SMZ Liebenau Info Jul_2009
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SCHWERPUNKT: STADTTEILARBEIT<br />
Inszenierung von Solidarität im Gemeinwesen ...<br />
FORTSETZUNG<br />
Welche Hilfen bietet vor diesem Hindergrund<br />
das moderne Sozial- und Gesundheitssystem?<br />
Erschiene da eine weitere<br />
Verstärkung ausschließlich auf individuelle<br />
Personen gerichteter Hilfen da nicht so, als<br />
wolle man einen Feuerherd mit Öl bekämpfen?<br />
Inzwischen werden durchaus immer<br />
häufi ger Ansätze der Gemeinwesenarbeit<br />
auch in solchen Arbeitsfeldern diskutiert, die<br />
sich lange Zeit davor abgrenzten. Neben<br />
den bekannten Beiträgen aus dem Kontext<br />
von "Community Care" gibt es aktuell auch<br />
in Bezug auf die stationäre Altenhilfe sehr<br />
spannende Ansätze.<br />
Gemeinschaft wirkt gesundheitsfördernd<br />
Ende April <strong>2009</strong> forderten in Deutschland<br />
in einem Memorandum an die Bundesregierung<br />
sechs große Sozialorganisationen<br />
eine neue Kultur des Zusammenlebens.<br />
Angesichts des demographischen Wandels<br />
gelte es, solche Strukturen zu schaffen, die<br />
ein selbstbestimmtes Wohnen und Leben<br />
älter werdender Menschen in ihrem vertrauten<br />
Wohnumfeld möglichst dauerhaft<br />
gewährleisten.<br />
Angesagt seien alltagsnahe Wohn- und<br />
Assistenzmodelle, die ein Zusammenwirken<br />
von Bewohnern, Familienangehörigen,<br />
Nachbarn, Ehrenamtlichen und sozialen<br />
Diensten ermöglichen. Das Quartier und die<br />
vertrauten Lebensräume, in denen die Menschen<br />
schon bisher lebten, seien von besonderer<br />
Bedeutung zur Entwicklung tragfähiger<br />
Netzwerke in einem differenzierten<br />
Hilfeverbund. Neu ins Zentrum gerät das<br />
Quartier. Im Vergleich zu herkömmlichen<br />
Wohn- und Betreuungsformen, so zeigten<br />
die durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen,<br />
böten die Quartierslösungen<br />
viele Vorteile: "Ausgeprägtes soziales Miteinander<br />
und intensivere Kommunikation,<br />
Stärkung der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen,<br />
bessere Gesundheitsentwicklung<br />
mit geringerem Hilfebedarf, Förderung und<br />
stärkere Inanspruchnahme von Nachbarschaftshilfen,<br />
Entwicklung von persönlichen<br />
Netzen, positive Integration aller im Quartier<br />
lebenden Personen, messbare Einsparungen<br />
für Bürger und insbesondere für die<br />
öffentlichen Kostenträger." 1<br />
Das sind gewichtige Argumente angesichts<br />
der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
und in Anbetracht der immensen Herausforderungen,<br />
die der demographische Wandel<br />
an unsere Gesellschaften stellt. Die Autoren<br />
hatten schon in früheren Veröffentlichungen,<br />
die von der Bertelsmann-Stiftung<br />
gefördert wurden, darauf aufmerksam gemacht,<br />
dass diese Prozesse keineswegs<br />
im Selbstlauf gelingen könnten. Sie fordern<br />
auch eine hinreichende Ausstattung mit<br />
Gemeinwesenarbeiterinnen, die für die Inszenierung<br />
und Moderation dieser Prozesse<br />
unabdingbar seien. 2<br />
Tatsächlich kann die Gemeinwesenarbeit<br />
auf eine lange Tradition in der "Gemeinschaftshilfe”<br />
verweisen, die wie im letzten<br />
Beitrag ausgeführt bis ins 19. Jahrhundert<br />
zurückgeht. Sie beteiligt sich stets an der Initiierung<br />
und Förderung von Nachbarschaften,<br />
Milieus und Gemeinschaften und strebt<br />
selbstorganisierte, bzw. auf selbständiges<br />
Handeln angelegte Alltagsstrukturen an, die<br />
auf der Basis gegenseitiger Unterstützung<br />
wirken. Es gilt gerade in der aktuellen Lage,<br />
das Spannungsfeld zwischen Gemeinschaft<br />
und Gesellschaft, zwischen Eigennutz und<br />
Gemeinsinn, sowie zwischen Eigenverantwortlichkeit<br />
und solidarischer Verbundenheit<br />
neu zu fassen. Die Kultur des eigensinnigen<br />
Vorteilnehmens, die Sucht nach<br />
individueller Bereicherung und persönlicher<br />
Machtentfaltung hat die Weltwirtschaft in die<br />
größte Krise seit Jahrzehnten gestürzt.<br />
08 <strong>SMZ</strong> INFO JULI <strong>2009</strong>