanzierungsmodelle neu denken?


© SUMO

zierte Dokumentation „Das Spenden-Problem“ über „Licht

ins Dunkel“. Diese hat in den deutschsprachigen Medien große

Wellen geschlagen und auch neue Abonnements gebracht,

wie Katharina Brunner bestätigt.

Herausfordernd scheint noch immer das Thema Förderung

zu sein. Der bürokratische Aufwand sei enorm und die Förderung

für digital-only-Medien sollte, laut „andererseits“ Geschäftsführer

Lukas Burnar in Österreich weiter ausgebaut

werden.

(Digitalisierungs-) Förderung und kleine

Medien

Die neue Digitalförderungsförderung wird noch dieses Jahr

von der „Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH“ (RTR)

ausgeschüttet. Auffällig ist, dass unter anderem große Medienhäuser

wie der „Krone-Verlag“, „Russmedia“, „Der Standard“

und die Mediengruppe „Österreich“ zu den größten Fördernehmern

zählt. Wie Mediensprecherin der „Grünen“ Eva

Blimlinger in einem ORF-Interview erklärte, gebe es keinen

klaren Rahmen für die Förderrichtlinien. Reine Online-Medien

sind von der Förderung ausgeschlossen und dies erschwert

den Markteintritt für junge, digitale Medien. Mit fehlender

Förderung hatte 2022 ein Medium besonders zu kämpfen:

„OKTO“. Besonders in Krisenzeiten müssten neue kreative

Lösungen her, erzählen Geschäftsführer Christian Jungwirth

und Marketing & PR Managerin Clara Rotsch im Interview mit

SUMO. Im April 2022 wurde dem ersten Community-Fernsehsender

in Österreich von einen auf den anderen Tag das

Fördergeld von der Stadt Wien gestrichen. Diese war eine Basis-Förderung,

die beispielsweise pauschal die Miete gedeckt

habe. Zwei Drittel der Einnahmen fielen plötzlich weg und

„OKTO“ musste so viel wie möglich innerhalb von Projekten

darstellen und Teile rein durch Erlöse finanzieren. „Ich habe

das Gefühl, dass wir nicht gewollt sind. Ungefähr 80 Prozent

unseres Programmes wird von Bürger*innen gestaltet. Meiner

Wahrnehmung nach wird das, was nicht steuerbar ist in

der Politik ungern gesehen. Durch unsere hohe Anbindung

an die Zivilgesellschaft hatten wir inhaltlich viel Programm

zur Klimakrise und standen auch eng in Verbindung mit den

Jugendlichen von ,Fridays for Future‘. Man muss nur eins

und eins zusammenzählen und weiß, dass das die Stadt

Wien ungern gefördert hat“, schildert Christian Jungwirth. Im

Interview mit dem ORF bestätigte die Stadt Wien, man stelle

die Förderung ein, da man einen linearen TV-Sender, wie in

diesem Fall „OKTO“, nicht mehr fördern wolle.

Kreativ werden

Sich neue Finanzierungsmodelle zu überlegen war in dieser

Situation unumgänglich. „OKTO“ bewegt sich im nicht-kommerziellen

Rundfunk und ist somit frei von Werbung. Bestimmte

Spezifika wie Kooperationen oder Partnerschaften

ermöglichen Handlungsspielraum, von dem sich der Sender

Online only: Müssen wir Finanzierungsmodelle neu denken? Thema

29


derzeit finanzieren kann. Beispielsweise über Auftragsproduktionen,

bei denen sie den Gewinn erwirtschaften können

oder durch Sponsorings, die für den nicht-kommerziellen

Rundfunk zugelassen sind. Auch die Projektförderung vom

Bund, dessen Fördertopf dieses Jahr um zwei Millionen Euro

erhöht wurde, bezieht der Sender. Laut RTR 360.000 Euro im

Jahr 2022. Auch wenn die Erhöhung dieses Jahr großes Glück

sei, reiche diese nicht, um den Betrieb wie vorher aufrechtzuhalten.

„Wir müssen die gestrichene Basisförderung der Stadt

Wien nun beispielsweise über Sonderwerbeformen wettmachen.

Wobei das ganze Modell von ‚,OKTO‘ nicht darauf

ausgelegt ist nur noch Sponsorings zu verkaufen, wenn unser

eigentlicher Fokus die niederschwellige Vermittlung von Medienkompetenz

sein sollte“, erklärt Clara Rotsch. Eine große

Chance und einen Doppelnutzen sehen sie in Kooperationen

mit verschiedenen Partner*innen. Sowohl das Self-Branding

als auch Leistungen, die zusätzliche Erträge bringen können,

werden so vorangetrieben. Sie arbeiten momentan zusammen

mit der Universität Wien an einem Projekt der „OSZE“

(Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa),

ein weiteres haben sie mit der Gewerkschaft „Vida“ bei der

„Arbeiterkammer Niederösterreich“ eingereicht. Geschäftsführer

Jungwirth sieht weitere Chancen in Kooperationen mit

internationalen Fernsehsendern. „OKTO“ sei mit Sendern

auf der ganzen Welt vernetzt und möchte auch hier wieder

andocken und sich unabhängiger von der österreichischen

Medienbubble machen. „Wir arbeiten noch immer daran

Projekte und Kooperationen auszubauen, aber in den ersten

Schritten ist schon ziemlich viel gelungen. Jetzt gilt es weiter

innovativ zu bleiben“, so Clara Rotsch.

Emilija Ilić

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30

Online Themaonly: Müssen wir Finanzierungsmodelle neu denken?


Die Faszination hinter OnlyFans

Die Online-Bezahl-Plattform OnlyFans ist in aller Munde. Stars wie Cardi B oder Bella Thorne verdienen laut eigenen

Aussagen bereits mehrere Millionen Euro mit ihrer Präsenz auf OnlyFans. Das lockt viele Amateur*innen an, die mit

ähnlich freizügigen Fotos ebenso viel Profit aus ihren nackten Körpern schlagen wollen wie ihre Idole. Um herauszufinden,

wie kreativ und innovativ es ist den eigenen Körper freizügig im Netz zu verkaufen, obwohl es solche Fotos

bereits massenhaft kostenlos gibt, sprach SUMO mit der OnlyFans-Creatorin und Psychologin Sarah Brachmann

sowie dem Fotografen Konstantin Mikulitsch.

„Ich hab‘ einen roten Benz dank OnlyFans,

ich glaub, ich bin jetzt Millionärin“ ist eine

Zeile aus einem mehr als bekannten Lied,

die wohl bei fast jedem jungen Menschen

einen Ohrwurm auslöst. Der Song von

Rapperin Katja Krasavice, der mit seinen

rund 17,8 Millionen Aufrufen auf Spotify

(Stand: 12.12.2022) inzwischen wohl

Kult-Status erreicht hat, steht jedoch

nicht nur für sexy Dessous und heiße Fotos,

sondern unterschwellig auch für die

Message, dass auf der Online-Plattform

OnlyFans schnell und leicht Geld verdient

werden kann. Doch so verlockend diese

Einnahmequelle auch klingt, so gefährlich

ist und unterschätzt wird sie. Besonders

junge Frauen sind von dem vermeintlichen

Geschäftsmodell fasziniert. Doch

nicht nur der Aspekt der Gefahr lässt Fragen

offen.

Auch die Frage, wie kreativ und innovativ

es ist, leicht bekleidete und/oder nackte

Fotos von sich auf solch einer Plattform

zu teilen, stellt sich. Denn pornografische

Inhalte gibt es Forschungen zufolge

schon seit es Menschen gibt. So schrieb

der „Der Standard“ 2019 in seinem Artikel:

„Wo Menschen, da auch erotische

Darstellungen – in welcher Form auch

immer.“ Seit damals ist jedoch einiges

passiert. Der Zugang zur Pornografie

ist besonders in den letzten Jahren und

durch das Internet immer leichter geworden.

So ist es auch nicht schwer an kostenloses

Material zu kommen. Wozu also

Geld für etwas ausgeben, das man auch

gratis bekommen kann? Daraus ergibt

sich eine weitere und interessante Frage:

Was macht Content auf OnlyFans so

kreativ und neuartig, dass Menschen bereit

sind, ihr Geld auszugeben, um solche

Inhalte auf der Pay-Plattform zu sehen?

Geldmaschine OnlyFans

Für all jene, die nicht zur Gen Z gehören,

daher auch kein Smartphone zum dritten

Geburtstag geschenkt bekommen haben

und somit kein „Digital Native“ sind, der

mit digitaler Technologie aufgewachsen

ist, hier zuerst ein kleiner Crashkurs was

die Plattform überhaupt ist.

Die Online-Plattform OnlyFans wurde

2016 von Timothy Stokely gegründet.

Doch sowohl über ihn als auch über die

Betreiberfirma Fenix International Limited

mit Sitz in London ist nur wenig

bekannt. Auf der Plattform kann grundsätzlich

jede Art von Content angeboten

werden, solange sie legal ist. Doch

im Gegensatz zu anderen Social Media

Plattformen verbietet OnlyFans pornografische

Inhalte nicht, weswegen die

Plattform besonders bei Menschen aus

der Erotikbranche und freizügigen Influencer*innen

beliebt ist.

Auf Nachfrage des deutschen Nachrichtenportals

„Der Spiegel“ gab OnlyFans

2020 an über 24 Millionen registrierte

Benutzer*innen auf der ganzen Welt

zu haben. 500.000 davon seien sogar

selbst Content-Creator*innen. Letztere

verdienen damit Geld, dass sie Inhalte

wie Fotos oder Videos auf der Online-

Plattform hochladen und gegen eine

monatliche Gebühr zur Verfügung stellen.

Besonders lukrativ für die Inhalteanbieter*innen

ist, dass sie mit ihren

Fans direkt über die Plattform chatten

können. So können sich die Fans personalisierte

Inhalte wünschen, welche

ebenfalls als Leistung verkauft werden

können. Wie viel ein monatliches

Abonnement auf OnlyFans kostet, ist

unterschiedlich und kann von jedem*jeder

selbst festgelegt werden. Die Plattform

gibt jedoch einen Mindestpreis von

4,99 Dollar und ein Maximum von 49,99

Dollar vor. Natürlich verdient nicht nur

der*die Inhalteanbieter*in. So gehen 20

Prozent der Einnahmen an OnlyFans, die

restlichen 80 Prozent wandern in die

Tasche des*der Ersteller*in. Doch diese

Aufteilung ist nicht unbedingt schlecht,

wie Fotograf Konstantin Mikulitsch findet:

„Durch OnlyFans bleibt mehr Geld

bei den Akteur*innen über als es klassisch

bisher war. Bei Magazinen oder

Pornos sind noch andere Beteiligte dazwischen.

So geht aber viel an den*die

Creator*in selbst.“ Dieses innovative

Geschäftsmodell ist wohl das, was OnlyFans

für viele so attraktiv macht.

Selbstbestimmte

Sexualisierung

Eine dieser Creator*innen ist Sarah

Brachmann. Die Deutsche erstellt Inhalte

für OnlyFans und gibt auf ihrem You-

Tube-Kanal Tipps zu OnlyFans. Jedoch

ist dies nicht ihre einzige Einnahmequelle,

wie sie erzählt: „Ich bin Psychologin

und habe zuletzt forensische Sachverständigengutachten

verfasst und Sexualstraftäter

therapiert. Die emotionalen

und psychischen Belastungen, die diese

Tätigkeiten mit sich bringen, waren sehr

hoch.“ Auch für sie erschien der Gedanke

an schnelles Geld interessant. Allerdings

sei der Gedanke naiv, wie sie selbst sagt,

denn eine erfolgreiche Unternehmensgründung

funktioniere in keinem Bereich

über Nacht. Trotzdem wagte die

28-Jährige den Schritt: „Die Idee dahinter

war ursprünglich, einen Weg zu finden

mit der die dauerhafte Sexualisierung,

die ich in meinem Leben erleben durfte,

monetarisiert werden kann.“ Damit

zielt sie auf die „generell, ständig stattfindende

Sexualisierung von Frauen in

der Gesellschaft“ ab. Anstatt sich über

die Umstände zu ärgern, wollte sie das

Problem eigenmächtig lösen. Mit ihrer

Entscheidung ist Brachmann mehr als

zufrieden: „Am meisten Spaß macht mir

die persönliche Weiterentwicklung. Es

ist eine unglaublich spannende Tätigkeit,

bei der ich viele Menschen glücklich

machen kann.“

Knochenjob

Um ihren Abonnent*innen qualitativ

hochwertigen Content zu bieten, verbringt

die 28-Jährige täglich rund vier

bis sechs Stunden damit Inhalt für OnlyFans

zu produzieren. Sie erklärt, dass

die Arbeit intensiver sei als viele denken.

So müssen auch die anderen Social Media

Kanäle gepflegt sowie der Kontakt

zu den Follower*innen gehalten werden.

Fotos nimmt sie meist allein auf. „Für

Videoaufnahmen gibt es immer eine*n

Kamerahalter*in, da bewegte Aufnahmen

deutlich ansprechender sind. Hier

Die Faszination hinter OnlyFans Thema

31


Sarah Brachmann / © Sarah Brachmann

Konstantin Mikulitsch / © Konstantin Mikulitsch

arbeite ich gerne mit anderen

Creator*innen oder Darsteller*innen zusammen.

So entwickeln wir uns weiter und

unterstützen uns gegenseitig“, erklärt sie.

Brachmann möchte ihren Abonnent*innen

durch ihre Hingabe so einen Grund geben,

sie auch im nächsten Monat wieder zu

abonnieren. Denn nur das garantiert ihr ein

regelmäßiges Einkommen.

Dafür bietet die Deutsche ihren Follower*innen

auch so einiges, wie sie sagt: „Ich produziere

meist sexuelle Fantasien in Form von

Nachrichten, Sprachaufnahmen, Bild- und

Videomaterial. Jede Erfahrung wird von mir

individualisiert – bedeutet du bekommst nur

den Content zu sehen, der zu deinen Neigungen

und Wünschen passt.“

Nackt ist nicht gleich Kunst

Auch Konstantin Mikulitsch verdient sein

Geld mit sinnlichen Bildern – nur ein bisschen

anders. Der St. Pöltner fotografiert

Menschen, hauptsächlich Portraits und

Boudoir. „Der Begriff Boudoir-Fotografie

ist nicht klar definiert. Es ist eigentlich alles,

wo es darum geht den menschlichen

Körper darzustellen. Das kann ich mit Gewand,

das kann ich ohne Gewand. Boudoir

kann auch Akt sein, muss es aber nicht“,

erklärt er. Er erzählt, dass viele Menschen

Schwierigkeiten mit dem eigenen Körper

hätten. Durch eine Boudoir-Session kann

er seinen Kund*innen zu mehr Selbstbewusstsein

verhelfen. Mikulitsch sieht sich

jedoch selbst nicht als Künstler. Für ihn ist

die Fotografie ein Handwerk, dass jedoch

in Richtung Kunst gehen kann, wenn man

es beherrscht.

Das Stichwort Kunst führt nun unweigerlich

zur Frage zurück, wie ästhetisch solche

Bilder grundsätzlich, aber auch auf der

Plattform OnlyFans, sind. Der Fotograf hat

dazu eine klare Meinung: „Es ist nicht Kunst,

nur weil jemand nackt auf einem Foto ist.

Das Schwierige an Kunst und Kreativität

ist, dass es subjektiv ist. Man kann mit

nackten Körpern schöne Fotos machen.

Aber nicht jedes Foto von einem nackten

Körper ist auch schön.“ Inwiefern solche

Fotos ästhetisch sind, ist also Ansichtssache.

„Ich persönlich glaube, dass meine

Arbeiten tatsächlich Kunst sind. Wenn ich

es schaffe Menschen mit meiner Arbeit tief

zu berühren, ohne sie jemals live gesehen

zu haben, ist das für mich eine Kunst“, sagt

Brachmann dazu.

Das Bedürfnis nach Nähe

Was jedoch OnlyFans als Plattform so

erfolgreich macht, ist wohl nicht nur die

Darstellung nackter oder leicht bekleideter

Körper. Viel mehr spielt die zwischenmenschliche

Beziehung, die zwischen

dem*der Inhalteersteller*in und den Fans

entsteht, eine große Rolle. „Ich kann natürlich

ins Internet gehen und Nacktfotos

suchen, aber auf OnlyFans finde ich Nacktfotos

von einer bestimmten Person. Da ist

man dann auch eher bereit Geld dafür zu

bezahlen, um zu sehen, was auch immer

er*sie dort macht“, schätzt Mikulitsch. Psychologin

Brachmann erklärt das Bedürfnis

aus fachlicher Perspektive: „Es ist der

Wunsch nach persönlicher Bindung, es ist

die Exklusivität und das Verbotene. Oft ist

es auch das viel realere Leben einer Person,

als es auf Social Media dargestellt wird. Am

Ende ist es die persönliche Bindung, die den

Hauptunterschied zu anderen Optionen im

Internet darstellt.“

Kritische Stimmen

Auch wenn OnlyFans einige Vorteile mit

sich bringt, darf man die Kehrseite der Medaille

nicht außer Acht lassen. Besonders

junge Frauen erhoffen sich von der Plattform

das schnelle Geld, in dem sie sich

für Fotos ausziehen. Über Folgen für das

spätere Leben wird oft nicht nachgedacht.

Doch auch Erwachsene sollten wachsam

sein, denn niemand kontrolliert, ob die

Creator*innen auch einhalten, was sie versprechen.

Das Geschäft mit der Freizügigkeit

bleibt also weiterhin riskant.

Vanessa Huber

32

Thema Die Faszination hinter OnlyFans


Magdalena Kanev

Meinungsbeitrag:

„BeFake“ lautet die Zukunft der Gesellschaft

Wir schreiben das Jahr 2023. Zwei Franzosen, Alexis Barreyat und Kevin Perreau, Gründer des im Pandemiejahr

durchstartenden sozialen Netzwerks „BeReal“, beweisen neuerlich ihr Gespür für den Zeitgeist

und sorgen für umsatzstarke Zahlen.

„BeReal“ ist der Name des sozialen Netzwerks, das

2020 von Alexis Barreyat und Kevin Perreau an den

Markt gebracht wurde, allerdings erst im Sommer

2022 im deutschsprachigen Raum große Bekanntheit

erlangte. Mit der Idee eine App zu kreieren, die sich

von den Mainstream Medien Instagram, TikTok und

Co. unterscheidet, wollten die beiden Erfinder ein klares

Zeichen für Echtheit in der digitalen Welt setzen.

Zudem sollte die App die Abhängigkeit von sozialen

Medien und deren übermäßiger Nutzung reduzieren,

da nur einmal am Tag Fotos aufgenommen und diese

auch nicht bearbeiten werden können. Sobald man

die Benachrichtigung bekommt, hat man als Nutzer*in

kurze zwei Minuten Zeit, um eine Momentaufnahme

von sich selbst (Frontkamera) sowie von dem

derzeitigen Umfeld (Hauptkamera) zu schießen. Wer

außerhalb dieses Fensters postet, bekommt ein „late“

als Zusatzinformation. Auch die Wiederholungen der

getätigten Fotoversuche werden angeführt, damit

im Sinne der Echtheit auch wirklich alles transparent

gemacht wird.

So weit, so gut. Doch im Jahr, in dem wir mit Corona

leben lernten, langweilt Echtheit zunehmend.

„Realness“ ist out und instinktsicher entwickelt das

französische Duo deshalb eine neue Plattform gegen

den drohenden Ennui. „BeFake“ lautet die Zukunft

der Gesellschaft. Die neue App ermöglicht den Nutzer*innen,

ein perfektes Fake-Leben, ganz nach ihren

Wünschen, zu kreieren – je authentischer dieser Fake

gelebt wird, desto mehr Likes werden generiert. Und

wie wir alle wissen, sind Likes enorm wichtig für ein

erfolgreiches und erfülltes „Sozialleben“. Sie fragen

sich, wie das alles funktionieren soll? Anhand neuerster

Telepathie-Technologie ist es binnen Sekunden

möglich, sich auf den Red Carpet der gerade stattfindenden

Grammy-Verleihung zu beamen oder mit

einem Glas Champagner in der Karibik herumzuflanieren.

Das Posting-Konzept mit dem Zeitfenster von

zwei Minuten bleibt übrigens im Pendant erhalten,

damit die Nutzungsabhängigkeit weiterhin gefördert

wird. Das Ziel hierbei ist es, vor allem Kinder im Volksschulalter

so stark wie möglich an ihr nagelneues

„iPhone 50“ zu fesseln damit auch die Arbeitsplätze

zukünftiger Suchttherapeut*innen gesichert sind. Win

win eben! Ganz klar.

Was die beiden enthusiastischen Franzosen für die

Zukunft planen, wird sich noch zeigen. Fest steht, wir

sind in einer neuen Ära angelangt. Eine Ära, in der die

Begriffe Identität und Echtheit neu definiert werden.

Eine Ära, in der Selbstinszenierung an erster Stelle

steht, koste es was es wolle. Und eins ist sowieso

klar: wer nicht mitmacht, der bleibt außen vor. So you

better BeFake, than be out.

Magdalena Kanev

„BeFake“ lautet die Zukunft der Gesellschaft Thema

33


34

Thema

© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai


Der Titel ist Kunst

„Wir trafen Jesus in der Mittagspause, kurz vor der Kreuzigung.“ Kaum eine Person wird

es schaffen nach solch einem Einstieg den darunter stehenden Text nicht zu lesen. Dieser

Titel ist übrigens nicht aus der Bibel, sondern aus einem Artikel des Magazins „Stern“ und

handelt von einem Passionsspiel in Florida. Die Illustrierte hat somit geschafft, was wir

Journalist*innen alle wollen. Nämlich, dass unsere Texte auch gelesen werden. Damit dies

geschieht, braucht es einen Köder. Ähnlich wie beim Angeln, werfen wir Journalisten*innen

diesen aus und hoffen, dass unsere Leser*innen anbeißen. Und genau dieser Köder ist

der Titel. Damit die Titelfindung in Zukunft leichter gelingt, sprach SUMO mit den beiden

Journalisten Jonas Vogt und Max Steiner über den perfekten Titel.

„Der Titel ist letztendlich das, was Leute zum

Lesen eines Textes bringt. Wir wissen durch die

Möglichkeiten des Trackings, die wir vor allem

im Online-Journalismus haben, dass sehr viele

Menschen nur den Titel lesen oder zumindest

sehr früh aus Texten aussteigen“, erklärt Jonas

Vogt, freier Journalist und Reporter. Er schreibt

dabei vor allem für „Der Standard“ und „Die Zeit“.

„Ein guter Titel ist somit das, was Leute zum

Lesen eines Textes bringt und auch einen gewissen

Spin für den Rest mitgibt. Sprich, wenn

ich einen Titel lese, habe ich danach bereits eine

gewisse Erwartung an den Rest des Textes und

in welche Richtung dieser geht“, so Vogt weiter.

Wer also will, dass sein Text gelesen wird, sollte

viel Wert auf seine Titel legen. Ähnlich sieht das

auch Max Steiner, Redakteur bei der größten

Lokalzeitung Niederösterreichs, den „Niederösterreichischen

Nachrichten“ (NÖN). „Bei den

meisten Texten ist der Titel das Wichtigste.

Wenn nicht schon ein dazugehöriges Foto wirklich

viel aussagt und so die Aufmerksamkeit auf

den Text gelenkt wird, muss man es über den

Titel richten.“ Dieser Umstand ist in der Branche

auch durchaus bekannt. Viele Verlage messen,

vor allem bei Online-Artikeln akribisch, wie oft

ein Artikel geklickt wird und wie lange die Leser*innen

auf dem Artikel bleiben. So kann es

auch passieren, dass bereits veröffentlichte Artikel

wenige Stunden später eine komplett neue

Headline bekommen. Diesen Vorgang nennt

Volker Wolff in seinem Buch „Zeitungs- und

Zeitschriftenjournalismus“ schon fast als Norm.

Ob man den Titel nun gleich zu Beginn und noch

vor dem Text schreibt oder erst im Anschluss

an einen fertigen Text anhängt, sei dabei aber

relativ egal und eher Geschmackssache. „Das

ist immer unterschiedlich. Wenn ich bereits eine

Idee für die Story habe, schreibe ich den Titel am

Anfang, das hilft dann auch als Fixpunkt für den

Text, der folgt. Bei alltäglichen Storys schreibe

ich den Titel aber auch oft erst am Schluss“, erklärt

Max Steiner. „Wichtig ist, dass man sich

genug Zeit nimmt, um einen guten Titel zu finden,

auch wenn es vielleicht mal etwas länger

dauert“, so der NÖN-Redakteur. Oft hätte er

zwar gleich auf Anhieb eine gute Idee, manchmal

würde die Titelfindung aber auch länger

dauern. Ein guter Titel braucht nun mal etwas

Zeit und da kann es sein, dass sogar erfahrene

Journalist*innen bis zu 15 Minuten überlegen,

um einen passenden Titel zu finden. Laut Jonas

Vogt müsse sich der betriebene Aufwand aber

immer am Zweck der Story orientieren. „Grundsätzlich

sollte dem Titel beim Schreiben schon

die meiste Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Vor allem bei Storys, wo ich weiß, dass sie besonders

wichtig sind, muss der Titel super sein

und dem Text entsprechen. Bei mittelmäßigen

Storys kann ich auch mal mit einem mittelmäßigen

Titel leben“, meint hierzu Vogt.

Der Boulevard lebt von Signalwörtern

Über die Wirkung der Titel braucht man also nicht

weiter diskutieren. Dass diese das wichtigste Element

eines Textes sind, wurde SUMO sowohl von

Max Steiner als auch Jonas Vogt bestätigt. Nun

gibt es aber je nach Medienunternehmen unterschiedliche

Kriterien bei der Titelfindung. So lebt

vor allem der Boulevardjournalismus von starken

Signalwörtern und reißerischen Titeln. Wörter wie

Hölle, Skandal, Hammer und Anschlag sind hier

keine Seltenheit und werden meist im Überfluss

verwendet. Denn im Boulevard gelten vor allem

zwei Kriterien als wichtig: auffallen und polarisieren.

„Im Qualitätsjournalismus kann man mit

solchen Signalwörtern durchaus sparsamer umgehen

und muss solch stark schreienden Wörter

nicht unbedingt verwenden“, weiß Vogt. Die Artikel

würden vom Publikum des Qualitätsjournalismus

auch ohne diese reißerischen Signalwörter

gelesen werden. Im Lokaljournalismus hat man

das Problem, dass ein zu reißerischer Titel sowieso

eher selten ist. „Es würde nicht sinnvoll

sein, wenn ich zu ausgefallene Titel verwende. Die

Storys der Chronikgeschichten gehen hier oft noch

in die spannendste Richtung, was den Titel betrifft,

wobei ich auch hier keinen Titel wie ‚,Der neue

Superverbrecher aus St. Pölten‘ schreiben würde“,

erklärt Max Steiner. Gerade im Lokaljournalismus

sei es wichtig eine Balance zu halten zwischen

interessanten Titeln, dabei aber auch die Ethik

von Opfern und der vermeintlichen Täter*innen zu

wahren. „Vor allem bei den Fällen, wo noch nichts

von einem Gericht bewiesen wurde, ist es wichtig

die Beschuldigten nicht als verurteilt hinzustellen.

Dazu kommt im Lokaljournalismus natürlich, dass

man die Personen auch des Öfteren persönlich

Jonas Vogt / © Nikolaus Ostermann

Max Steiner / © NÖN Nadja Straubinger

Der Titel ist Thema Kunst

35


trifft“, weiß Steiner. Größere Unterschiede gibt es nur bei

den verschiedenen Textsorten. Während bei Nachrichten die

Headline bereits kurz und bündig erklären soll, was die Neuigkeit

ist, gibt es für Meinungsbeiträge und Kommentare ganz

andere Kriterien. So beschreibt auch Volker Wolff im Buch

„Zeitungs- und Zeitschriftenjournalismus“ die Überschrift eines

Kommentars als eine intelligente Art und Weise die Tendenz

der Meinungsäußerung anzuzeigen.

Drei Tipps für den perfekten Aufmacher

Obwohl einige Kriterien für Titel, je nach Medienunternehmen

und Textsorte, unterschiedlich sein können, gibt

es doch drei Punkte, die für jeden Headliner gültig sind und

helfen einen passenden Titel zu finden. „Ich gebe den Leuten

da immer drei Tipps mit. Erstens den Titel immer aktiv

schreiben“, erklärt Jonas Vogt. So ist es zum Beispiel immer

besser zu schreiben „Kanzler Nehammer beschließt Strompreisbremse“,

als „Strompreisbremse wurde von Kanzler

Nehammer beschlossen“. „Als zweiten Tipp lege ich immer

nahe Reizwörter zu verwenden. Diese müssen ja nicht unbedingt

gleich so starke Wörter wie Skandal oder Horror

sein. Wenn ich einen Text über die Ortschaft Klosterneuburg

schreibe und Klosterneuburg im Titel steht, gilt auch das

als Signalwort“, so Vogt weiter. „Drittens den Titel immer

kurz und knackig schreiben und dabei gerne auch mal ein

Adjektiv wegkürzen, damit es gut ins Layout passt“, schließt

Vogt ab. Dieselben Tipps gelten hier auch für den Lokaljournalismus,

wobei es im Print nicht immer ganz so leicht ist,

weiß Max Steiner: „Der Titel soll bei den Nachrichten in aller

Kürze das Wichtigste erwähnen, wobei wir im Print sowieso

durch das vorgegeben Layout beschränkt sind und da oft an

der passenden Länge herumbasteln müssen.“ So zeigt sich,

dass obwohl Journalist*innen im Print oft unter Zeitdruck

stehen und deren Storys möglichst schnell veröffentlicht

werden sollen, es trotzdem wichtig ist sich genug Zeit für

den Titel zu nehmen. Weil wenn der Titel floppt, ergeht es

dem Text, sei er noch so gut, nicht besser.

Alexander Kortan

ORF NIEDERÖSTERREICH

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Thema Soziale Medien – Im Redaktionsalltag umsetzbar?

Publikumsservice: Tel. 02742/23330


Soziale Medien –

Im Redaktionsalltag umsetzbar?

Digitalisierung und Social Media – Begriffe, die wir ständig hören und die im heutigen Zeitalter

der digitalen Kommunikation nicht mehr wegzudenken sind. Insbesondere für klassische

Medien ist es wichtig auf dem neuesten Stand zu bleiben, um mit der Masse der Konkurrenz

mithalten zu können. Soziale Medien bieten dabei interaktive Plattformen, die sich für die moderne

Verständigung sehr gut eignen. Wie es gelingen kann Social Media in klassischen Medienhäusern

zu integrieren, fand SUMO im Gespräch mit dem Leiter der Digital-Abteilung des

Medienhauses „Wimmer“ Michael Kaufmann und der Journalistin Ambra Schuster heraus.

Integration von „Social Media“

„Social Media ist für die

Journalist*innen ein wichtiges Werkzeug

geworden“ - Juliane Leopold

Dieses Zitat der deutschen Journalistin, die

verantwortlich für die Website und die App

der „tageschau.de“ ist, macht deutlich wie

viel Einfluss soziale Netzwerke bereits auf

den Alltag unterschiedlicher Medienkonzerne

haben. Leopold beschäftigt sich dabei insbesondere

mit Themen, die den Schnittpunkt

von Gesellschaft und Technologie aufgreifen.

Michael Kaufmann teilt diese Meinung und

findet: „Schlussendlich sind soziale Medien

Werkzeuge, die ein Medienhaus heutzutage

verwenden muss, um überall präsent zu sein.“

Denn sie bieten großes Potenzial, um Konsument*innen

direkt ansprechen zu können.

Insbesondere junge Rezipient*innen können

auf diese Weise gut erreicht werden, was über

klassische Mediengattungen nicht mehr ganz

so einfach möglich ist. Die Inhalte müssen

jedoch je nach Kommunikationskanal anders

aufbereitet werden, da man sich an den jeweiligen

Personenkreis anpassen muss. Die

jüngere Zielgruppe, die auch als Generation

Z bezeichnet wird, kann man vor allem auf

den Plattformen TikTok sowie Instagram erreichen.

Als Gen Z sind laut Statista Personen

im Alter von 13 bis 26 Jahren gemeint. Auf

Facebook erreicht man laut Statista die etwas

ältere Zielgruppe der 30- bis 49-Jährigen. Daher

braucht es gute Content-Strategien und

eine jeweilige Anpassung. Als Vorzeigebeispiel

nennt Kaufmann die „Tagesschau“ vom

„ARD“ in Deutschland. „Die Einbeziehung von

Social Media wird dort sehr gut umgesetzt

und es konnte bereits eine große Anzahl an

Abonnent*innen erreicht werden“, erklärt der

Leiter der Digitalabteilung des Medienhaues

„Wimmer“ („OÖNachrichten“, „Tips“, „TV1

Oberösterreich“), der sich dort um Themenfelder

wie die strategische Weiterentwicklung

der digitalen Werbekanäle, die digitale Orga-

nisationsentwicklung, Produktmanagement

und Transformation kümmert.

Mit der steigenden Relevanz sozialer Medien

entstehen neue Herausforderungen. Denn

was einmal ins Internet gelangt, bleibt auch

dort. Weshalb es umso wichtiger ist, gewissenhaft

zu arbeiten und zu recherchieren.

„Auch wenn Themen in einfacher Sprache und

komprimierter aufbereitet werden, bedeutet

dies nicht, dass diese Art von Journalismus

nicht dieselbe Bedeutsamkeit wie der klassische

Journalismus aufweist“, sagt Ambra

Schuster. Die Journalistin ist unter anderem

beim „ORF“ für den TikTok-Content der „Zeit

im Bild“ zuständig.

Schattenseiten und Chancen der digitalen

Netzwerke

Soziale Netzwerke bieten eine Plattform für

Kreativität und Interaktion. Doch die Freiheit,

die dort vorhanden ist, kann schnell missbraucht

werden. Unwahre Behauptungen, Hass

und Filterblasen sind dabei nur einige Begriffe,

die den negativen Aspekt sozialer Medien hervorheben.

Laut der Definition von Eli Pariser im

Buch „The Filter Bubble“ versteht man unter

Filterblase einen digitalen Ort, wo man nur mehr

Inhalte sieht, welche die persönliche Meinung

unterstreichen und man somit keine anderen

Anschauungen mehr mitbekommt. Generell ist

die Anzahl an Hasskommentaren mittlerweile

kaum mehr zu bewältigen. „Viele Personen

verstecken sich hinter der Anonymität im Netz

und das halte ich für sehr problematisch“, findet

Michael Kaufmann. Die Filterblasen-Thematik

sieht er als „demokratiepolitisches Problem“,

da einem, im jeweilig individuell angepassten

Algorithmus, nur mehr die eigene Meinung angezeigt

wird. Das ist der Grund, warum klassische

Medien wie beispielsweise eine Zeitung,

so wichtig sind, da man auch mit anderen Meinungen

konfrontiert wird. Dort werden mehrere

Seiten beleuchtet und es gibt eine ausgewogene

Berichterstattung. Soziale Medien bieten

aber auch Chancen und positive Seiten. Sie machen

eine Übertragung in Echtzeit und schnelle

Michael Kaufmann

/ © OÖ Nachrichten

Ambra Schuster / © ORF

Soziale Medien – Im Redaktionsalltag umsetzbar? Thema

37


Reaktionen möglich. Die Konnektivität und die

Kommunikation der Menschen untereinander

waren noch nie so einfach wie im heutigen Zeitalter

der digitalen Netzwerke. „Die Plattformen

haben eine Verantwortung, umso wichtiger ist

es, dass seriöse Medien dort vertreten sind“, so

Ambra Schuster. Die Journalistin sieht als Vorteil,

dass man insbesondere jungen Menschen

journalistische Inhalte mitgeben kann, die sorgfältig

aufbereitet und ausgewählt worden sind,

um speziell Filterblasen zu vermeiden.

Umsetzbar im Redaktionsalltag?

© SUMO

„Medienunternehmen müssen im Onlinebereich

wachsen, um mit der immer stärker werdenden

Konkurrenz mithalten zu können“, prognostiziert

Michael Kaufmann. Der Leiter eines

neun-köpfigen Teams arbeitet mit diesem auf

der technischen Ebene, welche strikt von der

Redaktion getrennt ist. Es geht dabei, unter

anderem, um die Weiterentwicklung der digitalen

Werbekanäle, digitale Strategie- & Organisationsentwicklung,

digitales Produktmanagement

und um die digitale Transformation

im gesamten Medienhaus. Soziale Medien sind

dabei für den Aufbau einer Marke und für die

Ausspielung der Inhalte ein wichtiger Kanal.

„Natürlich sind Social Networks aus Sicht eines

traditionellen Mediums ein guter ,Klick-Bringer‘

für die eigene Nachrichten Website. Das heißt,

wir versuchen die Seitenaufrufe durch die ausgelieferten

AdImpressions auf ,nachrichten.at‘

bestmöglich zu monetarisieren, und da sind uns

natürlich die Zugriffszahlen auf hohem Niveau

wichtig“, so Kaufmann. Jedoch hält er es für

erforderlich, auch die anderen Werbekanäle

zu nutzen, um alle Zielgruppen ansprechen zu

können und somit die beste Lösung zu finden.

Ambra Schuster arbeitet wiederum im redaktionellen

Bereich. Jeden Tag werden zumeist

zwei Themen beziehungsweise Videos speziell

für die junge Zielgruppe auf TikTok ausgewählt,

aufbereitet und veröffentlicht. Die Journalistin

erklärt, dass diese im „ORF“ sendungsbegleitend

sein müssen, was bedeutet, dass die

Themen bereits in den Sendungen der „ZIB“

vorkommen mussten. Aus diesen wählt sie

dann, gemeinsam mit dem Redaktionsteam,

die Themen des Tages für die Zielgruppe aus,

wobei sie sich die Frage stellt: „Was davon ist

relevant für unsere Zielgruppe?“. Auf TikTok sind

das Personen im Alter von 12 bis 24 Jahren.

Dabei wird darauf geachtet, welche Themen

diesen Personenkreis direkt betreffen. Schuster

nennt als Beispiel „schulspezifische Themen“

oder allgemein relevante Themen, wie etwa

den Ukraine-Krieg. „Dieser betrifft sie zwar

nicht direkt, aber ist allgemein von sehr großem

Interesse“, erläutert die Journalistin. Danach

wird entschieden, welches Format am besten

für die ausgewählten Themenfelder geeignet

ist und dann wird recherchiert und getextet.

Nach dem Gegencheck werden die Videos produziert

und veröffentlicht. Es gibt dabei keine

fixe Sendezeit, sondern es wird dann publiziert,

wenn es fertig ist.

38

Thema Soziale Medien – Im Redaktionsalltag umsetzbar?


Soziale Medien unabdingbar in Zukunft?

„Ich glaube, dass die unterschiedlichen Mediengattungen unterschiedliche

Aufgaben übernehmen. Das Smartphone an

sich ist dafür da die schnelle Information zu verbreiten“, schildert

Michael Kaufmann. Er glaubt, dass klassische Medien

nie ganzheitlich von digitalen Netzwerken abgelöst werden,

sondern dass Social Media verstärkt zusätzlich genutzt wird,

um speziell den Live-Charakter hervorzuheben, beispielsweise

ein „Live Ticker zu Nationalratssitzungen“. „Die ausgewogene

Berichterstattung, die würde ich dann in einem

Long-Read der Online-Ausgabe oder am nächsten Tag in

der Tageszeitung erwarten. Genau das ist die unterschiedliche

Aufgabe der unterschiedlichen Mediengattungen“, so

Kaufmann. Der Leiter der Digitalabteilung des Medienhauses

„Wimmer“ glaubt außerdem, dass es insbesondere im Bereich

der Online-Werbung vor allem auf der technischen Ebene Änderungen

geben wird. Hier werden zukünftig die Werbecookies

verschwinden. Der Trend könnte möglicherweise wieder

vermehrt in Richtung “Contextual Targeting” gehen.

Das Thema Markensicherheit spielt dabei eine entscheidende

Rolle, da viele Werbetreibende genau wissen wollen,

wo die eigene Werbung aufscheint und Kontrolle darüber

haben möchten. Dies stellt sich als großer Vorteil gegenüber

der Werbeschaltung in den sozialen Netzwerken dar.

Ambra Schuster glaubt auch nicht, dass soziale Medien die

Herkömmlichen ganz ablösen werden, sondern dass „soziale

Medien an klassische Medien heranführen“. Denn wenn Rezipient*innen

etwa die „ZIB“ auf TikTok sehen, dann lernen

sie diese kennen und wissen, dass diese auch im Fernsehen

präsent ist und bauen so ein gewisses Grundvertrauen auf.

Abschließend meint die Journalistin: „Soziale Medien sind

quasi das vierte Genre, das zusätzlich dazugekommen ist.“

Klassische Medien sind somit längst nicht abgeschrieben,

sondern bleiben weiterhin ein wichtiger Bestandteil in der

Medienwelt. Dennoch, die Relevanz der sozialen Medien

steigt kontinuierlich an, weshalb es unabdingbar ist diese in

klassischen Medienhäusern zu integrieren.

Alexandra Bauer

Antonella Bacher

Meinungsbeitrag:

Generation Selbstinszenierung:

Wie Kunst zum Wisch-Objekt wurde

Liken, wischen, liken, wischen. Das ist der Takt und er dauert

genau zwei Sekunden. Egal ob zu Hause am Küchentisch,

heimlich im Unterricht oder wie in meinem Fall nonstop im

Zug. Die Head-Down-Generation liked und wischt sich durch

die Sphären von Social Media – egal wo, egal wann. Ich bin

da keine Ausnahme, immerhin wurde meine Generation so

sozialisiert. Im Schnitt verbringt ein Digital Native 90 Minuten

am Tag in den sozialen Netzwerken. Die stundenlange

strategische Selbstinszenierung einiger weniger wird von der

Masse im Schnelldurchlauf (nicht) gewürdigt. Die Erinnerung

verschwindet, der visuelle Hunger bleibt und im Hintergrund

singt Ariana Grande leise „thank u, next“. Das ist die Realität.

Social Media bietet Raum für Selbstinszenierung, wobei der

Auftritt zur Kunst und die Kunst zum Wisch-Objekt wird. Das

Soziale Netzwerk um uns herum verschafft uns große Reichweite

für wenig Aufmerksamkeit. Ein Deal, der allen gängigen

Normen der Kunstszene widerspricht. Kunst entsteht, sie

wächst und entwickelt sich – mit der Zeit. Zumindest hat das

der österreichische Künstler Alfred Haberpointner in einem

Interview mal gesagt. Stundenlange Selbstinszenierung, die

in einem einzigen Post auf Social Media präsentiert und dann

von der breiten Öffentlichkeit weggewischt wird? Vielleicht ist

das ein Kollateralschaden des 21. Jahrhunderts, wo alles immer

noch schneller und besser werden muss. Wobei vielleicht

liegt das Problem auch in der begrenzten Aufmerksamkeitsspanne

meiner Generation.

All diese Gedanken schwirren mir durch den Kopf, während

ich den Takt automatisiert fortsetze. Ich schrecke erst aus

meiner Wisch-Stakkato, als die Tür meines Abteils mit einem

Quietschen aufgeschoben wird. Ein Unbekannter setzt sich

auf den freien Platz gegenüber. Der Zug ist mittlerweile in Bischofshofen

angekommen. Über 30 Minuten sind vergangen,

seitdem ich in Zell am See eingestiegen bin und Instagram

geöffnet habe. Es ist mir fast peinlich, wie wenig Aufmerksamkeit

ich meiner Umgebung gewidmet habe. Die Landschaft

draußen ist genauso spurlos an mir vorbeigezogen wie

die vielen bunten Bilder auf meinem Bildschirm. Trotzdem

wird mir diese Zugfahrt lange in Erinnerung bleiben, denn

nachdem sich der Unbekannte in unserem Abteil ausgebreitet

hat, haben wir uns unterhalten. Ich kenne seinen Namen

nicht, aber er war auch Student vor dreißig Jahren. In einer

ganz anderen Zeit, wie uns im Laufe des Gesprächs beiden

bewusst wird. Damals gab es noch keine kleinen schwarzen

Kästchen, die uns heute unserer Zeit berauben. Wir

unterhalten uns bis Salzburg, dann steige ich aus und greife

automatisch wieder zu meinem Handy. Allerdings dieses

Mal bewusst. Immerhin muss ich nachschauen auf welchem

Bahnsteig mein Anschlusszug abfährt.

Antonella Bacher

Generation Selbstinszenierung: Wie Kunst zum Wisch-Objekt Thema wurde

39


40

Thema

© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai


Wie TikTok und Instagram die

Musikindustrie maßgeblich verändern

Man entgeht kaum mehr einem lustigen Meme, Reel oder TikTok-Video. Die verschiedensten Social Media Plattformen

bieten mehr als genügend Möglichkeiten, sich im Internet zu unterhalten. Der „GfK“-Studie „Mediennutzung

in Österreich“ zufolge verbringen Österreicher*innen anno 2022 rund 80 Minuten täglich auf diesen Kanälen.

Da man die dort gebotenen Inhalte meist aktiv rezipiert, sind sie sehr einflussreich auf die User*innen. Nicht

nur aus diesem Grund versuchen vor allem junge, noch nicht so bekannte Musiker*innen und Produzent*innen,

die eigene Musik auf Social Media zu bewerben. Welche Auswirkungen diese Plattformen auf die Musikindustrie

haben, beantworten Simone Kienast, A&R Managerin vom Label „Global Rockstar“, und die steirische Pop- und

EDM-Musikerin Anna-Sophie.

Nutzung von Sozialen Medien

als Künstler*in

Wenn man heutzutage als Musiker*in

tätig ist, gehört ein Social Media Profil

einfach dazu. Es gibt kaum Künstler*innen,

die nicht auf mindestens einem

Kanal vertreten sind. Für Anna-Sophie

sind sie wichtig, um sich als Künstlerin

zu präsentieren. Seitdem sie in

der Öffentlichkeit steht, hat sich jedoch

ihr eigenes Nutzungsverhalten stark

geändert. Privat nutzt sie die Plattformen

mittlerweile kaum mehr. Zurzeit

steigt sie nur mehr ein, um ihre Posts

hochzuladen. Sie meint: „Ich verwalte

alle meine Social Media Accounts

selbst und will dies auch weiterhin so

machen. Selbstgemachte Videos und

Fotos sind authentisch und ich habe

somit die Möglichkeit, mich direkt mit

meinen Fans auszutauschen. Anfangs

fühlt es sich für Musiker*innen meist

ungewohnt an, sich selbst vor die Kamera

zu stellen und Content zu kreieren.

Generell ist Social Media für die

Promo für einen Artist sehr wichtig um

beispielsweise neue Song Releases anzuteasern.“

Für sie ist dies mittlerweile

zu einer schönen Tätigkeit nebenbei

geworden. Sie ist dankbar die Möglichkeit

zu haben und sieht es als Chance,

eine große Community zu erreichen.

Genauso sieht es auch A&R Managerin

Simone Kienast. Social-Media hat

leider oft ein negatives Image, da in

der Vergangenheit von großen Labels

oft Druck auf Künstler*innen ausgeübt

wurde. Man sollte den Musiker*innen

nicht vorschreiben, dass sie den Song

erst veröffentlichen dürfen, wenn kurze

Ausschnitte davon auf den Plattformen

viral gegangen sind. Dieses Vorgehen

war leider bereits bei vielen der Fall. Es

ist nicht maßgeblich, aktiv in den Sozialen

Medien zu sein. Natürlich sollte

man als Label ein Auge auf die Kanäle

der unter Vertrag genommenen Musiker*innen

haben. Jedoch sollte jedem

selbst überlassen werden, wann und

was man veröffentlicht. Es ist schade,

dass diese Plattformen ein schlechtes

Image bekommen haben, da es eine

große Möglichkeit für die Artists ist. Simone

hebt hervor: „Dank Social Media

haben Künstler*innen ein Werkzeug

bekommen, um ihre PR genauestens

zu steuern. Auf den eigenen Social Media

Kanälen der Künstler*innen können

sie zu 100% bestimmen welche

Informationen und wie detailliert diese

an Fans weitergegeben werden. Etwas,

das man so früher in der klassischen

Medienwelt nur schwer steuern konnte.“

Genauso kann man seinen Song bereits

im Vorfeld promoten und dadurch

einen Hype kreieren. Hierfür hat man

früher Fernsehteams angeheuert, welche

unter enormen Kosten und Zeitaufwand

drehten. Heute geht das ganz

einfach nebenbei mit dem Handy.

Möglichkeit neue Artists zu

finden

Simone Kienast ist Head of A&R, also

Artist and Repertoire Managerin. Hierbei

geht es in erster Linie darum, neue

Künstler*innen zu finden und zu signen.

Sie meint: „Stellt man sich vielleicht romantisch

vor, dass man als A&R die

Artists zufällig als Straßenmusiker findet

oder bei kleinen Auftritten. Leider

entspricht das gar nicht der Realität.

Es ist sehr analytisch und hat viel mit

Zahlen und Daten zu tun.“ Sie versucht

beispielsweise dem Algorithmus auf

Sozialen Medien durch Liken und Kommentieren

von Musiker*innen-Content

zu zeigen, dass sie gezielt auf der Suche

nach Musiker*innen ist. Dann geht es

hauptsächlich um Anschreiben, erste

Gespräche führen und herausfinden,

ob die Artists die gleiche Vision mit

dem Label teilen. Neben dem Gesangstalent

steht für sie jedoch viel mehr

das Gesamtpaket im Vordergrund: „Es

geht darum Leute zu finden, die einen

Charakter mit Ecken und Kanten haben,

die von der Masse herausstechen. Die

an der Straße vorbeilaufen und in Erinnerung

bleiben.“ Und genau dafür sind

Instagram und TikTok perfekte Plattformen

für den ersten Eindruck. You-

Tube ist bereits so überfüllt mit Videos,

dass man total den Überblick verliert.

Vermutlich wird das mit TikTok und

Instagram auch bald passieren, aber

momentan sind die Plattformen super

dafür. Besonders stechen hierbei die

verschiedenen Challenges heraus, die

sich im Laufe der Jahre entwickelt haben.

Sie erzählt von der sogenannten

Riff-Challenge: „Es ging um den Song

„Crazy“ von Gnarls Barkley, veröffentlicht

im Jahr 2006, welcher jetzt durch

TikTok wieder belebt wurde. Sänger*innen

waren dazu aufgefordert, den ersten

Verse mit einem Riff anspruchsvoller

zu machen und somit ihre Kontrolle

über ihre Stimme unter Beweis zu stellen

und anschließend das Video mit

dem Hashtag ‚RiffChallange‘ zu versehen.

Für Talentscouts wie mich natürlich

die perfekte Möglichkeit quick

und simple Artists zu finden, indem ich

nach dem Hashtag suche.“

Musik für Social Media

zuschneiden

Die Songs auf eine bestimmt Plattform

oder einen Trend zuzuschneiden

ist keine neue Vorgehensweise. Wenn

man sich früher nach den Radios ausgerichtet

hat, durfte man beispielsweise

keine Schimpfwörter verwenden,

weil man sonst nicht gespielt wurde.

So ähnlich agiert man heutzutage zu

einem Teil nach den Regeln der Sozialen

Medien und Spotify. Aktuell haben

einige Künstler*innen die ersten 30

Sekunden ihrer Songs auf Social Media

veröffentlicht, um einen ersten Hype

zu generieren und im Anschluss den

Song auf Spotify zu veröffentlichen. Simone

beschreibt: „Bei Spotify zählt ein

Wie TikTok und Instagram die Musikindustrie maßgeblich verändern Thema

41


Stream erst ab Sekunde 30. Die Zuhörer*innen

hören bei diesem Promomove somit ab Release-

Tag insbesondere immer wieder die ersten 30

Sekunden, weil wir Menschen ja bekannterweise

Gewohnheitstiere sind. Dieser Promo-Move

funktioniert jedoch nur, wenn das Songwriting im

ersten Verse auch wirklich stark ist. Somit kann

man die Streamingzahlen durch einen simplen

“Trick” easy nach oben pushen.“ Die beiden Interviewten

sind sich einig, dass so ein Vorgehen zu

sehr die Charts beeinflusst. Simone spricht davon,

dass Musik eine Synergie zwischen Kreativität

und einer gewissen Musikrichtung sein soll. Wenn

man den Song einem bestimmten Stil zuordnet,

dann sollte man diesen eher nach der Zielgruppe

wählen als einer bestimmten Plattform. Anna-

Sophie fällt bereits bei ersten Gesprächen über

das Song-Release auf: „Meist wird dabei schon

entschieden, welcher Ausschnitt des Songs für

Social-Media verwendet wird. Man denkt immer

daran, welcher Trend dadurch entstehen könnte“,

des Weiteren fügt sie hinzu: „Auch beim Songwriting

selbst denkt man daran, welcher Abschnitt

einen Wiedererkennungswert hat und viral gehen

kann. Diesen Gedanken sollte man jedoch ablegen,

denn man versteift sich bald zu sehr darauf

und es hat nichts mehr mit Kreativität zu tun.“

Sprungbrett für Musiker*innen – oder

eher für Influencer*innen?

Die Thalia Buchhandlung

ganz in Ihrer Nähe.

42

Thema

Thalia St. Pölten

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3100 St. Pölten

Influencer*innen bauen sich eine Fanbase auf,

weil sie durch Fashion-, Lifestyle-, Gaming-,

Handwerksfähigkeiten und vieles mehr berühmt

werden. Der Fokus liegt bei den meisten nicht

auf Musik. Trotzdem kommen manche Influencer*innen

nach Jahren der Berühmtheit auf die

Idee, einen Song zu veröffentlichen. Man dreht

also den Spieß um. Zuerst Berühmtheit und dann

Musik. So haben es zum Beispiel Bibi von „Bibis

Beauty Palace“, Bella Porach und Dixie D´Amelio

gemacht. Der einzige Unterschied zu den meisten

Musiker*innen ist, dass Produzent*innen damit

beauftragt wurden. Der Gesang wird hierbei meist

schlicht gehalten und elektronisch verzerrt. Ob

der Song gut oder schlecht ist, das sei dahingestellt.

Erfolg feiern die Social-Media-Sternchen

trotzdem, aber nicht zwingend, weil der Song gut

ist. Die wichtigste Rolle spielt die Fanbase von

Zig-Millionen Follower*innen. Bei Influencer*innen,

die durch ihre oft gekaufte Musik berühmt

werden, verliert man den ursprünglichen Sinn

von Songwriting. Die Kreativität geht verloren

und viele Artists, die ehrliche und eigene Musik

machen, fühlen sich durch solche Aktionen nicht

wertgeschätzt. Die Musikerin Anna-Sophie meint

dazu: „Bei solch einem Thema sollte man klar

zwischen Musiker*innen und Influencer*innen

unterscheiden. Wenn jemand auf Social-Media

durch Musik berühmt wird, dann ist das eine ganz

andere Sache, denn diese haben sich durch ihre

Musik und ihre Kunst eine Fanbase aufgebaut.

Dennoch sollte man erfolgreichen Influencer*innen

den Erfolg gönnen, da diese sich durch harte

Arbeit den Ruhm erst möglich gemacht haben.“


Thema

43

© SUMO


Beeinflussung durch

Soziale Medien maßgeblich?

Es lässt sich klar sagen, dass Social Media die

Musikbranche beeinflusst. Aber nicht nur im

negativen Sinne, hierbei sind sich die Interviewten

sicher. Mittlerweile erkennt man, dass

die Trends immer mehr Richtung Authentizität

gehen. „Vielleicht suchen die Menschen bewusst

oder unbewusst immer diese Echtheit

und Authentizität. Es wirkt, als wäre die Gesellschaft

gelangweilt von Perfektionismus“,

beschreibt Simone. Egal wie sehr sich die

Trends der Musik verändern, man hat immer

zwei Möglichkeiten. Entweder man erkennt

und folgt einem Trend oder man erfindet einen

neuen, jedoch ist das sehr riskant. Billie Eilish

hat es beispielsweise geschafft Dark Pop wieder

erfolgreich in die Musikwelt zu integrieren.

Aktuell gibt es einen Hype um „Hyperpop“.

Kurz und schnell, die Bässe verzerrt und die

Stimmen so hoch gepitcht, dass sich die Sänger*innen

wie Zeichentrickfiguren anhören.

Gerade die GEN-Z feiert diese Musikrichtung

und lässt diesen Trend wieder aufleben. Wichtig

aber ist nicht welchem Trend man folgt,

sondern authentisch zu bleiben und seinen

individuellen, kreativen Wiedererkennungswert

mit einzubringen. Um es mit den Worten

von Tokio Hotel Leadsänger Bill Kaulitz auszudrücken:

„Kunst funktioniert nicht, wenn man

versucht, sich an Formeln zu halten.“

Simone Kienast / © Global Rockstar

Anna-Sophie / © Sasa Felsbach

Mavie Berghofer

Sebastian Baumschlager

Meinungsbeitrag:

Beethoven versus Einaudi: Wie populär darf Klassik

sein?

6,6 Millionen monatliche Spotify Hörer*innen, 1,6 Millionen

YouTube-Abonnent*innen, unzählige ausverkaufte Konzerte.

Ludovico Einaudi ist wohl einer der berühmtesten Vertreter

der sogenannten „New Classics“. Er und seine Kolleg*innen

wie Lang Lang, Yiruma oder Hania Rani scheinen zwar beim

Publikum gut anzukommen, sind in Fachkreisen allerdings

umstritten. Die große Frage der Diskussion zwischen Vertreter*innen

der Szene und Feuilletonist*innen: Ist das noch

Klassik?

Fans der klassischen Musik sind alt und elitär – so die allgemeine

Wahrnehmung. Zumindest der erste Punkt spiegelt

sich auch in diversen Studien wider. Ein Consumer Panel

der deutschen „GfK“ (Growth from Knowledge) fand heraus,

dass der*die typische Klassik Hörer*in über 50 Jahre alt ist.

Es ist also Zeit für frischen Wind und der wird vor allem

gestreamt. Im Jahr 2021 wurden 117,4 Millionen Euro, also

etwas mehr als 60 Prozent des Gesamtumsatzes der Musikwirtschaft

in Österreich, durch Streaming eingenommen.

Die „New Classics“ hat das verstanden. Spotify bietet einige

Entspannungs- oder Lern-Playlists an, die mit Werken

der „New Classics“ bestückt sind. Und das sehr erfolgreich:

„Atmospheric Piano“ mit Werken von Einaudi, Richter und

Co. wurde beispielsweise über 360.000-mal geliked. Damit

schaffen diese Komponist*innen etwas, das die angesehene

Klassik bislang scheitern ließ: die Eroberung der Alltagstauglichkeit.

Kritiker*innen werden sich damit abfinden müssen,

dass die jungen Hörer*innen in Zukunft den Begriff Klassik

definieren und solche Stücke zur Norm dieses Begriffes gehören

werden. Warum sträuben sie sich also so dagegen?

Ljubisa Tosic nannte den Musik-Stil in einer Publikation

im „Standard“ „banal“ und „Schlummermusik-Trend“. Den

Expert*innen der Feuilletons zufolge seien die melodischen

Muster und Abfolgen nicht komplex genug. Die Musik sei zu

seicht, um zur Klassik zu gehören, zu einfach. Klassik müsse

so sein, wie die Werke von Mozart, Hayden oder Beethoven:

tiefgründig, kompliziert und langwierig. Dabei sagte bereits

der französische Komponist Darius Milhaud: „Komponisten

sollten nur Musik schreiben, in der man wohnen kann.“ Und

wer will heutzutage schon im 18. Jahrhundert wohnen? Es

braucht also neue Komponist*innen. Neue Ausprägungen.

Neue Sichtweisen. Die „traditionelle“ Klassik muss aufhören,

die „New Classics“ als Bedrohung oder Beleidigung

anzusehen. Wirft man einen Blick zurück in die 1910er-

Jahre bietet die Geschichte einen Eindruck wie aus einem

Paralleluniversum. Gustav Mahler, Arnold Schönberg und

Richard Strauss wurden vom Publikum für ihre theoretische

und komplexe Vorgehensweise kritisiert. Die Gesellschaft

verlangte nach leichter, unterhaltender Musik. Man erinnere

sich nur an das „Watschenkonzert“ unter der Leitung von

Arnold Schöneberg. Sein damals neuartiger Musik-Stil sorgte

für einen solchen Tumult, dass seine Anhänger*innen ihn

gegen Kritiker*innen verteidigten mussten – und das nicht

nur mit Worten. Reibungen bei musikalischem Wandel sind

also älter als die heutige Gesellschaft selbst. Doch wie so oft

hat die Menschheit auch hier nicht aus ihrer Vergangenheit

gelernt. Die „New Classics“ werden von alteingesessenen

Klassik-Fans und Feuilletonist*innen bekämpft – und zwar

zu Unrecht. Vielmehr sollte dieser Wandel als Ergänzung

und Chance erkannt werden. Eine Chance eine ganz neue

Zielgruppe zu erreichen. Eine Chance einen erleichterten

Einstieg in die Klassik zu ermöglichen. Eine Chance auf Alltagstauglichkeit.

Es wird also Zeit das alte verstaubte Image

abzulegen und mehr Raum für moderne Komponist*innen

zu schaffen. Ein Weg weg vom elitären Klassik-Image und

scharfer Trennung von E-Musik und U-Musik. Hin zu einer

Mischung mit den besten Attributen beider Welten und

einem Abriss von Eintrittsbarrieren für eine neue Generation

der Klassik-Liebhaber*innen.

Mavie Berghofer


Business in der Musikbranche – Wichtiger

als Kreativität?

Chuck Berry, David Bowie und Michael Jackson. Menschen, die unsere Musikwelt mit ihrer Innovativität für immer

geprägt haben. Durch neue Sounds, das Erschaffen von Kunstfiguren und der Popularisierung von Musikvideos

haben sie die Industrie revolutioniert. Doch wie viel Kreativität und Individualität kann in einer milliarden-schweren,

kompetitiven Branche tatsächlich überleben? Hinter jedem*r große*n Künstler*in steht eine noch größere

Plattenfirma, welche die Fäden zieht und den maximalen Profit herausholen möchte. Um die Kreativarbeit und

die Businessseite der Musikindustrie zu vergleichen und die Gewichtung dieser Aspekte im Zeitalter von Social

Media zu hinterfragen, hat SUMO mit dem Gründer und Geschäftsführer von „Ink Music“ Hannes Tschürtz und

dem Songwriter und Produzenten Daniel Weisz gesprochen.

Komponieren, mixen, vermarkten. Zwischen

einer Song-Idee und der Veröffentlichung

des geschaffenen Liedes

liegen zahlreiche Schritte, doch nicht

alle haben direkt etwas mit Musik zu

tun. Während die Branche auf den ersten

Blick durchwegs kreativ erscheint,

lässt sich schnell erkennen, dass im

Hintergrund viele wirtschaftliche Prozesse

ablaufen. Vom Pressetext bis hin

zu Lizenzen muss sich ein Musiklabel

um mehr als nur das perfekte Album

kümmern. Hannes Tschürtz weiß, wie

diese Industrie läuft: „Hinter jedem Lied

steckt eine Geschichte, die es so gut

und originell wie möglich zu erzählen

gilt.“ Zusammen durch Artwork, Fotos

und Posting würde eine Story rund um

Musik und Artist gebaut werden, die

eine Bindung zum Publikum entstehen

lasse. Der Produzent Daniel Weisz fügt

dabei hinzu, dass die Businessseite besonders

im Bereich des Mainstreams

bedeutsam sei.

"Head, Shoulders, Knees and

Toes“

Das Sampeln von alten Melodien ist

ein fester Bestandteil der Musikindustrie.

In den letzten Jahren hat vor allem

die Wiederverwendung von Kinderliedern

an Popularität gewonnen.

Songs wie „ABCDEFU“ und „Twinkle

Twinkle“ wandeln traditionelle Stücke

in „Breakup“-Tunes um. Diese Art des

Musikschaffens ist zwar nicht innovativ,

aber sie funktioniert wirtschaftlich.

Durch das Erzeugen von Nostalgie kann

schnell viel Aufmerksamkeit generiert

werden und somit auch Einnahmen.

Beispielsweise schaffte es die Single

„Head, Shoulders, Knees and Toes“ von

„Ofenbach“ und „Quarterhead“ featuring

„Norma Jean Martine“ mit über

350 Millionen Streams auf Spotify weit

nach oben in die Charts. Ob die Erfolge

solcher Neuinszenierungen gerechtfertigt

sind oder doch nur ein gutes Marketingkonzept

dahintersteckt, ist Meinungssache.

Tschürtz erzählt von dem

stets gültigen Spruch, dass ein mittelmäßiger

Song mit großem Budget und

viel Marketing großartige Resultate erreichen

kann, während ein melodisch

und inhaltlich gutes Lied mit wenig

Budget und kaum Marketingaufwand

im Nirgendwo verschwindet. Weisz, der

mit österreichischen Newcomer*innen

wie Felicia Lu und Chris Steger zusammengearbeitet

hat, betont jedoch die

Voraussetzung eines guten Produkts:

„Du kannst die Streaming-Zahlen wahrscheinlich

pushen, aber am Ende des

Tages, wenn es den Menschen nicht

erreicht, dann hilft dir das ganze Geld

nicht.“ Dennoch brauche man für den

Mainstream das nötige Budget sowie

das richtige Businessmodell.

TikTok, Spotify und Co.

„FNFZHN“. Ein Album, auf dem jeder

Track nur 15 Sekunden dauert. Der

Grund dahinter? TikTok-Erfolg! Längere

Tunes braucht es nämlich nicht, um auf

der Plattform groß zu werden. Auch

Spotify ermutigt zu kürzeren Liedern,

denn diese haben bei dessen Algorithmus

eine höhere Chance beworben zu

werden. Laut Tschürtz hatte Technologie

historisch immer schon einen Einfluss

auf die Ausgestaltung von Musik.

Der Siegeszug des Song-Formates sei

beispielsweise mit dem Aufkommen

der Schallplatten eng verknüpft, da

diese ursprünglich nur wenige Minuten

Spieldauer fassen konnten. In den

1920er-Jahren sei dann aufgrund der

werbetreibenden Radioindustrie die

„Drei-Minuten-Single“ populär geworden.

Heutzutage ist Spotify „state of

the art“ und beeinflusst die Musikproduktion.

Das wiederum erfreut nicht

jede*n Kreative*n. Die Sängerin „Boy

Jr.“ geht mit ihrem kritischen TikTok-Video

„Streaming Plattforms killed the

Bridge in Pop Songs“ viral und findet

viel Zustimmung. Instrumentalpausen

und Überleitungen finden in kurzen

Liedern nämlich keinen Platz. Tschürtz

findet bedauerlich, dass diese Anpas-

sungen an den Markt wenig Freiraum

für tatsächliche Originalität zulassen.

Dass soziale Netzwerke jedoch immer

wichtiger werden, lasse sich nicht bestreiten.

Neue Künstler*innen hätten

eine höhere Chance zum Erfolg, wenn

sie bereits online Reichweite und viele

Follower*innen besäßen.

Der Einfluss von Trends auf

Musik

Im Zeitalter von Social Media scheint es

jeden Tag einen neuen Trend zu geben.

Als Musiker*in da mitzuhalten verlangt

viel ab. Doch einige Artists probieren

genau das. Sie würden in Songwriting-

Sessions gezielt auf die neuesten Entwicklungen

hinarbeiten, so Weisz. Doch

nur weil man sich Trends zur Vorlage

nehmen würde oder einen ähnlichen

Sound produziert, hieße dies nicht,

dass das resultierende Lied keine eigene

Note mit sich bringen könne. Jede*r

Sänger*in, sowie Produzent*in schafft

Individualität, welche in der Musik

zu hören sei. Bei tausenden von Uploads

pro Tag und nur zwölf Noten im

System, sei es ohnehin kaum möglich

etwas zu komponieren, das es noch

nie zuvor gab. Hannes Tschürtz bestätigt

die steigende Orientierung an

bewährten Schemen und erzählt, dass

neue Künstler*innen immer öfter aufgrund

von Trends und Playlist-Vorlieben

unter Vertrag genommen werden.

Jedoch erzählt er von seiner Präferenz

von eigenständiger Musik, die sich nicht

nach dem Zeitgeist richtet. Seiner Meinung

nach wäre die Branche sonst sehr

langweilig.

Unbeständigkeit der Branche

An einem Tag ist man auf Platz eins der

Charts, am nächsten „yesterdays news“.

Besonders „One-Hit-Wonders“ können

den Ruhm des Bekanntseins nur kurz

genießen. Ein erfolgreicher Song verspricht

schon lange keine erfolgreiche

Musikkarriere. Doch auch umgekehrt

Business in der Musikbranche – Wichtiger als Kreativität? Thema

45


kann es laufen. Durch das „richtige“ Lied zur „richtigen“

Zeit kann sich das Leben eines*r Newcomer*in in einem

Augenblick wenden. Welche Musik bei den Hörer*innen gut

ankommt, kann man, laut Weisz, jedoch zuvor nicht wissen.

Es sei nicht möglich einen sogenannten „Evergreen-Song“

gezielt zu schreiben. Der Erfolg eines Liedes lasse sich

nur so weit vorhersagen, wie ihn das Label finanzieren

kann und der*die Interpret*in bereits etabliert ist. Diese

Faktoren würden einen Song pushen, seien aber trotzdem

keine Garantie. Herr Tschürtz nennt die Unvorhersehbarkeit

des Erfolgs das Schöne und Grausame an dem Markt.

Durch gesammelte Erfahrung hätte sein Label jedoch einen

„ziemlich guten Riecher“ entwickelt. Ein universelles Rezept

gäbe es in diesem Geschäft aber nicht.

Kreativität vs Business

Nicht jede*r Sänger*in ist auch gleich Urheber*in und somit

Schaffer*in seiner*ihrer Musik. Es sei auch üblich, dass

Songs, geschrieben von Songwriter*innen, an Artists gepitcht

werden würden und diese somit keine Teilnahme

an der Komposition gehabt hätten, so Weisz. Im kleineren

Bereich sei die Einbindung des*der Interpret*in jedoch üblich

und für eine authentische Vermarktung unentbehrlich.

Die Persönlichkeit des*der Musiker*in hätte auch großen

Einfluss auf die Lieder selbst. Kreativität und Business –

steckt darin nicht ein Widerspruch in Idee und Anspruch?

Hannes Tschürtz und Daniel Weisz, Vertreter dieser zwei

Seiten, zeigen jedoch, dass sich wirtschaftliches Denken

und künstlerisches Schaffen nicht ausschließen, sondern

unterstützend aufeinander aufbauen können. Tschürtz ist

der Meinung, ohne die Arbeit der Künstler*innen gäbe

es erst gar kein Produkt. Das Musikgeschäft jedoch ökonomisch

zu bewältigen, würde ebenso enorme Kreativität

erfordern: „Also sehe ich den Widerspruch nicht“.

Iris Göbl

Hannes Tschürtz

/ © Markus Sandner

Daniel Weisz / © Privat

46

Thema

© sgcdesignco


Julian Landl

Meinungsbeitrag:

Ich mag die Drogen nicht, aber die Drogen

mögen mich

Elton John, Ozzy Osbourne, „The Beatles“, Amy

Winehouse, Marilyn Manson und noch viele mehr.

Sie alle gehören zu den erfolgreichsten Musiker*innen

unserer Zeit und über sie alle ist bekannt,

dass „keine Macht den Drogen“ nicht ihr

Motto war oder ist.

Marilyn Manson erzählt in seiner Biografie sehr

detailliert von seinem Drogenmissbrauch. So entstand

die Idee für sein weltberühmtes Cover von

„Sweet Dreams“ während eines LSD-Rausches auf

einer Party.

Nun stellt sich die Frage, ob Drogenkonsum wirklich

eine positive Wirkung auf die Arbeit von Musiker*innen

hat oder ob diese nur eine Rechtfertigung

für ihr Suchtproblem brauchen. „Sex, Drugs

and Rock’n’Roll“. Ein berühmtes Motto, das Ende

der 1960er Akteure der Blues- und Hardrock-

Szene begleitete. Aus Drogenkonsum und ausgelassenen

Partys wurde kein Geheimnis gemacht.

Doch eben genau dies wurde vielen zum Verhängnis.

John Bonham („Led Zeppelin“), Layne Staley

(„Alice in Chains“) und Amy Winehouse könnten

noch unter uns weilen, hätten sie sich nicht mittels

Rauschmittel zugrunde gerichtet.

„Ich mag die Drogen nicht, aber die Drogen mögen

mich“ (“I don’t like the drugs but the drugs like

me) sang Marilyn Manson einst im gleichnamigen

Song. Dieses Problem kannte auch Taylor Hawkins

(„Foo Fighters“). Er starb vergangenen März

in einem Hotelzimmer in Bogota (Kolumbien). Einem

Bericht von Metal-Hammer Deutschland zufolge

wurden nach seinem Tod zehn Substanzen

in seinem Körper nachgewiesen.

Darunter THC, Antidepressiva, Benzodiazepin

und Opiate. Ob ihre Werke und ihr künstlerisches

Schaffen ohne den Einfluss von Drogen genauso

erfolgreich geworden wären, kann niemand so

genau sagen. Am Ende des Tages ist Musik auch

nur ein Beruf wie jeder andere. Und nur wenige

haben das Glück wirklich davon leben zu können.

Eine Lokführerin kann ihren Job auch ausüben,

ohne regelmäßig unter Kokaineinfluss zur Arbeit

zu kommen, denn nicht jeder*r will mit dem „Crazy

Train“ zur Arbeit fahren. Also warum kann das

Ozzy Osbourne nicht auch? Lieber Ozzy, bitte versteh

das nicht falsch, die Menschen lieben deine

Musik. Wirklich. Aber dein kreatives Schaffen kann

nicht die Legitimation für ein Suchtproblem sein.

Dass es auch ohne Drogeneskapaden geht, zeigt

etwa Taylor Swift. Sie belegt aktuell alle „Top 10“

Plätze der US-Charts. Ozzy Osbourne und Elton

John könnten die Großväter von Taylor Swift sein.

Die beiden Briten sind um mehr als 40 Jahre älter

als deren US-amerikanische Enkeltochter. Ein Generationenvergleich

ist nun naheliegend. Die heute

ca. 30-Jährigen und Jüngeren der Generationen

Y und Z pointieren Dinge wie „Work-Life-Balance“.

Im gleichen Alter haben Opa Ozzy und Opa Elton

noch 70 Wochenstunden im Bergwerk gearbeitet,

natürlich nur metaphorisch gesprochen. Lässt sich

die jüngere Generation von diesem selbstzerstörerischen

Verhalten einfach nicht mehr beeindrucken?

Oder hat Amy Winehouse mit ihrem Beitritt

zum „Club 27“ diesen Lifestyle bereits im Jahr

2011 endgültig mit ins Grab genommen?

Julian Landl

Ich mag die Drogen nicht, aber die Drogen mögen Thema mich

47


DAS TEAM DER 40. AUSGABE

Printproduktion

Vanessa Huber

Victoria Kneil

Die Printproduktion, oder auch liebevoll

das Layout-Team genannt, ist für

die Gestaltung des gesamten Magazins

zuständig.

Lena-Sophie Kornfeld

Die Artikel sollen ansprechend und

ästhetisch angeordnet und designt

Emanuel Klug

werden (und wir glauben, dass uns

das sehr gut gelungen ist).

Patrizia Bruckner

Außerdem werden hier auch alle Artikel

von unserer Lektorin Korrektur

gelesen und verbessert.

Magdalena Kanev

Mavie Berghofer

Assistenz

der Chefredaktion

Anna Horn

Die beiden Assistentinnen sind für die journalistische Koordination,

die Organisation, die Führung und die Kontrolle der Redaktion zuständig

und beraten die Redakteur*innen bei Fragen und hinsichtlich

ihrer Artikel.

48

Thema Das Team der 40. Ausgabe


Distribution

Verena Scharnagl

Klara Hirtl

Zu den Aufgaben des Distributionsteams

zählen die Organisation der Vertriebsliste,

die Erschließung neuer Zielgruppen sowie

das Customer-Relationship-Management.

Luise Kopeszki

Iris Göbl

Das Besondere dabei ist, dass die Teammitglieder

Kontakte zu Medienmanager*innen

in der Branche knüpfen können.

Alexandra Bauer

Bildredaktion

Chiara Koppelstätter

Fabian Lahninger

Erich Anger

Clara Hirschvogl

Doris Assis-Vieira

Leo Himmelbauer

Die Bildredaktion ist für die Lieferung geeigneter Bilder

für die Printausgabe, aber auch für Social Media

zuständig.

Hierbei wird darauf geachtet, dass so viele Bilder wie möglich

selbst fotografiert und bearbeitet werden.

Kreativität in Medien

Das Team der 40. Ausgabe Thema

49


DAS TEAM DER 40. AUSGABE

Sabrina Karic

Antonella Bacher

Alexander Kortan

Lennart Kasamas

Sales

Léon Flurer

Das Sales-Team sorgt dafür, dass Geld in die Kasse

Yanick Hoberstorfer

kommt. Dafür müssen Werbeanzeigen im Print-

Magazin verkauft werden.

Außerdem werden die Mediadaten auf den aktuellen

Stand gebracht und (potenzielle) Kund*innen

kontaktiert.

Julian Landl

Onlineproduktion

Sebastian Püttner

Tobias Fellinger

Das Team der Onlineproduktion kümmert sich darum,

dass alle Artikel auch online erscheinen und

korrekt in sumomag.at eingearbeitet werden.

50

Thema Das Team der 40. Ausgabe


Unternehmenskommunikation

Emilija Ilić

Sophie Eder

Nico Andraschko

Magdalena Grunt

Adriana Kaldrmdzic

Sarah Desch

Afifa Akhtar

Das Team rund ums Marketing kümmert

sich um die Social Media Präsenz,

Sebastian Baumschlager

gestaltet und postet Beiträge und versucht

neue Follower*innen zu gewinnen

und für SUMO zu begeistern.

Kreativität in Medien

Das Team der 40. Ausgabe Thema

51


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© Hertha Hurnaus / Architektur NMPB Architekten

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