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ST. PÖLTEN UNIVERSITY
OF APPLIED SCIENCES
Hier lernst
du, die
Zukunft der
Medien mitzugestalten.
Medienmanagement
Bachelorstudium: 6 Semester,
Vollzeit
Schwerpunkte
• Medienwirtschaft & Strategie
• Publizistische und journalistische
Grundlagen
• Medienproduktion und
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© Peter Rauchecker
Wissen, was
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© Titelbild: Michael Katzlberger, 3LIOT.ai
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09
13
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TECHNOLOGIE
BOT or NOT – Kann künstliche Intelligenz
die menschliche Kreativität ersetzen?
Sebastian Püttner
Zwischen Pixel und Pinselstrich: Kunst im Zeitalter der Gen Z
Patrizia Bruckner
Die Zukunft der Unterhaltungsbranche –
Wie Computerspiele die Filmindustrie verändern
Lena-Sophie Kornfeld
01
28
31
33
FINANZIERUNG DIGITALER MEDIEN
Online only: Müssen wir Finanzierungsmodelle neu denken?
Emilija Ilić
Die Faszination hinter OnlyFans
Vanessa Huber
„BeFake“ lautet die Zukunft der Gesellschaft
Magdalena Kanev
03
41
44
45
47
MUSIK
Wie TikTok und Instagram die Musikindustrie
maßgeblich verändern
Sebastian Baumschlager
Beethoven versus Einaudi: Wie populär darf Klassik sein?
Mavie Berghofer
Business in der Musikbranche – Wichtiger als Kreativität?
Iris Göbl
Ich mag die Drogen nicht, aber die Drogen mögen mich
Julian Landl
05
4
Inhaltsverzeichnis
Thema
40. Ausgabe - Kreativität in Medien
02 Von
FILM UND FERNSEHEN
der Idee bis zur Umsetzung: Der Schaffensprozess im Film
Leon Flurer
Wenn der Kinosaal bebt – Wie technische Entwicklungen die
Kreativität von Filmen beeinflusst
Luise Kopeszki
Endlich mal was Neues! –
Innovation und Kreativität im altbekannten TV
Leo Himmelbauer
19
23
25
04 Der
ONLINE-JOURNALISMUS
Titel ist Kunst
Alexander Kortan
Soziale Medien – Im Redaktionsalltag umsetzbar?
Alexandra Bauer
Generation Selbstinszenierung:
Wie Kunst zum Wisch-Objekt wurde
Antonella Bacher
35
37
39
Inhaltsverzeichnis Thema
5
Editorial
Liebe Leser*innen,
Ohne Kreativität wären Filme, Podcasts, Magazine
und andere Medien langweilig und uninspiriert. Immer
schon. Geht es letztendlich bei Kreativität doch
darum Neues in die Welt zu bringen, anstatt Altes
und Dagewesenes neu aufzugießen. Die Mittel, die
uns für die Umsetzung von Ideen zur Verfügung stehen,
ändern sich hingegen stetig. Ob Technologien
die Kreativität in der Medienbranche verflachen oder
anreichern, und welche Auswirkungen dies auf essenzielle
Rahmenbedingungen wie Finanzierung mit
sich bringt, ist Thema dieser 40. Ausgabe von SUMO.
Virtual Reality und künstliche Intelligenz verändern
die Art und Weise, wie wir Inhalte erstellen und konsumieren.
Wir konnten uns mit dem Cover der Ihnen
vorliegenden Ausgabe selbst davon überzeugen. Die
KI wurde hier als Hilfsmittel genutzt. Doch noch
wichtiger war es wohl, einen erfahrenen KI-Flüsterer,
einen sogenannten AI Prompter, zu engagieren, der
die erforderlichen menschlichen Ideen und Inspiration
einbringt, um die KI entsprechend anzuweisen
und schlussendlich innovative, kreative und erfolgreiche
Ergebnisse zu erzielen.
Blitzgeschwind wurden verschiedene Design-Optionen
generiert. Dann waren wir wieder an der Reihe
und hatten die Qual der Wahl, in welchen der
Entwürfe wir das Thema Kreativität in Medien am
ehesten wiedererkennen. Nicht einfach. Wir blieben
bis zuletzt unentschlossen. Neben dem Cover finden
Sie deshalb auf den jeweiligen Ressort-Titelseiten
weitere KI-generierte Vorschläge. Hintergründe und
tiefergehende Gedanken dazu erfahren Sie im ersten
Artikel dieser SUMO-Ausgabe.
Ein Team von wachen und aufmerksamen Studierenden
im 3. und 5. Semester des Bachelorstudiengangs
Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten
ging auf Erkundung, um das kreative Potenzial
in der österreichischen Medienwelt und der daran
angrenzenden Kulturindustrie auszuloten. Eine Auswahl
der mehr als ertragreichen Streifzüge ist in
der vorliegenden Ausgabe des Medienfachmagazins
SUMO nachzulesen. Weitere Beiträge finden Sie auf
www.sumomag.at.
Opportun war die Ausleuchtung des kreativen Schaffensprozesses
an sich: Welche Rolle spielt die Technologie
bei kreativen Prozessen? Ist das nicht ein
Widerspruch in sich oder fällt die Art der Schöpfung
selbst dem Kundigen nicht weiter auf: Bot or not?
Wo liegt das Kunsterlebnis in immersiven Ausstellungen,
in denen man durch virtuelle Welten wandelt?
In einer zunehmend transmedialen Realität, galt
das Interesse auch den Wechselwirkungen der verschiedenen
Medienkanäle: Wie beeinflusst die Filmbranche
die Games-Industrie? Machen technische
Möglichkeiten wie 5D Filme den Anspruch an eine
gute Geschichte im Film obsolet? Wie arbeiten Filmregisseure
für Spielfilme und Filmportraits?
Nachdem Medienanbieter letztendlich an ihre Wertschöpfung
denken müssen: Welche Ansätze für neue
Finanzierungsmodelle gibt es für Community Medien
wie OKTO und der Redaktion „andererseits“? Da
Sex bekanntlich eine ertragreiche Einnahmequelle ist:
Worin liegt die Faszination von Only-Fans und wie
kreativ ist das Metier?
Wie gelingt die Kreation von neuen Formaten im
Fernsehen? Wie schreibt man den kunstvollen, catchy
Titel für Zeitung und Zeitschrift? Wie werden
soziale Medien in Redaktionsalltag und Strukturen
von klassischen Medien wie ORF und „Oberösterreichische
Nachrichten“ implementiert?
Wie prägen TikTok und Co. die Games- aber auch
die Musikindustrie? Wie kann man in der sich zunehmend
beschleunigenden Musikindustrie kreativ
bleiben?
Als neuen Inhalt finden Sie in dieser Ausgabe Meinungsbeiträge
angehender Medienmanager*innen
im 5 Semester. Lesen Sie, wie diese Generation die
(eigene) Nutzung von Sozialen Medien reflektiert und
wie sie über die Musikbranche der Vergangenheit wie
Gegenwart nachdenkt.
Wo und wie Kreativität in der Verlagsbranche gefragt
ist, erfuhren die Studierenden in diesem Praxislabor
„Journalistisches Arbeiten“ sehr konkret. Sie arbeiteten
nicht nur am redaktionellen Inhalt, sondern auch
in den Bereichen Bildredaktion, Sales, Print- und Online-Produktion,
Vertrieb und Marketing.
Wir wünschen eine unterhaltsame Lektüre der 40.
und damit runden Ausgabe von SUMO!
Johanna Grüblbauer und
Gabriele Falböck
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Thema Editorial
© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai
7
© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai
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Thema BOT or NOT – Kann künstliche Intelligenz die menschliche Kreativität ersetzen?
BOT or NOT – Kann künstliche
Intelligenz die menschliche
Kreativität ersetzen?
Vor einiger Zeit ging ein Bild viral, auf dem man sieht, wie das letzte Selfie der Welt aussehen
könnte. Das Besondere daran: Das dystopische Gemälde wurde mithilfe der „Midjourney“-KI
generiert. „Midjourney“ ist eines von vielen Systemen, die auf der Basis von Texteingaben
Befehle in Kunst konvertieren können. Kann dieser technologische Fortschritt den Menschen
bei seinem kreativen Schaffensprozess unterstützen oder macht er ihn gar obsolet? Um diese
und weitere Fragen zu beantworten, hat SUMO mit dem Experten für künstliche Intelligenz
(KI) Michael Katzlberger sowie dem Schweizer Kreativen Andy Lusti gesprochen.
Dass künstliche Intelligenz (KI) Schach, Go und
verschiedene Videospiele besser beherrscht
als die geübtesten Menschen ist seit längerem
bekannt. Bereits im Jahr 1997 gelang es „Deep
Blue“ als erstem Computer, den damals amtierenden
Schachweltmeister Garri Kasparow in einer
Partie zu schlagen. Seit einiger Zeit haben auch
Künstler*innen einen neuen, mächtigen Konkurrenten:
KI, die Bilder auf Knopfdruck erstellt. Ein
paar Textanweisungen, sogenannte „Prompts“,
genügen und schon schafft der Algorithmus ein
Bild, das es zuvor nie gab. Wenn es nicht gefällt,
startet man das Programm erneut und erhält
binnen kürzester Zeit neue Alternativen. Zu
den bekanntesten dieser Systeme zählen etwa
„Dall-E 2“, „Midjourney“ oder „Stable Diffusion“. Sie
sind teilweise kommerziell verfügbar, gar nicht
für die Öffentlichkeit zugänglich oder können von
jedem frei genutzt werden. Interessierte können
ihrer Kreativität freien Lauf lassen, technisches
Wissen muss man dafür keines mitbringen. Es ist
also kein Zufall, dass immer mehr KI-generierte
Bilder im Netz auftauchen. Bei „Midjourney“ können
User*innen beispielsweise ihre ersten 25 Bilder
kostenlos generieren, bevor ein Abonnement
abgeschlossen werden muss. Wer sich bei „Dall-E
2“ anmeldet, erhält 50 Credits, die man gegen
Befehle an die KI eintauschen kann. Benötigt man
mehr, muss man dafür bezahlen. „Stable Diffusion“
ist hingegen eine Open-Source-Variante und kann
von jedem frei genutzt werden.
Von Bits und Bytes zur Künstler*in
Doch wie funktionieren diese Wunderwerke der
Softwaretechnologie? „KI ist der Versuch, die
Funktionsweisen im menschlichen Gehirn künstlich
nachzubilden“, erzählt Michael Katzlberger. Er
beschäftigt sich seit 2016 intensiv mit dem Thema
der künstlichen Intelligenz in der Kreativindustrie.
Davor war er 20 Jahre lang Geschäftsführer
der führenden österreichischen Digitalagentur
„Tunnel23“. Mit seinem neuen Unternehmen
„3LIOT.ai“ hat er es sich zur Aufgabe gemacht, das
Thema KI zu entmystifizieren und einer breiten
Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
KIs werden von ihren Entwickler*innen mit grundlegenden
Einstellungen ausgestattet, die Anweisungen
darüber enthalten, was sie lernen sollen.
Anschließend werden sie mit Daten gefüttert, die
sie gemäß ihren Instruktionen mittels Algorithmen
auswerten. Dieser Vorgang wird als „maschinelles
Lernen“ bezeichnet. Im Falle der Bilder-KIs
kommen dabei Wort-Bild-Paare zum Einsatz. Also
Bilder mit beigestellter Beschreibung, die festhält,
was zu sehen ist. Das ermöglicht es den KIs zu
erlernen, welche Formen, Farben und Anordnungen
bestimmte Dinge haben. Auf diesem Wege
können sie auch stilistische Informationen gewinnen,
etwa darüber wie ein altes Foto oder ein
Ölgemälde typischerweise aussieht. Das gilt auch
für die einzigartigen Zeichenstile verschiedener
Künstler*innen und ermöglicht Nutzer*innen später
Eingaben wie „Elch auf dem Mond im Bauhausstil“.
Auf die Frage, ob dabei wirklich etwas Neues
entsteht, meint Katzlberger: „Im Rahmen unserer
Projekte haben wir oft erlebt, dass eine KI unvorhersehbares,
außergewöhnliches, lebendiges
produziert und uns mit kreativem Output überrascht.
Der Mensch hat Vorbilder, von denen er
lernt, demnach darf eine Maschine auch Vorbilder
haben. Bach beispielsweise war das Vorbild von
Mozart. In dem Sinne könnte man dem Menschen
auch vorwerfen, dass er nicht kreativ ist, sondern
bestehendes, gelerntes neu kombiniert hat, oder?“
Utopie und Dystopie
Während manche Menschen diese Entwicklung
neugierig begrüßen, verschließen sich andere
komplett davor. „In der breiten Öffentlichkeit ist
das Thema KI nach wie vor negativ besetzt. Schuld
daran sind in erster Linie Science-Fiction-Filme,
wie ,Terminator‘ oder ,Matrix‘, in denen Menschen
von einer KI ausgebeutet oder vernichtet werden.
Ich würde mir wünschen, dass sich das ändert und
die einfachen Bürger*innen die riesigen Potenziale
dieser Technologie erkennen“, erzählt Katzlberger.
Dieser Zustand ließe sich nur erreichen, indem
man aufklärt und die vielen positiven Beispiele
hervorhebt. KI kann beispielsweise den Arbeitsprozess
in der Kreativindustrie effizienter machen
und beschleunigen. Wenn Werbeagenturen in
Zukunft Bilder suchen, können sie entweder auf
klassische Stock-Archive zurückgreifen oder ihre
eigenen Bilder erzeugen. KI ist aber nicht nur in der
BOT or NOT – Kann künstliche Intelligenz die menschliche Kreativität ersetzen? Thema
9
Michael Katzlberger
/ © Roland Pelzl
Andy Lusti / © Ella Mettler
Lage, Bilder zu generieren, sondern kann
auch Texte verfassen. „Das sind Textmodelle,
die so unfassbar gut sind, dass
sich selbst Literaturkritiker schwertun zu
erkennen, ob diese von einer Maschine
oder einem Menschen geschrieben wurden“,
so Katzlberger. Dabei entständen
Marketingtexte, Claims oder Texte, die für
den Wettstreit mit Menschen angefragt
werden.
Berufsfeld im Wandel
Müssen Kreative also um ihren Job bangen?
Michael Katzlberger ist optimistisch: „Ich
vergleiche das gerne mit der Erfindung der
Fotografie. Bis dahin konnten Maler*innen
als Einzige die Realität auf einer Leinwand
abbilden und haben die Fotograf*innen
abgelehnt. Letztendlich hat sich die Fotografie
zu einer eigenständigen Kunstform
entwickelt, ohne die der Film nicht möglich
wäre, und Millionen von Jobs geschaffen.
Das wird mit KI ähnlich sein.“
Dieser Meinung ist auch Andy Lusti: „Als
Kreativer ist es essenziell neugierig zu sein,
Strömungen und Trends zu beobachten und
Neues für sich zu nutzen. Für mich ist KI ein
neues Werkzeug, das neue Möglichkeiten
bietet.“ Der Schweizer arbeitet als Creative
Director für Direktkunden und Agenturen
in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich.
Seine Arbeiten wurden bereits in
allen relevanten Kategorien der weltweit
wichtigsten Kreativ-Wettbewerben ausgezeichnet.
Er vergleicht KI mit einem Junior-
Texter, der zwar unglaublich fleißig ist, dessen
Output aber auch dementsprechend
selektiert werden muss: „Das Ergebnis ist
nur so gut wie der Input. Es braucht Leute,
die mit KI umgehen können und Kuratoren,
um die Spreu vom Weizen zu trennen.“ KI
solle gezielt eingesetzt werden, um einen
Mehrwert zu schaffen, statt einfach aus
Prinzip. „Jeder von uns könnte theoretisch
ein mehrfacher Grammy-Gewinner sein.
Denn seit vielen Jahren ist die Musik-Software
,Garage Band‘ auf jedem Gerät von
‚,Apple‘ installiert und trotzdem haben es
bisher nur Billie Eilish und ihr Bruder geschafft,
damit zu Hause Welthits zu produzieren.
Genauso hat jeder die Möglichkeit
mit KI großartige Dinge zu erschaffen. Das
heißt aber nicht, dass dies jedem gelingen
wird“, illustriert Lusti.
Die Hamburger Kreativagentur „Häppy“
nutzt die KI-Software „Dall-E“ beispielsweise
bei der Suche nach kreativen Talenten.
Neben schrägen Illustrationen findet man
bei ihnen etwa Texte wie: „KI kann viel, aber
unsere nächste Kampagne machst besser
du.“ Die KI-generierte Employer-Branding-
Kampagne will dabei nicht nur originell sein
und für Gesprächsstoff sorgen, sondern
letztlich auch deutlich machen, dass die
Werbebranche nicht ohne menschliche Intelligenz
und Kreativität auskommt.
Problematische Inhalte und
Urheberrecht
Die Mächtigkeit der Bilder-KIs wirft nicht
nur Fragen zur künstlerischen Leistung
auf, sondern auch zu ihrem Missbrauchspotenzial.
Bereits heute kursieren immer
wieder „Deepfakes“ im Internet. Dabei
handelt es sich um täuschend echt wirkende,
manipulierte Bild-, Audio- oder
Videoaufnahmen, die mit Hilfe von KI erzeugt
werden. In den nächsten Jahren
könnte auch die Frage des Urheberrechts
relevant werden. Die Bildagenturen „Getty
Images“ und „Shutterstock“ haben
KI-generierte Inhalte bereits wegen Urheberrechtsbedenken
verboten. Erste
Künstler*innen haben sich bereits darüber
beschwert, dass KIs ihren Zeichenstil
imitieren können. In den Datensätzen,
von denen „Midjourney“ und Co. gelernt
haben, befinden sich auch zahlreiche geschützte
Werke. Eine rechtliche Bewertung
steht noch aus.
Ein Blick in die Zukunft
Katzlberger ist jedenfalls davon überzeugt,
dass es sich in Zukunft keine Agentur
leisten kann, nicht mit KI zu arbeiten.
Ähnlich wie sich „Photoshop“ über die
Jahre immer wieder verbessert hat, werden
sich auch diese Tools weiterentwickeln,
um kreative Köpfe bei ihrer Arbeit
zu unterstützen. Künftig könnte KI auch in
der Lage sein auf der Basis von Texteingaben,
Werbefilme zu erstellen oder Musik
zu komponieren und die Kreativindustrie
so weiterhin zu revolutionieren. Auch
Lusti betont abschließend noch einmal,
dass es unerlässlich ist, offen für Neues
zu sein. „Die wichtigste Eigenschaft, die
ein Mensch für die Zukunft braucht, ist
Flexibilität. Unsere Welt verändert sich
rasend schnell und je mehr man sich darin
zurechtfinden und neue Möglichkeiten
nutzen kann, desto einfacher hat man es
im Leben – egal ob beruflich oder privat“,
reflektiert er.
Sebastian Püttner
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BOT or NOT – Kann künstliche Intelligenz die menschliche Kreativität ersetzen?
Entweder, oder?
Ich will alles.
Johannes, 24 Jahre
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BOT or NOT – Kann künstliche Intelligenz die menschliche Kreativität ersetzen? Thema
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Zwischen Thema Pixel und Pinselstrich
© Jakayla Toney / unsplash
© Redd F
Zwischen Pixel und Pinselstrich:
Kunst im Zeitalter der Gen Z
Wer kann schon von sich selbst behaupten im Schlafzimmer von Van Gogh zu stehen oder
zwischen von ihm gemalten Feldern zu gehen? Durch immersive Ausstellungen ist es uns
mittlerweile möglich Kunst überall multimedial zu erleben. SUMO durfte mit Rob Kirk, Head
of Touring bei dem australischen Unternehmen „Grande Experiences“ (Produzent von „Van
Gogh Alive“), Ines Groß-Weikhart, Kunsthistorikerin und Leiterin der Kunstvermittlung und
Tourismus der Albertina in Wien und Natascha Mansvelt, Projekt-Koordinatorin des Van-Gogh-
Museums in Amsterdam, über die Zukunft der Kunstrezeption sprechen.
Die Klassiker mal anders inszeniert
Große Räume, ausgefallene Standorte, klassische
Gemälde und multimediale Elemente – all
das kombiniert eine immersive Kunstausstellung.
Die fortschreitende technologische Entwicklung
macht auch vor der Kunstszene keinen
Halt. Die Klassiker aus Museen werden mithilfe
von Audio, Video, Licht und interaktiven Elementen
neu zum Leben erweckt. So waren auch
in der Wiener METAStadt die Werke von Van
Gogh im multimedialen Stil bis Februar 2022 zu
sehen – aber ganz ohne die Originale. Die immersive
Kunstausstellung „Van Gogh Alive“ von
dem Unternehmen „Grande Experiences“ wurde
weltweit von beinahe neun Millionen Menschen
besucht. Anhand der Zahl lässt sich erkennen,
dass die multimedialen Ausstellungen keineswegs
nur auf Kunstinteressierte anziehend wirken.
„Wir wollen mit unseren Ausstellungen ein
Stück fremde Kultur in die Länder bringen und
so auch neue Zielgruppen in die jeweilige Thematik
einbeziehen“, so Rob Kirk, The Head of
Touring bei „Grande Experiences“. Klar ist, dass
Menschen nach Zugehörigkeit und dem Gefühl
von Beisammensein streben. Wir lieben es mit
Gleichgesinnten Neues zu erleben und sich ab
und an in eine andere Welt zu entziehen. „Als
Menschen sind wir von Natur aus neugierig und
wollen Dinge erforschen und erleben“, fügt Kirk
hinzu. Neben dem technologischen und finanziellen
Fortschritt im Bereich Audio- und Videotechnik
sind es auch die Standorte der Ausstellungen,
die ausschlaggebend für den Erfolg
sind. „Wir nutzen beabsichtigt unkonventionelle
Orte wie Fabriken, ungenutzte Gebäude, Lagerhallen,
Einkaufszentren – was auch ein Teil des
Reizes ist. Die Besucher*innen erwarten diese
Erfahrung nicht in einem traditionellen Umfeld“,
erklärt er diesbezüglich. Trotz des relativ hohen
Eintrittspreises von 25 Euro scheint sich das
Konzept seit über
zehn Jahren für „Grande Experiences“ zu bewähren.
Denn nach dem Erfolg von „Van Gogh
Alive“ strömen weitere auf gleichem Prinzip basierende
Ausstellungen anderer Unternehmen
auf den Markt. Beispiele dafür sind Ausstellungen
wie „Klimt – The Immersive Experience“
und „Monets Garten“. Jedoch kommt dabei die
Frage auf, warum diese Ausstellungen erst jetzt
ihren Aufschwung erleben.
Generation Z macht es möglich
„Wenn man sich den Zeitraum von 2009 bis fast
2017 ansieht, würde ich sagen, dass die Akzeptanz
für diese Art von immersiven Ausstellung
nicht so groß war“, argumentiert Kirk. Seither
hat sich jedoch einiges in der Gesellschaft getan.
Aufgrund des raschen technologischen Fortschritts
sind Smartphones nicht mehr aus den
Händen der jungen Menschen zu bekommen.
Der „7. OÖ. Kinder-Medien-Studie 2020“ der
„Education Group“ zufolge besitzen Kinder in Österreich
bereits zwischen sechs und zehn Jahren
ihr erstes Smartphone. Dabei zählen soziale
Netzwerke schon hier zur Basisausstattung. Die
Kinder von heute wachsen in einer Welt auf, die
sich in Bezug auf Technik und sozialen Medien
nicht mit dem Niveau von 2009 vergleichen lässt.
„Ich denke, es ist einfach die Akzeptanz, die diese
Generation mit der Technologie hat – man hat
sie jetzt in der Tasche und sie ist jederzeit verfügbar“,
stellt Kirk fest. Auch Ines Groß-Weikhart,
Leiterin der Kunstvermittlung und Tourismus der
Albertina, sieht darin Gründe für den Erfolg von
immersiven Ausstellungen. „Anscheinend trifft
es einen Nerv der Zeit, da kommt, glaube ich,
auch viel zusammen. Durch die Corona-Pandemie
sind die Leute digitalaffiner geworden oder
sind es auch gewohnt Kultur digital zu nutzen.“
Zusätzlich merkt sie an, dass die Generation
Z „ein ganz anderes Kulturverständnis als die
Generationen davor“ habe. Ebenfalls verändert
hat sich die Beziehung zwischen der Gen Z und
Unternehmen. Denn laut einer „Verizon Media“
Studie schätzen es mehr als die Hälfte der 18-
bis 24-Jährigen, wenn Unternehmen auf neue
und innovative Art mit ihnen in Kontakt treten.
„Die Art und Weise, wie man das (junge) Publikum
anspricht und unterhält, ist ein wichtiger Faktor
mit dem traditionelle Museen und Kunstgalerien
zu kämpfen haben“, fügt Kirk hinzu. Mit der
Adressierung der digitalaffinen Jugend hat das
immersive Kulturangebot keine Probleme. Durch
Videos zu den TikTok-Hashtags „vangoghalive“
oder „vangoghexhibition“ wurde der Trend der
multimedialen Erlebniswelt weiter angefeuert.
Dabei ist es kaum verwunderlich, dass Besucher*innen
die App TikTok für das Teilen ihrer
Eindrücke wählen. Eine US-amerikanischen Studie
des „Pew Research Centers“ hat ergeben,
dass 67 Prozent der US-amerikanischen
Ines Groß-Weikhart / © Privat
Rob Kirk / © Grande Experiences
Zwischen Pixel und Pinselstrich Thema
13
Teenager im Alter von 13 bis 17 Jahren TikTok regelmäßig
nutzen. Die Verbreitung von Foto- und Videocontent auf
sozialen Netzwerken wird erfreulich aufgefasst. „Ich denke,
dass unsere Position zu Social Media immer positiv
sein wird, denn wir machen so die Kunst einem breiteren
Publikum zugänglich“, sagt Kirk. Auch Groß-Weikhart
stimmt bezüglich des Teilens der Kunst auf Social Media
zu: „Insofern sehen wir das als absolut positive Entwicklung
und haben aus diesem Grund selbst eine Social
Media Abteilung im Haus.“
Zwickmühle zwischen Pixel und Pinselstrich
„Sie sehen sich nicht nur ein Gemälde an. Sie treten
in sie hinein und spüren die Kraft.“
Unterschiede nochmal deutlich. Während „Grande Experiences“
darauf abzielt, dass ihre Besucher*innen unterhalten,
begeistert und weitergebildet werden, ist das
Vermitteln laut Groß-Weikhart nur eine der insgesamt
vier Säulen eines Museums. Während „Grande Experiences“
darauf abzielt, dass ihre Besucher*innen unterhalten,
begeistert und weitergebildet werden, ist das Vermitteln
laut Groß-Weikhart nur eine der insgesamt vier
Säulen eines Museums. Laut ihr seien nach Definition
die drei weiteren Aufgaben das Sammeln, Bewahren und
Forschen.
Demnach stehen beide nicht unmittelbar in Konkurrenz
zueinander. Laut Groß-Weikhart sei es durchaus auch etwas,
was sich ergänzt und vielleicht nur in Wechselwirkung
existieren kann: „Immersive Experiences wäre nicht
möglich, gäbe es die Originale nicht – genauso kann aber
Mit diesem Satz wirbt die Wanderausstellung „Van Gogh
Alive“ auf ihrer Internetseite. Neben einer Schaustellung
aus Licht-, Ton- und Videoelementen ist es auch der
Duft aus Zypressen und Zeder, der die Besucher*innen
in die Welt der Gemälde von Van Gogh entführen soll.
Doch auch wenn sich die Werke über riesige Leinwände
schmiegen, scheint etwas nicht vollständig zu sein. „Das
Dreidimensionale geht verloren“, beschreibt Groß-Weikhart.
Pixel bleiben Pixel und können kaum mit Pinselstrichen
verglichen werden. „Niemals werden die Farben und
der haptische Eindruck so wiedergegeben, wie wenn ich
vor dem Original stehe“, so die Leiterin der Kunstvermittlung
der Albertina. Eine immersive Ausstellung hat einen
gewissen Reiz. Doch besonders in Zeiten, in denen das
Digitale unseren Alltag bestimmt, kann etwas Abstand
gut tun. „Was wir gemerkt haben, ist, dass die Leute in
die Albertina kommen, um das Museum als solches zu
erleben. Einen Ort zu erleben, der multimedial frei und
sehr analog ist“, erklärt Groß-Weikhart. Statt Duftnoten
von Zypressen und Zedern wahrzunehmen, können sich
Besucher*innen auch in Museen in eine andere Welt
entführen lassen. „Ich stehe vor etwas, was von vor 200
Jahren gemacht wurde und es ist dreidimensional, man
sieht die Farbbatzen und den Pinselstrich und man riecht
die Ölfarbe vielleicht noch – es ist eine andere Qualität“,
so Groß-Weikhart. Das Kulturangebot eines Museums
ist ein anderes als jenes einer immersiven Ausstellung.
„Deswegen haben wir auch begriffen, dass wir ein Ort sein
können, der Ruhe und meditative Stille vermittelt und wo
es keinen Leistungsdruck gibt“, beschreibt Groß-Weikhart.
Auch Rob Kirk teilt den Ansatz, dass Menschen aus
ihrem stressigen Alltag entfliehen wollen: „Viele Menschen
möchten einfach in eine Umgebung gehen, in der
man von der Außenwelt abschalten und die Erfahrung
genießen kann.“ Beide sprechen wichtige Punkte an, doch
die Entscheidung ob analog oder digital ist schlussendlich
der persönlichen Präferenz geschuldet.
Parallel nebeneinander existierend oder doch
in einem kombiniert
Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig sich zwischen
klassischen oder immersiven Kunstausstellungen entscheiden
zu müssen. „Ich glaube, dass es sich nicht unmittelbar
kannibalisiert, sondern etwas ist, dass sich gut
ergänzen lässt“, meint Groß-Weikhart. Beides sind Kulturangebote,
aber nicht beides ist Kunst. „Klar, es ist etwas,
das was mit Kunstwerken macht, aber wenn ich aus
dem Bauch heraus antworten würde, ist es keine Kunst“,
erklärt sie weiter. Auch die Aufgabenbereiche zeigen die
14
Thema Zwischen Pixel und Pinselstrich
auch eine immersive Ausstellung neugierig machen und
dazu anregen das Original anzusehen.“
Die Frage, ob Museen sich zukünftig multimedial rüsten
müssen, um junge Menschen erreichen zu können, spaltet
die Meinungen. Ein positives Beispiel für eine Kombination
aus gemalten Klassikern und Multimedia-Räumen
ist das „Van-Gogh-Museum“ in Amsterdam. Natascha
Mansvelt, Projektkoordinatorin des Museums, sieht die
Integration von multimedialen Elementen durchaus etwas,
das uns in Zukunft bleiben wird: „Ich denke, dass
immersive Ausstellungen in Zukunft immer populärer
werden – daher halte ich dies nicht für einen kurzfristigen
Trend.“ Je nach Museum kann eine Kombination aus
Multimedia und Klassik gut funktionieren. „Immersive
Erlebnisse sind ein unterhaltsamer Weg Kunst auf eine
neue Art und Weise kennenzulernen.“ Mansvelt betont
jedoch, dass dies nicht für alle Museen in Frage kommt:
„Ich würde anderen Museen zwar raten auch Multimedia
Experiences anzubieten, jedoch ist die Investition enorm
und kommt auch nicht für jedes Museum in Frage.“ Ein
Ende des Trends ist demnach nicht in Sicht. Digital oder
analog – beides wird uns wohl erhalten bleiben.
Patrizia Bruckner
© Redd F
Zwischen Pixel und Pinselstrich Thema
15
Die Zukunft der Unterhaltungsbranche
– Wie Computerspiele
die Filmindustrie verändern
Lange Zeit gingen die Spiele- und Filmindustrie weitgehend getrennte Wege.
Lediglich vereinzelte Adaptionen galten als transmedialer Content. Das soll
sich nun ändern. In einem Gespräch mit Drehbuchautorin Julia R. Waldner und
Jens Mehlan, Geschäftsführer von „k18“, hat SUMO herausgefunden, wie die
Zukunft der Filmindustrie aussehen könnte und welche Rolle die Computerspielbranche
in diesem Wandel spielt.
Julia R. Waldner / © jrw
Jens Mehlan / © Rainer Zettl
Wie die Filmindustrie von der
Game-Branche gelernt hat
Seit längerer Zeit wirkt es, als ob der Filmindustrie
die Ideen ausgehen würden. Eine
Neuverfilmung nach der anderen kommt
ins Kino. Kreativität scheint zu fehlen. Ein
neues Erfolgsrezept muss her. Und dieses
könnte in einer ganz anderen Branche
gefunden werden. Denn parallel dazu
entwickelt sich die Computerspielbranche
in rasantem Tempo weiter. Neue Möglichkeiten
realistisch aussehende Spiele zu
entwickeln, revolutionieren den Markt und
beeinflussen dabei nicht nur die Games der
Zukunft.
Von der Filmentwicklung, über die Finanzierung
und Produktion bis hin zur Vermarktung.
Viele Hollywood-Studios nutzen
mittlerweile Techniken, die man so nur von
der Spieleentwicklung kennt. Der Einfluss
der Spielebranche auf die Filmindustrie
nimmt immer weiter zu. So hat die Filmindustrie
in den letzten Jahren bereits das
eine oder andere von der Computerspielbereich
gelernt. Das Konzept der langen
Kameraaufnahmen ohne Schnitt wurde
beispielsweise von der Videospielperspektive
übernommen. Diese Art der Aufnahme
wird immer beliebter und wird inzwischen
sogar häufiger in Oscar-preisgekrönten Filmen
verwendet. Ein Beispiel dafür stellt
der Film „1918“ dar, in dem eine äußerst
imposante, knapp neun-minütige Aufnahme
zu sehen ist. Der deutsche Regisseur
Sebastian Schipper hat sogar einen ganzen
140-minütigen Film, „Victoria“ (2015), mit
nur einer Kameraeinstellung gedreht. Aber
auch Serien wie „The haunting of hill house“
übernehmen diese neue Art Bilder in Szene
zu setzten. Auch erste wirkliche Verschmelzungen
der Branchen wurden entwickelt.
Eine Möglichkeit eine Hybridform
aus Film und Computerspiel zu kreieren,
stellt beispielsweise der Film „Black Mirror:
Bandersnatch“ (2018) dar. In diesem
Film können Zuschauer*innen erstmals
selbst mitentscheiden, wie sich der
Handlungsstrang der Geschichte weiterentwickelt
und können so das Ende
des Filmes stark beeinflussen.
Nicht nur Techniken der Computerspielbranche
werden von der Filmindustrie
übernommen. Zusätzlich bieten Streaming-Anbieter
inzwischen auch ihre
eigenen Spiele an. Durch ihre neuen
Gamestudios kreieren Netflix und Amazon
laufend neue Games, die als Erweiterungen
ihrer beliebtesten Filme und
Serien dienen, wie das Spiel „Stranger
things: Puzzle tales“ zur Serie „stranger
things“.
Die Suche geht weiter
Die Verschmelzung der Branchen soll
hier noch nicht stoppen, denn noch wurde
keine neue Form der cineastischen
Unterhaltung gefunden. „Ein Grund dafür
warum ständig Bücher und Games
verfilmt werden, ist der, dass es dafür
schon eine existierende Fangemeinde
beziehungsweise ein Publikum gibt“, so
Drehbuchautorin Julia R. Waldner. „Beispielsweise
die Verfilmung des Computerspiels
‚,World Of Warcraft‘. Man geht
davon aus, dass alle, die das Spiel spielen,
auch den Film ansehen wollen. Es
ist im Grunde genommen ein Versuch
der Filmindustrie neue Zielgruppen zu
erreichen.“ Doch so einfach ist das nicht.
„Wie kann man etwas so erzählen oder
zwei Medien so verschmelzen lassen,
dass die Story für die Leute funktioniert?
Das ist genau die Frage“, sagt die Drehbuchautorin.
„Die Filmindustrie ist noch
auf der Suche nach dieser passenden
Erzählstruktur. Diese darf nicht genau
wie ein Film sein und sie darf sich nicht
genau wie in einem Game abspielen. Es
geht darum die richtige Erzählformel,
den richtigen Mix zu finden.
16
Thema Die Zukunft der Unterhaltungsbranche – Wie Computerspiele die Filmindustrie verändern
Ansonsten begleitet das Publikum immer auch eine gewisse
Enttäuschung darüber, dass diese Verschmelzung oder ‚,Übersetzung‘
ins andere Medium nicht ganz funktioniert. Es braucht
daher transmediale Stoffe, die Games und Filme im richtigen
Maß vereinen können und beide Fangemeinden befriedigen.
Solche Stoffe sind wichtig, um eine medienübergreifende Erzählstruktur
zu entwickeln beziehungsweise zu finden.“
Die revolutionäre Technologie der ‚Unreal Engine
5‘
Im Frühjahr 2022 veröffentlichten die Entwickler von „Epic
Games“ die neue „Unreal Engine 5“. Diese soll zusätzlich zu
den herkömmlichen Unterstützungen, die Entwickler*innen
ein technisches Grundgerüst gibt, um schnell und effizient
Spiele zu erstellen, nun unter anderem auch noch für fotorealistischere
Grafiken und ein generell optimiertes Open-World
Erlebnis sorgen. „Was die ‚,Unreal Engine 5‘ so besonders
macht, sind im Prinzip zwei Techniken: Einerseits die ‚,Nanites‘.
Das hat ermöglicht, dass man tatsächliche Fotos in Geometrie
zurückrechnen kann und diese dann in Echtzeit dargestellt
werden können. Und das Zweite nennt man ‚,Loomen‘ und
das ermöglicht in Echtzeit Sekundärbeleuchtung herzustellen.
Das macht es also für den*die Artist*in viel einfacher es zu verwenden“,
erklärt Jens Mehlan, Geschäftsführer von „k18“. Die
‚,Unreal Engine 5‘ soll in den kommenden Spielen, beispielsweise
bei dem neuen Spiel „The Witcher“, verwendet werden
und für unzählige Verbesserungen sorgen. Was bedeutet das
jetzt aber für die Filmindustrie? „Es vereinfacht den üblichen
Postproduktionsprozess im Gebiet der Visual Effects immens.
Das heißt theoretisch, in der vereinfachten Form, filme ich am
Set und bin fertig. Weil die Farbe, die von den LED-Walls auf die
Schauspieler*innen fällt, ist direkt die richtige. Das heißt, dass
ich gar nicht mehr an der Farbkorrektur arbeiten muss und die
Hintergründe werden direkt von den Engines generiert. Die
Schauspieler*innen sehen also, wo sie stehen müssen und ich
bin fertig. Das heißt, wenn ich es abdrehe, dann habe ich das
genauso in der Kiste als wäre man wirklich an so einem Set gewesen.
Theoretisch ist das so, praktisch gibt es dann natürlich
Limitierungen“, erzählt Mehlan. Games-Engines werden bereits
von Filmstudios für Teaser-Trailer und gelegentlich ganze
Filme genützt. „Die Zeit, die es normalerweise gedauert hat, so
eine Engine in einer Filmproduktion zu verwenden, war einfach
zu lang. Und dieses Problem wurde jetzt gelöst.“ Zukünftig wird
die „Unreal Engine“ aber auch immer mehr bei TV-Serien eingesetzt.
Ähnlich wie schon bei „The Mandalorian“ von Disney+.
Diese Verschmelzung von Film und Spiel soll zunehmen und
so neue Wege eröffnen.
Auf Entdeckungsreise durch neue Universen
Wo nun also Games-Technologie auf Filmgeschichte trifft,
steht die Filmindustrie trotzdem noch vor einer schwierigen
Aufgabe. Doch so langsam entpuppen sich erste Anzeichen,
in welche Richtung es gehen könnte. Denn zurzeit steigt das
Interesse an ganzen Universen. Ein Universum, in dem unzählige
Filme, TV-Serien und Videospiele stattfinden können.
Fiktionale Welten sollen sich also immer weiter entwickeln und
nicht nur auf einen Erzählstrang beschränken. „,Worldbuilding‘
wird in Zukunft eine Schlüsselrolle spielen. Man muss eine
Welt kreieren, die nach ganz eigenen Regeln funktioniert. Innerhalb
dieser Regeln findet dann die Handlung statt“, so Julia
R. Waldners Einschätzung.
Nach ähnlichem Prinzip funktionierte bereits das Matrix-Franchise.
Die Idee, dem Film ein Spiel hinzuzufügen, war damals
seiner Zeit weit voraus. Durch die Computerspiele wurde es
ermöglicht die Geschichten einiger Figuren zu erfahren. Jada
Pinkett Smiths Charakter wird hier beispielsweise tiefgründiger
erforscht. „Das ist eigentlich etwas, was es bei Games
auch gibt. Beim Erzählen wird mehr in die Tiefe gegangen. Im
Grunde genommen erforscht man eine neue Welt oder ein
neues Universum.“ Zurzeit kann man ähnliche Entwicklungen
im Marvel-Universum von Disney+ erkennen. So bekommen
einige Marvel-Figuren, wie „Loki“, ihre eigene Serie, die ihre
Geschichten über die „Avengers“-Filme hinaus erzählen.
Teil einer neuen Welt
In Zukunft könnte also eine Zusammensetzung aus Film, Serie
und Videospiel dafür sorgen spannende, transmediale Universen
zu kreieren, in denen sich die Fans regelrecht verlieren
können. „Dadurch, dass du dich auskennst in diesem Universum,
fühlst du dich als wärst du Teil davon. Umso wichtiger
ist es sich an die Regeln zu halten. Du kennst die Charaktere
und die Insider-Jokes. Es geht darum Teil von etwas Neuem zu
werden. Und dieses Erlebnis kann man mit anderen Fans teilen.
Es gibt einem ein Gefühl von Gemeinschaft.“ Das ist also nur
der Anfang einer großen Wandlung, die uns durch die zunehmenden
Verschmelzung Hollywoods mit der Gaming-Industrie
bevorsteht. Und mit den sich stetig weiterentwickelnden
Spielmechanismen könnten immer immersivere, interaktive
Universen entstehen.
Lena-Sophie Kornfeld
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Thema
17
© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai
Von der Idee bis zur
Umsetzung: Der
Schaffensprozess im Film
Wenn der Saal dunkel wird und auf der weißen Leinwand das erste Bild
erscheint, ist es ruhig. Der Film beginnt, die Augen des Publikums werden
langsam größer und die Außenwelt verschwindet. Das wäre der Idealfall
bei einem Kinobesuch, welcher nur dann zustande kommen kann, wenn
dabei interessante Geschichten erzählt und ansprechende Bilder gezeigt
werden. Spielfilm-Regisseur David Wagner und Filmporträt-Regisseur
und Produzent Reiner Holzemer sprachen mit SUMO über den Schaffensprozess
ihrer Filme und gaben einen Überblick, welche Phasen dabei
durchlaufen werden.
David Wagner / © Arend Krause
Reiner Holzemer / © Frank Bauer
Durch den Austausch mit Freunden und
Kreativen evaluiert Kurzfilm-Schaffender
und „Eismayer“-Regisseur David
Wagner, wovon seine neue Produktion
handeln könnte. Dadurch wird die Vorstellung
eines Films konkreter. Außerdem
findet er so heraus, was dabei gut
laufen würde oder was er überdenken
sollte. Dokumentarfilm-Regisseur Reiner
Holzemer hingegen überlegt sich,
welche Personen ihn interessieren,
welche Lebensgeschichten er näher
beleuchten möchte und welche Charaktere
er seinem Publikum näherbringen
will. Dabei wählt er hauptsächlich
Künstler*innen aus und recherchiert,
welche Geschichten diese Menschen
erzählen können und wollen und versucht
Kontakt aufzunehmen. In weiterer
Folge begleitet Holzemer den zu
Porträtierenden mit der Kamera so lange,
bis er das Gefühl hat, alle relevanten
Aspekte des Filmes und der Person eingefangen
zu haben.
Die Konkretisierung einer Idee
Im Gegensatz zu Filmporträts brauchen
Spielfilme ein Drehbuch, in dem
aufgeschrieben ist, welche Dialoge wie
verlaufen und an welchem Ort diese
stattfinden. „Immer wenn ich eine Idee
habe, überträgt sich diese sehr stark
auf einer bildlichen Ebene. So kann ich
mir die Entwicklung einer Szene besser
vorstellen“, beschreibt Wagner seinen
Denkprozess beim Schreiben. Während
des Verfassens eines Drehbuchs
können bereits potenzielle Schauspieler*innen
und mögliche Drehorte
gesucht werden, um Situationen noch
lebhafter gestalten und beschreiben
zu können. Die handelnden Personen
erhalten dann noch dazu passende
Kleidung und Requisiten. Diese Visu-
alisierung, basierend auf Recherchen,
hilft den Drehbuchautor*innen eine
Vorstellung davon zu bekommen, wie
Dialoge realistisch verlaufen könnten.
Währenddessen hören sich manche
von ihnen bereits Musik an, welche gut
in ihrem*seinem Film passen würde,
und schicken diese vorab zur Produktionsfirma.
Wagner fasst dies folgendermaßen
zusammen: „Es ist ein Prozess,
bei dem es schwer ist zu sagen, wo eine
Sache anfängt und aufhört – alles läuft
parallel ab.“ Freilich sieht der besagte
Prozess bei jedem anders aus, immerhin
handelt es sich bei einem Film um
ein künstlerisches Werk.
Der skizzierte Ablauf setzt voraus, dass
man sowohl Drehbuchautor*in als auch
Regisseur*in ist. Es kann aber auch
sein, dass das Drehbuch nicht selbst
geschrieben wurde, sondern mit einem
Werk einer anderen Person gearbeitet
wird. In diesem Fall fällt zwar der
Prozess des Verfassens weg, jedoch
müssen sich die Regisseur*innen genauso
überlegen, welche Musik, welcher
Schnitt oder welche Einstellungen
sie wählen wollen. Dabei kann eine
Produktion entstehen, die womöglich
nicht derselben Vision der Drehbuchautor*innen
entspricht. „Wenn ich ein
Drehbuch lese, egal ob es von mir ist
oder nicht, dann sehe ich einen Film.
Dann sehe ich meinen Film“, so Wagner.
Er beschreibt einen Unterschied, ob ein
fremdes oder eigenes Werk verfilmt
wird: „Beim eigenen entwickelt man
blinde Flecken.“ Deswegen braucht
es eine zweite Person, die das selbst
geschriebene Skript kritisch liest und
womöglich Verbesserungsvorschläge
liefert. Beim fremden Drehbuch ist
mehr Distanz vorhanden, wodurch ein
kritischerer Blick darauf geworfen werden
kann.
Von der Idee bis zur Umsetzung: Der Schaffensprozess im Thema Film
19
Die Filmförderung als Geldbeschaffung
Damit diese Ideen und möglicherweise bereits fertigen
Drehbücher umgesetzt werden können, bedarf es
einer Finanzierung. Dabei gibt es bestimmte Förderstufen,
bei denen Regisseur*innen anfragen können.
Zuallererst gibt es die Möglichkeit, die Stoffentwicklung,
also die Entwicklung des Drehbuchs, zu fördern.
Hierfür muss ein Treatment abgegeben werden, womit
die Förderstelle dann entscheidet, ob sie das Projekt
unterstützen möchte. Eine weitere Stufe bildet die Vorproduktion,
bei der wiederum die Organisation für den
Film gefördert wird. Darunter fällt unter anderem die
Bezahlung einer Produktionsfirma, das dazugehörige
Casting, das Location Scouting und die Teamzusammenstellung.
Weiters gibt es Fördermittel für die Herstellung
eines Films, darunter fallen beispielsweise der Dreh und
die Post-Produktion. Den Abschluss bildet die Verwertung,
für die nach Geldmitteln angefragt werden kann.
Das beinhaltet den Kinostart, die mögliche Teilnahme
bei Filmfestivals oder das Vermarkten der Produktion.
Bei Dokumentarfilmen oder Filmporträts werden zwar
dieselben Phasen durchlaufen, jedoch gibt es hierbei
kein striktes Drehbuch. „Im Vorhinein lassen sich die
dramaturgischen Grundlinien beschreiben, wie sich die
Regisseur*innen die Umsetzung vorstellen und welche
Themen behandelt werden möchten“, erzählt Reiner
Holzemer. Aufgrund dessen kann es dazu kommen, dass
das Endprodukt nicht mehr im Detail dem entspricht,
was zuvor ausgemacht wurde. Dessen ist sich die Förderstelle
bewusst und solange die Grundelemente nicht
verändert wurden, sollte es laut Holzemer keine Probleme
geben.
Der Schnitt als Kunstwerk
Nachdem die Förderung erhalten wurde und der Dreh
abgeschlossen werden konnte, geht es in den Schnitt
des Rohmaterials. Hierbei findet die Fortsetzung des
künstlerischen Prozesses statt. Es wird überlegt bei
welchen Einstellungen die gezeigte Szene am besten
funktioniert oder eben nicht. Dadurch kommt es dazu,
dass das Endprodukt nicht mehr genauso abläuft, wie
es das Drehbuch anfangs vorgab. „Eine schlechte Szene
kann einen guten Film kaputt machen“, meint Wagner.
„Wenn man diese schlechten Szenen entfernt und dadurch
mehrere Sequenzen vertauschen oder das Ende
an den Anfang geben muss, wird es dadurch anders sein
als zuvor geplant, aber vielleicht ein besserer Film.“
Bei Holzemer macht der Schnitt den Hauptteil der Kunst
aus. Eine Dokumentation hat in der Regel nämlich einiges
mehr an Bildmaterial als Spielfilme, deswegen
bedarf es einer genauen Evaluierung, wie der Film aufgebaut
werden soll. „Ich sichte das ganze Material im
Schnitt und bilde dann eine Grundstruktur. Dabei überlege
ich wo die Stärken des Films sind beziehungsweise
die Dreh- und Angelpunkte“, beschreibt Holzemer diesen
Prozess. Die Schwierigkeit ist umfassende Themen
oder das Leben eines Menschen in begrenzter Zeit so
ausführlich und einprägsam wie möglich zu zeigen.
Bildlich gesprochen: Die Entstehung eines
Films
Die Produktion eines Filmes fasst David Wagner in ein
Bild, das ihm ein isländischer Regisseur einst vorzeichnete:
„Du stehst am Ufer eines Flusses und möchtest
das andere Ende erreichen. Die einzige Möglichkeit, das
Wasser zu überqueren, ist so lange Steine hineinzuwerfen
bis langsam einzelne Inseln entstehen. Manchmal
verschwindet ein Stein sofort, andere Male bleibt er
hängen und hilft das Ziel zu erreichen“, erzählt David
Wagner. Manche Elemente bleiben also im Endprodukt,
andere müssen entfernt werden.
Leon Flurer
© Jakob Owens
20
Thema Von der Idee bis zur Umsetzung: Der Schaffensprozess im Film
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Thema Wenn der Kinosaal bebt – Wie technische Entwicklungen die Kreativität von Filmen beeinflusst
Wenn der Kinosaal bebt –
Wie technische Entwicklungen die
Kreativität von Filmen beeinflusst
Kugeln fliegen auf dich zu, eine kalte Brise bläst dir in den Nacken, Schweißperlen bilden sich auf
deiner Stirn, es schüttelt dich von links nach rechts, die Blitze schlagen neben dir ein. Solche Effekte
werden in manchen Kinosälen angewandt, um szenische Inhalte in Filmen von der Leinwand zu
holen und in den Saal hineinzubringen. Kinos mit den neuesten technischen Entwicklungen, wie
IMAX oder 5D-Kinos, bieten den Besucher*innen spannende Erlebnisse. Die Technik hat sich in den
letzten Jahren immens verändert und weiterentwickelt und damit auch die Filmbranche. SUMO
sprach mit dem Kommunikationswissenschaftler und Kurator der Ausstellung „medien.welten“ im
Technischen Museum Wien Wolfgang Pensold und dem Metropol-Geschäftsführer Mario Hueber
über technische Entwicklungen im Kino und deren Einflüsse auf die Kreativität der Kinofilme.
Daumenkinos kennen wir alle aus unserer Kindheit.
Wenn man die einzelnen Bilder ganz schnell
durchblättert, entsteht der Eindruck, als ob sich
das Bild bewegt. Im Grunde genommen sieht
man hier den ersten Schritt in der Filmgeschichte
auf dem Weg zu Blockbustern wie „Avatar“. Im 18.
Jahrhundert fing alles an, die Illusion von Bewegtbildern,
geschaffen durch die Aneinanderreihung
von Fotos. Im Laufe der Jahrzehnte wurde dann
eine Tonspur mit den Bildern verbunden – der
Tonfilm war geboren. Später kamen dann neue
Erfindungen wie der Farbfilm, um die Jahrtausendwende
Animationen fiktionaler Charaktere
und die 3D-Technologie.
Wie alles begann
Wolfgang Pensold erzählt, dass zu Beginn der
Entstehungsgeschichte des Films das Ziel der
Menschen war die Realität immer authentischer
auf der Leinwand abzubilden. „Man wollte die
Illusion erschaffen, dass die Menschen, die im
Publikum sitzen, bei den gezeigten Geschehnissen
selbst mit dabei waren und das Ereignis, das
gezeigt wurde, wie live miterleben. Wenn wir das
mit der Technik in Kinosälen heute vergleichen,
sehen wir bei 3D, 4D oder 5D die genau gleichen
Ansätze und Ideen“, so der Kommunikationswissenschafter
und Ausstellungskurator im technischen
Museum. Wirft man einen Blick zurück
in der Geschichte, ist zu erkennen, dass man
schon früh versuchte technische Innovationen in
Filmen anzuwenden (entsprechend der Evolution
im Bereich dieser, auszubreiten und verschiedene
Dimensionen mit in den Film einzubauen). Für
gegenwärtige Kinorezipient*innen sind technische
Gadgets wie die 3D-Brille neben dem Popcorn
fast Standardausrüstung. Zu einem 5D-Kino,
welches einzigartige Erlebnisse bietet, gehören
meist ein Regenmantel oder Gummistiefel. Durch
die eingesetzten Effekte will man möglichst viele
Sinne der Zuseher*innen beanspruchen. Blitz und
Donner oder gar ein Erdbeben können simuliert
werden, was zu einem, im wahrsten Sinne des
Wortes, mitreißenden Kinoerlebnis führt.
Dazu stellt man sich die Frage: Was macht das mit
der Kreativität der Filme selbst?
Möglichkeiten und Herausforderungen
von neuen Techniken
Die Versuchung ist groß, dass alle verfügbaren
Mittel genutzt und künstliche Effekte so oft
wie möglich angewandt werden. Wenn man
allerdings die Handlung der Filme nicht aus dem
Blick verlieren möchte, muss evaluiert werden,
ob diese Spezialeffekte eine Unterstützung oder
eine Behinderung der Geschichte sind. Pensold
meint, dass sehr wohl neue Möglichkeiten zur
kreativen Gestaltung geboten sind und solche
Effekte in der richtigen Dosierung den Nervenkitzel
erhöhen. Dadurch können die Zuseher*innen
in die Vision der Produzent*innen eintauchen
und diese mit allen Sinnen wahrnehmen.
„Durch die technischen Entwicklungen haben
Filmschaffende neue kreative Möglichkeiten“,
meint auch Mario Hueber. Er ist Geschäftsführer
der Metropol Kinos, welches in Sachen
Technik in Kinosälen auf dem neuesten Stand
ist. In diesen sind verschiedene Techniken eingebaut
wie die IMAX-Technik, welche sich auf
die Kameratechnik bezieht, 4DX, wobei einige
Effekte in den Kinosälen angewandt werden,
und Kinosäle mit einer 270 Grad Bildfläche.
Andererseits muss man beachten, dass auch
wenn die Produzent*innen der Filme eine einfallsreiche
Idee zur Anwendung von 5D-Effekten
bei ihren Projekten eingefügt haben, es
nicht viele Säle gibt, die mit dem entsprechenden
kostspieligen Equipment ausgestattet
sind. Dadurch kann es nicht zu einer Vereinheitlichung
der Kinos auf internationaler Ebene
kommen, wodurch der Markt für derartige Produktionen
gering ist. Aufgrund dessen machen
sich nicht viele Firmen die Mühe überhaupt mit
den Effekten zu experimentieren, denn nur eine
kleine Personengruppe hat Zugang zu entsprechenden
Spielstätten. Laut einer Statistik der
österreichischen Wirtschaftskammer gibt es in
Österreich 138 Kinos mit 565 Sälen, davon sind
Wenn der Kinosaal bebt – Wie technische Entwicklungen die Kreativität von Filmen beeinflusst Thema
23
346 in der Lage 3D-Filme abzuspielen, jedoch keine 5D-
Kinos. Außerdem wird durch alle zusätzlichen Elemente
die Magie der Bilderwelten durch zusätzliche Reize in gewissem
Maß verringert, wie Pensold erörtert. Es braucht
die richtige Dosis an Effekten zur richtigen Rührung der
Zuseher*innen, ansonsten kann es passieren, dass die
Sinne der Zuseher*innen so überflutet werden, dass sie die
wünschenswerten Reize gar nicht mehr registrieren oder
schlimmer noch, durch das Antizipieren von extravaganten
Tricks gar nicht auf die Handlung des Films geachtet
wird. Leidet durch diese Fokuslenkung nicht die Kreativität
der Filme? Aus einer künstlerischen Sicht muss man sich
eingestehen, dass nicht jedes Filmgenre durch verrückte
Techniken unterstützt werden kann. In nicht jedem Film
gibt es Szenen, bei denen das Wackeln der Sitze oder
simulierter Donner zum Erlebnis beiträgt. Oft wird Totenstille
im Kinosaal als Stilmittel von den Produzent*innen
antizipiert. Zusätzliche Effekte könnten hierbei die erwünschte
Reaktion zerstören. Pensold erklärt, dass dezent
angewandte Effekte durchaus interessant seien, vor allem
auf Seiten der Produzent*innen, die sich mit diesen spielen
und neue Ideen ausprobieren können. Wie profitabel die
Techniken dann sind, liegt an den Zuseher*innen, die die
Filme rezipieren und sich eine Meinung zu diesen bilden.
Die Rolle der Gesellschaft
Ob Kinos mit ausgefallener Technik der Renner sind oder ein
totaler Flop, hängt teils auch von der Kultur der Kinogeher*innen
ab, denn weltweit sind die Menschen unterschiedliche
Arten von Unterhaltung gewohnt. Mit dieser Art von Entertainment
hängt ein gewisses Maß an Adrenalinausstoß zusammen.
„Die ‚Digital Natives sind totale Adrenalin-Junkies.
Immer wenn sie ihre Social Media Kanäle aufrufen, sehen
sie den nächsten lebensgefährlichen Stunt oder krassen
Skandal – und das in 20 Sekunden-Videos“, so Pensold. Es ist
also eine Frage der Nachfrage selbst und der Besucher*innen,
die Filme mit solch technischen Besonderheiten rezipieren
wollen. Feststeht, dass die Kinosäle ein Erlebnis bieten, das
nicht leicht nachgeahmt werden kann, schon gar nicht auf der
Couch und mit Streamingdiensten zu Hause. Der Meinung ist
auch Hueber: „Streaming ist ein großer Konkurrent von uns,
allerdings bieten Kinos mehr und sind einfach besser, auch
wegen der spannenden Technologien. Durch unsere Premiumformate
kosten dann die Tickets auch ein wenig mehr,
aber unsere Kund*innen wissen: Zahle ich mehr, bekomme
ich mehr. Die besonders Filmaffinen meinen auch, die großen
Blockbuster muss man im Kino, im IMAX-Format, gesehen
haben.“ Weiters erklärt der Kinobetreiber, dass Österreichs
Kinobesucher*innen weniger am Preis der Tickets interessiert
seien, sondern mehr an der Leistung, die sie für ihre Zeit
bekommen. Die angebotenen Premiumformate, die in Österreich
sehr gut funktionieren, verwandeln den Ausflug ins
Kino in ein Erlebnis. Außerdem wählt die Mehrheit bewusst
Filmvorstellungen mit außergewöhnlichen Technologien. In
einem internationalen Vergleich kommen neue technische
Entwicklungen in Kinosälen bei den Österreicher*innen besonders
gut an. So gut, dass der Kinobetreiber auf jeden
Fall bereit wäre seine Kinosäle entsprechend neuer Technik
umzubauen.
Der Kampf zwischen Kreativität
und Technologie
Zu Beginn wurde geschildert, wie in den frühen Entwicklungen
nach realitätsnahen Darstellungen in Kinosälen gestrebt
wurde. Nach Jahrhunderten ist man hierbei fast in der Lage
tatsächlich in einen Film einzutauchen. Die 5D-Technologien
bieten aktuell, von einem technischen Standpunkt aus, noch
nicht die bestmöglichen Effekte, da diese noch ausgebaut
und neue Entwicklungen in der Zukunft vorgestellt werden
müssen. Die Nutzung der technischen Möglichkeiten, welche
derzeit verfügbar sind, ist also als sehr innovativ einzustufen,
denn: Einerseits haben wenige Rezipient*innen bisher so
eine Technik kennen lernen dürfen, andererseits gibt es nicht
viele Produzent*innen, der Zugriff auf die nötigen Ressourcen,
wie Budget oder entsprechend ausgestattete Kinosäle,
haben. „Es stellt sich auch die Frage der Nachfrage“, merkt
Pensold an. Er erklärt, dass jede*r Zuseher*in in unterschiedlichem
Ausmaß in eine Geschichte eintauchen möchte,
wobei einem die Technik diese Entscheidung gewissermaßen
abnimmt. Dadurch gibt es weniger Freiraum für die eigenen
Emotionen, welche Zuseher*innen im Laufe eines Filmes
selbst fühlen, wenn diese durch die sinnlichen Reize überlagert
werden. Auch Huebers Prognose geht in diese Richtung:
„Das klassische Kino ohne besondere Effekte ist durch
neue Technologien nicht zu verdrängen. Der erzählerische
Einfallsreichtum der Produzent*innen wird immer Dreh und
Angelpunkt bleiben.“
Wolfgang Pensold / © Verena Mandragora Ritzengruber
Luise Kopeszki
Mario Hueber / © Metropol Kinos
24
Thema Wenn der Kinosaal bebt – Wie technische Entwicklungen die Kreativität von Filmen beeinflusst
Endlich mal was Neues! –
Innovation und Kreativität im
altbekannten TV
Fernsehen beinhaltet für die Zuseher*innen immer eine Mischung aus einerseits Bekanntem,
Gewohntem und andererseits Neuem und Innovativem. Während die „ZIB“, der „Tatort“,
„Bauer sucht Frau“ oder „Die Barbara Karlich-Show“ für viele Österreicher*innen zu einem
unverzichtbaren in Inhalt und Aufbau vertrautem Teil der Alltagsroutine geworden sind,
bieten Sendungsformate wie „Tinderreisen“ oder „3 Am Runden Tisch“ Abwechslung und
Überraschung. Aber wie entstehen neue Formate? SUMO fragte bei Oliver Svec, Director of
Entertainment & License Acquisition beim Sender ATV, und Patricia Pawlicki, Moderatorin
und Redakteurin im ORF, über die Abläufe und die Protagonist*innen bei der Formatentwicklung
nach.
Grundsätzlich unterscheidet man im Fernsehen
zwei Grundformate: Unterhaltung und Information.
Es ist anzunehmen, dass im Bereich Unterhaltung
mehr Kreativität gefragt ist als im Feld der faktischen
Berichterstattung. Aber wie sehen das die
Expert*innen?
Das Unterhaltungsformat
Oliver Svec, früher Programmchef bei „Puls 4“, ist
jetzt als „Director of Entertainment“ bei „ATV“ zuständig
für alle Unterhaltungsformate sowie für
„Licence Acquisition“, also den Ankauf von Lizenzen
für Film, Serien oder Shows. Während Newsredaktionen
unter Zeitdruck recherchieren und senden
müssen, steht im Entertainmentsektor mehr Zeit
für Entwicklung und Produktion zur Verfügung. In
seinem Team hat Oliver Svec fünf Personen, die
sich gemeinsam um alle neuen Serien und Unterhaltungsformate
und deren Produktion kümmern.
Darunter seien Formate, die speziell für „ATV“ entwickelt
wurden und viele, die per Lizenz übernommen
wurden, die also bereits in ähnlicher Form
im internationalen Fernsehen liefen oder laufen.
Neue Formate, die kürzlich auf Sendung gingen,
sind beispielsweise „Forsthaus Rampensau“ oder
„Tinderreisen“. Der Ausstrahlung und Entwicklung
neuer Formate gingen im Team intensive Diskussionen
voraus.
„Tinderreisen“ wurde ursprünglich von „ATV“ für
das Format „ATV die Reportage“ selbst entwickelt.
Das ist eine Sendeschiene, unter der zur Primetime
Reportagen zu unterschiedlichen Themenfeldern
gesendet werden. In „Tinderreisen“ werden Protagonisten*innen
zu Dates im Ausland begleitet,
was vor allem junge Seher*innen ansprechen soll.
Da die Produktion nur einer Sendung zu teuer und
aufwendig gewesen wäre, wurden gleich drei Sendungen
gedreht, die dann so erfolgreich waren,
dass mittlerweile laut Svec jedes Jahr zwölf Folgen
pro Staffel entstehen. Die Produktion von Serien
und Shows wird aber meist an externe Produktionsfirmen
ausgelagert, da das im Normalfall sehr
aufwendig ist. „Für ein Produktionsprojekt braucht
man viele Leute in einem bestimmten Zeitraum.
Diese Zahl an Personen steht in einem regulären
Sendebetrieb gar nicht zur Verfügung. Deshalb wird
dieser Teil ausgelagert. ATV arbeitet mit sechs bis
acht Produktionsfirmen, die alle Formate liefern“,
erzählt Svec. Einzelne Serien, die in der Produktion
sehr teuer sind, würden auch von mehreren
Sendern in Kooperation gemacht. Das
ist nicht unüblich in der Branche, mittlerweile
arbeiten die Sender auch mit Streaming-Anbietern
zusammen. So wurde zum Beispiel „Die
Totenfrau“, eine Krimi-Bestsellerverfilmung, die
im November 2022 erstmals im „ORF“ ausgestrahlt
wurde, von „ORF“ und „Netflix“ koproduziert.
SUMO wollte außerdem wissen, ob
es auch Sinn macht einem Sender wie „ATV“ als
externer, kreativer Kopf Formatideen vorzuschlagen.
Dazu meint Svec: „Viele Leute, die mit
einer guten Idee kommen, unterschätzen den
Aufwand der Umsetzung. Die Hauptschwierigkeit
bei Reality-Formaten wie ‚,ATV die Reportage‘
oder ‚,Bauer sucht Frau‘ ist das Casting
der Protagonist*innen. Erst durch diese werden
die Formate aber möglich.“ Insofern wäre
es am besten die eigene Idee direkt an eine
Produktionsfirma zu richten. Im Gegensatz
dazu würden Talksendungen, Nachmittagsformate
und Informationssendungen inhouse
produziert, also von eigenen senderinternen
Produktionsteams und Redakteur*innen.
Lizenzerwerb- und Verkauf
Der Bereich Lizenzerwerb ist ein eigener Tätigkeitsbereich,
den Oliver Svec bei „ATV“ verantwortet.
Österreich selbst ist kein bedeutender
Produktionsmarkt. Die Lizenz für „Tinderreisen“
konnte aber kürzlich nach Belgien verkauft
werden. Der Großteil der Sendungslizenzen
wird in Österreich von großen Distributoren
angekauft, die sich speziell auf Lizenzhandel
spezialisiert haben. Die „Großen“ unter ihnen
heißen „Banijay“, „Freemantle“ oder „Talpa“. Sie
verfügen über große Formatkataloge und sind
auf den Kauf und Verkauf von Formatlizenzen
spezialisiert. Die Kosten für eine Lizenz berechnen
sich laut Svec folgendermaßen: „Eine
Lizenz für ein Format sind üblicherweise fünf
bis acht Prozent von den Produktionskosten.
So zahlt man zum Beispiel bei Produktionskosten
von 50.000 Euro einer Folge 2.500 bis
3.000 Euro an Lizenzgebühren.“
Aber wie wird sich die Fernsehlandschaft nach
Meinung von Oliver Svec künftig entwickeln?
Patricia Pawlicki / © Günther Pichlkostner
Oliver Svec / © Marlena Koenig
Endlich mal was Neues! – Innovation und Kreativität im altbekannten Thema TV
25
Hat das klassische Fernsehen überhaupt
eine Zukunft? Es gäbe laut Svec
zwar Veränderungen, schon in den letzten
Jahren wäre es zu einer Verlagerung
von Show-Formaten zu Reality-TV-Formaten
gekommen, ferngesehen würde
aber weiterhin. In den USA boomen
derzeit Quizsendungen, die hierzulande
noch weniger gezeigt werden. Manche
großen Kanäle wie „RTL“ produzierten
Formate auch nur für Streaming-Apps
wie das Abo-pflichtige „RTL+“. Diese
Tendenz werde vielleicht zunehmen, ist
aber in Österreich aufgrund der Kleinheit
des Marktes noch Zukunftsmusik,
sagt Svec. Die aktive und interaktive
Teilnahme von Seher*innen sei
und bleibe im klassischen Fernsehen
schwierig, weil die meisten Formate
vorproduziert werden. Social Media
würde aber sehr wohl als Werbe- und
Austauschmedium genutzt. Wie immer
die Zukunft für das klassische Fernsehen
aussehen wird, es braucht kreative
Köpfe für die Weiterentwicklung. Doch
wie gelangen Interessierte in diesen
Bereich? Laut Oliver Svec gäbe es keine
klassische Ausbildung für den Entertainment-Bereich.
Die meisten hier
Tätigen haben mit unterschiedlichen
Jobs bei Produktionsfirmen begonnen
und wachsen dort weiter. Als wichtige
Voraussetzung sieht Svec die Fähigkeit
mit verschiedensten Menschen gut
umgehen zu können. Das ist wohl eine
Eigenschaft, die auch Moderator*innen
von politischen Talkformaten zwingend
brauchen.
Raum für Innovation im Info-
Segment?
Petra Patricia Pawlicki ist Redakteurin
und Moderatorin beim „ORF“. Sie hat
in ihrer 30-jährigen Laufbahn schon
verschiedenste Informationsformate
gestaltet und moderiert. Pawlicki startete
ihre berufliche Karriere parallel zu
einem Studium der Politikwissenschaft
und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
als Regieassistentin beim
„ORF“. Sie arbeitete als Korrespondentin
in Berlin, sammelte erste Erfahrungen
bei „3Sat“ und hatte ihren ersten Moderationsjob
beim ORF in der Sendung
„Treffpunkt Kultur“. Danach moderierte
sie unter anderem die Politsendung
„Inlandsreport“, die Parlamentssendung
„Hohes Haus“ und den „Runden
Tisch“, eine politische Diskussionssendung.
Aktuell moderiert sie die Sendung
„Weltjournal“ auf „ORF 2“ und
die Sendung „3 Am Runden Tisch“, eine
Talkrunde zu aktuellen gesellschaftlichen
Themen. Wie beurteilt Pawlicki
die Wichtigkeit von Kreativität und Innovation
im Informationsformat? Die
Hauptaufgabe von Journalist*innen in
Newsformaten wäre gründliche und
umfangreiche Recherche. „Das schließt
aber Kreativität nicht aus. Sie ist einer
der wichtigsten Motoren von Journalismus,
denn nur wer kreativ denken will,
wird neue Fragen finden und neue Zugänge
zu Themen entwickeln können“,
betont Pawlicki. Das Sendungsformat
„3 Am Runden Tisch“ wurde beispielsweise
von Patricia Pawlicki selbst entwickelt.
„Meine Ausgangsidee war eine
Sendung, in der den Gästen mehr Zeit
und Raum gegeben wird. Ich wollte kein
Format machen, wo die eingeladenen
Expert*innen nach der Reihe abgefragt
werden, sondern konstruktiven Journalismus
bieten. Es sollen auch die Gäste
in eine Diskussion gebracht werden,
anstatt dass von der Moderatorin allein
die Fragen gestellt werden“, schildert
Pawlicki die initiale Idee zur Sendung.
Auch für die Kameraführung wurden
bei „3 Am Runden Tisch“ neue Wege
gesucht. Es gibt beispielsweise eine
Kamera, die die Vogelperspektive einnimmt.
Die Sendung ist nur 30 Minuten
lang, also recht kurzgehalten, was
den neuen Seher*innengewohnheiten
entspräche. Es ist immer ein gewisses
Risiko, neue Sendungsformate auszuprobieren
und auszustrahlen, vermutet
SUMO und so ist Patricia Pawlicki sehr
froh und dankbar, dass ihre Chef*innen
das Potenzial dieser Sendung erkannten,
die Sendung ermöglichten
und diese seit zwei Jahren erfolgreich
ausgestrahlt wird. Die Gästeauswahl
trifft Patricia Pawlicki in Teamarbeit mit
ihrer Redaktionsleiterin Barbara Wolf,
die seit vielen Jahren auch für die Sendung
„Im Zentrum“ tätig ist.
Raum für Kreativität und Innovation
gibt es also auch im Informationsformat,
denn diese würden hauptsächlich
„inhouse“. Was aber rät Patricia Pawlicki
Newcomer*innen, die in diesem Bereich
Fuß fassen wollen? Sie findet es
großartig, wenn sich junge Studierende
für die Bereiche Politik, News und Information
interessieren, denn gerade in
Zeiten von News-Channels und Social
Media würde es immer wichtiger, dass
fundierter Journalismus stattfindet. Ihr
Appell an Interessierte im Bereich Information:
„Bleibt kritisch. Schaut euch,
wenn möglich, viele verschiedene Medien
an. Geht ins Ausland. Versucht zumindest
drei Sprachen gut zu können
und haltet euch immer an die Regel:
check-recheck-double check.“
Das Resümee von SUMO: So unterschiedlich
die Formate Unterhaltung
und News auch dem Wesen nach sind,
Kreativität und Innovationsgeist sind
dort und da gefragt.
Leo Himmelbauer
26
Endlich mal was Neues! – Innovation und Kreativität im altbekannten TV
© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai
Thema
27
Online only: Müssen wir
Finanzierungsmodelle neu
denken?
Der Trend ist klar: Online, online, online. Nun ist auch bei den letzten Medien in
Österreich angekommen, dass sie Online-Inhalte produzieren müssen. Doch die
Zahlungsbereitschaft für qualitativen Journalismus im digitalen Raum steigt nur
langsam. Wer will schon für (Online-) Journalismus zahlen, wenn überall kostenlose
Inhalte zur Verfügung stehen? Im Gespräch mit Redaktion „andererseits“ und
„OKTO“ wird ausgeleuchtet, ob wir Finanzierungsmodelle neu denken müssen und
ob es neue Rahmenbedingungen für die Medienförderung braucht.
Christian Jung / © Sebastian Phillip
Clara Rotsch / © Laura Sanmartin Marco
Lukas Burnar / © Clara Sinnitsch
Katharina Brunner / © Stefan Fürtbauer
Soziale Netzwerke wie Instagram, TikTok
oder Twitter sind für Jugendliche heute
nicht mehr wegzudenken. Sei es für den
Austausch mit Freund*innen oder um auf
dem neusten Stand zu bleiben. Nachrichten
von Online-Medien zu beziehen, ist selbstverständlich
geworden und jedes Medium
ist sich dessen mittlerweile bewusst. In den
verschiedensten Redaktionen von „Kurier“,
„Falter“ bis hin zu „Heute“ werden die journalistischen
Inhalte auch für soziale Medien
aufbereitet. In Form von Kurzvideos, Infografiken
oder interaktiven Instagram-Stories
versucht man die junge Zielgruppe zuerreichen
– und das mit Erfolg.
Die letzten Jahre zeigen, dass die neue
Generation an Medienkonsument*innen
sich immer weiter von analog zu digital
bewegt. Online-Produktion ermöglicht niederschwellige,
kostenlose Information für
jedermann*frau, doch können sich Medien
so über Wasser halten? Laut dem „Digital
News Report 2022“ gibt es im Vergleich
zum letzten Jahr einen Anstieg von 1,5
Prozent an Personen, die für einen Online-Nachrichtendienst
bezahlt haben. Die
Zahlungsbereitschaft steigt seit Jahren an,
aber nur relativ langsam. Laut dem Report
greifen 82,7 Prozent der österreichischen
Bevölkerung ausschließlich auf kostenfreie
Online-Nachrichteninhalte zurück. Das
häufigste Bezahlungsmodell erfolgt noch
über eine Mitgliedschaft oder ein Abonnement.
Doch wie bewegt man Rezipient*innen
dazu für den genutzten Content auch
zu bezahlen?
Neue Ansätze
Als junges, digitales Medium stand die Redaktion
„andererseits“ im September 2021
vor vielen Überlegungen, wie sie ihr neues
Medium finanzieren möchte. Als erste österreichische
Redaktion, in der Menschen
mit und ohne Behinderung gleichberechtigt
journalistisch arbeiten, setzen sie auf
andere Strukturen als alteingesessene
Medien in Österreich. „Es war ein langer
Prozess ein Finanzierungsmodell zu finden,
das auch nachhaltig funktioniert. Wir
sind immer noch in der Entwicklungsphase
und probieren verschiedene Ansätze aus,
die sich immer wieder verändern können.
Jedoch ist der Schlüssel für uns mehrere
Standbeine zu haben. Es ist fast utopisch
zu glauben, dass man sich am Anfang nur
durch Abos finanzieren kann“, berichtet
Social Media Managerin Katharina Brunner.
Das Medium finanziert sich derzeit von
verschiedenen Abomodellen, Sponsorings
und Förderungen. „Wir setzen vor allem
auf Transparenz. Bei‚„andererseits“ fokussieren
wir uns stark auf unser Publikum.
Wir wollen die Leute mitnehmen und sie
so motivieren, uns auch finanziell zu unterstützen“,
erzählt Brunner. Das Medium produziert
im Rahmen von Themenschwerpunkten
wie zuletzt Thema „Spenden“, die
sich alle paar Monate neu finden. Im Zuge
dessen gehen sie Kooperationen ein, um
die produzierten Inhalte und Veranstaltungen
finanzieren zu können. Sponsorings
und Kooperationen sind für „andererseits“
derzeit essenziell. Im Gegensatz dazu nutzen
sie ihren Social Media Auftritt (noch)
nicht für Finanzierungszwecke. Vermarktung
über Social Media sei in dem Sinne
wichtig, dass sie Inhalte vermittelt, die
dazu führt, dass die Leser*innen auf die
Arbeit der Redaktion aufmerksam werden.
„Wir versuchen von Instagram die Brücke
auf unsere Website oder unseren Podcast
zu schlagen und durch unsere Inhalte zu
überzeugen uns auch finanziell zu unterstützen.
Zukünftig könnte man jedoch auch
auf Instagram auf bezahlte Kooperationen
eingehen“, schließt Katharina Brunner
nicht aus. Das Medium setzt besonders
auf Crowdfunding-Kampagnen. Sie ist der
Meinung, dass das Denken in Kampagne
sehr wichtig für junge, digitale Medien sei.
Nach jeder Kampagne sehe man, dass das
Medium sowohl von der Aufmerksamkeit
als auch durch viele Unterstützer*innen
einen Push bekommt. Ein Paradebeispiel
hierfür ist die von „andererseits“ produ-
28
Thema Online only: Müssen wir Finanzierungsmodelle neu denken?
© SUMO
zierte Dokumentation „Das Spenden-Problem“ über „Licht
ins Dunkel“. Diese hat in den deutschsprachigen Medien große
Wellen geschlagen und auch neue Abonnements gebracht,
wie Katharina Brunner bestätigt.
Herausfordernd scheint noch immer das Thema Förderung
zu sein. Der bürokratische Aufwand sei enorm und die Förderung
für digital-only-Medien sollte, laut „andererseits“ Geschäftsführer
Lukas Burnar in Österreich weiter ausgebaut
werden.
(Digitalisierungs-) Förderung und kleine
Medien
Die neue Digitalförderungsförderung wird noch dieses Jahr
von der „Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH“ (RTR)
ausgeschüttet. Auffällig ist, dass unter anderem große Medienhäuser
wie der „Krone-Verlag“, „Russmedia“, „Der Standard“
und die Mediengruppe „Österreich“ zu den größten Fördernehmern
zählt. Wie Mediensprecherin der „Grünen“ Eva
Blimlinger in einem ORF-Interview erklärte, gebe es keinen
klaren Rahmen für die Förderrichtlinien. Reine Online-Medien
sind von der Förderung ausgeschlossen und dies erschwert
den Markteintritt für junge, digitale Medien. Mit fehlender
Förderung hatte 2022 ein Medium besonders zu kämpfen:
„OKTO“. Besonders in Krisenzeiten müssten neue kreative
Lösungen her, erzählen Geschäftsführer Christian Jungwirth
und Marketing & PR Managerin Clara Rotsch im Interview mit
SUMO. Im April 2022 wurde dem ersten Community-Fernsehsender
in Österreich von einen auf den anderen Tag das
Fördergeld von der Stadt Wien gestrichen. Diese war eine Basis-Förderung,
die beispielsweise pauschal die Miete gedeckt
habe. Zwei Drittel der Einnahmen fielen plötzlich weg und
„OKTO“ musste so viel wie möglich innerhalb von Projekten
darstellen und Teile rein durch Erlöse finanzieren. „Ich habe
das Gefühl, dass wir nicht gewollt sind. Ungefähr 80 Prozent
unseres Programmes wird von Bürger*innen gestaltet. Meiner
Wahrnehmung nach wird das, was nicht steuerbar ist in
der Politik ungern gesehen. Durch unsere hohe Anbindung
an die Zivilgesellschaft hatten wir inhaltlich viel Programm
zur Klimakrise und standen auch eng in Verbindung mit den
Jugendlichen von ,Fridays for Future‘. Man muss nur eins
und eins zusammenzählen und weiß, dass das die Stadt
Wien ungern gefördert hat“, schildert Christian Jungwirth. Im
Interview mit dem ORF bestätigte die Stadt Wien, man stelle
die Förderung ein, da man einen linearen TV-Sender, wie in
diesem Fall „OKTO“, nicht mehr fördern wolle.
Kreativ werden
Sich neue Finanzierungsmodelle zu überlegen war in dieser
Situation unumgänglich. „OKTO“ bewegt sich im nicht-kommerziellen
Rundfunk und ist somit frei von Werbung. Bestimmte
Spezifika wie Kooperationen oder Partnerschaften
ermöglichen Handlungsspielraum, von dem sich der Sender
Online only: Müssen wir Finanzierungsmodelle neu denken? Thema
29
derzeit finanzieren kann. Beispielsweise über Auftragsproduktionen,
bei denen sie den Gewinn erwirtschaften können
oder durch Sponsorings, die für den nicht-kommerziellen
Rundfunk zugelassen sind. Auch die Projektförderung vom
Bund, dessen Fördertopf dieses Jahr um zwei Millionen Euro
erhöht wurde, bezieht der Sender. Laut RTR 360.000 Euro im
Jahr 2022. Auch wenn die Erhöhung dieses Jahr großes Glück
sei, reiche diese nicht, um den Betrieb wie vorher aufrechtzuhalten.
„Wir müssen die gestrichene Basisförderung der Stadt
Wien nun beispielsweise über Sonderwerbeformen wettmachen.
Wobei das ganze Modell von ‚,OKTO‘ nicht darauf
ausgelegt ist nur noch Sponsorings zu verkaufen, wenn unser
eigentlicher Fokus die niederschwellige Vermittlung von Medienkompetenz
sein sollte“, erklärt Clara Rotsch. Eine große
Chance und einen Doppelnutzen sehen sie in Kooperationen
mit verschiedenen Partner*innen. Sowohl das Self-Branding
als auch Leistungen, die zusätzliche Erträge bringen können,
werden so vorangetrieben. Sie arbeiten momentan zusammen
mit der Universität Wien an einem Projekt der „OSZE“
(Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa),
ein weiteres haben sie mit der Gewerkschaft „Vida“ bei der
„Arbeiterkammer Niederösterreich“ eingereicht. Geschäftsführer
Jungwirth sieht weitere Chancen in Kooperationen mit
internationalen Fernsehsendern. „OKTO“ sei mit Sendern
auf der ganzen Welt vernetzt und möchte auch hier wieder
andocken und sich unabhängiger von der österreichischen
Medienbubble machen. „Wir arbeiten noch immer daran
Projekte und Kooperationen auszubauen, aber in den ersten
Schritten ist schon ziemlich viel gelungen. Jetzt gilt es weiter
innovativ zu bleiben“, so Clara Rotsch.
Emilija Ilić
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Online Themaonly: Müssen wir Finanzierungsmodelle neu denken?
Die Faszination hinter OnlyFans
Die Online-Bezahl-Plattform OnlyFans ist in aller Munde. Stars wie Cardi B oder Bella Thorne verdienen laut eigenen
Aussagen bereits mehrere Millionen Euro mit ihrer Präsenz auf OnlyFans. Das lockt viele Amateur*innen an, die mit
ähnlich freizügigen Fotos ebenso viel Profit aus ihren nackten Körpern schlagen wollen wie ihre Idole. Um herauszufinden,
wie kreativ und innovativ es ist den eigenen Körper freizügig im Netz zu verkaufen, obwohl es solche Fotos
bereits massenhaft kostenlos gibt, sprach SUMO mit der OnlyFans-Creatorin und Psychologin Sarah Brachmann
sowie dem Fotografen Konstantin Mikulitsch.
„Ich hab‘ einen roten Benz dank OnlyFans,
ich glaub, ich bin jetzt Millionärin“ ist eine
Zeile aus einem mehr als bekannten Lied,
die wohl bei fast jedem jungen Menschen
einen Ohrwurm auslöst. Der Song von
Rapperin Katja Krasavice, der mit seinen
rund 17,8 Millionen Aufrufen auf Spotify
(Stand: 12.12.2022) inzwischen wohl
Kult-Status erreicht hat, steht jedoch
nicht nur für sexy Dessous und heiße Fotos,
sondern unterschwellig auch für die
Message, dass auf der Online-Plattform
OnlyFans schnell und leicht Geld verdient
werden kann. Doch so verlockend diese
Einnahmequelle auch klingt, so gefährlich
ist und unterschätzt wird sie. Besonders
junge Frauen sind von dem vermeintlichen
Geschäftsmodell fasziniert. Doch
nicht nur der Aspekt der Gefahr lässt Fragen
offen.
Auch die Frage, wie kreativ und innovativ
es ist, leicht bekleidete und/oder nackte
Fotos von sich auf solch einer Plattform
zu teilen, stellt sich. Denn pornografische
Inhalte gibt es Forschungen zufolge
schon seit es Menschen gibt. So schrieb
der „Der Standard“ 2019 in seinem Artikel:
„Wo Menschen, da auch erotische
Darstellungen – in welcher Form auch
immer.“ Seit damals ist jedoch einiges
passiert. Der Zugang zur Pornografie
ist besonders in den letzten Jahren und
durch das Internet immer leichter geworden.
So ist es auch nicht schwer an kostenloses
Material zu kommen. Wozu also
Geld für etwas ausgeben, das man auch
gratis bekommen kann? Daraus ergibt
sich eine weitere und interessante Frage:
Was macht Content auf OnlyFans so
kreativ und neuartig, dass Menschen bereit
sind, ihr Geld auszugeben, um solche
Inhalte auf der Pay-Plattform zu sehen?
Geldmaschine OnlyFans
Für all jene, die nicht zur Gen Z gehören,
daher auch kein Smartphone zum dritten
Geburtstag geschenkt bekommen haben
und somit kein „Digital Native“ sind, der
mit digitaler Technologie aufgewachsen
ist, hier zuerst ein kleiner Crashkurs was
die Plattform überhaupt ist.
Die Online-Plattform OnlyFans wurde
2016 von Timothy Stokely gegründet.
Doch sowohl über ihn als auch über die
Betreiberfirma Fenix International Limited
mit Sitz in London ist nur wenig
bekannt. Auf der Plattform kann grundsätzlich
jede Art von Content angeboten
werden, solange sie legal ist. Doch
im Gegensatz zu anderen Social Media
Plattformen verbietet OnlyFans pornografische
Inhalte nicht, weswegen die
Plattform besonders bei Menschen aus
der Erotikbranche und freizügigen Influencer*innen
beliebt ist.
Auf Nachfrage des deutschen Nachrichtenportals
„Der Spiegel“ gab OnlyFans
2020 an über 24 Millionen registrierte
Benutzer*innen auf der ganzen Welt
zu haben. 500.000 davon seien sogar
selbst Content-Creator*innen. Letztere
verdienen damit Geld, dass sie Inhalte
wie Fotos oder Videos auf der Online-
Plattform hochladen und gegen eine
monatliche Gebühr zur Verfügung stellen.
Besonders lukrativ für die Inhalteanbieter*innen
ist, dass sie mit ihren
Fans direkt über die Plattform chatten
können. So können sich die Fans personalisierte
Inhalte wünschen, welche
ebenfalls als Leistung verkauft werden
können. Wie viel ein monatliches
Abonnement auf OnlyFans kostet, ist
unterschiedlich und kann von jedem*jeder
selbst festgelegt werden. Die Plattform
gibt jedoch einen Mindestpreis von
4,99 Dollar und ein Maximum von 49,99
Dollar vor. Natürlich verdient nicht nur
der*die Inhalteanbieter*in. So gehen 20
Prozent der Einnahmen an OnlyFans, die
restlichen 80 Prozent wandern in die
Tasche des*der Ersteller*in. Doch diese
Aufteilung ist nicht unbedingt schlecht,
wie Fotograf Konstantin Mikulitsch findet:
„Durch OnlyFans bleibt mehr Geld
bei den Akteur*innen über als es klassisch
bisher war. Bei Magazinen oder
Pornos sind noch andere Beteiligte dazwischen.
So geht aber viel an den*die
Creator*in selbst.“ Dieses innovative
Geschäftsmodell ist wohl das, was OnlyFans
für viele so attraktiv macht.
Selbstbestimmte
Sexualisierung
Eine dieser Creator*innen ist Sarah
Brachmann. Die Deutsche erstellt Inhalte
für OnlyFans und gibt auf ihrem You-
Tube-Kanal Tipps zu OnlyFans. Jedoch
ist dies nicht ihre einzige Einnahmequelle,
wie sie erzählt: „Ich bin Psychologin
und habe zuletzt forensische Sachverständigengutachten
verfasst und Sexualstraftäter
therapiert. Die emotionalen
und psychischen Belastungen, die diese
Tätigkeiten mit sich bringen, waren sehr
hoch.“ Auch für sie erschien der Gedanke
an schnelles Geld interessant. Allerdings
sei der Gedanke naiv, wie sie selbst sagt,
denn eine erfolgreiche Unternehmensgründung
funktioniere in keinem Bereich
über Nacht. Trotzdem wagte die
28-Jährige den Schritt: „Die Idee dahinter
war ursprünglich, einen Weg zu finden
mit der die dauerhafte Sexualisierung,
die ich in meinem Leben erleben durfte,
monetarisiert werden kann.“ Damit
zielt sie auf die „generell, ständig stattfindende
Sexualisierung von Frauen in
der Gesellschaft“ ab. Anstatt sich über
die Umstände zu ärgern, wollte sie das
Problem eigenmächtig lösen. Mit ihrer
Entscheidung ist Brachmann mehr als
zufrieden: „Am meisten Spaß macht mir
die persönliche Weiterentwicklung. Es
ist eine unglaublich spannende Tätigkeit,
bei der ich viele Menschen glücklich
machen kann.“
Knochenjob
Um ihren Abonnent*innen qualitativ
hochwertigen Content zu bieten, verbringt
die 28-Jährige täglich rund vier
bis sechs Stunden damit Inhalt für OnlyFans
zu produzieren. Sie erklärt, dass
die Arbeit intensiver sei als viele denken.
So müssen auch die anderen Social Media
Kanäle gepflegt sowie der Kontakt
zu den Follower*innen gehalten werden.
Fotos nimmt sie meist allein auf. „Für
Videoaufnahmen gibt es immer eine*n
Kamerahalter*in, da bewegte Aufnahmen
deutlich ansprechender sind. Hier
Die Faszination hinter OnlyFans Thema
31
Sarah Brachmann / © Sarah Brachmann
Konstantin Mikulitsch / © Konstantin Mikulitsch
arbeite ich gerne mit anderen
Creator*innen oder Darsteller*innen zusammen.
So entwickeln wir uns weiter und
unterstützen uns gegenseitig“, erklärt sie.
Brachmann möchte ihren Abonnent*innen
durch ihre Hingabe so einen Grund geben,
sie auch im nächsten Monat wieder zu
abonnieren. Denn nur das garantiert ihr ein
regelmäßiges Einkommen.
Dafür bietet die Deutsche ihren Follower*innen
auch so einiges, wie sie sagt: „Ich produziere
meist sexuelle Fantasien in Form von
Nachrichten, Sprachaufnahmen, Bild- und
Videomaterial. Jede Erfahrung wird von mir
individualisiert – bedeutet du bekommst nur
den Content zu sehen, der zu deinen Neigungen
und Wünschen passt.“
Nackt ist nicht gleich Kunst
Auch Konstantin Mikulitsch verdient sein
Geld mit sinnlichen Bildern – nur ein bisschen
anders. Der St. Pöltner fotografiert
Menschen, hauptsächlich Portraits und
Boudoir. „Der Begriff Boudoir-Fotografie
ist nicht klar definiert. Es ist eigentlich alles,
wo es darum geht den menschlichen
Körper darzustellen. Das kann ich mit Gewand,
das kann ich ohne Gewand. Boudoir
kann auch Akt sein, muss es aber nicht“,
erklärt er. Er erzählt, dass viele Menschen
Schwierigkeiten mit dem eigenen Körper
hätten. Durch eine Boudoir-Session kann
er seinen Kund*innen zu mehr Selbstbewusstsein
verhelfen. Mikulitsch sieht sich
jedoch selbst nicht als Künstler. Für ihn ist
die Fotografie ein Handwerk, dass jedoch
in Richtung Kunst gehen kann, wenn man
es beherrscht.
Das Stichwort Kunst führt nun unweigerlich
zur Frage zurück, wie ästhetisch solche
Bilder grundsätzlich, aber auch auf der
Plattform OnlyFans, sind. Der Fotograf hat
dazu eine klare Meinung: „Es ist nicht Kunst,
nur weil jemand nackt auf einem Foto ist.
Das Schwierige an Kunst und Kreativität
ist, dass es subjektiv ist. Man kann mit
nackten Körpern schöne Fotos machen.
Aber nicht jedes Foto von einem nackten
Körper ist auch schön.“ Inwiefern solche
Fotos ästhetisch sind, ist also Ansichtssache.
„Ich persönlich glaube, dass meine
Arbeiten tatsächlich Kunst sind. Wenn ich
es schaffe Menschen mit meiner Arbeit tief
zu berühren, ohne sie jemals live gesehen
zu haben, ist das für mich eine Kunst“, sagt
Brachmann dazu.
Das Bedürfnis nach Nähe
Was jedoch OnlyFans als Plattform so
erfolgreich macht, ist wohl nicht nur die
Darstellung nackter oder leicht bekleideter
Körper. Viel mehr spielt die zwischenmenschliche
Beziehung, die zwischen
dem*der Inhalteersteller*in und den Fans
entsteht, eine große Rolle. „Ich kann natürlich
ins Internet gehen und Nacktfotos
suchen, aber auf OnlyFans finde ich Nacktfotos
von einer bestimmten Person. Da ist
man dann auch eher bereit Geld dafür zu
bezahlen, um zu sehen, was auch immer
er*sie dort macht“, schätzt Mikulitsch. Psychologin
Brachmann erklärt das Bedürfnis
aus fachlicher Perspektive: „Es ist der
Wunsch nach persönlicher Bindung, es ist
die Exklusivität und das Verbotene. Oft ist
es auch das viel realere Leben einer Person,
als es auf Social Media dargestellt wird. Am
Ende ist es die persönliche Bindung, die den
Hauptunterschied zu anderen Optionen im
Internet darstellt.“
Kritische Stimmen
Auch wenn OnlyFans einige Vorteile mit
sich bringt, darf man die Kehrseite der Medaille
nicht außer Acht lassen. Besonders
junge Frauen erhoffen sich von der Plattform
das schnelle Geld, in dem sie sich
für Fotos ausziehen. Über Folgen für das
spätere Leben wird oft nicht nachgedacht.
Doch auch Erwachsene sollten wachsam
sein, denn niemand kontrolliert, ob die
Creator*innen auch einhalten, was sie versprechen.
Das Geschäft mit der Freizügigkeit
bleibt also weiterhin riskant.
Vanessa Huber
32
Thema Die Faszination hinter OnlyFans
Magdalena Kanev
Meinungsbeitrag:
„BeFake“ lautet die Zukunft der Gesellschaft
Wir schreiben das Jahr 2023. Zwei Franzosen, Alexis Barreyat und Kevin Perreau, Gründer des im Pandemiejahr
durchstartenden sozialen Netzwerks „BeReal“, beweisen neuerlich ihr Gespür für den Zeitgeist
und sorgen für umsatzstarke Zahlen.
„BeReal“ ist der Name des sozialen Netzwerks, das
2020 von Alexis Barreyat und Kevin Perreau an den
Markt gebracht wurde, allerdings erst im Sommer
2022 im deutschsprachigen Raum große Bekanntheit
erlangte. Mit der Idee eine App zu kreieren, die sich
von den Mainstream Medien Instagram, TikTok und
Co. unterscheidet, wollten die beiden Erfinder ein klares
Zeichen für Echtheit in der digitalen Welt setzen.
Zudem sollte die App die Abhängigkeit von sozialen
Medien und deren übermäßiger Nutzung reduzieren,
da nur einmal am Tag Fotos aufgenommen und diese
auch nicht bearbeiten werden können. Sobald man
die Benachrichtigung bekommt, hat man als Nutzer*in
kurze zwei Minuten Zeit, um eine Momentaufnahme
von sich selbst (Frontkamera) sowie von dem
derzeitigen Umfeld (Hauptkamera) zu schießen. Wer
außerhalb dieses Fensters postet, bekommt ein „late“
als Zusatzinformation. Auch die Wiederholungen der
getätigten Fotoversuche werden angeführt, damit
im Sinne der Echtheit auch wirklich alles transparent
gemacht wird.
So weit, so gut. Doch im Jahr, in dem wir mit Corona
leben lernten, langweilt Echtheit zunehmend.
„Realness“ ist out und instinktsicher entwickelt das
französische Duo deshalb eine neue Plattform gegen
den drohenden Ennui. „BeFake“ lautet die Zukunft
der Gesellschaft. Die neue App ermöglicht den Nutzer*innen,
ein perfektes Fake-Leben, ganz nach ihren
Wünschen, zu kreieren – je authentischer dieser Fake
gelebt wird, desto mehr Likes werden generiert. Und
wie wir alle wissen, sind Likes enorm wichtig für ein
erfolgreiches und erfülltes „Sozialleben“. Sie fragen
sich, wie das alles funktionieren soll? Anhand neuerster
Telepathie-Technologie ist es binnen Sekunden
möglich, sich auf den Red Carpet der gerade stattfindenden
Grammy-Verleihung zu beamen oder mit
einem Glas Champagner in der Karibik herumzuflanieren.
Das Posting-Konzept mit dem Zeitfenster von
zwei Minuten bleibt übrigens im Pendant erhalten,
damit die Nutzungsabhängigkeit weiterhin gefördert
wird. Das Ziel hierbei ist es, vor allem Kinder im Volksschulalter
so stark wie möglich an ihr nagelneues
„iPhone 50“ zu fesseln damit auch die Arbeitsplätze
zukünftiger Suchttherapeut*innen gesichert sind. Win
win eben! Ganz klar.
Was die beiden enthusiastischen Franzosen für die
Zukunft planen, wird sich noch zeigen. Fest steht, wir
sind in einer neuen Ära angelangt. Eine Ära, in der die
Begriffe Identität und Echtheit neu definiert werden.
Eine Ära, in der Selbstinszenierung an erster Stelle
steht, koste es was es wolle. Und eins ist sowieso
klar: wer nicht mitmacht, der bleibt außen vor. So you
better BeFake, than be out.
Magdalena Kanev
„BeFake“ lautet die Zukunft der Gesellschaft Thema
33
34
Thema
© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai
Der Titel ist Kunst
„Wir trafen Jesus in der Mittagspause, kurz vor der Kreuzigung.“ Kaum eine Person wird
es schaffen nach solch einem Einstieg den darunter stehenden Text nicht zu lesen. Dieser
Titel ist übrigens nicht aus der Bibel, sondern aus einem Artikel des Magazins „Stern“ und
handelt von einem Passionsspiel in Florida. Die Illustrierte hat somit geschafft, was wir
Journalist*innen alle wollen. Nämlich, dass unsere Texte auch gelesen werden. Damit dies
geschieht, braucht es einen Köder. Ähnlich wie beim Angeln, werfen wir Journalisten*innen
diesen aus und hoffen, dass unsere Leser*innen anbeißen. Und genau dieser Köder ist
der Titel. Damit die Titelfindung in Zukunft leichter gelingt, sprach SUMO mit den beiden
Journalisten Jonas Vogt und Max Steiner über den perfekten Titel.
„Der Titel ist letztendlich das, was Leute zum
Lesen eines Textes bringt. Wir wissen durch die
Möglichkeiten des Trackings, die wir vor allem
im Online-Journalismus haben, dass sehr viele
Menschen nur den Titel lesen oder zumindest
sehr früh aus Texten aussteigen“, erklärt Jonas
Vogt, freier Journalist und Reporter. Er schreibt
dabei vor allem für „Der Standard“ und „Die Zeit“.
„Ein guter Titel ist somit das, was Leute zum
Lesen eines Textes bringt und auch einen gewissen
Spin für den Rest mitgibt. Sprich, wenn
ich einen Titel lese, habe ich danach bereits eine
gewisse Erwartung an den Rest des Textes und
in welche Richtung dieser geht“, so Vogt weiter.
Wer also will, dass sein Text gelesen wird, sollte
viel Wert auf seine Titel legen. Ähnlich sieht das
auch Max Steiner, Redakteur bei der größten
Lokalzeitung Niederösterreichs, den „Niederösterreichischen
Nachrichten“ (NÖN). „Bei den
meisten Texten ist der Titel das Wichtigste.
Wenn nicht schon ein dazugehöriges Foto wirklich
viel aussagt und so die Aufmerksamkeit auf
den Text gelenkt wird, muss man es über den
Titel richten.“ Dieser Umstand ist in der Branche
auch durchaus bekannt. Viele Verlage messen,
vor allem bei Online-Artikeln akribisch, wie oft
ein Artikel geklickt wird und wie lange die Leser*innen
auf dem Artikel bleiben. So kann es
auch passieren, dass bereits veröffentlichte Artikel
wenige Stunden später eine komplett neue
Headline bekommen. Diesen Vorgang nennt
Volker Wolff in seinem Buch „Zeitungs- und
Zeitschriftenjournalismus“ schon fast als Norm.
Ob man den Titel nun gleich zu Beginn und noch
vor dem Text schreibt oder erst im Anschluss
an einen fertigen Text anhängt, sei dabei aber
relativ egal und eher Geschmackssache. „Das
ist immer unterschiedlich. Wenn ich bereits eine
Idee für die Story habe, schreibe ich den Titel am
Anfang, das hilft dann auch als Fixpunkt für den
Text, der folgt. Bei alltäglichen Storys schreibe
ich den Titel aber auch oft erst am Schluss“, erklärt
Max Steiner. „Wichtig ist, dass man sich
genug Zeit nimmt, um einen guten Titel zu finden,
auch wenn es vielleicht mal etwas länger
dauert“, so der NÖN-Redakteur. Oft hätte er
zwar gleich auf Anhieb eine gute Idee, manchmal
würde die Titelfindung aber auch länger
dauern. Ein guter Titel braucht nun mal etwas
Zeit und da kann es sein, dass sogar erfahrene
Journalist*innen bis zu 15 Minuten überlegen,
um einen passenden Titel zu finden. Laut Jonas
Vogt müsse sich der betriebene Aufwand aber
immer am Zweck der Story orientieren. „Grundsätzlich
sollte dem Titel beim Schreiben schon
die meiste Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Vor allem bei Storys, wo ich weiß, dass sie besonders
wichtig sind, muss der Titel super sein
und dem Text entsprechen. Bei mittelmäßigen
Storys kann ich auch mal mit einem mittelmäßigen
Titel leben“, meint hierzu Vogt.
Der Boulevard lebt von Signalwörtern
Über die Wirkung der Titel braucht man also nicht
weiter diskutieren. Dass diese das wichtigste Element
eines Textes sind, wurde SUMO sowohl von
Max Steiner als auch Jonas Vogt bestätigt. Nun
gibt es aber je nach Medienunternehmen unterschiedliche
Kriterien bei der Titelfindung. So lebt
vor allem der Boulevardjournalismus von starken
Signalwörtern und reißerischen Titeln. Wörter wie
Hölle, Skandal, Hammer und Anschlag sind hier
keine Seltenheit und werden meist im Überfluss
verwendet. Denn im Boulevard gelten vor allem
zwei Kriterien als wichtig: auffallen und polarisieren.
„Im Qualitätsjournalismus kann man mit
solchen Signalwörtern durchaus sparsamer umgehen
und muss solch stark schreienden Wörter
nicht unbedingt verwenden“, weiß Vogt. Die Artikel
würden vom Publikum des Qualitätsjournalismus
auch ohne diese reißerischen Signalwörter
gelesen werden. Im Lokaljournalismus hat man
das Problem, dass ein zu reißerischer Titel sowieso
eher selten ist. „Es würde nicht sinnvoll
sein, wenn ich zu ausgefallene Titel verwende. Die
Storys der Chronikgeschichten gehen hier oft noch
in die spannendste Richtung, was den Titel betrifft,
wobei ich auch hier keinen Titel wie ‚,Der neue
Superverbrecher aus St. Pölten‘ schreiben würde“,
erklärt Max Steiner. Gerade im Lokaljournalismus
sei es wichtig eine Balance zu halten zwischen
interessanten Titeln, dabei aber auch die Ethik
von Opfern und der vermeintlichen Täter*innen zu
wahren. „Vor allem bei den Fällen, wo noch nichts
von einem Gericht bewiesen wurde, ist es wichtig
die Beschuldigten nicht als verurteilt hinzustellen.
Dazu kommt im Lokaljournalismus natürlich, dass
man die Personen auch des Öfteren persönlich
Jonas Vogt / © Nikolaus Ostermann
Max Steiner / © NÖN Nadja Straubinger
Der Titel ist Thema Kunst
35
trifft“, weiß Steiner. Größere Unterschiede gibt es nur bei
den verschiedenen Textsorten. Während bei Nachrichten die
Headline bereits kurz und bündig erklären soll, was die Neuigkeit
ist, gibt es für Meinungsbeiträge und Kommentare ganz
andere Kriterien. So beschreibt auch Volker Wolff im Buch
„Zeitungs- und Zeitschriftenjournalismus“ die Überschrift eines
Kommentars als eine intelligente Art und Weise die Tendenz
der Meinungsäußerung anzuzeigen.
Drei Tipps für den perfekten Aufmacher
Obwohl einige Kriterien für Titel, je nach Medienunternehmen
und Textsorte, unterschiedlich sein können, gibt
es doch drei Punkte, die für jeden Headliner gültig sind und
helfen einen passenden Titel zu finden. „Ich gebe den Leuten
da immer drei Tipps mit. Erstens den Titel immer aktiv
schreiben“, erklärt Jonas Vogt. So ist es zum Beispiel immer
besser zu schreiben „Kanzler Nehammer beschließt Strompreisbremse“,
als „Strompreisbremse wurde von Kanzler
Nehammer beschlossen“. „Als zweiten Tipp lege ich immer
nahe Reizwörter zu verwenden. Diese müssen ja nicht unbedingt
gleich so starke Wörter wie Skandal oder Horror
sein. Wenn ich einen Text über die Ortschaft Klosterneuburg
schreibe und Klosterneuburg im Titel steht, gilt auch das
als Signalwort“, so Vogt weiter. „Drittens den Titel immer
kurz und knackig schreiben und dabei gerne auch mal ein
Adjektiv wegkürzen, damit es gut ins Layout passt“, schließt
Vogt ab. Dieselben Tipps gelten hier auch für den Lokaljournalismus,
wobei es im Print nicht immer ganz so leicht ist,
weiß Max Steiner: „Der Titel soll bei den Nachrichten in aller
Kürze das Wichtigste erwähnen, wobei wir im Print sowieso
durch das vorgegeben Layout beschränkt sind und da oft an
der passenden Länge herumbasteln müssen.“ So zeigt sich,
dass obwohl Journalist*innen im Print oft unter Zeitdruck
stehen und deren Storys möglichst schnell veröffentlicht
werden sollen, es trotzdem wichtig ist sich genug Zeit für
den Titel zu nehmen. Weil wenn der Titel floppt, ergeht es
dem Text, sei er noch so gut, nicht besser.
Alexander Kortan
ORF NIEDERÖSTERREICH
DA BIN ICH DAHEIM
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Thema Soziale Medien – Im Redaktionsalltag umsetzbar?
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Soziale Medien –
Im Redaktionsalltag umsetzbar?
Digitalisierung und Social Media – Begriffe, die wir ständig hören und die im heutigen Zeitalter
der digitalen Kommunikation nicht mehr wegzudenken sind. Insbesondere für klassische
Medien ist es wichtig auf dem neuesten Stand zu bleiben, um mit der Masse der Konkurrenz
mithalten zu können. Soziale Medien bieten dabei interaktive Plattformen, die sich für die moderne
Verständigung sehr gut eignen. Wie es gelingen kann Social Media in klassischen Medienhäusern
zu integrieren, fand SUMO im Gespräch mit dem Leiter der Digital-Abteilung des
Medienhauses „Wimmer“ Michael Kaufmann und der Journalistin Ambra Schuster heraus.
Integration von „Social Media“
„Social Media ist für die
Journalist*innen ein wichtiges Werkzeug
geworden“ - Juliane Leopold
Dieses Zitat der deutschen Journalistin, die
verantwortlich für die Website und die App
der „tageschau.de“ ist, macht deutlich wie
viel Einfluss soziale Netzwerke bereits auf
den Alltag unterschiedlicher Medienkonzerne
haben. Leopold beschäftigt sich dabei insbesondere
mit Themen, die den Schnittpunkt
von Gesellschaft und Technologie aufgreifen.
Michael Kaufmann teilt diese Meinung und
findet: „Schlussendlich sind soziale Medien
Werkzeuge, die ein Medienhaus heutzutage
verwenden muss, um überall präsent zu sein.“
Denn sie bieten großes Potenzial, um Konsument*innen
direkt ansprechen zu können.
Insbesondere junge Rezipient*innen können
auf diese Weise gut erreicht werden, was über
klassische Mediengattungen nicht mehr ganz
so einfach möglich ist. Die Inhalte müssen
jedoch je nach Kommunikationskanal anders
aufbereitet werden, da man sich an den jeweiligen
Personenkreis anpassen muss. Die
jüngere Zielgruppe, die auch als Generation
Z bezeichnet wird, kann man vor allem auf
den Plattformen TikTok sowie Instagram erreichen.
Als Gen Z sind laut Statista Personen
im Alter von 13 bis 26 Jahren gemeint. Auf
Facebook erreicht man laut Statista die etwas
ältere Zielgruppe der 30- bis 49-Jährigen. Daher
braucht es gute Content-Strategien und
eine jeweilige Anpassung. Als Vorzeigebeispiel
nennt Kaufmann die „Tagesschau“ vom
„ARD“ in Deutschland. „Die Einbeziehung von
Social Media wird dort sehr gut umgesetzt
und es konnte bereits eine große Anzahl an
Abonnent*innen erreicht werden“, erklärt der
Leiter der Digitalabteilung des Medienhaues
„Wimmer“ („OÖNachrichten“, „Tips“, „TV1
Oberösterreich“), der sich dort um Themenfelder
wie die strategische Weiterentwicklung
der digitalen Werbekanäle, die digitale Orga-
nisationsentwicklung, Produktmanagement
und Transformation kümmert.
Mit der steigenden Relevanz sozialer Medien
entstehen neue Herausforderungen. Denn
was einmal ins Internet gelangt, bleibt auch
dort. Weshalb es umso wichtiger ist, gewissenhaft
zu arbeiten und zu recherchieren.
„Auch wenn Themen in einfacher Sprache und
komprimierter aufbereitet werden, bedeutet
dies nicht, dass diese Art von Journalismus
nicht dieselbe Bedeutsamkeit wie der klassische
Journalismus aufweist“, sagt Ambra
Schuster. Die Journalistin ist unter anderem
beim „ORF“ für den TikTok-Content der „Zeit
im Bild“ zuständig.
Schattenseiten und Chancen der digitalen
Netzwerke
Soziale Netzwerke bieten eine Plattform für
Kreativität und Interaktion. Doch die Freiheit,
die dort vorhanden ist, kann schnell missbraucht
werden. Unwahre Behauptungen, Hass
und Filterblasen sind dabei nur einige Begriffe,
die den negativen Aspekt sozialer Medien hervorheben.
Laut der Definition von Eli Pariser im
Buch „The Filter Bubble“ versteht man unter
Filterblase einen digitalen Ort, wo man nur mehr
Inhalte sieht, welche die persönliche Meinung
unterstreichen und man somit keine anderen
Anschauungen mehr mitbekommt. Generell ist
die Anzahl an Hasskommentaren mittlerweile
kaum mehr zu bewältigen. „Viele Personen
verstecken sich hinter der Anonymität im Netz
und das halte ich für sehr problematisch“, findet
Michael Kaufmann. Die Filterblasen-Thematik
sieht er als „demokratiepolitisches Problem“,
da einem, im jeweilig individuell angepassten
Algorithmus, nur mehr die eigene Meinung angezeigt
wird. Das ist der Grund, warum klassische
Medien wie beispielsweise eine Zeitung,
so wichtig sind, da man auch mit anderen Meinungen
konfrontiert wird. Dort werden mehrere
Seiten beleuchtet und es gibt eine ausgewogene
Berichterstattung. Soziale Medien bieten
aber auch Chancen und positive Seiten. Sie machen
eine Übertragung in Echtzeit und schnelle
Michael Kaufmann
/ © OÖ Nachrichten
Ambra Schuster / © ORF
Soziale Medien – Im Redaktionsalltag umsetzbar? Thema
37
Reaktionen möglich. Die Konnektivität und die
Kommunikation der Menschen untereinander
waren noch nie so einfach wie im heutigen Zeitalter
der digitalen Netzwerke. „Die Plattformen
haben eine Verantwortung, umso wichtiger ist
es, dass seriöse Medien dort vertreten sind“, so
Ambra Schuster. Die Journalistin sieht als Vorteil,
dass man insbesondere jungen Menschen
journalistische Inhalte mitgeben kann, die sorgfältig
aufbereitet und ausgewählt worden sind,
um speziell Filterblasen zu vermeiden.
Umsetzbar im Redaktionsalltag?
© SUMO
„Medienunternehmen müssen im Onlinebereich
wachsen, um mit der immer stärker werdenden
Konkurrenz mithalten zu können“, prognostiziert
Michael Kaufmann. Der Leiter eines
neun-köpfigen Teams arbeitet mit diesem auf
der technischen Ebene, welche strikt von der
Redaktion getrennt ist. Es geht dabei, unter
anderem, um die Weiterentwicklung der digitalen
Werbekanäle, digitale Strategie- & Organisationsentwicklung,
digitales Produktmanagement
und um die digitale Transformation
im gesamten Medienhaus. Soziale Medien sind
dabei für den Aufbau einer Marke und für die
Ausspielung der Inhalte ein wichtiger Kanal.
„Natürlich sind Social Networks aus Sicht eines
traditionellen Mediums ein guter ,Klick-Bringer‘
für die eigene Nachrichten Website. Das heißt,
wir versuchen die Seitenaufrufe durch die ausgelieferten
AdImpressions auf ,nachrichten.at‘
bestmöglich zu monetarisieren, und da sind uns
natürlich die Zugriffszahlen auf hohem Niveau
wichtig“, so Kaufmann. Jedoch hält er es für
erforderlich, auch die anderen Werbekanäle
zu nutzen, um alle Zielgruppen ansprechen zu
können und somit die beste Lösung zu finden.
Ambra Schuster arbeitet wiederum im redaktionellen
Bereich. Jeden Tag werden zumeist
zwei Themen beziehungsweise Videos speziell
für die junge Zielgruppe auf TikTok ausgewählt,
aufbereitet und veröffentlicht. Die Journalistin
erklärt, dass diese im „ORF“ sendungsbegleitend
sein müssen, was bedeutet, dass die
Themen bereits in den Sendungen der „ZIB“
vorkommen mussten. Aus diesen wählt sie
dann, gemeinsam mit dem Redaktionsteam,
die Themen des Tages für die Zielgruppe aus,
wobei sie sich die Frage stellt: „Was davon ist
relevant für unsere Zielgruppe?“. Auf TikTok sind
das Personen im Alter von 12 bis 24 Jahren.
Dabei wird darauf geachtet, welche Themen
diesen Personenkreis direkt betreffen. Schuster
nennt als Beispiel „schulspezifische Themen“
oder allgemein relevante Themen, wie etwa
den Ukraine-Krieg. „Dieser betrifft sie zwar
nicht direkt, aber ist allgemein von sehr großem
Interesse“, erläutert die Journalistin. Danach
wird entschieden, welches Format am besten
für die ausgewählten Themenfelder geeignet
ist und dann wird recherchiert und getextet.
Nach dem Gegencheck werden die Videos produziert
und veröffentlicht. Es gibt dabei keine
fixe Sendezeit, sondern es wird dann publiziert,
wenn es fertig ist.
38
Thema Soziale Medien – Im Redaktionsalltag umsetzbar?
Soziale Medien unabdingbar in Zukunft?
„Ich glaube, dass die unterschiedlichen Mediengattungen unterschiedliche
Aufgaben übernehmen. Das Smartphone an
sich ist dafür da die schnelle Information zu verbreiten“, schildert
Michael Kaufmann. Er glaubt, dass klassische Medien
nie ganzheitlich von digitalen Netzwerken abgelöst werden,
sondern dass Social Media verstärkt zusätzlich genutzt wird,
um speziell den Live-Charakter hervorzuheben, beispielsweise
ein „Live Ticker zu Nationalratssitzungen“. „Die ausgewogene
Berichterstattung, die würde ich dann in einem
Long-Read der Online-Ausgabe oder am nächsten Tag in
der Tageszeitung erwarten. Genau das ist die unterschiedliche
Aufgabe der unterschiedlichen Mediengattungen“, so
Kaufmann. Der Leiter der Digitalabteilung des Medienhauses
„Wimmer“ glaubt außerdem, dass es insbesondere im Bereich
der Online-Werbung vor allem auf der technischen Ebene Änderungen
geben wird. Hier werden zukünftig die Werbecookies
verschwinden. Der Trend könnte möglicherweise wieder
vermehrt in Richtung “Contextual Targeting” gehen.
Das Thema Markensicherheit spielt dabei eine entscheidende
Rolle, da viele Werbetreibende genau wissen wollen,
wo die eigene Werbung aufscheint und Kontrolle darüber
haben möchten. Dies stellt sich als großer Vorteil gegenüber
der Werbeschaltung in den sozialen Netzwerken dar.
Ambra Schuster glaubt auch nicht, dass soziale Medien die
Herkömmlichen ganz ablösen werden, sondern dass „soziale
Medien an klassische Medien heranführen“. Denn wenn Rezipient*innen
etwa die „ZIB“ auf TikTok sehen, dann lernen
sie diese kennen und wissen, dass diese auch im Fernsehen
präsent ist und bauen so ein gewisses Grundvertrauen auf.
Abschließend meint die Journalistin: „Soziale Medien sind
quasi das vierte Genre, das zusätzlich dazugekommen ist.“
Klassische Medien sind somit längst nicht abgeschrieben,
sondern bleiben weiterhin ein wichtiger Bestandteil in der
Medienwelt. Dennoch, die Relevanz der sozialen Medien
steigt kontinuierlich an, weshalb es unabdingbar ist diese in
klassischen Medienhäusern zu integrieren.
Alexandra Bauer
Antonella Bacher
Meinungsbeitrag:
Generation Selbstinszenierung:
Wie Kunst zum Wisch-Objekt wurde
Liken, wischen, liken, wischen. Das ist der Takt und er dauert
genau zwei Sekunden. Egal ob zu Hause am Küchentisch,
heimlich im Unterricht oder wie in meinem Fall nonstop im
Zug. Die Head-Down-Generation liked und wischt sich durch
die Sphären von Social Media – egal wo, egal wann. Ich bin
da keine Ausnahme, immerhin wurde meine Generation so
sozialisiert. Im Schnitt verbringt ein Digital Native 90 Minuten
am Tag in den sozialen Netzwerken. Die stundenlange
strategische Selbstinszenierung einiger weniger wird von der
Masse im Schnelldurchlauf (nicht) gewürdigt. Die Erinnerung
verschwindet, der visuelle Hunger bleibt und im Hintergrund
singt Ariana Grande leise „thank u, next“. Das ist die Realität.
Social Media bietet Raum für Selbstinszenierung, wobei der
Auftritt zur Kunst und die Kunst zum Wisch-Objekt wird. Das
Soziale Netzwerk um uns herum verschafft uns große Reichweite
für wenig Aufmerksamkeit. Ein Deal, der allen gängigen
Normen der Kunstszene widerspricht. Kunst entsteht, sie
wächst und entwickelt sich – mit der Zeit. Zumindest hat das
der österreichische Künstler Alfred Haberpointner in einem
Interview mal gesagt. Stundenlange Selbstinszenierung, die
in einem einzigen Post auf Social Media präsentiert und dann
von der breiten Öffentlichkeit weggewischt wird? Vielleicht ist
das ein Kollateralschaden des 21. Jahrhunderts, wo alles immer
noch schneller und besser werden muss. Wobei vielleicht
liegt das Problem auch in der begrenzten Aufmerksamkeitsspanne
meiner Generation.
All diese Gedanken schwirren mir durch den Kopf, während
ich den Takt automatisiert fortsetze. Ich schrecke erst aus
meiner Wisch-Stakkato, als die Tür meines Abteils mit einem
Quietschen aufgeschoben wird. Ein Unbekannter setzt sich
auf den freien Platz gegenüber. Der Zug ist mittlerweile in Bischofshofen
angekommen. Über 30 Minuten sind vergangen,
seitdem ich in Zell am See eingestiegen bin und Instagram
geöffnet habe. Es ist mir fast peinlich, wie wenig Aufmerksamkeit
ich meiner Umgebung gewidmet habe. Die Landschaft
draußen ist genauso spurlos an mir vorbeigezogen wie
die vielen bunten Bilder auf meinem Bildschirm. Trotzdem
wird mir diese Zugfahrt lange in Erinnerung bleiben, denn
nachdem sich der Unbekannte in unserem Abteil ausgebreitet
hat, haben wir uns unterhalten. Ich kenne seinen Namen
nicht, aber er war auch Student vor dreißig Jahren. In einer
ganz anderen Zeit, wie uns im Laufe des Gesprächs beiden
bewusst wird. Damals gab es noch keine kleinen schwarzen
Kästchen, die uns heute unserer Zeit berauben. Wir
unterhalten uns bis Salzburg, dann steige ich aus und greife
automatisch wieder zu meinem Handy. Allerdings dieses
Mal bewusst. Immerhin muss ich nachschauen auf welchem
Bahnsteig mein Anschlusszug abfährt.
Antonella Bacher
Generation Selbstinszenierung: Wie Kunst zum Wisch-Objekt Thema wurde
39
40
Thema
© Michael Katzlberger, 3LIOT.ai
Wie TikTok und Instagram die
Musikindustrie maßgeblich verändern
Man entgeht kaum mehr einem lustigen Meme, Reel oder TikTok-Video. Die verschiedensten Social Media Plattformen
bieten mehr als genügend Möglichkeiten, sich im Internet zu unterhalten. Der „GfK“-Studie „Mediennutzung
in Österreich“ zufolge verbringen Österreicher*innen anno 2022 rund 80 Minuten täglich auf diesen Kanälen.
Da man die dort gebotenen Inhalte meist aktiv rezipiert, sind sie sehr einflussreich auf die User*innen. Nicht
nur aus diesem Grund versuchen vor allem junge, noch nicht so bekannte Musiker*innen und Produzent*innen,
die eigene Musik auf Social Media zu bewerben. Welche Auswirkungen diese Plattformen auf die Musikindustrie
haben, beantworten Simone Kienast, A&R Managerin vom Label „Global Rockstar“, und die steirische Pop- und
EDM-Musikerin Anna-Sophie.
Nutzung von Sozialen Medien
als Künstler*in
Wenn man heutzutage als Musiker*in
tätig ist, gehört ein Social Media Profil
einfach dazu. Es gibt kaum Künstler*innen,
die nicht auf mindestens einem
Kanal vertreten sind. Für Anna-Sophie
sind sie wichtig, um sich als Künstlerin
zu präsentieren. Seitdem sie in
der Öffentlichkeit steht, hat sich jedoch
ihr eigenes Nutzungsverhalten stark
geändert. Privat nutzt sie die Plattformen
mittlerweile kaum mehr. Zurzeit
steigt sie nur mehr ein, um ihre Posts
hochzuladen. Sie meint: „Ich verwalte
alle meine Social Media Accounts
selbst und will dies auch weiterhin so
machen. Selbstgemachte Videos und
Fotos sind authentisch und ich habe
somit die Möglichkeit, mich direkt mit
meinen Fans auszutauschen. Anfangs
fühlt es sich für Musiker*innen meist
ungewohnt an, sich selbst vor die Kamera
zu stellen und Content zu kreieren.
Generell ist Social Media für die
Promo für einen Artist sehr wichtig um
beispielsweise neue Song Releases anzuteasern.“
Für sie ist dies mittlerweile
zu einer schönen Tätigkeit nebenbei
geworden. Sie ist dankbar die Möglichkeit
zu haben und sieht es als Chance,
eine große Community zu erreichen.
Genauso sieht es auch A&R Managerin
Simone Kienast. Social-Media hat
leider oft ein negatives Image, da in
der Vergangenheit von großen Labels
oft Druck auf Künstler*innen ausgeübt
wurde. Man sollte den Musiker*innen
nicht vorschreiben, dass sie den Song
erst veröffentlichen dürfen, wenn kurze
Ausschnitte davon auf den Plattformen
viral gegangen sind. Dieses Vorgehen
war leider bereits bei vielen der Fall. Es
ist nicht maßgeblich, aktiv in den Sozialen
Medien zu sein. Natürlich sollte
man als Label ein Auge auf die Kanäle
der unter Vertrag genommenen Musiker*innen
haben. Jedoch sollte jedem
selbst überlassen werden, wann und
was man veröffentlicht. Es ist schade,
dass diese Plattformen ein schlechtes
Image bekommen haben, da es eine
große Möglichkeit für die Artists ist. Simone
hebt hervor: „Dank Social Media
haben Künstler*innen ein Werkzeug
bekommen, um ihre PR genauestens
zu steuern. Auf den eigenen Social Media
Kanälen der Künstler*innen können
sie zu 100% bestimmen welche
Informationen und wie detailliert diese
an Fans weitergegeben werden. Etwas,
das man so früher in der klassischen
Medienwelt nur schwer steuern konnte.“
Genauso kann man seinen Song bereits
im Vorfeld promoten und dadurch
einen Hype kreieren. Hierfür hat man
früher Fernsehteams angeheuert, welche
unter enormen Kosten und Zeitaufwand
drehten. Heute geht das ganz
einfach nebenbei mit dem Handy.
Möglichkeit neue Artists zu
finden
Simone Kienast ist Head of A&R, also
Artist and Repertoire Managerin. Hierbei
geht es in erster Linie darum, neue
Künstler*innen zu finden und zu signen.
Sie meint: „Stellt man sich vielleicht romantisch
vor, dass man als A&R die
Artists zufällig als Straßenmusiker findet
oder bei kleinen Auftritten. Leider
entspricht das gar nicht der Realität.
Es ist sehr analytisch und hat viel mit
Zahlen und Daten zu tun.“ Sie versucht
beispielsweise dem Algorithmus auf
Sozialen Medien durch Liken und Kommentieren
von Musiker*innen-Content
zu zeigen, dass sie gezielt auf der Suche
nach Musiker*innen ist. Dann geht es
hauptsächlich um Anschreiben, erste
Gespräche führen und herausfinden,
ob die Artists die gleiche Vision mit
dem Label teilen. Neben dem Gesangstalent
steht für sie jedoch viel mehr
das Gesamtpaket im Vordergrund: „Es
geht darum Leute zu finden, die einen
Charakter mit Ecken und Kanten haben,
die von der Masse herausstechen. Die
an der Straße vorbeilaufen und in Erinnerung
bleiben.“ Und genau dafür sind
Instagram und TikTok perfekte Plattformen
für den ersten Eindruck. You-
Tube ist bereits so überfüllt mit Videos,
dass man total den Überblick verliert.
Vermutlich wird das mit TikTok und
Instagram auch bald passieren, aber
momentan sind die Plattformen super
dafür. Besonders stechen hierbei die
verschiedenen Challenges heraus, die
sich im Laufe der Jahre entwickelt haben.
Sie erzählt von der sogenannten
Riff-Challenge: „Es ging um den Song
„Crazy“ von Gnarls Barkley, veröffentlicht
im Jahr 2006, welcher jetzt durch
TikTok wieder belebt wurde. Sänger*innen
waren dazu aufgefordert, den ersten
Verse mit einem Riff anspruchsvoller
zu machen und somit ihre Kontrolle
über ihre Stimme unter Beweis zu stellen
und anschließend das Video mit
dem Hashtag ‚RiffChallange‘ zu versehen.
Für Talentscouts wie mich natürlich
die perfekte Möglichkeit quick
und simple Artists zu finden, indem ich
nach dem Hashtag suche.“
Musik für Social Media
zuschneiden
Die Songs auf eine bestimmt Plattform
oder einen Trend zuzuschneiden
ist keine neue Vorgehensweise. Wenn
man sich früher nach den Radios ausgerichtet
hat, durfte man beispielsweise
keine Schimpfwörter verwenden,
weil man sonst nicht gespielt wurde.
So ähnlich agiert man heutzutage zu
einem Teil nach den Regeln der Sozialen
Medien und Spotify. Aktuell haben
einige Künstler*innen die ersten 30
Sekunden ihrer Songs auf Social Media
veröffentlicht, um einen ersten Hype
zu generieren und im Anschluss den
Song auf Spotify zu veröffentlichen. Simone
beschreibt: „Bei Spotify zählt ein
Wie TikTok und Instagram die Musikindustrie maßgeblich verändern Thema
41
Stream erst ab Sekunde 30. Die Zuhörer*innen
hören bei diesem Promomove somit ab Release-
Tag insbesondere immer wieder die ersten 30
Sekunden, weil wir Menschen ja bekannterweise
Gewohnheitstiere sind. Dieser Promo-Move
funktioniert jedoch nur, wenn das Songwriting im
ersten Verse auch wirklich stark ist. Somit kann
man die Streamingzahlen durch einen simplen
“Trick” easy nach oben pushen.“ Die beiden Interviewten
sind sich einig, dass so ein Vorgehen zu
sehr die Charts beeinflusst. Simone spricht davon,
dass Musik eine Synergie zwischen Kreativität
und einer gewissen Musikrichtung sein soll. Wenn
man den Song einem bestimmten Stil zuordnet,
dann sollte man diesen eher nach der Zielgruppe
wählen als einer bestimmten Plattform. Anna-
Sophie fällt bereits bei ersten Gesprächen über
das Song-Release auf: „Meist wird dabei schon
entschieden, welcher Ausschnitt des Songs für
Social-Media verwendet wird. Man denkt immer
daran, welcher Trend dadurch entstehen könnte“,
des Weiteren fügt sie hinzu: „Auch beim Songwriting
selbst denkt man daran, welcher Abschnitt
einen Wiedererkennungswert hat und viral gehen
kann. Diesen Gedanken sollte man jedoch ablegen,
denn man versteift sich bald zu sehr darauf
und es hat nichts mehr mit Kreativität zu tun.“
Sprungbrett für Musiker*innen – oder
eher für Influencer*innen?
Die Thalia Buchhandlung
ganz in Ihrer Nähe.
42
Thema
Thalia St. Pölten
Kremser Gasse 12
3100 St. Pölten
Influencer*innen bauen sich eine Fanbase auf,
weil sie durch Fashion-, Lifestyle-, Gaming-,
Handwerksfähigkeiten und vieles mehr berühmt
werden. Der Fokus liegt bei den meisten nicht
auf Musik. Trotzdem kommen manche Influencer*innen
nach Jahren der Berühmtheit auf die
Idee, einen Song zu veröffentlichen. Man dreht
also den Spieß um. Zuerst Berühmtheit und dann
Musik. So haben es zum Beispiel Bibi von „Bibis
Beauty Palace“, Bella Porach und Dixie D´Amelio
gemacht. Der einzige Unterschied zu den meisten
Musiker*innen ist, dass Produzent*innen damit
beauftragt wurden. Der Gesang wird hierbei meist
schlicht gehalten und elektronisch verzerrt. Ob
der Song gut oder schlecht ist, das sei dahingestellt.
Erfolg feiern die Social-Media-Sternchen
trotzdem, aber nicht zwingend, weil der Song gut
ist. Die wichtigste Rolle spielt die Fanbase von
Zig-Millionen Follower*innen. Bei Influencer*innen,
die durch ihre oft gekaufte Musik berühmt
werden, verliert man den ursprünglichen Sinn
von Songwriting. Die Kreativität geht verloren
und viele Artists, die ehrliche und eigene Musik
machen, fühlen sich durch solche Aktionen nicht
wertgeschätzt. Die Musikerin Anna-Sophie meint
dazu: „Bei solch einem Thema sollte man klar
zwischen Musiker*innen und Influencer*innen
unterscheiden. Wenn jemand auf Social-Media
durch Musik berühmt wird, dann ist das eine ganz
andere Sache, denn diese haben sich durch ihre
Musik und ihre Kunst eine Fanbase aufgebaut.
Dennoch sollte man erfolgreichen Influencer*innen
den Erfolg gönnen, da diese sich durch harte
Arbeit den Ruhm erst möglich gemacht haben.“
Thema
43
© SUMO
Beeinflussung durch
Soziale Medien maßgeblich?
Es lässt sich klar sagen, dass Social Media die
Musikbranche beeinflusst. Aber nicht nur im
negativen Sinne, hierbei sind sich die Interviewten
sicher. Mittlerweile erkennt man, dass
die Trends immer mehr Richtung Authentizität
gehen. „Vielleicht suchen die Menschen bewusst
oder unbewusst immer diese Echtheit
und Authentizität. Es wirkt, als wäre die Gesellschaft
gelangweilt von Perfektionismus“,
beschreibt Simone. Egal wie sehr sich die
Trends der Musik verändern, man hat immer
zwei Möglichkeiten. Entweder man erkennt
und folgt einem Trend oder man erfindet einen
neuen, jedoch ist das sehr riskant. Billie Eilish
hat es beispielsweise geschafft Dark Pop wieder
erfolgreich in die Musikwelt zu integrieren.
Aktuell gibt es einen Hype um „Hyperpop“.
Kurz und schnell, die Bässe verzerrt und die
Stimmen so hoch gepitcht, dass sich die Sänger*innen
wie Zeichentrickfiguren anhören.
Gerade die GEN-Z feiert diese Musikrichtung
und lässt diesen Trend wieder aufleben. Wichtig
aber ist nicht welchem Trend man folgt,
sondern authentisch zu bleiben und seinen
individuellen, kreativen Wiedererkennungswert
mit einzubringen. Um es mit den Worten
von Tokio Hotel Leadsänger Bill Kaulitz auszudrücken:
„Kunst funktioniert nicht, wenn man
versucht, sich an Formeln zu halten.“
Simone Kienast / © Global Rockstar
Anna-Sophie / © Sasa Felsbach
Mavie Berghofer
Sebastian Baumschlager
Meinungsbeitrag:
Beethoven versus Einaudi: Wie populär darf Klassik
sein?
6,6 Millionen monatliche Spotify Hörer*innen, 1,6 Millionen
YouTube-Abonnent*innen, unzählige ausverkaufte Konzerte.
Ludovico Einaudi ist wohl einer der berühmtesten Vertreter
der sogenannten „New Classics“. Er und seine Kolleg*innen
wie Lang Lang, Yiruma oder Hania Rani scheinen zwar beim
Publikum gut anzukommen, sind in Fachkreisen allerdings
umstritten. Die große Frage der Diskussion zwischen Vertreter*innen
der Szene und Feuilletonist*innen: Ist das noch
Klassik?
Fans der klassischen Musik sind alt und elitär – so die allgemeine
Wahrnehmung. Zumindest der erste Punkt spiegelt
sich auch in diversen Studien wider. Ein Consumer Panel
der deutschen „GfK“ (Growth from Knowledge) fand heraus,
dass der*die typische Klassik Hörer*in über 50 Jahre alt ist.
Es ist also Zeit für frischen Wind und der wird vor allem
gestreamt. Im Jahr 2021 wurden 117,4 Millionen Euro, also
etwas mehr als 60 Prozent des Gesamtumsatzes der Musikwirtschaft
in Österreich, durch Streaming eingenommen.
Die „New Classics“ hat das verstanden. Spotify bietet einige
Entspannungs- oder Lern-Playlists an, die mit Werken
der „New Classics“ bestückt sind. Und das sehr erfolgreich:
„Atmospheric Piano“ mit Werken von Einaudi, Richter und
Co. wurde beispielsweise über 360.000-mal geliked. Damit
schaffen diese Komponist*innen etwas, das die angesehene
Klassik bislang scheitern ließ: die Eroberung der Alltagstauglichkeit.
Kritiker*innen werden sich damit abfinden müssen,
dass die jungen Hörer*innen in Zukunft den Begriff Klassik
definieren und solche Stücke zur Norm dieses Begriffes gehören
werden. Warum sträuben sie sich also so dagegen?
Ljubisa Tosic nannte den Musik-Stil in einer Publikation
im „Standard“ „banal“ und „Schlummermusik-Trend“. Den
Expert*innen der Feuilletons zufolge seien die melodischen
Muster und Abfolgen nicht komplex genug. Die Musik sei zu
seicht, um zur Klassik zu gehören, zu einfach. Klassik müsse
so sein, wie die Werke von Mozart, Hayden oder Beethoven:
tiefgründig, kompliziert und langwierig. Dabei sagte bereits
der französische Komponist Darius Milhaud: „Komponisten
sollten nur Musik schreiben, in der man wohnen kann.“ Und
wer will heutzutage schon im 18. Jahrhundert wohnen? Es
braucht also neue Komponist*innen. Neue Ausprägungen.
Neue Sichtweisen. Die „traditionelle“ Klassik muss aufhören,
die „New Classics“ als Bedrohung oder Beleidigung
anzusehen. Wirft man einen Blick zurück in die 1910er-
Jahre bietet die Geschichte einen Eindruck wie aus einem
Paralleluniversum. Gustav Mahler, Arnold Schönberg und
Richard Strauss wurden vom Publikum für ihre theoretische
und komplexe Vorgehensweise kritisiert. Die Gesellschaft
verlangte nach leichter, unterhaltender Musik. Man erinnere
sich nur an das „Watschenkonzert“ unter der Leitung von
Arnold Schöneberg. Sein damals neuartiger Musik-Stil sorgte
für einen solchen Tumult, dass seine Anhänger*innen ihn
gegen Kritiker*innen verteidigten mussten – und das nicht
nur mit Worten. Reibungen bei musikalischem Wandel sind
also älter als die heutige Gesellschaft selbst. Doch wie so oft
hat die Menschheit auch hier nicht aus ihrer Vergangenheit
gelernt. Die „New Classics“ werden von alteingesessenen
Klassik-Fans und Feuilletonist*innen bekämpft – und zwar
zu Unrecht. Vielmehr sollte dieser Wandel als Ergänzung
und Chance erkannt werden. Eine Chance eine ganz neue
Zielgruppe zu erreichen. Eine Chance einen erleichterten
Einstieg in die Klassik zu ermöglichen. Eine Chance auf Alltagstauglichkeit.
Es wird also Zeit das alte verstaubte Image
abzulegen und mehr Raum für moderne Komponist*innen
zu schaffen. Ein Weg weg vom elitären Klassik-Image und
scharfer Trennung von E-Musik und U-Musik. Hin zu einer
Mischung mit den besten Attributen beider Welten und
einem Abriss von Eintrittsbarrieren für eine neue Generation
der Klassik-Liebhaber*innen.
Mavie Berghofer
Business in der Musikbranche – Wichtiger
als Kreativität?
Chuck Berry, David Bowie und Michael Jackson. Menschen, die unsere Musikwelt mit ihrer Innovativität für immer
geprägt haben. Durch neue Sounds, das Erschaffen von Kunstfiguren und der Popularisierung von Musikvideos
haben sie die Industrie revolutioniert. Doch wie viel Kreativität und Individualität kann in einer milliarden-schweren,
kompetitiven Branche tatsächlich überleben? Hinter jedem*r große*n Künstler*in steht eine noch größere
Plattenfirma, welche die Fäden zieht und den maximalen Profit herausholen möchte. Um die Kreativarbeit und
die Businessseite der Musikindustrie zu vergleichen und die Gewichtung dieser Aspekte im Zeitalter von Social
Media zu hinterfragen, hat SUMO mit dem Gründer und Geschäftsführer von „Ink Music“ Hannes Tschürtz und
dem Songwriter und Produzenten Daniel Weisz gesprochen.
Komponieren, mixen, vermarkten. Zwischen
einer Song-Idee und der Veröffentlichung
des geschaffenen Liedes
liegen zahlreiche Schritte, doch nicht
alle haben direkt etwas mit Musik zu
tun. Während die Branche auf den ersten
Blick durchwegs kreativ erscheint,
lässt sich schnell erkennen, dass im
Hintergrund viele wirtschaftliche Prozesse
ablaufen. Vom Pressetext bis hin
zu Lizenzen muss sich ein Musiklabel
um mehr als nur das perfekte Album
kümmern. Hannes Tschürtz weiß, wie
diese Industrie läuft: „Hinter jedem Lied
steckt eine Geschichte, die es so gut
und originell wie möglich zu erzählen
gilt.“ Zusammen durch Artwork, Fotos
und Posting würde eine Story rund um
Musik und Artist gebaut werden, die
eine Bindung zum Publikum entstehen
lasse. Der Produzent Daniel Weisz fügt
dabei hinzu, dass die Businessseite besonders
im Bereich des Mainstreams
bedeutsam sei.
"Head, Shoulders, Knees and
Toes“
Das Sampeln von alten Melodien ist
ein fester Bestandteil der Musikindustrie.
In den letzten Jahren hat vor allem
die Wiederverwendung von Kinderliedern
an Popularität gewonnen.
Songs wie „ABCDEFU“ und „Twinkle
Twinkle“ wandeln traditionelle Stücke
in „Breakup“-Tunes um. Diese Art des
Musikschaffens ist zwar nicht innovativ,
aber sie funktioniert wirtschaftlich.
Durch das Erzeugen von Nostalgie kann
schnell viel Aufmerksamkeit generiert
werden und somit auch Einnahmen.
Beispielsweise schaffte es die Single
„Head, Shoulders, Knees and Toes“ von
„Ofenbach“ und „Quarterhead“ featuring
„Norma Jean Martine“ mit über
350 Millionen Streams auf Spotify weit
nach oben in die Charts. Ob die Erfolge
solcher Neuinszenierungen gerechtfertigt
sind oder doch nur ein gutes Marketingkonzept
dahintersteckt, ist Meinungssache.
Tschürtz erzählt von dem
stets gültigen Spruch, dass ein mittelmäßiger
Song mit großem Budget und
viel Marketing großartige Resultate erreichen
kann, während ein melodisch
und inhaltlich gutes Lied mit wenig
Budget und kaum Marketingaufwand
im Nirgendwo verschwindet. Weisz, der
mit österreichischen Newcomer*innen
wie Felicia Lu und Chris Steger zusammengearbeitet
hat, betont jedoch die
Voraussetzung eines guten Produkts:
„Du kannst die Streaming-Zahlen wahrscheinlich
pushen, aber am Ende des
Tages, wenn es den Menschen nicht
erreicht, dann hilft dir das ganze Geld
nicht.“ Dennoch brauche man für den
Mainstream das nötige Budget sowie
das richtige Businessmodell.
TikTok, Spotify und Co.
„FNFZHN“. Ein Album, auf dem jeder
Track nur 15 Sekunden dauert. Der
Grund dahinter? TikTok-Erfolg! Längere
Tunes braucht es nämlich nicht, um auf
der Plattform groß zu werden. Auch
Spotify ermutigt zu kürzeren Liedern,
denn diese haben bei dessen Algorithmus
eine höhere Chance beworben zu
werden. Laut Tschürtz hatte Technologie
historisch immer schon einen Einfluss
auf die Ausgestaltung von Musik.
Der Siegeszug des Song-Formates sei
beispielsweise mit dem Aufkommen
der Schallplatten eng verknüpft, da
diese ursprünglich nur wenige Minuten
Spieldauer fassen konnten. In den
1920er-Jahren sei dann aufgrund der
werbetreibenden Radioindustrie die
„Drei-Minuten-Single“ populär geworden.
Heutzutage ist Spotify „state of
the art“ und beeinflusst die Musikproduktion.
Das wiederum erfreut nicht
jede*n Kreative*n. Die Sängerin „Boy
Jr.“ geht mit ihrem kritischen TikTok-Video
„Streaming Plattforms killed the
Bridge in Pop Songs“ viral und findet
viel Zustimmung. Instrumentalpausen
und Überleitungen finden in kurzen
Liedern nämlich keinen Platz. Tschürtz
findet bedauerlich, dass diese Anpas-
sungen an den Markt wenig Freiraum
für tatsächliche Originalität zulassen.
Dass soziale Netzwerke jedoch immer
wichtiger werden, lasse sich nicht bestreiten.
Neue Künstler*innen hätten
eine höhere Chance zum Erfolg, wenn
sie bereits online Reichweite und viele
Follower*innen besäßen.
Der Einfluss von Trends auf
Musik
Im Zeitalter von Social Media scheint es
jeden Tag einen neuen Trend zu geben.
Als Musiker*in da mitzuhalten verlangt
viel ab. Doch einige Artists probieren
genau das. Sie würden in Songwriting-
Sessions gezielt auf die neuesten Entwicklungen
hinarbeiten, so Weisz. Doch
nur weil man sich Trends zur Vorlage
nehmen würde oder einen ähnlichen
Sound produziert, hieße dies nicht,
dass das resultierende Lied keine eigene
Note mit sich bringen könne. Jede*r
Sänger*in, sowie Produzent*in schafft
Individualität, welche in der Musik
zu hören sei. Bei tausenden von Uploads
pro Tag und nur zwölf Noten im
System, sei es ohnehin kaum möglich
etwas zu komponieren, das es noch
nie zuvor gab. Hannes Tschürtz bestätigt
die steigende Orientierung an
bewährten Schemen und erzählt, dass
neue Künstler*innen immer öfter aufgrund
von Trends und Playlist-Vorlieben
unter Vertrag genommen werden.
Jedoch erzählt er von seiner Präferenz
von eigenständiger Musik, die sich nicht
nach dem Zeitgeist richtet. Seiner Meinung
nach wäre die Branche sonst sehr
langweilig.
Unbeständigkeit der Branche
An einem Tag ist man auf Platz eins der
Charts, am nächsten „yesterdays news“.
Besonders „One-Hit-Wonders“ können
den Ruhm des Bekanntseins nur kurz
genießen. Ein erfolgreicher Song verspricht
schon lange keine erfolgreiche
Musikkarriere. Doch auch umgekehrt
Business in der Musikbranche – Wichtiger als Kreativität? Thema
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kann es laufen. Durch das „richtige“ Lied zur „richtigen“
Zeit kann sich das Leben eines*r Newcomer*in in einem
Augenblick wenden. Welche Musik bei den Hörer*innen gut
ankommt, kann man, laut Weisz, jedoch zuvor nicht wissen.
Es sei nicht möglich einen sogenannten „Evergreen-Song“
gezielt zu schreiben. Der Erfolg eines Liedes lasse sich
nur so weit vorhersagen, wie ihn das Label finanzieren
kann und der*die Interpret*in bereits etabliert ist. Diese
Faktoren würden einen Song pushen, seien aber trotzdem
keine Garantie. Herr Tschürtz nennt die Unvorhersehbarkeit
des Erfolgs das Schöne und Grausame an dem Markt.
Durch gesammelte Erfahrung hätte sein Label jedoch einen
„ziemlich guten Riecher“ entwickelt. Ein universelles Rezept
gäbe es in diesem Geschäft aber nicht.
Kreativität vs Business
Nicht jede*r Sänger*in ist auch gleich Urheber*in und somit
Schaffer*in seiner*ihrer Musik. Es sei auch üblich, dass
Songs, geschrieben von Songwriter*innen, an Artists gepitcht
werden würden und diese somit keine Teilnahme
an der Komposition gehabt hätten, so Weisz. Im kleineren
Bereich sei die Einbindung des*der Interpret*in jedoch üblich
und für eine authentische Vermarktung unentbehrlich.
Die Persönlichkeit des*der Musiker*in hätte auch großen
Einfluss auf die Lieder selbst. Kreativität und Business –
steckt darin nicht ein Widerspruch in Idee und Anspruch?
Hannes Tschürtz und Daniel Weisz, Vertreter dieser zwei
Seiten, zeigen jedoch, dass sich wirtschaftliches Denken
und künstlerisches Schaffen nicht ausschließen, sondern
unterstützend aufeinander aufbauen können. Tschürtz ist
der Meinung, ohne die Arbeit der Künstler*innen gäbe
es erst gar kein Produkt. Das Musikgeschäft jedoch ökonomisch
zu bewältigen, würde ebenso enorme Kreativität
erfordern: „Also sehe ich den Widerspruch nicht“.
Iris Göbl
Hannes Tschürtz
/ © Markus Sandner
Daniel Weisz / © Privat
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Thema
© sgcdesignco
Julian Landl
Meinungsbeitrag:
Ich mag die Drogen nicht, aber die Drogen
mögen mich
Elton John, Ozzy Osbourne, „The Beatles“, Amy
Winehouse, Marilyn Manson und noch viele mehr.
Sie alle gehören zu den erfolgreichsten Musiker*innen
unserer Zeit und über sie alle ist bekannt,
dass „keine Macht den Drogen“ nicht ihr
Motto war oder ist.
Marilyn Manson erzählt in seiner Biografie sehr
detailliert von seinem Drogenmissbrauch. So entstand
die Idee für sein weltberühmtes Cover von
„Sweet Dreams“ während eines LSD-Rausches auf
einer Party.
Nun stellt sich die Frage, ob Drogenkonsum wirklich
eine positive Wirkung auf die Arbeit von Musiker*innen
hat oder ob diese nur eine Rechtfertigung
für ihr Suchtproblem brauchen. „Sex, Drugs
and Rock’n’Roll“. Ein berühmtes Motto, das Ende
der 1960er Akteure der Blues- und Hardrock-
Szene begleitete. Aus Drogenkonsum und ausgelassenen
Partys wurde kein Geheimnis gemacht.
Doch eben genau dies wurde vielen zum Verhängnis.
John Bonham („Led Zeppelin“), Layne Staley
(„Alice in Chains“) und Amy Winehouse könnten
noch unter uns weilen, hätten sie sich nicht mittels
Rauschmittel zugrunde gerichtet.
„Ich mag die Drogen nicht, aber die Drogen mögen
mich“ (“I don’t like the drugs but the drugs like
me) sang Marilyn Manson einst im gleichnamigen
Song. Dieses Problem kannte auch Taylor Hawkins
(„Foo Fighters“). Er starb vergangenen März
in einem Hotelzimmer in Bogota (Kolumbien). Einem
Bericht von Metal-Hammer Deutschland zufolge
wurden nach seinem Tod zehn Substanzen
in seinem Körper nachgewiesen.
Darunter THC, Antidepressiva, Benzodiazepin
und Opiate. Ob ihre Werke und ihr künstlerisches
Schaffen ohne den Einfluss von Drogen genauso
erfolgreich geworden wären, kann niemand so
genau sagen. Am Ende des Tages ist Musik auch
nur ein Beruf wie jeder andere. Und nur wenige
haben das Glück wirklich davon leben zu können.
Eine Lokführerin kann ihren Job auch ausüben,
ohne regelmäßig unter Kokaineinfluss zur Arbeit
zu kommen, denn nicht jeder*r will mit dem „Crazy
Train“ zur Arbeit fahren. Also warum kann das
Ozzy Osbourne nicht auch? Lieber Ozzy, bitte versteh
das nicht falsch, die Menschen lieben deine
Musik. Wirklich. Aber dein kreatives Schaffen kann
nicht die Legitimation für ein Suchtproblem sein.
Dass es auch ohne Drogeneskapaden geht, zeigt
etwa Taylor Swift. Sie belegt aktuell alle „Top 10“
Plätze der US-Charts. Ozzy Osbourne und Elton
John könnten die Großväter von Taylor Swift sein.
Die beiden Briten sind um mehr als 40 Jahre älter
als deren US-amerikanische Enkeltochter. Ein Generationenvergleich
ist nun naheliegend. Die heute
ca. 30-Jährigen und Jüngeren der Generationen
Y und Z pointieren Dinge wie „Work-Life-Balance“.
Im gleichen Alter haben Opa Ozzy und Opa Elton
noch 70 Wochenstunden im Bergwerk gearbeitet,
natürlich nur metaphorisch gesprochen. Lässt sich
die jüngere Generation von diesem selbstzerstörerischen
Verhalten einfach nicht mehr beeindrucken?
Oder hat Amy Winehouse mit ihrem Beitritt
zum „Club 27“ diesen Lifestyle bereits im Jahr
2011 endgültig mit ins Grab genommen?
Julian Landl
Ich mag die Drogen nicht, aber die Drogen mögen Thema mich
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DAS TEAM DER 40. AUSGABE
Printproduktion
Vanessa Huber
Victoria Kneil
Die Printproduktion, oder auch liebevoll
das Layout-Team genannt, ist für
die Gestaltung des gesamten Magazins
zuständig.
Lena-Sophie Kornfeld
Die Artikel sollen ansprechend und
ästhetisch angeordnet und designt
Emanuel Klug
werden (und wir glauben, dass uns
das sehr gut gelungen ist).
Patrizia Bruckner
Außerdem werden hier auch alle Artikel
von unserer Lektorin Korrektur
gelesen und verbessert.
Magdalena Kanev
Mavie Berghofer
Assistenz
der Chefredaktion
Anna Horn
Die beiden Assistentinnen sind für die journalistische Koordination,
die Organisation, die Führung und die Kontrolle der Redaktion zuständig
und beraten die Redakteur*innen bei Fragen und hinsichtlich
ihrer Artikel.
48
Thema Das Team der 40. Ausgabe
Distribution
Verena Scharnagl
Klara Hirtl
Zu den Aufgaben des Distributionsteams
zählen die Organisation der Vertriebsliste,
die Erschließung neuer Zielgruppen sowie
das Customer-Relationship-Management.
Luise Kopeszki
Iris Göbl
Das Besondere dabei ist, dass die Teammitglieder
Kontakte zu Medienmanager*innen
in der Branche knüpfen können.
Alexandra Bauer
Bildredaktion
Chiara Koppelstätter
Fabian Lahninger
Erich Anger
Clara Hirschvogl
Doris Assis-Vieira
Leo Himmelbauer
Die Bildredaktion ist für die Lieferung geeigneter Bilder
für die Printausgabe, aber auch für Social Media
zuständig.
Hierbei wird darauf geachtet, dass so viele Bilder wie möglich
selbst fotografiert und bearbeitet werden.
Kreativität in Medien
Das Team der 40. Ausgabe Thema
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DAS TEAM DER 40. AUSGABE
Sabrina Karic
Antonella Bacher
Alexander Kortan
Lennart Kasamas
Sales
Léon Flurer
Das Sales-Team sorgt dafür, dass Geld in die Kasse
Yanick Hoberstorfer
kommt. Dafür müssen Werbeanzeigen im Print-
Magazin verkauft werden.
Außerdem werden die Mediadaten auf den aktuellen
Stand gebracht und (potenzielle) Kund*innen
kontaktiert.
Julian Landl
Onlineproduktion
Sebastian Püttner
Tobias Fellinger
Das Team der Onlineproduktion kümmert sich darum,
dass alle Artikel auch online erscheinen und
korrekt in sumomag.at eingearbeitet werden.
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Thema Das Team der 40. Ausgabe
Unternehmenskommunikation
Emilija Ilić
Sophie Eder
Nico Andraschko
Magdalena Grunt
Adriana Kaldrmdzic
Sarah Desch
Afifa Akhtar
Das Team rund ums Marketing kümmert
sich um die Social Media Präsenz,
Sebastian Baumschlager
gestaltet und postet Beiträge und versucht
neue Follower*innen zu gewinnen
und für SUMO zu begeistern.
Kreativität in Medien
Das Team der 40. Ausgabe Thema
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ST. PÖLTEN UNIVERSITY
OF APPLIED SCIENCES
Hier hab ich
Raum zum
Entfalten.
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fhstp.ac.at
Am modernen Campus
genießt du viel Platz und ein
vielfältiges Studienangebot
in 9 Themenbereichen:
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© Hertha Hurnaus / Architektur NMPB Architekten
Wissen, was
morgen zählt.