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Dokumentation der Arbeitsgruppe Autismus - Samariteranstalten ...

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AUTISMUS – EINE (NICHT) ALLTÄGLICHE HERAUSFORDERUNG<br />

<strong>Dokumentation</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> <strong>Autismus</strong>


Herausgeber<br />

AUTISMUS – EINE (NICHT) ALLTÄGLICHE HERAUSFORDERUNG<br />

<strong>Dokumentation</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> <strong>Autismus</strong><br />

Herausgeber:<br />

Kooperationsverbund AUTISMUS<br />

Internet: www.verbund-autismus.de<br />

E-Mail: dialog@verbund-autismus.de<br />

V.i.S.d.P.<br />

Paul-Gerhardt Voget<br />

www.samariteranstalten.de


Inhaltsverzeichnis<br />

VORWORT<br />

EINLEITENDE WORTE<br />

1. GRUNDSÄTZLICHES<br />

1.1 Was ist <strong>Autismus</strong>?<br />

1.2 Erscheinungsformen<br />

1.3 Symptome und Auswirkungen<br />

1.4 Beson<strong>der</strong>heiten Kanner-Syndrom<br />

1.5 Herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen<br />

2. MEDIZINISCHE REHABILITATION<br />

3. DIAGNOSTIK AUTISTISCHER STÖRUNGEN<br />

3.1 Diagnostische Merkmale<br />

3.2 Früherkennung<br />

3.3 Diagnostische Verfahren<br />

4. THERAPIE<br />

4.1 Therapieansätze<br />

4.1.1 Lernpsychologische/Systemorientierte Methoden<br />

4.1.2 För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kommunikation<br />

4.1.3 Training sozialer Fähigkeiten<br />

4.1.4 Sensomotorische/Körperwahrnehmungsorientierte Methoden<br />

4.1.5 Ergänzende Massnahmen<br />

5. HILFESYSTEME UND NETZWERKE IN DEN LEBENSBEREICHEN<br />

VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN<br />

5.1 Allgemeines<br />

5.2 <strong>Autismus</strong>speziische Kriterien bei <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Hilfen zur Einglie<strong>der</strong>ung<br />

von Menschen mit <strong>Autismus</strong><br />

5.2.1 Typische Funktionseinschränkungen<br />

5.2.2 Speziische Hilfen zur Orientierung im Lebensumfeld<br />

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6. GESTALTUNG VON INDIVIDUELLEN HILFEARRANGEMENTS<br />

6.1 Frühför<strong>der</strong>ung<br />

6.2 Schulische Bildung<br />

6.2.1 Übergang ins Berufsleben<br />

6.3 Arbeit und Beschäftigung<br />

6.3.1 Voraussetzungen<br />

6.3.2 Spezielle Anfor<strong>der</strong>ungen an einen Arbeitsplatz<br />

6.4 Speziische Anfor<strong>der</strong>ungen an das Wohnen<br />

6.5 Alter und Behin<strong>der</strong>ung<br />

6.6 Freizeitgestaltung<br />

6.7 Beratung / familiäre Entlastung<br />

6.8 Anfor<strong>der</strong>ungen an den Unterstützer/Mitarbeiter/Assistenten<br />

7. KRISE, VERHALTEN<br />

7.1 Verhalten<br />

7.2 Mögliche Ursachen für herausfor<strong>der</strong>ndes Verhalten<br />

7.3 Was ist eine Krise?<br />

7.4 Auswirkungen massiver herausfor<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Verhaltensweisen<br />

7.5 Krisenvermeidung bzw. -prävention<br />

7.6 Supervision<br />

8. AUSBLICK<br />

ANLAGEN<br />

Anlage 1 Gesetzliche Grundlagen / Abgrenzungen<br />

Anlage 2 Erläuterungen / Begriffe<br />

Anlage 3 Die lebenslange Hirnentwicklung<br />

Anlage 4 Merkmale <strong>der</strong> Früherkennung / Frühkindlicher <strong>Autismus</strong><br />

Anlage 5 Relevante neurologische, soziale, emotionale und kognitive Entwicklungsaspekte<br />

bei <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen<br />

Anlage 6 Erfahrungsbericht einer Mutter in Bezug auf den Prozess <strong>der</strong> Inklusion<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

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5


Vorwort<br />

VORWORT<br />

AUTISMUS IM LAND BRANDENBURG<br />

Der Kooperationsverbund <strong>Autismus</strong> (KVA) hat sich entschlossen, eine neu bearbeitete Aulage, es ist bereits<br />

die Dritte, <strong>der</strong> vorliegenden Broschüre anzubieten. Fundierte Erfahrungen wie neue Erkenntnisse sind in diese<br />

Neubearbeitung eingelossen: <strong>der</strong> KVA hat in Brandenburg durch Angebote zu Beratung, Schule, Wohnen, Ar-<br />

beit für Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung (ASS) sowie durch seine Weiterbildungsangebote für Mit-<br />

arbeitende in Einrichtungen und bei Kostenträgern einen wachsenden Erfahrungsschatz gesammelt; und die<br />

Forschung zu Grundlagenfragen wie auch zu Einzelthemen hat zwischenzeitlich neue, interessante Aspekte<br />

erarbeitet. Beides machte eine gründliche Neubearbeitung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Gleichwohl noch einmal die Frage: Was also ist <strong>Autismus</strong>? <strong>Autismus</strong> bezeichnet eine tiefgreifende Entwick-<br />

lungsstörung, die sich bereits in den ersten Lebensjahren zeigt. Wahrnehmung, Informationsverarbeitung<br />

und insbeson<strong>der</strong>e das Sozialverhalten sind von dieser Störung betroffen. Deshalb ist auch von einem autisti-<br />

schen Spektrum die Rede: Ist bei dem einen Klienten die Wahrnehmung stark verän<strong>der</strong>t, so ist bei einem an-<br />

<strong>der</strong>en das Sozialverhalten und bei einem dritten die Kommunikation auffällig beeinträchtigt. Mitunter ist<br />

auch alles miteinan<strong>der</strong> kombiniert! Hinzu kommen Verän<strong>der</strong>ungen im Bereich Interessen und Aktivitäten, das<br />

heißt, Interessen können in Inhalten und Intensität ungewöhnlich sein. Ausführungen von alltäglichen Routi-<br />

nen sind mitunter ebenso auffällig wie ungewöhnliche Reaktionen auf Informationen.<br />

Mehrere Studien zur Häuigkeit <strong>der</strong> von <strong>Autismus</strong> Betroffenen kommen zu zahlenmäßig unterschiedlichen Er-<br />

gebnissen. Der Bundesverband <strong>Autismus</strong> Deutschland e.V. geht von einer Häuigkeit von 6 - 7 Menschen mit<br />

ASS auf 1000 Personen aus. Demnach leben im Land Brandenburg etwa 17.800 Betroffene – viele von ihnen<br />

mit einem intensiven Betreuungs- und För<strong>der</strong>ungsbedarf, an<strong>der</strong>e mit einem geringeren Unterstützungsbe-<br />

darf.<br />

Wir wünschen uns Eltern, Angehörige, Betroffene wie auch Jugend-, Sozial- und Gesundheitsämter und inte-<br />

ressierte Fachleute aus den Bereichen Arbeit, Bildung, Betreuung und Therapie als Leser. Mit dieser Neubear-<br />

beitung hoffen wir, die Arbeitsqualität weiter zu vertiefen, das Gesprächsniveau zu erhöhen und eine<br />

wirksame Lektüre und <strong>der</strong> Broschüre eine gute Verbreitung.<br />

6


DER KOOPERATIONSVERBUND AUTISMUS (KVA)<br />

Der KVA geht auf eine mehrjährige Zusammenarbeit dreier Einrichtungen mit dem Landesamt für Soziales<br />

und Versorgung in Brandenburg (LASV) zurück. Die förmliche Kooperationsvereinbarung des Trägerverbun-<br />

des zur wohnortnahen, individuellen und lebensfeldorientierten Hilfe für Menschen mit autistischer Spek-<br />

trumsstörung im Land Brandenburg wurde 2006 zwischen dem Christlichen Jugenddorf Prignitz, <strong>der</strong> Stiftung<br />

<strong>Samariteranstalten</strong> Fürstenwalde/Spree und dem Verein Oberlinhaus in Potsdam besiegelt.<br />

Unsere gemeinsame Kompetenz: spezialisierte (Früh-) För<strong>der</strong>ung, Elterntraining, schulische Bildungsange-<br />

bote, Wohnformen. Desweiteren haben wir weitreichende Erfahrungen mit Ausbildung und Beschäftigung<br />

sowie im Umgang mit herausfor<strong>der</strong>ndem Verhalten. Ausgebaut und gebündelt haben wir unsere schon bis-<br />

her intensiv nachgefragten Weiterbildungsangebote.<br />

Der KVA entwickelt und realisiert für das Land Brandenburg regional und überregional differenzierte Versor-<br />

gungsstrukturen. Darüber hinaus stellen wir uns <strong>der</strong> Aufgabe, über das Thema <strong>Autismus</strong> auf dem jeweils ak-<br />

tuellen wissenschaftlichen Stand zu informieren und entsprechende Angebote zu unterbreiten.<br />

Im Kooperationsverbund arbeiten Mitarbeitende einrichtungsübergreifend und mit Angehörigen zusammen.<br />

Sichtbares Ergebnis ist die vorliegende Neubearbeitung. Für den Text dieser Ausgabe gilt unser Dank:<br />

Ragna Linde (Angehörige),<br />

Sandra Mietzner, Jörg Stricker (Christliches Jugenddorf, Prignitz),<br />

Heike Bley, Susanne Rabe (<strong>Samariteranstalten</strong>, Fürstenwalde),<br />

Renate Frost, Juliane Höpfner, Edeltraud Hillenkamp, Dr. Uwe Plenzke (Verein Oberlinhaus, Potsdam).<br />

Drei (zeitweise) Mitarbeitende <strong>der</strong> <strong>Samariteranstalten</strong> sind beson<strong>der</strong>s zu erwähnen. Unterstützt haben die Ar-<br />

beit zwei Praktikantinnen: Nadine Roessler, Studentin <strong>der</strong> Kommunikationswissenschaften hat wertvolle Hin-<br />

weise für die Lesbarkeit geliefert. Susanne Noack, Theologiestudentin, hat die Neuaulage kritisch gegen<br />

gelesen.<br />

Ein ganz beson<strong>der</strong>er Dank gilt jedoch Petra Kruschinski, die auch für diese Aulage wie<strong>der</strong> die Mühen des Lay-<br />

outs geduldig und erfolgreich bewältigt hat.<br />

Lutz Behrendt Pfarrer Paul-Gerhardt Voget Pfarrer Matthias Fichtmüller<br />

CJD Prignitz <strong>Samariteranstalten</strong> Verein Oberlinhaus<br />

Vorwort<br />

7


Einleitende Worte<br />

EINLEITENDE WORTE<br />

INKLUSION UND DIE UN-KONVENTION ÜBER DIE RECHTE<br />

VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNG<br />

Am13.12.2006 wurde die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung (BRK) von <strong>der</strong> General-<br />

versammlung <strong>der</strong> Vereinten Nationen verabschiedet und ist seit dem 26.03.2009 auch in Deutschland in Kraft. Sie<br />

beinhaltet 50 Artikel mit teilweise sehr präzisen Regelungen zum Schutz und zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rechte von Men-<br />

schen mit Behin<strong>der</strong>ungen. (Die UN-Konvention in einfacher Sprache ist abrufbar unter folgen<strong>der</strong> Internetseite:<br />

http://www.un-konvention.rlp.de/ileadmin/masgff/UN-Konvention/UN_Konvention_Leichte_Sprache.pdf)<br />

Die Konvention hält fest, „dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig und unteilbar sind“<br />

und dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen „<strong>der</strong> volle Genuss dieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung<br />

garantiert werden muss“. Weiter heißt es: „Behin<strong>der</strong>ung entsteht, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen auf<br />

einstellungs- und umweltbedingte Barrieren stoßen, die sie an <strong>der</strong> vollen, wirksamen und gleichberechtigten<br />

Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“ hin<strong>der</strong>n.<br />

Durch frühzeitige Einbindung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen in den Entstehungsprozess konnten vielfäl-<br />

tige Lebensbereiche analysiert und beschrieben werden, z. B. unabhängige Lebensführung und Teilhabe (Art.<br />

19), Bildung (Art. 24), Gesundheit (Art. 25), Arbeit und Beschäftigung (Art. 27). Die daraus erwachsenen Ver-<br />

plichtungen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> geben auch für Deutschland interessante und weitreichende Anregungen für die<br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe und ergänzen bereits bestehende Gesetze, wie z. B. SGB IX (Rehabili-<br />

tation und Teilhabe), SGB XII o<strong>der</strong> das Behin<strong>der</strong>tengleichstellungsgesetz (BGG). Mit For<strong>der</strong>ungen nach „Inklu-<br />

sion“ und <strong>der</strong> „uneingeschränkten Teilhabe“ geht die Konvention aber auch weit über die deutsche<br />

Gesetzgebung hinaus.<br />

Inklusion ist das Gegenteil von Ausgrenzung und geht davon aus, dass alle Menschen verschieden sind, Un-<br />

terschiede also normal sind und alle Menschen gleichberechtigt miteinan<strong>der</strong> leben. Menschen mit Behinde-<br />

rung brauchen keine Son<strong>der</strong>rechte. Die Gesellschaft ist gefragt, Mittel und Hilfen bereit zu stellen, die es allen<br />

ermöglichen, sich zu entwickeln und nach eigenen Vorstellungen zu leben.<br />

Wie kann ein inklusives Gemeinwesen entwickelt und Voraussetzungen geschaffen werden, die Chancen-<br />

gleichheit und vielfältige soziale Erfahrungen ermöglichen?<br />

Oftmals fehlen vielen Menschen Erfahrungen mit Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, es „ranken sich Mythen“, ge-<br />

rade bei Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung, die gleichberechtigte und erfüllende Kontakte verhin-<br />

<strong>der</strong>n. Hier ist es unsere Aufgabe, zu informieren und durch aktive Teilnahme am öffentlichen Leben<br />

Erfahrungslernen für alle Beteiligten zu ermöglichen.<br />

8


Neben <strong>der</strong> Erschließung gesellschaftlicher Ressourcen zur Mitgestaltung und Teilhabe, spielt die Entwicklung<br />

individueller Fähigkeiten eine große Rolle. Je<strong>der</strong> Einzelne soll auf seine Weise befähigt werden, zu wählen<br />

und zu entscheiden, wie er sein Leben gestalten, wo und mit wem er z. B. wohnen möchte (Art. 19). Das setzt<br />

voraus, dass es Wahlmöglichkeiten, also differenzierte und individuelle Angebote gibt, die für alle zugänglich,<br />

verständlich und erfahrbar sind.<br />

Selbstbestimmung ist eng verknüpft mit kommunikativen und sozialen Fähigkeiten. Gerade im Bereich <strong>der</strong><br />

Kommunikation gibt es für Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung einen enormen Entwicklungsbedarf.<br />

Eine weitgehend selbstbestimmte Gestaltung des eigenen Lebens ist nur möglich, wenn im Bereich <strong>der</strong> Kom-<br />

munikation Fähigkeiten, z. B. Wünsche äußern, Unterschiede erkennen, auswählen, entscheiden, anwendbar<br />

erlernt werden. Grundlegen<strong>der</strong> Ansatz muss auch hier sein: <strong>der</strong> Mensch mit Behin<strong>der</strong>ung ist Spezialist in eige-<br />

ner Sache. Die Unterstützungsleistungen sind darauf auszurichten, ein hohes Maß an Selbständigkeit und Le-<br />

benszufriedenheit zu ermöglichen. Teilhabe zu sichern, indem Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung in<br />

die aktive Alltagsgestaltung und Zukunftsplanung einbezogen werden, ist insbeson<strong>der</strong>e auch wegen <strong>der</strong> teil-<br />

weise erheblichen Einschränkungen im kommunikativen Bereich eine beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung und trifft<br />

im Alltag auf viele Hin<strong>der</strong>nisse.<br />

Damit Inklusion nicht nur eine Vision bleibt, benötigen diese Menschen hier Begleiter, die in ihrem Sinne stell-<br />

vertretend handeln, mitunter auch entscheiden. Dies setzt eine kritische Relektion und Haltung voraus, um<br />

Selbstbestimmung und Teilhabe zu sichern, ebenso wie zeitgemäße, praxisnahe und tragfähige Konzepte.<br />

Ein weiterer Bereich <strong>der</strong> gleichberechtigten Teilhabe am Leben in <strong>der</strong> Gesellschaft ist die bedarfsgerechte Ge-<br />

sundheitsversorgung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen (Artikel 25 BRK). Die Gesundheitsreform hat aber<br />

dazu geführt, dass die Kosten für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gestiegen sind bzw. Leistungen teilweise vor-<br />

enthalten werden, z. B. Physiotherapie, Reittherapie o<strong>der</strong> Ergotherapie.<br />

Gerade Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung haben hier einen sehr speziellen Bedarf. Neben allgemei-<br />

nen Gesundheitsleistungen, die allen zugänglich gemacht werden müssen, ist es auch notwendig, lächen-<br />

deckend spezielle Angebote zu schaffen, die bedarfsgerecht und vor Ort nutzbar sind.<br />

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen ist eine anregende und zukunftswei-<br />

sende Handlungsrichtlinie auf dem Weg zur Verwirklichung einer umfassenden Gleichstellung von Menschen<br />

mit Behin<strong>der</strong>ungen. Zugleich ist sie ein Auftrag an die Gesellschaft und alle Dienste <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe.<br />

In Bezug auf den Prozess <strong>der</strong> UN-Konvention stellen wir uns <strong>der</strong> Frage: Ist die Gesellschaft inklusiv für den<br />

Personenkreis <strong>der</strong> Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung?<br />

Wenn wir diese Frage mit einem eindeutigen „Ja!“ beantworten, ist unsere Broschüre überlüssig. Bis dahin<br />

bietet sie wertvolle „Wegzehrung“ auf dem Weg dorthin.<br />

Einleitende Worte<br />

9


Grundsätzliches<br />

1. GRUNDSÄTZLICHES<br />

1.1 WAS IST AUTISMUS<br />

<strong>Autismus</strong> wird von dem griechischen Wort „autos“ abgeleitet und bedeutet „selbst, eigen…“. Insofern wird mit<br />

dem Begriff die wesentlichste Beeinträchtigung autistischer Menschen, „die Selbstbezogenheit”, be-<br />

schrieben.<br />

<strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen (nachfolgend ASS genannt) sind bereits im frühen Kindesalter einsetzende,<br />

tief greifende Entwicklungsstörungen, die die kindliche Entwicklung beeinlussen. „<strong>Autismus</strong>“ bezeichnet ein<br />

Syndrom, d. h. ein Zusammentreffen verschiedener Symptome. Es handelt sich i. d. R. um mehrfache Beein-<br />

trächtigungen, gehäuft mit vielfältigen Syndromen (ca. 30 sind bekannt). 1<br />

Die speziische Diagnose einer <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung wird gestellt, wenn von den verschiedenen mög-<br />

lichen Ausprägungen bestimmter auffälliger Verhaltensweisen o<strong>der</strong> Entwicklungsstörungen eine genau dei-<br />

nierte Anzahl über eine festgelegte Zeit beobachtbar gewesen ist. Über die Ursächlichkeit <strong>der</strong> autistischen<br />

Störung ist damit zunächst noch nichts gesagt. Das Erscheinungsbild und die Intensität des <strong>Autismus</strong> variie-<br />

ren erheblich.<br />

<strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung (ASS) ist eine komplexe und vielgestaltige Entwicklungsstörung. Zentralproblem<br />

ist die Wechselwirkung zwischen Wahrnehmungs-/Denkstörungen und Beziehungsstörungen.<br />

Auch sind die Intelligenzeinschränkungen unterschiedlich ausgeprägt. Bei ca. 75 % <strong>der</strong> autistischen Men-<br />

schen 2 ist die geistige Entwicklung eingeschränkt. Während beim Asperger-Syndrom eher eine durchschnittli-<br />

che bis hohe Intelligenz auftritt, liegen beim Kanner-Syndrom eher schwere Intelligenzeinschränkungen vor.<br />

Die Besserung <strong>der</strong> autismustypischen Einschränkungen ist abhängig vom Entwicklungsniveau, also <strong>der</strong> Fähig-<br />

keit zur allgemeinen Lebensbewältigung des Einzelnen. Dabei ist die Prognose umso günstiger, je früher die<br />

Diagnostik erfolgt und die gezielte För<strong>der</strong>ung eintritt.<br />

Betroffene Menschen, einschließlich <strong>der</strong>en Angehörigen, benötigen langwierige, kontinuierliche Unterstüt-<br />

zung, i. d. R. lebenslang. Der Unterstützungsbedarf variiert und ist bei Menschen mit niedrigem Entwicklungs-<br />

niveau am höchsten. Dabei ist die Gestaltung <strong>der</strong> Übergänge einzelner Lebensabschnitte maßgebend für<br />

Erfolg o<strong>der</strong> Misserfolg bei <strong>der</strong> dauerhaften Lebensbewältigung.<br />

1 Dalferth, Synopse verschiedener Symptomlisten zur Diagnostizierung des frühkindlichen <strong>Autismus</strong>, Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 37, Heft 3.<br />

2 <strong>Autismus</strong> Deutschland e. V., Bundesverband zur För<strong>der</strong>ung von Menschen mit <strong>Autismus</strong> (Hrsg.) In: Denkschrift zur Situation von Menschen mit<br />

10<br />

<strong>Autismus</strong> in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland.


1.2 ERSCHEINUNGSFORMEN<br />

# Opitz, Kin<strong>der</strong> mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen (ASS), Kohlhammer-Verlag 2005.<br />

Grundsätzliches<br />

<strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen werden in den Veröffentlichungen verschieden dargestellt. Auch bei den Aus-<br />

prägungen <strong>der</strong> ASS gibt es in <strong>der</strong> medizinischen Diagnostik unterschiedliche Einschätzungen.<br />

Aus dieser Vielfalt erfolgt nachfolgend die zusammenfassende Darstellung.<br />

<strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen (ASS) #<br />

Kanner-Syndrom Asperger-Syndrom High-functioning sonstige an<strong>der</strong>e tief greifende<br />

Entwicklungsstörungen<br />

Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> autistische Persönlich- <strong>Autismus</strong> mit hohem - atypischer <strong>Autismus</strong><br />

keitsstörung, autistische Funktionsniveau - Rett-Syndrom<br />

Psychopathie - Heller-Syndrom<br />

Nach den beiden Klassiikationssystemen ICD-10 und DSM-IV wird nach frühkindlichem <strong>Autismus</strong>, Rett-Syn-<br />

drom, Desintegrativer Störung im Kindesalter (Heller-Syndrom) und Asperger-Syndrom unterschieden.<br />

<strong>Autismus</strong> ist eine Entwicklungsstörung und nicht grundsätzlich mit einer geistigen Behin<strong>der</strong>ung einherge-<br />

hend.<br />

Häuig werden die Begriffe „<strong>Autismus</strong>“ und „geistige Behin<strong>der</strong>ung“ gleichgesetzt. Es ist notwendig, diese Be-<br />

griffe sowie die <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen von an<strong>der</strong>en Erkrankungen abzugrenzen. <strong>Autismus</strong> ist keine<br />

geistige Behin<strong>der</strong>ung, son<strong>der</strong>n eine Entwicklungsstörung.<br />

Es gibt allerdings eine sehr hohe Komorbitätsrate (d. h. gemeinsames Vorliegen mehrerer Erkrankungen) von<br />

<strong>Autismus</strong> einerseits und geistiger Behin<strong>der</strong>ung sowie Anfallsleiden an<strong>der</strong>erseits. Insofern gibt es also Autis-<br />

mus mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung und den <strong>Autismus</strong> ohne geistige Behin<strong>der</strong>ung, ebenso wie es auch seltener<br />

das Zusammentreffen von <strong>Autismus</strong> und Hochbegabung gibt. Die Beson<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> Symptomatik <strong>der</strong> Autis-<br />

mus-Spektrum-Störungen macht es häuig schwer, hier angemessen zu unterscheiden.<br />

Abgegrenzt muss <strong>der</strong> <strong>Autismus</strong> von an<strong>der</strong>en Störungsmustern werden, wie<br />

- Schizophrenie<br />

- schizoide Persönlichkeitsstörung<br />

- Zwangsstörung<br />

- Gilles-de-la-Tourette-Syndrom<br />

- nonverbale Lernstörung<br />

11


Grundsätzliches<br />

- Aufmerksamkeits-Deizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)<br />

- an<strong>der</strong>en Störungen, z. B. Empathie-Störung. 3<br />

Ein Übergang vom Asperger-Syndrom in eine schizophrene Erkrankung erfolgt nach Wolff 4 in 5% <strong>der</strong> Fälle.<br />

Dies trifft jedoch nicht für den frühkindlichen <strong>Autismus</strong> einschließlich des High-functioning-<strong>Autismus</strong> zu. Pro-<br />

blematischer ist dagegen die Abgrenzung des Asperger-Syndroms und Highfunctioning-<strong>Autismus</strong> zur schi-<br />

zoiden Persönlichkeit. Hier besteht nach Remschmidt 5 noch Klärungs- und Forschungsbedarf. Häuig gilt es in<br />

<strong>der</strong> Praxis nach Remschmidt, das Asperger-Syndrom von einer ADHS abzugrenzen o<strong>der</strong> festzustellen, ob<br />

beide Störungen vorliegen. 6<br />

1.3 SYMPTOME UND AUSWIRKUNGEN<br />

Der heutige wissenschaftliche Stand geht davon aus, dass das Syndrom angeboren ist und damit die Stö-<br />

rungsentwicklung des Kindes schon früh beeinträchtigt. Die Verbesserungen in <strong>der</strong> Diagnostik neuropsycho-<br />

logischer Funktionsstörungen und Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Gehirnforschung beim <strong>Autismus</strong> haben zu einem<br />

umfassen<strong>der</strong>en, differenzierten Verständnis geführt. Deshalb muss heute aus neurobiologischer Sichtweise<br />

davon ausgegangen werden, dass eine solche hirnorganische Störung eine an<strong>der</strong>sartige Entwicklung bedeu-<br />

tet, die nicht vollständig zu normalisieren ist.<br />

Deshalb sind autistische Menschen an<strong>der</strong>s, denken an<strong>der</strong>s, fühlen an<strong>der</strong>s und verhalten sich an<strong>der</strong>s. Für die<br />

Menschen in ihrer Umgebung gibt es nur den kleinen Teil beobachtbaren Verhaltens. Die Ursachen und Be-<br />

weggründe für die häuig fremdartigen, bizarren und unerklärbaren Verhaltensweisen liegen in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>sar-<br />

tigen Struktur ihres Gehirns.<br />

Die Fähigkeit <strong>der</strong> sozialen Integration bedarf nach Poustka 7 <strong>der</strong> verschiedenen kognitiven und einfühlsamen<br />

Fähigkeiten und <strong>der</strong> Integration multipler Hirnregionen.<br />

3 Remschmidt, Kamp-Becker, Differentialdiagnostik autistischer Störungen, 11. Bundestagung „<strong>Autismus</strong> im Wandel – Übergänge sind Herausforde-<br />

rung“ vom 16. - 18.09.2005 in Leipzig.<br />

4 Wolff, S. Loners. The life path of unusal children In: Remschmidt, Deutsches Ärzteblatt 97, Heft 19.<br />

5 Remschmidt, Deutsches Ärzteblatt 97, Heft 19.<br />

6 Remschmidt, Kamp-Becker, Differentialdiagnostik autistischer Störungen, 11. Bundestagung „<strong>Autismus</strong> im Wandel-Übergänge sind Herausforde-<br />

rung“ vom 16. -18.09.2005 in Leipzig, siehe auch ebenda: Unterschiede und Gemeinsamkeiten Asperger-ADHS, S. 40.<br />

7 Poustka, Ursachenforschung beim <strong>Autismus</strong>, 11. Bundestagung „<strong>Autismus</strong> im Wandel-Übergänge sind Herausfor<strong>der</strong>ung“ vom 16. -18. September<br />

12<br />

in Leipzig.


8 Remschmidt, Differentialdiagnostik im Spiegel <strong>der</strong> Zeit, 11. Bundestagung „<strong>Autismus</strong> im Wandel-Übergänge sind Herausfor<strong>der</strong>ung“<br />

vom 16. - 18. September 2005 in Leipzig.<br />

9 Blanz, Hirnorganische Störungen. Herausfor<strong>der</strong>ungen an die Medizin, 11. Bundestagung „<strong>Autismus</strong> im Wandel-Übergänge sind Herausfor<strong>der</strong>ung“<br />

vom 16. - 18. September 2005 in Leipzig, unveröffentlicht.<br />

10 Blanz, ebenda.<br />

Grundsätzliches<br />

Durch Einsatz bildgeben<strong>der</strong> Verfahren in <strong>der</strong> Forschung wird deutlich, dass bei betroffenen Menschen fol-<br />

gende neurologische Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen:<br />

- Störung <strong>der</strong> zentralen Kohärenz, d. h. Informationsverarbeitung erfolgt bruchstückhaft, Detailorientierung,<br />

Kontext- und Sinnerfassungsschwierigkeiten<br />

- Exekutive Funktionen, d. h. Schwierigkeit zur Problemlösung, Schwierigkeiten bei Planungsprozessen<br />

zielgerecht und problemorientiert zu handeln, Schwierigkeiten bei Umstellung von einem Lösungsweg<br />

auf einen an<strong>der</strong>en<br />

- Cerebrale Störungen, d. h. mangelhaftes Erkennen von facialen Effekten, Problem <strong>der</strong> Emotionserkennung<br />

An<strong>der</strong>er, Gefühlen, Gesichtererkennung. 8<br />

Die neuropsychologischen Deizite, wie soziale Wahrnehmung, soziales Denken, soziale Motivation, beein-<br />

lussen erheblich die allgemeine Lebensbewältigung des Einzelnen. Nach Blanz 9 ist ein soziales Funktionieren<br />

Voraussetzung, um das Gehirn weiter zu aktivieren. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass die Störungen<br />

<strong>der</strong> Sprachfunktionen und <strong>der</strong> Kommunikation sehr komplex sind, d. h. es liegen komplexe Hirnfunktionsstö-<br />

rungen vor. Die basale visuelle Funktion ist dagegen nicht beeinträchtigt. 10 Die zur ganzheitlichen Erfassung<br />

von Gesichtern und Emotionen erfor<strong>der</strong>lichen Aktivierungsmuster im Gehirn unterscheiden sich bei <strong>der</strong> Ob-<br />

jekterkennung. Damit wird die ausgeprägte „Objektbezogenheit“ erklärt.<br />

Die beson<strong>der</strong>en, ausgeprägten, z. T. zwanghaften Interessen an einzelnen Objekten o<strong>der</strong> Handlungen ma-<br />

chen das Leben mit diesen Menschen anstrengend und mitunter schwer erträglich. Viele autistische Men-<br />

schen sprechen nicht o<strong>der</strong> kaum. Diese Menschen sind emotional und sozial stark zurückgezogen, sie<br />

nehmen z. B. weniger Blickkontakt auf, teilen ihre Gefühle an<strong>der</strong>en kaum mit, zeigen sich unfähig, die Per-<br />

spektive an<strong>der</strong>er zu übernehmen. Sie gehen insgesamt viel weniger in Kontakt und dies, je nach Diagnose,<br />

häuig schon von klein auf (z. B. fehlendes „soziales Lächeln“ beim Säugling). Es scheint, als ob diese Men-<br />

schen um sich selber kreisen und weitestgehend sich selbst genügen. An<strong>der</strong>e Menschen werden scheinbar,<br />

vor allem in ihrer Bedeutung zur Erfüllung <strong>der</strong> eigenen Bedürfnisse, wahrgenommen. Es ist schwer, emotio-<br />

nale Bindungen zu erkennen. Der gesamte Tagesablauf autistischer Menschen ist oftmals nur durch die Be-<br />

friedigung ihrer eigenen Wünsche und Bedürfnisse geprägt. Selbstbezogenheit, Zufriedenheit, Rückzugs-<br />

vorhaben etc. sind typisch. Zudem zeigen sie sich z. T. als Menschen mit eingeschränktem Orientierungsver-<br />

mögen, unberechenbar und ohne erkennbare Gefahreneinschätzung.<br />

Autistische Menschen sind in ihrer Wahrnehmung so stark beeinträchtigt, dass sie permanent von Reizen<br />

überlutet werden und dies zu fremd- und autoaggressiven sowie destruktiven Verhaltensweisen führen<br />

13


Grundsätzliches<br />

kann. Erfahrungsgemäß können kleinste Störungen im Tagesablauf (z. B. Telefonklingeln) zu diesen Verhal-<br />

tensweisen führen.<br />

Überempindlichkeiten gegenüber sensorischen Reizen, eine hohe Irritabilität durch Verän<strong>der</strong>ungen aller Art<br />

sind weitere häuige Symptome.<br />

Positive o<strong>der</strong> negative Verstärker können unterstützend bei <strong>der</strong> Umsetzung von Handlungsabfolgen o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Verän<strong>der</strong>ung von Verhaltensmustern wirken.<br />

Die o. g. Störungen führen häuig zu Fehlinterpretationen sozialer und kommunikativer Signale, die erheblich<br />

die sozialen Interaktionen beeinlussen. Die fehlende Fähigkeit autistischer Menschen, emotionale Reaktionen<br />

auf Personen o<strong>der</strong> Objekte mit an<strong>der</strong>en zu teilen, schränkt ihr Verständnis und ihre Erfahrungen mit sich<br />

selbst und an<strong>der</strong>en, mit sozialen Beziehungen und <strong>der</strong> Gesellschaft, in <strong>der</strong> sie leben, drastisch ein.<br />

Die gesellschaftliche Integration von Menschen mit <strong>Autismus</strong> setzt eine hohe Bereitschaft des Umfeldes vo-<br />

raus, sich auf ihre Beson<strong>der</strong>heiten einzulassen und ihre Grenzen zu akzeptieren.<br />

Neben entwicklungsinduzierten Verän<strong>der</strong>ungen und Zustandsverän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>krankung sind<br />

nach Remschmidt 11 plötzliche Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Umgebung und Missverständnisse in <strong>der</strong> Kommunika-<br />

tion die Ursache für das Auftreten von Krisensituationen. Betroffene Menschen benötigen deshalb stetig kom-<br />

munikative Hilfen, verhaltenstherapeutische Maßnahmen und körperorientierte Vermittlungsverfahren.<br />

Auftretende Funktionsstörungen wirken sich auf viele Entwicklungs- und alle Lebensbereiche aus. Eindeutige<br />

Kausalketten zwischen Ursache und Wirkung sind kaum zu erkennen. Die Ausprägung <strong>der</strong> Symptomatik un-<br />

terliegt entwicklungsbedingten Verän<strong>der</strong>ungen.<br />

1.4 BESONDERHEITEN KANNER-SYNDROM<br />

Durch die beim Kanner-Syndrom auftretende schwere/schwerste Intelligenzmin<strong>der</strong>ung sind individuelle Be-<br />

handlung/För<strong>der</strong>ung, Einübung sozialer Fertigkeiten und Handlungskompetenzen erheblich erschwert und<br />

eingeschränkt. Menschen mit dem Kanner-Syndrom vom Typ „low-functioning-autism“ können sich i. d. R.<br />

sprachlich nicht äußern und sind demzufolge nicht in <strong>der</strong> Lage, innere Vorgänge sprachlich zu repräsentieren.<br />

Vieles bleibt im Unklaren. Kommunikationshilfen, wie einfache Symbole, Bil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Fotograien, Gebärden-<br />

sprache, zeigen Ansätze von Erfolg. Im Allgemeinen ist die Verständigung sehr problematisch und deshalb<br />

kann es in missverständlichen Situationen zu auto- bzw. fremdaggressiven Verhaltensweisen kommen.<br />

11 Remschmidt, Differentialdiagnostik, 11. Bundestagung „<strong>Autismus</strong> im Wandel - Übergänge sind Herausfor<strong>der</strong>ung“ vom 16. - 18.9. 2005 in Leipzig.<br />

14


Grundsätzliches<br />

Zudem ist es schwierig, ihre Gedächtnis- sowie Denkleistungen einzuschätzen. Ihr Aufgabenverständnis ist<br />

meist nur an konkrete, ihnen bekannte Situationen gebunden.<br />

Komplexe Handlungsanweisungen können diese Personen wegen <strong>der</strong> schweren Beeinträchtigungen meist<br />

nicht verstehen und somit nur schwer umsetzen. Hier ist die Anwendung von positiven und negativen Ver-<br />

stärkern beson<strong>der</strong>s notwendig. Fühlen sie sich jedoch überfor<strong>der</strong>t, reagieren sie meist mit enormer Autoag-<br />

gression o<strong>der</strong> Fremdaggression (z. B. Kopf gegen Wände stoßen, Angriffe auf Betreuer durch Treten, Beißen).<br />

Insofern benötigen beson<strong>der</strong>s Menschen mit <strong>Autismus</strong> und schwerer geistiger Behin<strong>der</strong>ung unbedingt gleich<br />

bleibende Umgebungsbedingungen. Zwingend erfor<strong>der</strong>liche Übergänge bei Lebensabschnitten sind des-<br />

halb beson<strong>der</strong>s gründlich unter Einbeziehung aller Beteiligten vorzubereiten und zu begleiten. Wegen <strong>der</strong> i.<br />

d. R. mehrfachen Beeinträchtigungen sind diese Menschen zeitlebens erheblich in <strong>der</strong> Teilhabe am Leben in<br />

<strong>der</strong> Gemeinschaft eingeschränkt.<br />

Wie grundsätzlich sich alle Menschen entwickeln, verän<strong>der</strong>n sich Menschen mit frühkindlichem <strong>Autismus</strong><br />

ebenfalls. So wie es bei Personen mit high-functioning-autism außerordentlich große Entwicklungsfort-<br />

schritte gibt, sind Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Funktionsbeeinträchtigungen auch bei Menschen mit Kanner-Syndrom<br />

grundsätzlich möglich. Diese Prozesse sind langwierig und erfor<strong>der</strong>n viel Zeit. Unbedingt müssen die Thera-<br />

pien und Unterstützungsangebote interdisziplinär zwischen allen am Entwicklungsprozess Beteiligten gut<br />

abgestimmt sein. Oft ist dies nur in „kleinen Schritten“ möglich und es gilt <strong>der</strong> Grundsatz: „weniger ist mehr“.<br />

Das heißt, je nach <strong>der</strong> individuellen Bedarfslage ist das „richtige“ Unterstützungsangebot zum „richtigen“<br />

Zeitpunkt auszuwählen.<br />

Autisten mit schwerer geistiger Behin<strong>der</strong>ung haben eine eingeschränkte Ich-, Sach- und Sozialkompetenz.<br />

Hier ist <strong>der</strong> Erfolg bei <strong>der</strong> Sozialanpassung sehr mühsam. Diese Menschen zeigen eine deutliche Abwehrhal-<br />

tung, sowie eine extreme Zurückgezogenheit, die gerade im Erwachsenenalter nur schwer aufgebrochen<br />

werden kann. Neben <strong>der</strong> hohen Angstbereitschaft in sozialen Situationen scheinen bei autistischen Men-<br />

schen die selbstverletzenden Verhaltenweisen eine wesentliche Rolle zu spielen. Beson<strong>der</strong>s relevant ist die<br />

Häuigkeit des Auftretens von Verhaltensauffälligkeiten. Hier ist beson<strong>der</strong>s das z. T. massive selbst- sowie<br />

fremdverletzende Verhalten zu nennen. Das Ausmaß <strong>der</strong> Bereitschaft, sich immer wie<strong>der</strong> selbst zu verletzen,<br />

liegt dabei wesentlich höher als bei an<strong>der</strong>en behin<strong>der</strong>ten Personengruppen.<br />

Weitere häuig auftretende Störungen des Verhaltens sind: Zwangshandlungen, Ticks, Hyperaktivität o<strong>der</strong><br />

motorische Unruhe, Konzentrationsschwäche, verschiedenartige Essstörungen, starke Schlafstörungen. Häu-<br />

ig bestimmen die massiven Zwänge ihr Leben.<br />

Die Verhaltensstörungen machen es erfor<strong>der</strong>lich, dass diese Menschen ständig kommunikative Hilfen, verhal-<br />

tenstherapeutische Maßnahmen, körperorientierte Vermittlungsverfahren benötigen, die fortlaufend relek-<br />

tiert und angepasst werden müssen.<br />

15


Grundsätzliches<br />

Die Gesamtheit <strong>der</strong> Erscheinungen begründet einen extrem hohen und fachlich wie menschlich 12 anspruchs-<br />

vollen Betreuungsbedarf, <strong>der</strong> den Bezugspersonen beson<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen und Herausfor<strong>der</strong>ungen abver-<br />

langt. Insofern ist <strong>der</strong> hohe, kontinuierlich erfor<strong>der</strong>liche Unterstützungs- und Entlastungsbedarf im Lebens-<br />

und Wohnumfeld betroffener Menschen nachzuvollziehen.<br />

Schwierig gestaltet sich für schwer geistig behin<strong>der</strong>te Autisten die partnerschaftliche Beziehung. In <strong>der</strong> Regel<br />

bleibt ihnen diese verschlossen, sodass unbefriedigte sexuelle Bedürfnisse zu Problemen führen können. Re-<br />

aktionen, wie massive Fremd- und Autoaggressionen o<strong>der</strong> auch sexuelle Übergriffe auf an<strong>der</strong>e Bewohner,<br />

sind dann in Einrichtungen die Folge. Des Weiteren tritt sehr häuig verstärkt Onanie auf. Hier ist von Bedeu-<br />

tung, dass die Bezugspersonen diese Situation nicht dramatisieren. Eine wichtige Aufgabe besteht darin, den<br />

Betroffenen in einfacher bzw. für sie verständlicher Form zu vermitteln, dass dies nicht „schlimm“ ist, dass das<br />

Verhalten aber nicht im Beisein An<strong>der</strong>er und vor allem nicht in <strong>der</strong> Öffentlichkeit geschehen darf. Methodisch<br />

können hier angewendet werden: Ablenkung, Anbieten an<strong>der</strong>er Verhaltensmöglichkeiten, kleine Belohnun-<br />

gen, wenn es gelungen ist, auf die öffentliche Selbstbefriedigung zu verzichten. Ein für den Erwachsenen aus-<br />

füllendes und erfüllendes Beschäftigungsprogramm, das z. B. auch sportliche Betätigungen enthält, ist in<br />

dieser Situation beson<strong>der</strong>s hilfreich. 13<br />

Diese Menschen benötigen in allen Lebensbereichen eine lebenslange Unterstützung und individuelle Be-<br />

gleitung. Wegen <strong>der</strong> erhöhten gesundheitlichen Risiken ist gerade für Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung<br />

und autistischen Spektrumsstörungen eine stabile, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung und Kri-<br />

senintervention erfor<strong>der</strong>lich.<br />

1.5 HERAUSFORDERNDE VERHALTENSWEISEN<br />

In <strong>der</strong> Fachliteratur werden die Begriffe Verhaltensauffälligkeiten, Verhaltensstörungen, Verhaltensprobleme<br />

etc. unterschiedlich deiniert. In <strong>der</strong> praktischen Betreuungsarbeit werden diese des Weiteren häuig mit psy-<br />

chischen Störungen verknüpft. Auf diese beson<strong>der</strong>e Problematik wird nachfolgend in Punkt 7 detailliert ein-<br />

gegangen.<br />

Nach Bryson (1992) 14 muss bei ca. 45 % <strong>der</strong> geistig behin<strong>der</strong>ten und autistischen Menschen mit zusätzlichen<br />

(schweren) Verhaltensproblemen gerechnet werden. In <strong>der</strong> Praxis werden nach Theunissen 15 Menschen mit<br />

geistigen Behin<strong>der</strong>ungen und autistischen Entwicklungsstörungen oft als „schwerstbehin<strong>der</strong>t“ bezeichnet.<br />

12 I.S. Care Ethics: aus dem Engl., umschreibt das Anliegen wie menschliche Beziehungen in Situationen <strong>der</strong> Hilfe respektvoll ohne Bevormundung<br />

gestaltet werden sollen.<br />

13 Siehe auch: B. Rollett/U. Kastner-Koller, AUTISMUS-Ein Leitfaden für Eltern, Erzieher, Lehrer und Therapeuten, 1998.<br />

14 In: Theunissen, 11. Bundesfachtagung „<strong>Autismus</strong> im Wandel - Übergänge sind Herausfor<strong>der</strong>ung“, 16. - 18.09.2005 in Leipzig.<br />

15 Ebenda.<br />

16


16 Kühn, Metzler, Rauscher In: Hilfebedarf von Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung und erheblichen Verhaltensauffälligkeiten, Abschlussbericht<br />

eines Modellprojektes im Auftrag des Diakonischen Werkes <strong>der</strong> Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens e.V. und des Staatsministeriums für Soziales, Ge-<br />

sundheit, Jugend und Familie Sachsen, 2002.<br />

17 Siehe auch Eeklaar, Erfahrungen mit Konsulententeams in den Nie<strong>der</strong>landen, auch Braun, Hilinger, Elger: Konsulentenarbeit in den Nie<strong>der</strong>landen<br />

und beim Landschaftsverband Rheinland In: Tagungsbericht DHG-Workshop, Dezember 2003 in Bonn.<br />

18 Näheres zur Konsulentenarbeit einschließlich des umfassenden Antragsfragebogens unter www.consulenten.lvr.de.<br />

Grundsätzliches<br />

Dabei wird die Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung nicht an den bekannten Symptomen eines autistischen Syndroms,<br />

son<strong>der</strong>n gleichfalls an den zusätzlichen Verhaltensstörungen festgemacht.<br />

Die nachfolgenden Ausführungen sind beson<strong>der</strong>s auf die Menschen mit erheblich herausfor<strong>der</strong>ndem Verhal-<br />

ten ausgerichtet, die wegen <strong>der</strong> Art und Intensität <strong>der</strong> Störungen so <strong>der</strong>maßen das Zusammenleben und -ar-<br />

beiten belasten, dass die Lebenssituation massiv wegen <strong>der</strong> Selbst- und Fremdgefährdungen eingeschränkt<br />

ist.<br />

Beson<strong>der</strong>s unbefriedigend ist die Situation bei autistischen Menschen mit schweren Verhaltensauffälligkeiten,<br />

die vor allem mit aggressiven Verhaltensweisen, sich ständig wie<strong>der</strong>holenden Verhaltensweisen etc., die Auf-<br />

merksamkeit ihrer Bezugs- o<strong>der</strong> Umkreispersonen auf sich lenken und zu einer ständigen Kontrolle sowie<br />

einer verhaltenssteuernden Intervention herausfor<strong>der</strong>n. Eine eindeutige Zuordnung bestimmter Symptome<br />

von Verhaltensauffälligkeiten zu bestimmten Ursachen ist generell nicht möglich.<br />

Verschiedene Faktoren führen in einem zeitlichen Nacheinan<strong>der</strong> und in einem Prozess dazu, dass sich Störun-<br />

gen entwickeln, mehr und mehr ausprägen und zum Problem verfestigen. Problemverhalten ist Ausdruck<br />

einer gestörten Individuum-Umwelt-Beziehung.<br />

Verhaltensauffälligkeiten müssen in ihrer Bedeutung verstanden werden, mögliche Ursachen erkannt und zu<br />

den Verhaltensauffälligkeiten in Beziehung gesetzt werden. Durch Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Umweltvariablen und<br />

einer verstärkten För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> individuellen Selbstständigkeit kann eine erhebliche Minimierung von auffäl-<br />

ligen Verhaltensweisen erzielt werden, die nicht zuletzt auch zu einer Steigerung des Wohlbeindens aller Be-<br />

teiligten beiträgt. Die entsprechenden Maßnahmen müssen sich immer an den individuellen Bedürfnissen,<br />

Stärken und Interessen <strong>der</strong> betroffenen Menschen orientieren, sollen diese in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />

Verhaltensauffälligkeiten wirksam und erfolgreich sein. Dabei sind die menschlichen Beziehungen, die tägli-<br />

che Arbeit fortlaufend zu relektieren und ggf. anzupassen.<br />

Nach Kühn, Metzler, Rauscher 16 bedarf es eines intensiven Prozesses <strong>der</strong> diagnostischen Klärung, <strong>der</strong> Mitarbei-<br />

terberatung und <strong>der</strong> Unterstützung durch externe Beratung, z. B. durch Supervisoren und externe Experten 17 .<br />

An dieser Stelle ist auch auf das aus den Nie<strong>der</strong>landen stammende und in den Rheinischen Heilpädagogi-<br />

schen Heimen angewandte umfassende Unterstützungsangebot <strong>der</strong> Konsulentenarbeit für behin<strong>der</strong>te Men-<br />

schen mit schweren Verhaltensauffälligkeiten hinzuweisen. 18<br />

17


Medizinische Rehabilitation<br />

Nach Diefenbacher, Voß 19 haben Menschen mit Intelligenzmin<strong>der</strong>ungen eine erhöhte Prävalenz von Verhal-<br />

tens- und psychischen Störungen. Diese schwankt zwischen 30 bis 80% und tritt umso häuiger auf, je höher<br />

die Intelligenzmin<strong>der</strong>ung ist. Diefenbacher verweist darauf, dass sehr oft Verhaltensauffälligkeiten automa-<br />

tisch als Teil <strong>der</strong> geistigen Behin<strong>der</strong>ung angesehen werden und deshalb keine weitere Differenzialdiagnostik<br />

erfolgt. Im nachfolgenden Abschnitt wird näher darauf eingegangen.<br />

2. MEDIZINISCHE REHABILITATION<br />

Autisten mit schweren Intelligenzbeeinträchtigungen sind behin<strong>der</strong>t und i. d. R. chronisch krank. Denn sie er-<br />

füllen i. d. R. das Merkmal „chronisch krank“ gem. § 62 SGB V. Zur Vermeidung <strong>der</strong> Verschlimmerung von<br />

Krankheiten, zur Wahrung des Rehabilitationspotenzials und zur Stabilisierung und Kompensation von Funkti-<br />

onsdeiziten besteht bei diesen erkrankten Menschen neben <strong>der</strong> ärztlichen Behandlung meist ein hoher Be-<br />

darf an Heil- und Hilfsmitteln. Der gesetzliche Anspruch auf ausreichende Krankenbehandlung nach § 27 SGB<br />

V zur Lin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Krankheitsfolgen wird für chronisch kranke Menschen nicht eingeschränkt.<br />

Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Re-<br />

habilitationsrichtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 SGB V in <strong>der</strong> Fassung vom 16. März 2004, zuletzt geän<strong>der</strong>t<br />

am 18. Januar 2005, in Kraft getreten am 25.03.2005) bestimmen Ziel, Zweck und Inhalt <strong>der</strong> medizinischen Re-<br />

habilitation. Hier sind nach § 7 als Voraussetzung die Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit<br />

und positive Rehabilitationsprognose benannt.<br />

Die Qualität und die Wirksamkeit <strong>der</strong> Leistungen 20 nach dem III. Kapitel des SGB V an Versicherte müssen<br />

unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots dem allgemeinen Stand <strong>der</strong> medizinischen Erkenntnisse ent-<br />

sprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen.<br />

Dabei ist den beson<strong>der</strong>en Belangen behin<strong>der</strong>ter und chronisch kranker Menschen gem. § 2 a SGB V Rech-<br />

nung zu tragen.<br />

Welti 21 verweist darauf, dass das Leistungsprogramm <strong>der</strong> gesetzlichen Krankenversicherung sich überwie-<br />

gend am Normalfall <strong>der</strong> kurzfristig behebbaren Gesundheitsstörungen orientiert. In verschiedenen Veröffent-<br />

19 In: CJD-Fachtagung „Außer Rand und Band“ am 26.1.2006 in Pritzwalk.<br />

20 Siehe § 2 Absatz 1 SGB V.<br />

21 Schumacher, Wie sozial bleibt unser Land? Ein Tagungsbericht. Veranstaltung <strong>der</strong> fünf Fachverbände „Ökonomie und Recht auf<br />

18<br />

Teilhabe“ am 15. und 16. Februar 2006 in Berlin. In: Rechtsdienst <strong>der</strong> Lebenshilfe 1/06, S. 5.


22 Martin, Guth, Die neuropsychiatrische Versorgung von Menschen mit schwerer Intelligenzmin<strong>der</strong>ung und Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung.<br />

In: Geistige Behin<strong>der</strong>ung 1/05, S. 4-11. Und Martin, Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung und Sicherstellung <strong>der</strong> gesundheitlichen Versorgung. In:<br />

Bundeskongress <strong>der</strong> Lebenshilfe vom 22.- 24.9. 2005 in Magdeburg; siehe auch Häßler, Fegert: Geistige Behin<strong>der</strong>ung und seelische<br />

Gesundheit, Schattauer-GmbH Verlag, 2005; Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung Mo<strong>der</strong>ne diagnostische und therapeutische<br />

Strategien sowie Psychopharmakotherapie bei aggressiven Verhaltensstörungen. In: Kongress Report aktuell Nr. 794, Neuro Trans-<br />

mitter Nr.1/2006 sowie Diefenbacher, Geistige Behin<strong>der</strong>ung und Verhaltensauffälligkeiten; Voß, Diagnostik und Therapie von Ver-<br />

haltensauffälligkeiten bei Menschen mit Intelligenzmin<strong>der</strong>ung. In: Fachtagung „Außer Rand und Band“ Menschen mit geistiger Be-<br />

hin<strong>der</strong>ung und herausfor<strong>der</strong>nden Verhaltensweisen am 26.1.2006.<br />

23 Siehe Altenhilfestrukturen <strong>der</strong> Zukunft, Bundesmodellprogramm 2000 – 2004.<br />

24 Schumacher, Wie sozial bleibt unser Land? Ein Tagungsbericht. Veranstaltung <strong>der</strong> fünf Fachverbände „Ökonomie und Recht auf<br />

Teilhabe“ am 15. und 16. Februar 2006 in Berlin In: Rechtsdienst <strong>der</strong> Lebenshilfe 1/06.<br />

Medizinische Rehabilitation<br />

lichungen wird auf die <strong>der</strong>zeitige bundesweite problematische Situation bei <strong>der</strong> qualitativen medizinischen<br />

Versorgung insbeson<strong>der</strong>e für Menschen mit schwerer geistiger Behin<strong>der</strong>ung und Verhaltensproblematiken<br />

hingewiesen. 22<br />

Mit steigendem Lebensalter und dem damit verbundenen komplexeren Störungsbild ist bundesweit ein ab-<br />

gestuftes integriertes Versorgungskonzept <strong>der</strong> geriatrischen Rehabilitation und eine enge Verzahnung von<br />

Gesundheitswesen und Altenhilfe erfor<strong>der</strong>lich. 23 Schumacher verweist darauf, dass nach Welti „nach wie vor<br />

die Abgrenzung <strong>der</strong> Plege von Teilhabe- und Rehabilitationsleistungen nicht gelöst ist. Die Restriktionen <strong>der</strong><br />

Plegeversicherung erschweren eine bedarfsgerechte und selbstbestimmte Leistungserbringung behin<strong>der</strong>ter<br />

Menschen.“ 24<br />

Die zunehmende Kritik betroffener Angehöriger, Betreuer und <strong>der</strong> Träger von Diensten sowie Wohneinrich-<br />

tungen war Anlass für die <strong>Arbeitsgruppe</strong>, die <strong>der</strong>zeitige Situation in Brandenburg zu hinterfragen. Die Präva-<br />

lenzraten sind insgesamt steigend, so dass davon auszugehen ist, dass <strong>der</strong> Bedarf für eine <strong>Autismus</strong>-Diagnose<br />

grundsätzlich steigend ist.<br />

Nach den Erfahrungen betroffener Menschen ist in Brandenburg die Sicherstellung <strong>der</strong> ambulanten und sta-<br />

tionären medizinischen Grundversorgung/Diagnostik regional unterschiedlich ausgeprägt und beson<strong>der</strong>s ab<br />

dem Jugend- und Erwachsenenalter problematisch. Eine vom Elternverband „Hilfe für das autistische Kind“<br />

gestartete Initiative in Zusammenarbeit mit dem MASGF, die Erwachsenenpsychiatrie für diese spezielle The-<br />

matik zu sensibilisieren, hat nicht den erhofften Erfolg gebracht.<br />

Bei Nachfragen bei Ersatzkassen <strong>der</strong> AOK sowie <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vereinigung des Landes Brandenburg<br />

(hotline und direkt) über spezielle ambulante medizinische Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit Au-<br />

tismus war Folgendes festzustellen:<br />

1. Verweis auf die bestehenden sozialpädiatrischen Zentren des Landes für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />

2. Verweis auf nie<strong>der</strong>gelassene Neurologen und psychiatrische Praxen<br />

3. keine Kenntnis über Fachärzte, die auf diese beson<strong>der</strong>e Problematik spezialisiert sind.<br />

19


Medizinische Rehabilitation<br />

Eine interne Abfrage bei sozialpädiatrischen Zentren bzw. jugendärztlichen Institutsambulanzen in Ebers-<br />

walde und in Lübben wies regionale Unterschiede, beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Behandlungsfälle, auch in den<br />

diagnostischen Instrumentarien auf. In den Institutsambulanzen werden <strong>der</strong>zeit vereinzelt über 18-Jährige<br />

behandelt. 25<br />

Die aktuelle Erhebung über die Behandlungsfälle und eingesetzten Diagnostikverfahren in drei Sozialpädiatri-<br />

schen Zentren und zwei Institutsambulanzen <strong>der</strong> ehemaligen Landeskliniken des Landes Brandenburg zeigt,<br />

dass dort <strong>der</strong>zeit ca. 150 Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und über 18-Jährige mit autistischen Spektrumsstörungen medi-<br />

zinisch behandelt werden, wobei <strong>der</strong> überwiegende Anteil in <strong>der</strong> Institutsambulanz Eberswalde zu verzeich-<br />

nen ist.<br />

Einer empirischen Untersuchung <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> Geistige Behin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Bundesdirektorenkonferenz<br />

aus dem Jahr 2001 zur aktuell klinischen Versorgung mit einer Nacherhebung im Jahr 2004 zufolge, verfügt<br />

das Land Brandenburg nach Schanze 26 über keine stationären Angebote für diese spezielle Patientengruppe.<br />

Darüber hinaus wird nach den Evaluationsergebnissen zur ambulanten psychiatrischen Versorgung geistig<br />

behin<strong>der</strong>ter Menschen durch Institutsambulanzen in <strong>der</strong> Psychiatrie mit und ohne Spezialbereich, auf den<br />

bundesweiten großen Nachholbedarf in <strong>der</strong> Psychiatrie und auf ein extremes Süd-Nord-Gefälle hingewie-<br />

sen. 27<br />

Das auffällige Verhalten betroffener Menschen macht erfahrungsgemäß eine medizinische Behandlung<br />

schwierig, ist sehr aufwendig o<strong>der</strong> z. T. nur unter Narkose möglich. Vielen nie<strong>der</strong>gelassenen Ärzten fällt es<br />

wegen <strong>der</strong> regional bedingten Versorgungssituation <strong>der</strong>zeit schwer, die zeitintensive Behandlung dieser<br />

schwierigen Patienten zu übernehmen.<br />

Darüber hinaus ist festzustellen, dass<br />

- qualiizierte bzw. spezialisierte Diagnostik- und Versorgungsangebote im Lebensumfeld, insbeson<strong>der</strong>e für<br />

Erwachsene, unzureichend sind.<br />

- es an speziischem Fachwissen und Erfahrung mit dem Personenkreis fehlt. Autisten reagieren z. B. para-<br />

dox auf Medikamente o<strong>der</strong> leiden häuiger unter Depressionen. Es besteht wenig Akzeptanz bei Interak-<br />

tionen von (Fach)Ärzten, mit <strong>Autismus</strong> erfahrenen Pädagogen und Therapeuten.<br />

- Maßnahmen <strong>der</strong> Soziotherapie nach SGB V für Menschen mit <strong>Autismus</strong> ausgeschlossen sind.<br />

25 Die interne Auswertung <strong>der</strong> Umfrage liegt dem Kooperationsverbund <strong>Autismus</strong> vor.<br />

26 Schanze, Vernetzung <strong>der</strong> psychiatrischen Versorgung von Menschen mit Intelligenzmin<strong>der</strong>ung. In: Geistige Behin<strong>der</strong>ung und seelische Gesund-<br />

heit, Schattauer GmbH Verlag 2005.<br />

27 Ebenda.<br />

20


28 Beck, Qualität in <strong>der</strong> Arbeit mit Menschen mit schwerer Behin<strong>der</strong>ung. In: Fachkongress <strong>der</strong> Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit<br />

geistiger Behin<strong>der</strong>ung vom 22. - 24.10.2005 in Magdeburg.<br />

29 Bienstein, Menschen mit schwerer Behin<strong>der</strong>ung aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Plegewissenschaft. In: Fachkongress <strong>der</strong> Bundesvereinigung Lebenshilfe für<br />

Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung vom 22. - 24.10.2005 in Magdeburg.<br />

30 Diefenbacher, Geistige Behin<strong>der</strong>ung und Verhaltensauffälligkeiten. In: Fachtagung CJD Prignitz „Außer Rand und Band“ am 26.01.2006 in Pritzwalk.<br />

31 Seidel, Stationär-psychiatrische Versorgung von Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung – ein spannungsgeladenes Thema. In: Die stationärpsychia-<br />

trische Versorgung von psychisch erkrankten Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung, <strong>Dokumentation</strong> <strong>der</strong> Arbeitstagung <strong>der</strong> DGSGB am 03.12.2004<br />

in Kassel.<br />

32 Martin, Schwere geistige Behin<strong>der</strong>ung als Herausfor<strong>der</strong>ung für die Medizin. In: Fachkongress <strong>der</strong> Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit<br />

geistiger Behin<strong>der</strong>ung vom 22. - 24.09.2005 in Magdeburg.<br />

33 Martin, Guth, Die neuropsychiatrische Versorgung von Menschen mit schwerer Intelligenzmin<strong>der</strong>ung und Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung. In: Geistige Be-<br />

hin<strong>der</strong>ung 1/05 S. 4 -11.<br />

Medizinische Rehabilitation<br />

Problematisch ist die unzureichende Akzeptanz <strong>der</strong> Gesamtbetrachtung <strong>der</strong> vielfältig wirkenden Einluss- und<br />

Kontextfaktoren. So verweist Beck 28 darauf, dass schwere Behin<strong>der</strong>ungen durch eine beson<strong>der</strong>s hohe soziale<br />

Abhängigkeit von Hilfen und eine beson<strong>der</strong>s hohe Partizipationsbeschränkung gekennzeichnet sind, die mit<br />

erheblichen psychophysischen Beeinträchtigungen und Belastungen verbunden sind. Neben körperlichen<br />

Beschwernissen besteht aufgrund von Wahrnehmungs-, Orientierungs- und Kommunikationsproblemen u. a.<br />

eine erhöhte Stressbelastung. „Diese Stressbelastungen können wie<strong>der</strong>um zu psychischen und physischen<br />

Belastungen und Krankheiten führen. Diese wie<strong>der</strong>um werden aber teilweise nicht als Form <strong>der</strong> Stressbelas-<br />

tungen, son<strong>der</strong>n als Ausdruck <strong>der</strong> Schädigung gedeutet.“<br />

Auch Bienstein 29 führt mit Hinweis auf eine Studie zur Qualität <strong>der</strong> stationären medizinischen Betreuung in<br />

Kliniken aus, dass Menschen mit schweren Behin<strong>der</strong>ungen nicht die Unterstützung bekommen, die diese be-<br />

nötigen. In <strong>der</strong> Regel waren die Betroffenen hinsichtlich <strong>der</strong> kognitiven und körperlichen Fähigkeiten weniger<br />

befähigt als vor dem stationären Aufenthalt.<br />

Nach Diefenbacher 30 und Seidel 31 ist die umfassende Diagnostik für Menschen mit geistiger und mehrfacher<br />

Behin<strong>der</strong>ung sehr zeitaufwendig und komplex. Auch Martin 32 verweist darauf, dass <strong>der</strong> Erwerb von Kompe-<br />

tenzen für die spezielle medizinische Rehabilitation dieser betroffenen Menschen extrem zeitaufwendig ist<br />

und meist unterschätzt wird.<br />

Das Erscheinungsbild von Erkrankungen, Art und Häuigkeit von Begleiterkrankungen und Verträglichkeit<br />

und Effektivität von Medikamenten, insbeson<strong>der</strong>e bei Patienten mit schwerer geistiger o<strong>der</strong> mehrfacher Be-<br />

hin<strong>der</strong>ung, unterscheidet sich zum Teil deutlich von Menschen mit normaler Intelligenz. Gleiche Symptome<br />

können bei diesen Menschen Ursachen in verschiedenen Organsystemen haben. Um als Arzt gute Arbeit für<br />

Menschen mit Intelligenzmin<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> mehrfacher Behin<strong>der</strong>ung leisten zu können, bedarf es einer höhe-<br />

ren Qualiikation, d. h. mehr Spezialkenntnisse, Spezialfertigkeiten und Erfahrung, als allgemein angenom-<br />

men wird. 33<br />

21


Medizinische Rehabilitation<br />

Die Anfor<strong>der</strong>ungen an die spezielle Aus- und Weiterbildung für diese Personengruppe sind in Deutschland<br />

weitestgehend nicht gegeben. Die erfor<strong>der</strong>liche zeit- und personenaufwendige Diagnostik und Therapie wird<br />

<strong>der</strong>zeit nicht im Abrechnungssystem abgebildet. 34 Soll eine gründliche Diagnostik und sorgfältige Therapie-<br />

führung ermöglicht werden, müssen für alle ambulanten und stationären Behandlungen die Bedingungen<br />

gegeben sein. 35<br />

Darüber hinaus ist auf die erhöhte Häuigkeit psychischer Störungen, insbeson<strong>der</strong>e bei Menschen mit Intelli-<br />

genzmin<strong>der</strong>ung, hinzuweisen. Diese unterscheiden sich deutlich und zwar umso mehr, je schwerer die Intelli-<br />

genzmin<strong>der</strong>ung ist. 36<br />

In <strong>der</strong> Diagnostik von Verhaltensauffälligkeiten kommt es noch immer zum „Diagnostic overshadowing“, d. h.<br />

zur gedankenlosen Zuschreibung psychopathologischer Symptomatik zur geistigen Behin<strong>der</strong>ung: Weil ein<br />

Mensch geistig behin<strong>der</strong>t ist, wird seine Verhaltensauffälligkeit als Teil <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung gesehen und weitere<br />

differenzial-diagnostische Überlegungen inden nicht statt. So ist neben <strong>der</strong> körperlichen Untersuchung stets<br />

eine zeitaufwendige komplexe, systematische Fremdanamnese erfor<strong>der</strong>lich. Dabei liegen bei 15 % <strong>der</strong> Verhal-<br />

tensauffälligkeiten sogar somatische Erkrankungen vor. 37<br />

Irblich 38 verweist darauf, dass über psychologische Folgen extrem belasteter Ereignisse für Menschen mit<br />

geistiger Behin<strong>der</strong>ung noch immer sehr geringes Fachwissen vorhanden ist, obwohl das Traumatisierungsri-<br />

siko bei diesem Personenkreis im Vergleich zur Normalbevölkerung höher zu veranschlagen ist. Nach Martin,<br />

Guth 39 werden die Beson<strong>der</strong>heiten in <strong>der</strong> Diagnostik psychischer Störungen bei Menschen mit Intelligenzmin-<br />

<strong>der</strong>ung bislang in Deutschland we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Ausbildung zum Arzt noch in <strong>der</strong> Facharztweiterbildung vermittelt.<br />

Insofern werden die beson<strong>der</strong>en Belange dieser Personengruppe nach den WHO-Kriterien in <strong>der</strong> medizini-<br />

schen Rehabilitation noch nicht ausreichend berücksichtigt.<br />

Die Schwere <strong>der</strong> Funktionsbeeinträchtigungen mit den verschiedensten Auswirkungen in allen Lebensberei-<br />

chen, erfor<strong>der</strong>t eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Evaluation. Die Abstimmung und ständige Anpas-<br />

sung <strong>der</strong> medizinischen, therapeutischen und pädagogischen Maßnahmen sollten durch gegenseitige<br />

Akzeptanz <strong>der</strong> verschiedenen Berufsgruppen geprägt sein.<br />

34 Martin, Schwere geistige Behin<strong>der</strong>ung als Herausfor<strong>der</strong>ung für die Medizin. In: Fachkongress <strong>der</strong> Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit<br />

geistiger Behin<strong>der</strong>ung vom 22. - 24.09.2005 in Magdeburg.<br />

35 Martin, Guth, Die neuropsychiatrische Versorgung von Menschen mit schwerer Intelligenzmin<strong>der</strong>ung und Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung. In: Geistige Be-<br />

hin<strong>der</strong>ung 1/05 S. 4 -11.<br />

36 Ebenda.<br />

37 Voß, Diefenbacher, Böhmin: Berliner Ärzte 11/2005.<br />

38 Irblich, Posttraumatische Belastungsstörungen bei Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung. In: Geistige Behin<strong>der</strong>ung 2/06 S. 112 - 123.<br />

39 Martin, Guth, Die neuropsychiatrische Versorgung von Menschen mit schwerer Intelligenzmin<strong>der</strong>ung und Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung. In: Geistige Be-<br />

22<br />

hin<strong>der</strong>ung 1/05 S. 4 -11.


ICD 10<br />

Fehlen einer Sprachentwicklungsverzögerung o<strong>der</strong><br />

einer Verzögerung <strong>der</strong> kognitiven Entwicklung.<br />

Die Diagnose erfor<strong>der</strong>t, dass einzelne Worte im<br />

2. Lebensjahr o<strong>der</strong> früher benutzt werden.<br />

Qualitative Beeinträchtigungen <strong>der</strong> gegenseitigen<br />

sozialen Interaktionen (entsprechend den Kriterien<br />

des frühkindlichen <strong>Autismus</strong>).<br />

Ungewöhnliche und sehr ausgeprägte, umschrie-<br />

bene Interessen (ausgestanzte Son<strong>der</strong>interessen)<br />

und stereotype Verhaltensmuster.<br />

Die Störung ist nicht einer an<strong>der</strong>en tief greifenden<br />

Entwicklungsstörung zuzuordnen.<br />

40 Remschmidt: Deutsches Ärzteblatt 97, Heft 19.<br />

DSM-IV<br />

Qualitative Beeinträchtigung <strong>der</strong> sozialen Interak-<br />

tionen in mehreren (mindestens zwei) Bereichen<br />

(z. B. bei nonverbalem Verhalten, in <strong>der</strong> Beziehung<br />

zu Gleichaltrigen, in <strong>der</strong> emotionalen Resonanz).<br />

Beschränkte repetitive und stereotype Verhaltens-<br />

muster (z. B. in den Interessen, den Gewohnheiten<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Motorik).<br />

Klinisch bedeutsame Beeinträchtigung in sozialen<br />

o<strong>der</strong> berulichen Funktionsbereichen.<br />

Kein klinisch bedeutsamer Sprachrückstand und<br />

keine klinisch bedeutsamen Verzögerungen <strong>der</strong><br />

kognitiven Entwicklung.<br />

Diagnostik autistischer Störungen<br />

3. DIAGNOSTIK AUTISTISCHER STÖRUNGEN<br />

Voraussetzung für eine umfassende Prozessplanung ist eine umfassende differenzierte Diagnostik.<br />

3.1 DIAGNOSTISCHE MERKMALE<br />

A Diagnostische Kriterien für das Asperger-Syndrom nach ICD-10 und DSM-IV<br />

(gekürzt und sinngemäß) 40<br />

Die Störung erfüllt nicht die Kriterien einer an<strong>der</strong>en<br />

tief greifenden Entwicklungsstörung.<br />

23


Diagnostik autistischer Störungen<br />

B Diagnostische Kriterien für den frühkindlichen <strong>Autismus</strong> (Kanner-Syndrom) nach ICD-10<br />

ICD – 10<br />

1. Qualitative Beeinträchtigungen wechselseitiger<br />

sozialer Aktionen (z. B. unangemessene Einschät-<br />

zung sozialer und emotionaler Signale; geringer Ge-<br />

brauch sozialer Signale).<br />

2. Qualitative Beeinträchtigung <strong>der</strong> Kommunika-<br />

tion (z. B. Fehlen eines sozialen Gebrauchs sprachli-<br />

cher Fertigkeiten; Mangel an emotionaler Resonanz<br />

auf verbale und nonverbale Annäherungen durch<br />

an<strong>der</strong>e Menschen; Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Sprachmelo-<br />

die).<br />

3. Eingeschränkte Interessen und stereotype<br />

Verhaltensmuster (z. B. Starre und Routine<br />

hinsichtlich alltäglicher Beschäftigungen;<br />

Wi<strong>der</strong>stand gegen Verän<strong>der</strong>ungen).<br />

4. Unspeziische Probleme wie Befürchtungen,<br />

Phobien, Schlaf- und Essstörungen, Wutausbrüche,<br />

Aggressionen, Selbstverletzungen.<br />

5. Manifestation vor dem 3. Lebensjahr.<br />

41 Remschmidt: Deutsches Ärzteblatt 97, Heft 19.<br />

24<br />

und DSM-IV (gekürzt und sinngemäß) 41<br />

DSM – IV<br />

1. Qualitative Beeinträchtigung <strong>der</strong> sozialen Inter-<br />

aktion (z. B. bei nonverbalen Verhaltensweisen, wie<br />

Blickkontakt etc.; Beziehungsaufnahme zu Gleich-<br />

altrigen; Ausdruck von Gefühlen).<br />

2. Qualitative Beeinträchtigung <strong>der</strong> Kommunika-<br />

tion (z. B. verzögerte o<strong>der</strong> Ausbleiben <strong>der</strong> Sprach-<br />

entwicklung, stereotyper o<strong>der</strong> repetitiver Gebrauch<br />

<strong>der</strong> Sprache; Fehlen von entwicklungsgemäßen Rol-<br />

len- und Imitationsspielen).<br />

3. Beschränkte repetitive und stereotype Verhal-<br />

tensweisen, Interessen und Aktivitäten.<br />

4. Beginn vor dem 3. Lebensjahr und Verzögerun-<br />

gen o<strong>der</strong> abnorme Funktionsfähigkeit.


Blickkontakt<br />

Sprache<br />

Intelligenz<br />

Motorik<br />

Frühkindlicher <strong>Autismus</strong><br />

(Kanner-Syndrom)<br />

Meist in den ersten Lebensmonaten<br />

42 Remschmidt: Deutsches Ärzteblatt 97, Heft 19.<br />

Zunächst oft fehlend, später selten, lüch-<br />

tig, ausweichend<br />

Später Sprachbeginn, häuig sogar Ausblei-<br />

ben einer Sprachentwicklung (etwa 50 %)<br />

Stark verzögerte Sprachentwicklung<br />

Die Sprache hat anfänglich keine kommu-<br />

nikative Funktion (Echolalie).<br />

Meist erheblich eingeschränkte intellektu-<br />

elle Leistungen, charakteristische Intelli-<br />

genzstruktur<br />

Keine Einschränkungen, sofern nicht eine<br />

zusätzliche Erkrankung vorliegt<br />

Autistische Psychopathie<br />

(Asperger-Syndrom)<br />

Markante Auffälligkeiten etwa vom<br />

3. Lebensjahr an<br />

Selten, lüchtig<br />

früher Sprachbeginn<br />

Rasche Entwicklung einer grammatisch<br />

und stilistisch hoch stehenden Sprache<br />

Die Sprache hat immer eine kommunika-<br />

tive Funktion, die allerdings gestört ist<br />

(Spontanrede).<br />

Gute bis überdurchschnittliche intellektu-<br />

elle Leistungen, Intelligenzschwäche selten<br />

Auffällige Motorik: motorische Ungeschick-<br />

lichkeit, grob- und feinmotorische Koordi-<br />

nationsstörungen, ungelenke und linkische<br />

Motorik<br />

Diagnostik autistischer Störungen<br />

C Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> und Asperger Syndrom – Gemeinsamkeiten und Unterschiede 42<br />

25


Diagnostik autistischer Störungen<br />

3.2 FRÜHERKENNUNG<br />

In Deutschland gilt, dass eine wirklich zuverlässige Diagnose mit dem Störungsbild „<strong>Autismus</strong>“ nicht vor dem<br />

4. - 5. Lebensjahr möglich ist. 43 Es gibt recht zuverlässige Anzeichen, wie das Fehlen <strong>der</strong> Zeigegeste, <strong>der</strong> Unfä-<br />

higkeit, an<strong>der</strong>en Personen folgen zu können und das Fehlen <strong>der</strong> geteilten Aufmerksamkeit, die bereits mit 18<br />

Monaten auftreten, jedoch oft nicht so gewertet werden. Eine Diagnose zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr<br />

kann bereits gestellt werden. Sie ist aber nicht so zuverlässig wie zu einem späteren Zeitpunkt.<br />

Es gibt einige diagnostische Materialien, die für eine frühe Verdachtsdiagnose hilfreich sein können.<br />

Dazu zählen:<br />

- ADOS (Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen), Modul 1 von Lord et al., 2000; Rühl et<br />

al., 2003. Der ADOS ist die international am häuigsten angewandte, strukturierte und am besten evalu-<br />

ierte Beobachtungsskala zur Erfassung autistischer Störungen. Sie ist angelehnt an ICD - 10 / DMS-IV. Das<br />

Modul 1 eignet sich zur Früherkennung.<br />

- CHAT (Checklist for Autism in Toddlers) von Baron-Cohen et al.<br />

- Checklisten des Regionalverbandes „Hilfe für das autistische Kind” Weser-Ems e.V., die in Ergänzung zu<br />

den Früherkennungsuntersuchungen U1 bis U8 gedacht sind (siehe auch Anlage 4).<br />

– CESA (Checkliste zur Erfassung früher Symptome des <strong>Autismus</strong>).<br />

43 Poustka, Bölke Feineis-Matthews, Schmötzer, Autistische Störungen In: Döpfner, Lehmkuhl, Petermann (Hrsg.) Leitfaden Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsy-<br />

26<br />

chiatrie, Band 5, Hogrefe Verlag für Psychiatrie 2004.


3.3 DIAGNOSTISCHE VERFAHREN<br />

Instrument<br />

Checklisten<br />

CHAT<br />

Merkmalsliste zur Erken-<br />

nung autistischer Störun-<br />

gen<br />

Checkliste zur Früherken-<br />

nung des Kindlichen<br />

<strong>Autismus</strong> im Rahmen <strong>der</strong><br />

Vorsorgeuntersuchungen,<br />

U1 - U8<br />

Früherkennung:<br />

erste Symptome<br />

(nach Poustka)<br />

CARS (Childhood<br />

Autism Rating Scale)<br />

GARS (Gilliam Autism<br />

Rating Scale)<br />

* Anmerkung: Instrumente, die von Fachärzten für (Kin<strong>der</strong>- und Jugend)-psychiatrie, Diplom-Psychologen und Diplom-Heilpädagagen in <strong>der</strong> För<strong>der</strong>-<br />

und Prozessdiagnostik eingesetzt werden, können ggf. von Diplom-Sozialpädagogen durchgeführt werden, wenn sie eine Zusatzqualiikation in<br />

Diagnostik absolviert haben.<br />

Diagnostik<br />

Früherkennung<br />

Früherkennung<br />

Früherkennung<br />

Früherkennung<br />

Screening<br />

Screening<br />

Altersgruppe<br />

Kleinkin<strong>der</strong><br />

Kleinkin<strong>der</strong> und<br />

Kin<strong>der</strong><br />

Kleinkin<strong>der</strong><br />

ca. 18 Monate<br />

Alle Altersgruppen<br />

Alle Altersgruppen<br />

Lebensumfeld<br />

Familie; Vorschul-<br />

einrichtung<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Diagnostik autistischer Störungen<br />

Bei <strong>der</strong> Diagnostik wird eine Vielzahl von Instrumenten und Verfahren eingesetzt. In den nachfolgenden Aus-<br />

führungen sind die verschiedenen aufgeführt, die nicht als abschließend zu verstehen sind.<br />

Übersicht über diagnostische Verfahren und <strong>der</strong>en möglichen Einsatz<br />

Qualiikation<br />

Alle Berufsgruppen<br />

und Eltern<br />

Alle Berufsgruppen<br />

und Eltern<br />

Alle Berufsgruppen<br />

und Eltern<br />

Alle Berufsgruppen<br />

und Eltern<br />

Son<strong>der</strong>pädagogen<br />

(Son<strong>der</strong>päd.)<br />

Dipl.-Heilpädago-<br />

gen (Dipl.-Heilpäd.)<br />

Dipl.-Psychologen<br />

(Dipl.-Psych.)*<br />

Son<strong>der</strong>pädagogen<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.<br />

27


Diagnostik autistischer Störungen<br />

Instrument<br />

VSK (Fragebogen über<br />

Verhalten und soziale<br />

Kommunikation)<br />

ADI-R (Diagnostische<br />

Beobachtungsskala für<br />

autistische Störungen)<br />

CBCL<br />

SEAS-M (Skala zur<br />

Erfassung von <strong>Autismus</strong>-<br />

spektrumsstörungen bei<br />

Min<strong>der</strong>begabten)<br />

ASAS (Australian Scale for<br />

Asperger`s Syndrome)<br />

MBAS (Marburger<br />

Beurteilungsskala zum<br />

Asperger-Syndrom)<br />

Diagnostik<br />

Diagnostik <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung<br />

28<br />

Diagnostik autisti-<br />

scher Störungen<br />

Diagnostik autisti-<br />

scher Störungen<br />

Diagnostik autisti-<br />

scher Störungen<br />

Diagnostik autisti-<br />

scher Störungen,<br />

Differenzierung<br />

zu PDD (Pervasive<br />

Developmental<br />

Disor<strong>der</strong>s)<br />

Fragebogen zur<br />

Erfassung von Ver-<br />

haltensweisen und<br />

Fertigkeiten, die<br />

typisch sind für das<br />

Asperger-Syndrom;<br />

Diagnostik autisti-<br />

scher Störungen/<br />

Asperger-Sydnrom<br />

Fragebogen<br />

Asperger Syndrom-<br />

Screeningverfahren<br />

Altersgruppe<br />

Alle Altersgruppen<br />

Alle Altersgruppen<br />

4 - 18 Jahre<br />

Erwachsene<br />

Kin<strong>der</strong> im<br />

Grundschulalter<br />

6-24 Jahre<br />

Lebensumfeld<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Wohngruppen,<br />

-stätten und Heime<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Qualiikation<br />

Dipl.-Psych. und<br />

Fachärzte für (Kin-<br />

<strong>der</strong>- und Jugend-)<br />

Psychiatrie<br />

Dipl.-Psych. und<br />

Fachärzte für (Kin-<br />

<strong>der</strong>- und Jugend-)<br />

Psychiatrie<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.- Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.


Instrument<br />

För<strong>der</strong>- / Prozessdiagnostik<br />

PEP-R<br />

AAPEP<br />

HAWIK III o<strong>der</strong> HAWIE-R<br />

(Hamburg-Wechsler-<br />

Intelligenztest)<br />

K-ABC (Kaufmann<br />

Assessment Battery)<br />

Snije<strong>der</strong>s-Oomen<br />

SON-R-21/2 – 7<br />

Snije<strong>der</strong>s-Oomen<br />

SON-R-51/2 – 17<br />

TBGB (Testbatterie für<br />

Geistig Behin<strong>der</strong>te Kin-<br />

<strong>der</strong>)<br />

WET (Wiener Entwick-<br />

lungstest)<br />

ET (Entwicklungstest 6<br />

Monate bis 6 Jahre)<br />

Diagnostik<br />

Entwicklungs- und<br />

Verhaltensproil<br />

Kompetenz- und<br />

Verhaltensproil<br />

Intelligenz- und Entwicklungstests<br />

Intelligenztest<br />

Intelligenztest<br />

Nonverbaler<br />

Intelligenztest<br />

Nonverbaler<br />

Intelligenztest<br />

Entwicklungs- und<br />

Leistungstest<br />

Entwicklungstest<br />

Entwicklungstest<br />

Altersgruppe<br />

Kin<strong>der</strong><br />

Jugendliche und<br />

Erwachsene<br />

Kin<strong>der</strong> bzw.<br />

Erwachsene<br />

Kin<strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> und<br />

Jugendliche<br />

Kin<strong>der</strong> mit geistiger Familie und<br />

Behin<strong>der</strong>ung<br />

Kin<strong>der</strong> 3 - 6 Jahre<br />

Kin<strong>der</strong><br />

Lebensumfeld<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Einrichtungen<br />

Familie und<br />

Diagnostik autistischer Störungen<br />

Einrichtungen<br />

Qualiikation<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.- Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.- Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.<br />

Son<strong>der</strong>pädagoge<br />

Dipl.-Heilpädagoge<br />

Dipl.-Psych.<br />

29


Diagnostik autistischer Störungen<br />

Laut Dorothea Rühl, Fritz Poustka et al. 45 gilt <strong>der</strong> ADOS als Bereicherung in <strong>der</strong> Diagnostik tief greifen<strong>der</strong> Ent-<br />

wicklungsstörungen und bildet gemeinsam mit dem ADI-R (<strong>Autismus</strong> Diagnostisches Interview) sowie dem<br />

VSK (engl.: Social Communication Questionnaire, SCQ) den „goldenen Standard“ <strong>der</strong> standardisierten Autis-<br />

musdiagnostik. 46<br />

- Der VSK ist ein Fragebogen über Verhalten und soziale Kommunikation (Bölte et al., 2000; Rutter et al.,<br />

2001) 47 . Dieser Screening-Fragebogen ist an die diagnostischen Leitlinien für frühkindlichen <strong>Autismus</strong><br />

nach ICD-10 und DMS-IV angelehnt. Er ist ein Instrument, welches, bevor ein Betroffener mit Verdacht auf<br />

<strong>Autismus</strong> vorgestellt wird, autismusrelevante, schriftliche Informationen liefert. Es richtet sich an Eltern,<br />

Betreuer und an<strong>der</strong>e Bezugspersonen, die mit dem aktuellen und zurückliegenden Verhalten des Proban-<br />

den vertraut sind. Der VSK besteht aus 40 Items, die eine Auswahl <strong>der</strong>er des ADI-R darstellen. 48<br />

- Das ADI-R (Autistisches Diagnostisches Interview in Revision, Lord et al., 1994; Schmötzer et al., 1993) 49 ist<br />

ein strukturiertes Elterninterview zur Diagnostik und Differentialdiagnostik tief greifen<strong>der</strong> Entwicklungs-<br />

störungen. Das ADI-R ist hoch speziisch für die Diagnose eines (frühkindlichen) <strong>Autismus</strong>! Das ADI-R er-<br />

möglicht demnach eine Aussage darüber, ob <strong>Autismus</strong> vorliegt o<strong>der</strong> nicht. Das ADI-R besteht aus 111<br />

Items (= Fragen) und konzentriert sich auf den Altersbereich zwischen dem 4. und 5. Lebensjahr. Das heißt,<br />

die meisten Items gehen von „jemals“ gezeigtem statt „<strong>der</strong>zeit“ gezeigtem Verhalten aus. Das Interview<br />

besteht aus sechs Teilen und dauert zwischen zwei und vier Stunden.<br />

- Wird eine autistische Störung z. B. aufgrund <strong>der</strong> erfolgten Untersuchungen mittels VSK o<strong>der</strong> ADI-R vermu-<br />

tet, so ist, wie bereits ausgeführt, die Beobachtungsskala ADOS ein geeignetes Instrument, auf struktu-<br />

rierte, den diagnostischen Kriterien des ICD-10/DSM-IV entsprechende Weise, die Bereiche Kommunika-<br />

tion, soziale Interaktion und Spiel- bzw. Phantasieverhalten zu erfassen.<br />

„Das ADOS enthält standardisierte Aufgaben und Aktivitäten, bei denen das Auftreten o<strong>der</strong> Fehlen bestimmter<br />

Verhaltensweisen beobachtet werden kann, die sich unabhängig vom Entwicklungsstand und chronologischen<br />

Alter als relevant für die Diagnose einer autistischen Störung o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er tief greifen<strong>der</strong> Entwicklungsstörun-<br />

gen erwiesen haben. Es werden gezielt soziale Situationen erzeugt, von Murray (1938) als „Auslösesituationen“<br />

bezeichnet, in denen eine bestimmte Verhaltensweise mit großer Wahrscheinlichkeit auftritt.“ 50<br />

45 Poustka, Bölke Feiineis-Matthews, Schmötzer; Autistische Störungen. In: Döpfner, Lehmkuhl, Petermann (Hrsg.), Leitfaden Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsy-<br />

chiatrie Band 5, Hogrefe Verlag für Psychiatrie 2004.<br />

46 Siehe auch Remschmidt; Kamp-Becker im Tagungsbericht 11. Bundestagung des Bundesverbandes <strong>Autismus</strong> Deutschland e.V. 16.-18. September<br />

2006, S. 34-36.<br />

47 Poustka, Bölke Feiineis-Matthews, Schmötzer; Autistische Störungen. In: Döpfner, Lehmkuhl, Petermann (Hrsg.), Leitfaden Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsy-<br />

chiatrie Band 5, Hogrefe Verlag für Psychiatrie 2004.<br />

48 Ebenda.<br />

49 Ebenda.<br />

50 Rühl, Bölte, Feineis-Matthes, Poustka: ADOS Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen (Manual), Hans Huber Verlag, 2004, S. 7.<br />

30


51 Poustka , Bölke Feiineis-Matthews, Schmötzer; Autistische Störungen. In: Döpfner, Lehmkuhl, Petermann (Hrsg.) Leitfaden Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsy-<br />

chiatrie Band 5, Hogrefe Verlag für Psychiatrie 2004.<br />

Diagnostik autistischer Störungen<br />

Das ADOS umfasst vier Module, die entsprechend des jeweiligen verbalen Entwicklungsstands des Betrof-<br />

fenen ausgesucht werden. Man wendet demzufolge pro Proband ein Modul an. Dabei entspricht Modul 1<br />

in etwa dem Sprachproil eines dreijährigen Kindes, Modul 4 würde bei einem ließend sprechenden Pro-<br />

banden eingesetzt werden.<br />

Die Beobachtung des Verhaltens von Menschen mit <strong>Autismus</strong> erfolgt durch Instrumente <strong>der</strong> klinischen<br />

Verhaltensbeobachtung und <strong>der</strong> Beobachtung des Verhaltens im Alltag, wie die bereits erwähnte ADOS Skala<br />

und PEP-R (Entwicklungs- und Verhaltensproil für Kin<strong>der</strong>) sowie (Entwicklungs- und Verhaltensproil für Ju-<br />

gendliche und Erwachsene), Schopler et al., 2000. 51 Diese letztgenannten Verfahren sind för<strong>der</strong>diagnostische<br />

Verfahren für Menschen mit <strong>Autismus</strong> und an<strong>der</strong>en Entwicklungsstörungen.<br />

Zu den testpsychologischen Untersuchungen zählen Intelligenzdiagnostik, Entwicklungsdiagnostik und<br />

neuropsychologische Diagnostik. Eine Intelligenzdiagnostik ist immer dann von Nutzen, wenn es um die In-<br />

terventionsplanung für therapeutische Maßnahmen geht.<br />

Diesbezügliche hilfreiche Materialien sind dabei u. a.:<br />

- <strong>Autismus</strong>speziische Leistungsdiagnostik: PEP-R, AAPEP<br />

- Intelligenztests/Entwicklungstests: HAWIK-III o<strong>der</strong> HAWIE-R (Hamburg-Wechsler Intelligenztest für Kin<strong>der</strong><br />

bzw. Erwachsene), K-ABC (Kaufmann Assessment Battery for Children), TB-GB (Testbatterie für geistig be-<br />

hin<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong>), WET (Wiener Entwicklungstest), ET 6-6 (Entwicklungstest 6 Monate bis 6 Jahre)<br />

- Nonverbale Intelligenztests: Leiter-R (Leiter International Performance Scale-Revised), SON (Snij<strong>der</strong>s-<br />

Oomen nicht-verbaler Intelligenztest)<br />

- Theory of Mind: False-Belief-Tests, FEFA (Frankfurter Test und Training des Erkennens von Fazialem Af-<br />

fekt)<br />

- Zentrale Kohärenz: EFT (Embedded Figures Test)<br />

Innerhalb des diagnostischen Prozesses sind bei einem Verdacht auf eine autistische Störung weitere mündli-<br />

che und schriftliche Befragungen <strong>der</strong> Eltern zur Familienstruktur, -situation etc. erfor<strong>der</strong>lich. Eine gründliche<br />

Exploration <strong>der</strong> Bezugspersonen umfasst dabei die Bereiche:<br />

- Autistische Symptomatik des Kindes/Jugendlichen/Erwachsenen<br />

- Entwicklungsgeschichte und medizinischeAnamnese<br />

- Psychiatrische Komorbidität und Differentialdiagnose<br />

- Adaptive Fähigkeiten/Funktionsniveau<br />

- Therapie und Familienanamnese<br />

31


Therapie<br />

Angaben <strong>der</strong> Bezugspersonen sollten durch weitere Dokumente, Verhaltensbeobachtungen und Testungen<br />

<strong>der</strong> betroffenen Person untermauert werden. 52<br />

Zur Befragung/Exploration <strong>der</strong> Bezugspersonen hinsichtlich <strong>der</strong> oben erwähnten Bereiche eignen sich die be-<br />

reits angeführten Instrumente VSK und ADI-R. Eine begleitende, darüber hinausgehende medizinische Anam-<br />

nese ist unerlässlich.<br />

Neurologische und organische Untersuchungen sowie weitere klinische Verhaltensbeobachtungen des Be-<br />

troffenen müssen zusätzlich vorgenommen werden. Diese wird in <strong>der</strong> Regel von einem Facharzt für Kin<strong>der</strong>-<br />

und Jugendpsychiatrie und Neurologie an einem SPZ (Sozialpädiatrisches Zentrum) o<strong>der</strong> in einer Facharztpra-<br />

xis bzw. Fachklinik durchgeführt.<br />

4. THERAPIE<br />

4.1 THERAPIEANSÄTZE<br />

Anhand <strong>der</strong> diagnostischen Ergebnisse werden verschiedene autismusspeziische Therapieansätze nach vor-<br />

genannten Aspekten in ein komplexes Programm integriert. Dabei ist <strong>der</strong> Mensch mit <strong>Autismus</strong> ganzheitlich<br />

zu sehen und zu för<strong>der</strong>n. Beson<strong>der</strong>s wichtig ist die För<strong>der</strong>ung in den Bereichen <strong>der</strong> sozialen Interaktion, <strong>der</strong><br />

Kommunikation, <strong>der</strong> Wahrnehmung, <strong>der</strong> Motorik und <strong>der</strong> Selbstständigkeit (Umwelterkundung/Orientie-<br />

rung, Alltagsbewältigung, Beschäftigungsmöglichkeiten/Interessen, Verkehrsverhalten usw.). So soll gezielt<br />

das Verhalten geför<strong>der</strong>t werden, das dem Kind/Erwachsenen die aktive Teilnahme an sozialen Erfahrungen er-<br />

möglicht und das Kind darüber hinaus vor einer zunehmenden Entwicklungsabweichung schützt. Hierbei ist<br />

darauf zu achten, dass die pädagogisch-therapeutischen Ansätze – je nach Ausprägung und Intensität <strong>der</strong><br />

Symptomatik – verschieden sein können. Ziel je<strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Therapie sollte es sein, einzelne Symptome zu<br />

mil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> abzubauen, um dem Menschen mit <strong>Autismus</strong> und seinen Angehörigen ein Maximum an Le-<br />

bensqualität zu verschaffen. Die autismusspeziische För<strong>der</strong>ung muss an Stärken und Schwierigkeiten <strong>der</strong> je-<br />

weiligen Person anknüpfen und gezielt die Fähigkeiten <strong>der</strong> Selbstbestimmung und Selbständigkeit för<strong>der</strong>n.<br />

Eine Vielzahl von Menschen mit <strong>Autismus</strong> ist über lange Lebensabschnitte – oftmals auch lebenslang – auf pä-<br />

dagogisch-therapeutische Hilfe angewiesen. Die Ziele <strong>der</strong> gewählten therapeutischen Methoden sollten<br />

daher langfristig angelegt sein. Hinzukommend ist es für einen nachhaltigen Erfolg <strong>der</strong> gewählten Therapie<br />

52 Poustka, Bölke Feiineis-Matthews, Schmötzer; Autistische Störungen. In: Döpfner, Lehmkuhl, Petermann (Hrsg.), Leitfaden Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsy-<br />

32<br />

chiatrie Band 5, Hogrefe Verlag für Psychiatrie 2004.


53 Häußler (1998, 2000), Info- und Trainingsmaterial zum TEACCH-Ansatz, Unveröffentlichtes Manuskript.<br />

Therapie<br />

von enormer Bedeutung, dass Eltern, Pädagogen, Lehrer, Ärzte, Betreuer und Therapeuten in Abstimmung<br />

eng zusammenarbeiten.<br />

4.1.1. LERNPSYCHOLOGISCHE/SYSTEMORIENTIERTE METHODEN<br />

TEACCH<br />

TEACCH - Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children steht für<br />

Behandlung und pädagogische För<strong>der</strong>ung von Kin<strong>der</strong>n mit <strong>Autismus</strong> und ähnlichen Kommunikationsbeein-<br />

trächtigungen. TEACCH entstand im Verlauf einer zwanzigjährigen Forschungstätigkeit im U.S. Bundesstaat<br />

North Carolina. In seiner Weiterentwicklung stellt es ein umfassendes Programm therapeutischer Interventio-<br />

nen für Menschen mit <strong>Autismus</strong> je<strong>der</strong> Altersstufe und jedes Entwicklungsstandes dar und gilt als empirisch<br />

gut abgesicherte Methode. Der Fokus <strong>der</strong> Methode liegt auf <strong>der</strong> Optimierung <strong>der</strong> Lebensqualität und Verbes-<br />

serung <strong>der</strong> Selbständigkeit des Menschen mit <strong>Autismus</strong>. Das methodische Vorgehen des TEACCH-Ansatzes<br />

stützt sich dabei auf entwicklungspsychologische und kognitiv-verhaltenstherapeutische Konzepte. 53<br />

Dabei werden weniger problematische Verhaltensweisen des Menschen mit <strong>Autismus</strong> in den Vor<strong>der</strong>grund<br />

gestellt – die Methodik des TEACCH-Ansatzes legt den Fokus viel eher auf die Weiterentwicklung existenter<br />

Fähigkeiten. Hauptelemente des TEACCH-Ansatzes sind die Strukturierung und Visualisierung von Zeit, Raum<br />

und Material. Individuell abgestimmte visuelle Strukturen schaffen Vorhersehbarkeit, Orientierung und geben<br />

Sicherheit, sich in <strong>der</strong> Situation/im Alltag zurecht zu inden. Auf die Methode wird in den nachfolgenden Aus-<br />

führungen noch beson<strong>der</strong>s eingegangen (vgl. 5.2.2.).<br />

Verhaltenstherapie<br />

Die Verhaltenstherapie greift auf Erkenntnisse <strong>der</strong> Lernpsychologie zurück und wendet diese in systemati-<br />

scher Weise an. Dabei wird das aktuelle Verhalten des Klienten zunächst differenziert beobachtet. Im An-<br />

schluss legt <strong>der</strong> Therapeut fest, welche Verhaltensweisen verän<strong>der</strong>t werden sollen.<br />

Die Belohnung erwünschten und die Nichtbeachtung unerwünschten Verhaltens führt in kleinen Schritten<br />

zum Aufbau angestrebter Verhaltensketten. Der Transfer des Erlernten in den Alltag erfor<strong>der</strong>t die kontinuierli-<br />

che Unterstützung des Klienten beim Ausbau seiner Fähigkeiten. Dazu gehören die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Selbstän-<br />

digkeit, <strong>der</strong> Sprache, <strong>der</strong> Kognition, <strong>der</strong> Imitation, des emotionalen Ausdrucks und des Sozialverhaltens. Die<br />

Verhaltenstherapie ist die Methode <strong>der</strong> kleinen Schritte. Sie verlangt dem Therapeuten viel Geduld, emotio-<br />

nale Wärme, differenzierte Beobachtungsfähigkeit sowie Konsequenz und Eindeutigkeit im eigenen Verhal-<br />

ten ab.<br />

33


Therapie<br />

Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> verhaltensorientierten <strong>Autismus</strong>therapie ist <strong>der</strong> amerikanische Psychologe Lovaas. Er<br />

wandte verhaltenstherapeutische Methoden auch in <strong>der</strong> „Behandlung autistischer Verhaltensstörungen“ an<br />

und entwickelte ein intensives verhaltenstherapeutisches Programm. 54<br />

Eine modiizierte Form <strong>der</strong> Verhaltenstherapie ist ABA (Applied Behavior Analysis) - die angewandte<br />

Verhaltensanalyse und -therapie. Weltweit ist ABA die <strong>Autismus</strong>therapie mit <strong>der</strong> größten Verbreitung und <strong>der</strong><br />

besten empirischen Absicherung. 55 Ziel dieser Methode ist es, durch spezielle Strategien dem betroffenen<br />

Kind das Lernen zu ermöglichen. Diese intensive Therapie (mindestens 20-30 Stunden/Woche) beruht auf<br />

einem individuell abgestimmten Lernprogramm und beginnt möglichst vor dem 5. Lebensjahr über einen<br />

Mindestzeitraum von 2 Jahren unter Einbindung eines gezielten Elterntrainings und Co-Therapeuten. 56<br />

Die aktuellste Form <strong>der</strong> Verhaltenstherapie ist Verbal Behavior. Sie beruht auf <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Metho-<br />

den von Lovaas und <strong>der</strong> Erweiterung von ABA und setzt sich mit <strong>der</strong> Unterrichtung sprachlicher Fähigkeiten<br />

auseinan<strong>der</strong>.<br />

4.1.2. FÖRDERUNG DER KOMMUNIKATION<br />

Die kommunikativen Beeinträchtigungen sind ein Hauptmerkmal des <strong>Autismus</strong>. Nur 55% aller Kin<strong>der</strong> mit<br />

einer autistischen Störung erlernen die Verbalsprache. Nichtsprechende Menschen mit <strong>Autismus</strong> werden oft<br />

unterschätzt und unterfor<strong>der</strong>t. Mangelnde Ausdrucksmöglichkeiten können oft hohe Frustration und aggres-<br />

sives o<strong>der</strong> selbstverletzendes Verhalten zur Folge haben. Durch erweitere Kommunikationsmöglichkeiten<br />

können Verhaltensstörungen und Abhängigkeitssituationen vermin<strong>der</strong>t, die Selbständigkeit verbessert und<br />

positive Auswirkungen auf die Gesamtpersönlichkeit erreicht werden. 57<br />

In <strong>der</strong> Sprachtherapie bei nicht sprechenden Kin<strong>der</strong>n mit ASS sollten mit Hilfe von verhaltenstherapeutischen<br />

Sprachaufbauprogrammen Sprachen angebahnt werden. Dabei zeigte sich, dass das Gelernte nur schwer ge-<br />

neralisiert werden konnte. Die klassische Sprachtherapie erwies sich somit als eine nicht erfolgreiche Me-<br />

thode. Neuere, verhaltenstherapeutisch orientierte Methoden zeigen eine weitaus höhere Erfolgsrate.<br />

Auch alternative Kommunikationsformen sind Erfolg versprechend. Menschen mit ASS, welche über keine<br />

aktive verbale Sprache verfügen, können das Gebärdensprachsystem (o<strong>der</strong> einzelne Elemente dessen), laut-<br />

sprachbegleitende Gebärden, Symbole, Gesten, Bildkarten, Wortkarten und Sprachcomputer (Talker) nut-<br />

54 Walter, <strong>Autismus</strong>. Erscheinungsbild, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten, In: Dinges, Worm (Hrsg.) Auer Verlag GmbH 2001.<br />

55 Poustka, Bölte, Feineis-Matthews, Schmötzer, Autistische Störungen. In: Döpfner, Lehmkuhl, Petermann (Hrsg.), Leitfaden Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsy-<br />

chiatrie, Band 5, Hogrefe Verlag für Psychiatrie 2004.<br />

56 Cordes, Frühe Verhaltenstherapie mit autistischen Kin<strong>der</strong>n, Urabniak, Applied Behaviour Analysis (ABA) im Therapiezentrum für autistische Kin<strong>der</strong><br />

in Poznan (Polen) In: Schirmer (Hrsg), Psychotherapie und <strong>Autismus</strong>, dgvt-Verlag 2006.<br />

57 Weiss, <strong>Autismus</strong>. Therapien im Vergleich, Berlin: Ed. Marhold im Wiss. Ver. Spiess, 2002, S. 100 ff.<br />

34


58 Ebenda.<br />

59 EicheI, Gestützte Kommunikation bei Menschen mit autistischer Störung, Projektverlag Dortmund, 1996.<br />

60 Feuser, <strong>Autismus</strong> Eine Herausfor<strong>der</strong>ung des Mitmensch-Seins. Manuskript, 2001. Auch Feuser, Die pädagogisch-therapeutische Perspektive. In:<br />

Wachkoma 2002.<br />

Therapie<br />

zen. 58 Der visuelle Inhalt von Gebärden, Bil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Symbolen kann von Menschen mit einer autistischen<br />

Störung oft besser verarbeitet werden als verbale Informationen (siehe dazu auch 4.1.1 und 5.2.2.). Alternative<br />

Kommunikationssysteme ermöglichen, Wünsche und Bedürfnisse zu vermitteln.<br />

Das PECS (Picture Exchange Communication System) Bild-Austausch-System ist ein für Menschen mit Kom-<br />

munikationsbeeinträchtigungen bewährtes Kommunikationssystem mit <strong>der</strong> Intention, die beiden Aspekte<br />

<strong>der</strong> Kommunikation, Annäherung an einen Kommunikationspartner sowie verbalisierte Äußerungen, zu leh-<br />

ren – mit dem Ziel, das Sprechen darauf aufzubauen. Das Grundprinzip besteht darin, <strong>der</strong> Person mit Autis-<br />

mus zu vermitteln, eigenmotiviert ein gewünschtes Objekt bzw. eine Aktivität mittels eines dafür präparierten<br />

Fotos o<strong>der</strong> Bildes einzutauschen. PECS ist auf alle Altersklassen und eine große Spanne verschiedener Ent-<br />

wicklungsniveaus anwendbar.<br />

Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass die Hilfen dem individuellen Abstraktionsniveau des Menschen mit<br />

<strong>Autismus</strong> entsprechen und nicht allgemeingültig sind (z.B. in einer Wohngruppe für alle Bewohner/innen ein-<br />

gesetzt werden). Visuelle Strukturierungshilfen und Kommunikationshilfen sollten kontinuierlich evaluiert<br />

und an den aktuellen Entwicklungsstand angepasst werden.<br />

Ein weiteres, umstrittenes und hoch diskutiertes, alternatives Kommunikationssystem ist die Gestützte Kom-<br />

munikation o<strong>der</strong> kurz FC (Facilitated Communication). Sie wurde für Kin<strong>der</strong> mit Körper- und Sprachbehinde-<br />

rungen entwickelt und wird auch als Kommunikationsmethode für Menschen mit <strong>Autismus</strong> angeboten. Mit<br />

dieser Methode soll es Menschen mit <strong>Autismus</strong> ermöglicht werden, durch gestütztes Zeigen auf z.B. Buchsta-<br />

ben o<strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> zu kommunizieren. Dabei wird <strong>der</strong> Betroffene durch einen Stützer physisch (an Hand, Arm<br />

o<strong>der</strong> Schulter vom Kommunikationspartner) und/o<strong>der</strong> verbal unterstützt. Die körperliche Stütze soll neurolo-<br />

gisch bzw. motorisch bedingte Probleme (z.B. Impulskontrollstörungen) kompensieren. Es wird angenom-<br />

men, dass die körperliche und emotionale Stütze, zu <strong>der</strong> die Einstellungen und Fähigkeiten des Stützers<br />

gehören, diese Methode gelingen lassen. 59 Die Gestützte Kommunikation wird deshalb kontrovers diskutiert.<br />

Zu den Ansätzen zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kommunikation kann man auch die von Feuser entwickelte „Sustituierend<br />

Dialogisch-Kooperative Handlungstherapie (SDHKT)“ - eine Basistherapie – zählen. Sie ist Grundlage <strong>der</strong> Ar-<br />

beit mit Menschen mit tief greifenden Entwicklungsstörungen wie <strong>Autismus</strong>, an<strong>der</strong>en Beeinträchtigungen<br />

und Behin<strong>der</strong>ungen, die als „austherapiert“, „therapieresistent“, „lernunfähig“, „gemeinschaftsunfähig“ sowie<br />

„selbst- und fremdgefährdend“ gelten. Diese Personen sollen wie<strong>der</strong> handlungsfähig und selbstbestimmter<br />

werden. Mit <strong>der</strong> SDKHT wird versucht, auf Basis des Wie<strong>der</strong>gewinnens o<strong>der</strong> des Aufbaus eines Dialogs im Kon-<br />

text von Kommunikation, Interaktion und Kooperation Wege zu inden, die es den Betreffenden und ihren Be-<br />

zugspersonen ermöglichen, aus dieser aussichtlosen Situation herauszuinden. 60<br />

35


Therapie<br />

In <strong>der</strong> <strong>Autismus</strong>therapie ist die Musik ein wertvolles Medium, die kommunikativen Fähigkeiten und Bezie-<br />

hungsmöglichkeiten des Kindes positiv zu unterstützen. Mit Hilfe von Instrumenten wird ein interaktiver mu-<br />

sikalischer Entwicklungsprozess gestaltet. Das Beson<strong>der</strong>e an <strong>der</strong> Musiktherapie ist, dass sie einem „unver-<br />

sehrten“ Teil des Menschen mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen offen steht.<br />

Ebenso ist über die Tiere, wie über Pferde, Hunde, Katzen, Deline usw. eine „Brücke“ zur Kommunikation<br />

mit <strong>der</strong> menschlichen Umwelt herstellbar. Speziell die Reit- und Delintherapie werden in Fachkreisen aller-<br />

dings kontrovers diskutiert.<br />

4.1.3. TRAINING SOZIALER FÄHIGKEITEN<br />

Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> sozialen Kompetenzen ist ein wichtiger Aspekt in <strong>der</strong> Therapie. So können die sozialen<br />

Kompetenzen von Menschen mit <strong>Autismus</strong> z. B. durch das Theory of mind-Training positiv beeinlusst wer-<br />

den. Hier wird versucht, autismusspeziische Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> sozialen Kohärenz durch entsprechende<br />

Übungen zu kompensieren. Das Training ist auf Menschen mit <strong>Autismus</strong> ausgerichtet, die ein hohes Sprachni-<br />

veau 61 haben. U. a. wird gelernt, Gesichtsausdrücke zu interpretieren, wie Dinge aus <strong>der</strong> Perspektive einer an-<br />

<strong>der</strong>en Person gesehen werden o<strong>der</strong> Gefühle durch Situationen und Erwartungen beeinlussbar sind. 62<br />

Carol Gray entwickelte die Methode <strong>der</strong> Social Stories (soziale Geschichten), bei <strong>der</strong> Handlungsschwierigkei-<br />

ten von Menschen mit <strong>Autismus</strong> aufgegriffen werden und Problemsituationen des Alltags in Bild und Schrift<br />

dargestellt sind. Es werden visuell o<strong>der</strong> in einfacher, für den Betroffenen verständlicher Sprache, soziale Sach-<br />

verhalte, die <strong>der</strong> Betroffene nicht selbstständig erlangt, vermittelt.<br />

Teilweise lassen sich soziale Fertigkeiten auch im Rahmen von Gruppenangeboten (Gruppen zur Entwick-<br />

lung sozialer Kompetenzen – auch SOKO) gut vermitteln. Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung können<br />

in einem solchen Rahmen im Bereich <strong>der</strong> Kommunikation und <strong>der</strong> sozialen Interaktion durch fachliche Anlei-<br />

tung und Begleitung Kompetenzen erwerben. Hierbei steht die Bereitstellung eines Erfahrungsraumes in klar<br />

strukturierter Gruppensituation im Vor<strong>der</strong>grund, in dem vorrangig zwischenmenschliche Begegnungen the-<br />

matisiert und durch den Betroffenen erfahren werden. Regeln im Umgang mit an<strong>der</strong>en Menschen werden<br />

hierbei in <strong>der</strong> Gruppe erarbeitet und für den Betroffenen offensichtlich und eindeutig dargestellt. Vorbild für<br />

die "SOKO-Guppen" sind die Social Skills Groups (Sozialkompetenz-Gruppen) des TEACCH-Programms in den<br />

USA, wo seit Jahrzehnten in diesem Bereich Angebote entwickelt und erprobt werden. 63<br />

61 Weiss, <strong>Autismus</strong>. Therapien im Vergleich. Berlin: Ed. Marhold im Wiss. Verl. Spiess, 2002.<br />

62 Ebenda.<br />

63 Anne Häußler, Christina Happel, Antje Tuckermann, Mareike Altgassen, Katja Adl-Amini, SOKO <strong>Autismus</strong> - Gruppenangebote zur För<strong>der</strong>ung SOzia-<br />

36<br />

ler KOmpetenzen bei Menschen mit <strong>Autismus</strong>, Erfahrungsbericht und Praxishilfen, Verlag Mo<strong>der</strong>nes Lernen, 2003.


64 Adrian Hofer, Das Affolter-Modell®: Entwicklungsmodell und gespürte Interaktionstherapie, Verlag: Plaum, 2009.<br />

Therapie<br />

4.1.4. SENSOMOTORISCHE/KÖRPERWAHRNEHMUNGSORIENTIERTE METHODEN<br />

Ayres beschreibt <strong>Autismus</strong> als Folge einer gestörten Verarbeitung von Sinnesreizen. Die sensorische Integra-<br />

tion strebt eine bewusstere Aufnahme von Sinneseindrücken an, damit die sinnliche Wahrnehmungsverar-<br />

beitung, die Anpassungsreaktionen und das Verhalten verbessert werden. In <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung werden dem Kind<br />

überfor<strong>der</strong>nde Reize erspart o<strong>der</strong> dosiert angeboten. Sinnesfunktionen, die zu schwach empfangen werden,<br />

werden angeregt. Die dann folgenden Anpassungsreaktionen ermöglichen eine Integration <strong>der</strong> Sinneswahr-<br />

nehmungen in das Zentralnervensystem. Dabei steht die Motorik im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Führen nach Affolter (auch „geführte Interaktionstherapie“) ist eine Methode <strong>der</strong> Hand- und Körperfüh-<br />

rung. Sie ist beson<strong>der</strong>s gut einsetzbar für Menschen mit Beeinträchtigungen <strong>der</strong> spontanen Imitationsfähig-<br />

keit und des Sprachverständnisses. Die För<strong>der</strong>ung nach dem Affolter-Modell setzt bei <strong>der</strong> (gespürten)<br />

Informationssuche in alltäglichen Problemlösesituationen an und zielt darauf ab, sogenannte „Spürinforma-<br />

tionen“ 1:1 zu vermitteln. Menschen mit <strong>Autismus</strong> sind nicht wie an<strong>der</strong>e Menschen in unterschiedlicher Aus-<br />

prägung in <strong>der</strong> Lage, ihre Umwelt handelnd und durch gespürte Interaktion zu erfassen. Sie können ihre<br />

Spürerfahrungen zumeist nicht mit an<strong>der</strong>en Sinneseindrücken verknüpfen. Beim Erlernen alltäglicher Hand-<br />

lungen wird <strong>der</strong> Körper konsequent geführt. Der Klient erhält die Möglichkeit, auch kleinste – zum Ausführen<br />

dieser Handlungen notwendige – Bewegungsnuancen zu erfahren. Die führende Person sitzt o<strong>der</strong> steht dabei<br />

unmittelbar hinter dem Klienten und legt bei <strong>der</strong> Ausführung seine Arme und Hände analog auf dessen Arme<br />

und Hände. Ihre Bewegungen sind dadurch gleich gerichtet. Im Vor<strong>der</strong>grund steht dabei das Fernziel des<br />

selbständigen Ausführens dieser Handlungen. Affolter führt ganz bewusst durch die Handlung und schleicht<br />

die Unterstützung bei zunehmendem Lernerfolg nach und nach aus, bis die Handlung automatisiert werden<br />

konnte und dann selbständig durchgeführt wird. 64<br />

4.1.5. ERGÄNZENDE MASSNAHMEN<br />

In <strong>der</strong> Arbeit mit Menschen mit <strong>Autismus</strong> haben sich z.T. auch weitere Therapien <strong>der</strong> Logopädie, Ergo- und<br />

Musiktherapie, <strong>der</strong> Motopädie, <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsychotherapie sowie Psychotherapie bewährt. Dane-<br />

ben werden je nach Bedarf auch Therapien wie Spieltherapie, Hippotherapie, Tanztherapie, Delintherapie<br />

sowie begleitende medikamentöse Behandlungen eingesetzt.<br />

Eine Psychopharmaka-Therapie als Teil eines multimodalen Behandlungskonzeptes kann psychotherapeuti-<br />

sche und verhaltensmodulierende Maßnahmen sinnvoll unterstützen. Nach heutigen Erkenntnissen ist aller-<br />

dings keine Medikation gegen die Primärsymptomatik des autistischen Störungsbildes erhältlich.<br />

Unterschiedliche Erfahrungen sind im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Anwendung speziischer Diäten bei Menschen<br />

mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen zu verzeichnen. Das Buch „Die gluten- und kaseinfreie Ernährung für Men-<br />

37


Hilfesysteme und Netzwerke in den Lebensbereichen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

schen mit <strong>Autismus</strong>, ADS/ADHS und Allergien“ gibt einen guten Überblick zur Theorie und Anwendung und<br />

zeigt zudem alltagspraktische Möglichkeiten <strong>der</strong> Ernährungsumstellung auf. 65<br />

Entgegen <strong>der</strong> früheren Annahme, dass ein Ansatz für alle gut ist, gibt es nach Bernard Opitz heute Richtli-<br />

nien über „beste Therapie-Praktiken“.<br />

„Hierzu sollten Therapeuten in verschiedenen Therapieeinrichtungen kompetent sein. Dazu sind kompetente<br />

Supervision und möglicherweise aufeinan<strong>der</strong> aufbauende Fortbildungen, wie zu einem <strong>Autismus</strong>therapeuten<br />

sinnvoll. Es wäre sinnvoll, wenn auch in Deutschland ein <strong>Autismus</strong>forschungszentrum entstehen würde, das<br />

zu weiterem Verständnis autistischer Störungen sowie <strong>der</strong> Optimierung von Therapieansätzen beitragen<br />

würde.“ 66<br />

Therapieansätze sind auf das einzigartige individuelle Fähigkeitsproil auszurichten. Die Abstimmungen soll-<br />

ten störungsspeziisch, entwicklungsorientiert, multifaktoral, multimodal und in enger Kooperation/interdis-<br />

ziplinärer Zusammenarbeit mit Therapeuten und den Bezugspersonen erfolgen. Entscheidend ist, den<br />

richtigen Ansatz/die richtigen Ansätze für den Einzelnen auszuwählen.<br />

5. HILFESYSTEME UND NETZWERKE IN DEN LEBENS-<br />

BEREICHEN VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN<br />

5.1 ALLGEMEINES<br />

In den vergangenen Jahren hat sich weltweit ein neues Verständnis von Behin<strong>der</strong>ung und zeitgemäßer Behin-<br />

<strong>der</strong>tenarbeit durchgesetzt. So hat die WHO (2000) in <strong>der</strong> Zwischenzeit in Anbetracht zeitgemäßer Behin<strong>der</strong>-<br />

tenarbeit ein neues Beschreibungsmodell (ICF) richtungsweisend entwickelt, wonach die zentralen<br />

Konstrukte die<br />

a) Körperstrukturen und -funktionen und ihre Beeinträchtigung<br />

b) Aktivitäten und ihre Beeinträchtigung<br />

c) Partizipation und ihre Beeinträchtigung und<br />

d) Kontextfaktoren<br />

sind. 67<br />

65 Susanne Strasser: Die gluten- und kaseinfreie Ernährung für Menschen mit <strong>Autismus</strong>, ADS/ADHS und Allergien, Verlag: Strasser, Susanne; Aulage:<br />

2., überarb. Aul. (November 2006).<br />

66 In: Tagungsbericht <strong>der</strong> 11. Bundestagung des Bundesverbandes <strong>Autismus</strong> Deutschland e.V. vom 16.-18.9.2006, S.31.<br />

67 Theunissen, Pädagogik bei geistiger Behin<strong>der</strong>ung und Verhaltensauffälligkeiten, 2005.<br />

38


Zusammenfassend wird von einem reziproken, prozesshaften Zusammenwirken individueller und sozialer<br />

Faktoren ausgegangen und das bedeutet, dass eine Lebenswelt-bezogene, Gemeinde-orientierte Arbeit mit<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung Priorität hat. 68<br />

Nach Theunissen 69 und auch Schumacher 70 spiegelt die neue Bundessozialgesetzgebung den Grundgedan-<br />

ken mo<strong>der</strong>ner Behin<strong>der</strong>tenarbeit nach WHO-Kriterien wi<strong>der</strong>, wobei Schumacher auf die <strong>der</strong>zeitig unbefriedi-<br />

gende Rechtsanwendungsqualität hinweist. 71<br />

Beson<strong>der</strong>s autistische Menschen mit Intelligenzmin<strong>der</strong>ungen sind durch ihre Handicaps auf eine regelmäßige<br />

Unterstützung in allen Lebensphasen angewiesen. Die Behin<strong>der</strong>ung besteht i. d. R. seit <strong>der</strong> Geburt, d. h. Früh-<br />

för<strong>der</strong>ung, Schulausbildung, Unterstützungserfolge und altersbedingte Übergänge sind stärker als bei ande-<br />

ren Behin<strong>der</strong>ungsarten abhängig vom familiären Lebens- und Wohnumfeld geprägt. Insofern muss sich die<br />

Aufmerksamkeit mehr auf die familiäre Bindungs- und die persönliche Entwicklungsdynamik richten, eine<br />

dialoggeprägte Beziehungssicherheit aufgebaut und die Hilfeplangestaltung kontinuierlich begleitet werden.<br />

Dabei sind die Ablösungsprozesse früher zu beachten.<br />

Wissenschaftlich untersetzt ist, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung und ihre Angehörigen stärker als bisher sta-<br />

bile, langfristige Unterstützungsnetzwerke benötigen. 72 Nach Schwarte 73 setzt zurzeit die Hilfeplanung zu<br />

spät ein und ist überwiegend einseitig auf wohnbezogene Hilfen orientiert.<br />

Beck 74 verweist darauf, dass die individuumbezogene Perspektive und die Hilfeplanung unabhängig von insti-<br />

tutionellen Bedingungen und seiner biographischen und sozialen Gewordenheit zu erheben sind. Gleichzei-<br />

tig wird auf die enorme Bedeutung tragfähiger sozialer Beziehungen verwiesen, wenn selbstbestimmtes<br />

Leben von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen ernsthaft umgesetzt werden soll. Dabei ist die Kenntnis um die un-<br />

terschiedlichen Funktionen sozialer Netzwerke nach Lindmeier wichtig zur konkreten Bestimmung einer Be-<br />

darfslage und <strong>der</strong> vom Netzwerk erwarteten sowie <strong>der</strong> möglichen Unterstützung. Gleichzeitig sind bei <strong>der</strong><br />

68 Ebenda.<br />

69 Theunissen, Behin<strong>der</strong>tenarbeit im Lichte von Inclusion, Partizipation und Empowerment. In: Tagungsbericht DHG Fachtagung 28./29.11.2002<br />

Halle/Saale.<br />

70 Schumacher, Sozialrechtliche Situation von Menschen mit schweren Behin<strong>der</strong>ungen in Deutschland - Anfor<strong>der</strong>ungen und Probleme In: Rechts-<br />

dienst <strong>der</strong> Lebenshilfe 4/05.<br />

71 Ebenda.<br />

72 Schwarte, Der personenzentrierte Ansatz als Herausfor<strong>der</strong>ung für Planungsansätze im Hilfesystem für Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung.<br />

In: 3. Europäische Konferenz zur Qualitätsentwicklung in <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe an <strong>der</strong> Universität Siegen am15./16. März 2005.<br />

73 Ebenda.<br />

74 Beck, Von <strong>der</strong> institutionellen zur personalen Orientierung. Anfor<strong>der</strong>ungen an Einrichtungen. In: Tagungsbericht DHG Fachtagung 19./20.01.2001<br />

Berlin.<br />

Hilfesysteme und Netzwerke in den Lebensbereichen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

39


Hilfesysteme und Netzwerke in den Lebensbereichen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

Netzwerkför<strong>der</strong>ung die Motive und Bedarfslagen <strong>der</strong> Beteiligten zu berücksichtigen, da nicht jedes Netzwerk<br />

jede Form <strong>der</strong> Unterstützung bereitstellen will bzw. kann. 75<br />

Netzwerke sollen sich als Dienstleister verstehen. Die individuelle Bedürfnislage <strong>der</strong> Nutzer erfor<strong>der</strong>t Stabili-<br />

tät, Verlässlichkeit und Flexibilität in den jeweiligen Lebensbereichen, dabei ist ein beson<strong>der</strong>es Augenmerk<br />

auf die Übergänge zwischen den einzelnen Lebensphasen zu richten.<br />

Die Eröffnung von verschiedenen Möglichkeiten individueller Hilfearrangements und Erfahrungen mit Hilfe-<br />

systemen ist wichtig bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Lebensperspektive behin<strong>der</strong>ter Menschen. Insofern ist die fach-<br />

politische Zielsetzung und <strong>der</strong>en Umsetzung in <strong>der</strong> Praxis zwar mühsam, aber dahingehend auszurichten:<br />

a) Aufzeigen zentraler Ansatzpunkte<br />

b) Eröffnung neuer Handlungsmöglichkeiten<br />

c) Erarbeitung neuer Formen von Hilfegestaltung und <strong>der</strong>en Erprobung. 76<br />

Die vom Gesetzgeber gefor<strong>der</strong>te Sicherstellung <strong>der</strong> Teilhabe an <strong>der</strong> Gesellschaft erfor<strong>der</strong>t aus <strong>der</strong> Nutzerper-<br />

spektive nicht nur den Aufbau sozialer Netzwerke, son<strong>der</strong>n stärker als bisher die Vernetzung und inhaltliche<br />

Verantwortung <strong>der</strong> verschiedenen am lebenslang begleitenden Unterstützungsprozess beteiligten Akteure.<br />

Dabei ist nach dem Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste <strong>der</strong> Universität – Gesamthochschule<br />

Siegen (ZPE) 77 die Behin<strong>der</strong>tenhilfeplanung als eine Querschnittsaufgabe politikfeldübergreifend auszurich-<br />

ten. Die Sozialpolitik nimmt mit den Einglie<strong>der</strong>ungshilfen und den überschneidenden Bereichen Jugendpoli-<br />

tik, Altenpolitik mit <strong>der</strong> damit verknüpften Plegebedarfsplanung und Beschäftigungspolitik eine zentrale<br />

Rolle ein. Schnittstellen ergeben sich aber auch zur Gesundheitspolitik, wenn es um die Diagnose und Be-<br />

handlung von Behin<strong>der</strong>ung verursachenden o<strong>der</strong> auslösenden Erkrankungen geht und zur Bildung und Aus-<br />

bildung und somit zur Schulpolitik. Der Lebensalltag von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung wird aber ebenso durch<br />

die behin<strong>der</strong>tengerechte Gestaltung von Verkehrsmitteln, Verkehrswegen und Gebäuden entscheidend be-<br />

einlusst. Insofern bedarf es bei <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfeplanung Verfahren zur Abstimmung bei den Fachplanun-<br />

gen <strong>der</strong> übergreifenden Politikfel<strong>der</strong>. 78<br />

75 Lindmeier, Soziale Netzwerke. Ihre Bedeutung für ein differenziertes Verständnis von Unterstützerkreisen in <strong>der</strong> persönlichen Zukunftsplanung. In:<br />

Geistige Behin<strong>der</strong>ung, 2/06,S.99-111.<br />

76 Schwarte, Der personenzentrierte Ansatz als Herausfor<strong>der</strong>ung für Planungsansätze im Hilfesystem für Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung, 3. Eu-<br />

ropäische Konferenz zur Qualitätsentwicklung in <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe an <strong>der</strong> Universität Siegen am15./16. März 2005.<br />

77 Rohrmann, McGovern, Schädler, Schwarte, AQUA-NetOH Arbeitshilfe zur Qualiizierung von örtlichen Netzwerken Offener Hilfen für Menschen mit<br />

Behin<strong>der</strong>ungen, ZPE Schriftenreihe Nr. 9.<br />

78 Ebenda.<br />

40


79 Die Lage <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, Bericht <strong>der</strong> Bundesregierung Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode,<br />

Drucksache 15/4575, 16.12.2004.<br />

Hilfesysteme und Netzwerke in den Lebensbereichen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

Die Rehabilitation und Teilhabe behin<strong>der</strong>ter Menschen gelingen aber nur, wenn auch die unterschiedlichen<br />

Rehabilitationsträger im eng geglie<strong>der</strong>ten Leistungssystem zusammenarbeiten. 79<br />

5.2 AUTISMUSSPEZIFISCHE KRITERIEN BEI DER GESTALTUNG DER HILFEN<br />

Die Inklusion in die Gesellschaft und die Sicherstellung <strong>der</strong> Teilhabe von Menschen mit <strong>Autismus</strong> scheitert<br />

häuig daran, dass die betroffenen Menschen einen Rahmen vorinden, in dem sie sich nicht selbständig ori-<br />

entieren und bewegen können. Ziel muss es demnach sein, Bedingungen zu schaffen, sodass Menschen mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung so selbstbestimmt wie möglich an unserer aller Gesellschaft teilhaben können. Behin<strong>der</strong>ungs-<br />

bedingt können Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen bestimmte Regeln des Zusammenlebens und<br />

-arbeitens nur schwer verstehen und anwenden. Sie verhalten sich in <strong>der</strong> Gemeinschaft zu unlexibel, können<br />

sich schwer anpassen o<strong>der</strong> verstehen i. d. R. oft nicht, was man von ihnen erwartet. Gleichenfalls stellt sich je-<br />

doch die Frage, ob es nicht unsere Gesellschaft ist, die bis dato nicht gelernt hat, mit den Verschiedenheiten<br />

von Menschen mit und ohne Behin<strong>der</strong>ung zurecht zu kommen!? Ina Slotta widmet sich in ihrem Buch „Autis-<br />

mus – <strong>der</strong> nicht gelungene Umgang mit Verschiedenheit“ genau dieser Fragestellung und zeigt Ideen für<br />

einen gelungen Umgang mit Verschiedenheit auf. 80<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> sind <strong>der</strong> Auffassung, dass bei <strong>der</strong> Gestaltung von Hilfen stets allgemein gül-<br />

tige als auch maßnahmespeziische Kriterien zu beachten sind. Insofern werden diese nachfolgend aus fach-<br />

speziischen Veröffentlichungen und den vorhandenen Erfahrungen bei <strong>der</strong> langjährigen Begleitung dieser<br />

Menschen zusammenfassend in den gemeinsam erarbeiteten, grundsätzlichen Anfor<strong>der</strong>ungen zur Gestal-<br />

tung von Hilfen dargestellt. Darauf aufbauend werden speziische Anfor<strong>der</strong>ungen z. B. an das stationäre Woh-<br />

nen und die Arbeitsplatzgestaltung aufgezeigt.<br />

Grundvoraussetzung für eine gelungene Inklusion ist die Bereitschaft aller am Einglie<strong>der</strong>ungs- und Arbeits-<br />

prozess Beteiligten, Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen auf Dauer zu unterstützen und zu beschäf-<br />

tigen. Die Rahmenbedingungen sind auf die autismusspeziische Symptomatik, die damit einhergehenden<br />

Beson<strong>der</strong>heiten und die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen abzustimmen und anzupassen.<br />

An dieser Stelle möchten wir auf die Anlage 6 dieser Broschüre verweisen: Im Artikel „ Inklusion – Einschluss<br />

statt Ausschluss. Gedanken zu einem viel diskutierten Sozialethikthema“ 81 schil<strong>der</strong>t eine Mutter persönliche<br />

Erfahrungen zum besagten Thema und äußert Gedanken zu Möglichkeiten und Grenzen von Inklusion.<br />

80 Slotta, Ina. <strong>Autismus</strong> – Der nicht gelungene Umgang mit Verschiedenheit. Dortmund: Verlag mo<strong>der</strong>nes Lernen, 2002.<br />

81 Ragna, Linde, Diplom Sozialpädagogin und Mutter eines Sohnes mit <strong>Autismus</strong>, Inklusion – Einschluss statt Ausschluss. Gedanken zu einem viel dis-<br />

kutierten Sozialathikthema; Text zur vorliegenden Broschüre; Hamburg 2010.<br />

41


Hilfesysteme und Netzwerke in den Lebensbereichen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

5.2.1 TYPISCHE (NICHT)-ALLTÄGLICHE BESONDERHEITEN<br />

<strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen wirken sich auf unterschiedliche Entwicklungsbereiche aus.<br />

Schwerpunkte sind die drei Bereiche Kontakt, Kommunikation und Handlung, in denen sich <strong>Autismus</strong>-Spek-<br />

trum-Störungen äußern!<br />

Bereich Kontakt<br />

- Verbale sowie nonverbale Kommunikation eingeschränkt<br />

- Beson<strong>der</strong>heiten im Blick- und Körperkontakt wie z.B. Vermeidung von anhaltendem, direktem Blickkon<br />

takt; kurzer aber wie<strong>der</strong>holter direkter Blickkontakt; auffällig und unangemessen naher Körperkontakt –<br />

„Suchen“ von Informationen in Gesichtern<br />

- Bedürfnisse An<strong>der</strong>er zu erkennen fällt schwer<br />

- Einordnen und Erkennen von Gefühlsaudrücken fällt schwer<br />

- Rücksicht nehmen fällt schwer<br />

- Finden mit speziellen Interessen schwer Anschluss<br />

- Bezugspersonen inden schwer Zugang<br />

- Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs nicht klar<br />

- Auffällige, häuig unangemessene Kontaktaufnahme<br />

- Starkes Rückzugsverhalten > Gefahr von isolatem Verhalten<br />

- Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen stark eingeschränkt<br />

Bereich Kommunikation<br />

- Beson<strong>der</strong>er Umgang mit Sprache, beispielsweise durch stilistisch hoch stehende Sprache, Wortneuschöp-<br />

fungen, ungewöhnliche Betonung, Verwechseln <strong>der</strong> Pronomina<br />

- Probleme, eigene Bedürfnisse zu kommunizieren<br />

- Themenauswahl eingeschränkt in <strong>der</strong> Kommunikation<br />

- Keine Kommunikation über verbale Sprache und kaum bis gar keine Versuche, die fehlende Sprache durch<br />

an<strong>der</strong>e Kommunikationsformen wie das Holen und Bringen von Gegenständen, Zeigen auf Gegenstände,<br />

Fotokarten, etc. zu kompensieren (v.a. bei Frühkindlichem <strong>Autismus</strong>)<br />

- Teilweise stark eingeschränktes Sprachverständnis (v.a. bei Frühkindlichem <strong>Autismus</strong>)<br />

- Schwierigkeiten, Sprache in den Sinnzusammenhang zu bringen<br />

- Verarbeitung einer Information in Kombination mehrerer Reize wie z.B. Hören auf Sprache und gleichzeitig<br />

Sehen von Gesten, etc. kann schwierig sein<br />

- Echolalie<br />

- Deizite im Sprachverständnis und auditiven Hören, wie z. B. wortwörtliches Verständnis von Anweisungen<br />

o<strong>der</strong> zeitlich verzögerte Reaktionen auf verbale Hinweise<br />

Nicht selten zeigen Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen unter-<br />

schiedlicher Art und Ausprägung. Wichtig in diesem Zusammenhang ist das eigene Bewusstmachen dazu,<br />

42


Hilfesysteme und Netzwerke in den Lebensbereichen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

dass KEIN Verhalten OHNE GRUND entsteht. Es ist UNSER Auftrag, das Verhalten zu hinterfragen, die Gründe<br />

für herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen zu suchen, zu inden und den betroffenen Menschen Strategien zu ver-<br />

mitteln, wie sie an<strong>der</strong>s kommunizieren und handeln können.<br />

Bereich Interessen / Handlungen<br />

- Beschränktes Spektrum an Interessen und Freizeitaktivitäten<br />

- Schwierigkeiten, freie, unstrukturierte Zeiten (z.B. Freizeit, Urlaube, Pausenzeiten) eigenständig zu planen<br />

und mit Inhalten zu füllen (vgl. Pkt. 5.2.2.)<br />

- Häuig starres Festhalten/Verharren an einmal erlernten Handlungs- und Lösungsstrategien<br />

- Schwierigkeiten, eigene Problemlösungsstrategien zu inden<br />

- Finden schwer bis kaum Anschluss bei Gleichaltrigen<br />

- Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Selbständigkeit<br />

- Stereotype und auch zwanghafte Verhaltensweisen<br />

- Eingeschränktes Schmerzempinden (in diesem Zusammenhang besteht auch die Frage danach, ob Ag-<br />

gressionen – vor allem selbstverletzendes Verhalten – eine Form <strong>der</strong> Selbststimulierung darstellt)<br />

- Handlungen erfor<strong>der</strong>n viel Konzentrationsvermögen > Generalisierungsschwierigkeiten erlernter Hand-<br />

lungen<br />

- Hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an das eigene Handeln<br />

- Motorische Beson<strong>der</strong>heiten wie beispielsweise feinmotorische Schwierigkeiten, einen eingeschränkten<br />

Gleichgewichtssinn o<strong>der</strong> Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Auge-Hand-Koordination<br />

Allgemein kennzeichnet sich ASS durch ein großes Spektrum an Beson<strong>der</strong>heiten mit unterschiedlichem<br />

Schweregrad in den einzelnen Bereichen. Für Bezugspersonen ist es oft schwer zu verstehen, warum einer-<br />

seits durchaus gute bis sehr gute Fähigkeiten neben großen Schwierigkeiten und Unvermögen in an<strong>der</strong>en Be-<br />

reichen kombiniert auftreten.<br />

In <strong>der</strong> Konsequenz gilt, dass grundsätzlich die Beson<strong>der</strong>heiten beachtet, die jeweiligen speziellen individuel-<br />

len Fähigkeiten und Interessen berücksichtigt und sinnvoll eingesetzt werden müssen.<br />

5.2.2 SPEZIFISCHE HILFEN ZUR ORIENTIERUNG IM LEBENSUMFELD<br />

Ausgehend von den neuropsychologischen Beson<strong>der</strong>heiten bei Menschen mit <strong>Autismus</strong> in Bereichen <strong>der</strong><br />

zentralen Kohärenz, <strong>der</strong> Theorie of Mind, <strong>der</strong> exekutiven Funktionen, <strong>der</strong> Gedächtnisleistungen, etc. müssen<br />

speziische Hilfen individuell erarbeitet werden. Durch das Fehlen einer inneren Struktur, die es ermöglicht<br />

das eigene Handeln sinnvoll zu planen und in soziale Bezüge einzubetten, sind Menschen mit <strong>Autismus</strong> auf<br />

die kompensatorische Hilfe durch eine äußere Struktur angewiesen. Viele Menschen mit <strong>Autismus</strong> haben be-<br />

hin<strong>der</strong>ungsbedingt große Schwierigkeiten, Abläufe vorherzusehen, konkret zu planen und zielgerecht und<br />

problemlösungsorientiert zu handeln. Das Finden von Lösungsstrategien für eventuell auftretende Probleme<br />

stellt sie nicht selten vor große – teilweise unüberwindbare – Herausfor<strong>der</strong>ungen und geht häuig auch damit<br />

43


Hilfesysteme und Netzwerke in den Lebensbereichen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

einher, dass die Betroffenen an ihren zuvor geplanten/erlernten Lösungsstrategien beharrlich festhalten –<br />

nicht in <strong>der</strong> Lage sind, davon abzuweichen, selbst wenn die Lösung offensichtlich nicht in Aussicht steht.<br />

Der in den USA entwickelte und am längsten erforschte Ansatz zur För<strong>der</strong>ung von Menschen mit <strong>Autismus</strong> ist<br />

das TEACCH – Programm 82 , welches ein pädagogisch-therapeutisch ausgerichtetes Konzept darstellt und<br />

zwei primäre Leitlinien beinhaltet:<br />

1. Schaffung verbesserter Lernvoraussetzungen des Einzelnen unter Nutzung seiner speziellen Interessen und<br />

2. Anpassung <strong>der</strong> Umwelt, um die individuellen autismusbedingten Schwierigkeiten zu kompensieren.<br />

Die Methode hat das Ziel, die Selbständigkeit und Lebensqualität <strong>der</strong> betroffenen Personen zu verbessern.<br />

Die methodische Umsetzung erfolgt durch die Entwicklung individueller Visualisierung- und Strukturierungs-<br />

hilfen in folgenden Kernbereichen 83 :<br />

1. Räumliche Strukturierung<br />

Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen benötigen räumliche Strukturen, um sich besser orien-<br />

tieren zu können.<br />

Folgende Hilfen können zum Einsatz kommen:<br />

- genaue Bezeichnung des Abschlusses eines Arbeitsschrittes (z. B. durch Bil<strong>der</strong>)<br />

- klare Glie<strong>der</strong>ung des Raumes, Wohnung/Wohngruppe in überschaubare, mit Tätigkeiten/Lebensberei-<br />

chen besetzte Bereiche einteilen<br />

- klare Glie<strong>der</strong>ung des Raumes durch Abgrenzungen/Stellwände/ Raumteiler<br />

- Markierungen in Tätigkeitsbereiche (z. B. durch visuelle Grenzen wie Teppiche, Klebebän<strong>der</strong> etc., in <strong>der</strong><br />

Spielecke wird nur gespielt, am Arbeitsplatz nur gearbeitet, Klebeband bedeutet: „Stehen bleiben“, „Hier<br />

warten“, „Teppich nicht verlassen“, „Treff mit <strong>der</strong> Gruppe“)<br />

- visuelle Orientierungshilfen (z. B. Bebil<strong>der</strong>n von Schränken, Ordnern, Tischen auch durch Pictogramme,<br />

d. h. Bild an Schranktür zeigt, wo welches Geschirr ist, roter Arbeitstisch ist Arbeitsplatz, mein Foto an<br />

einem bestimmten Ort bedeutet „mein Essplatz/mein Arbeitsplatz“, etc.).<br />

Die deutliche Strukturierung des Raums muss so hervorgehoben werden, dass klar wird, was in diesem Teil<br />

des Raumes zu tun ist. Darüber hinaus sollen die Räume reizarm gestaltet sein und ggf. durch Sichtschutz etc.<br />

zur Reduzierung von Ablenkungen beitragen (Bsp. Arbeitsplatz nicht in Blickrichtung zum Fenster).<br />

82 Siehe www.autea.de; auch: Lernen konkret Heft 2, Juni 2003 (22. Jg Praktische Erfahrungen mit Methoden aus dem TEACCH-Ansatz), auch Häussler,<br />

Der Teacch Ansatz von Menschen mit <strong>Autismus</strong>, Borgmann-Verlag.<br />

83 Ebenda.<br />

44


2. Zeitliche Strukturierung<br />

Hilfesysteme und Netzwerke in den Lebensbereichen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

Viele Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen können auch kurze und vor allem unpräzise Zeit-<br />

räume nur schwer erfassen (z. B. „ich komme gleich“, „später“). Es fällt ihnen schwer, einzuschätzen,<br />

wie lange sie für etwas Zeit haben (wie viel Zeit?, was ist ein bisschen?, wie lange dauert etwas?, was<br />

kommt danach?, wann fängt es an?, wann hört es auf?...). Unvorhergesehene Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Ta-<br />

gesroutine können Angst, Unsicherheit, Unruhe, Irritationen erzeugen und sind nicht zuletzt Auslöser<br />

für Panik und herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen.<br />

Abläufe und zeitliche Abschnitte können wie folgt visuell dargestellt und somit vorhersehbar gemacht werden:<br />

- Visualisierung einzelner Abläufe/Schritte einer Handlung/einer Aufgabe (z. B. mittels konkreter o<strong>der</strong> sym-<br />

bolischer Objekte, Pictogramme, Fotograien, etc., dargestellt zum Beispiel im Rahmens eines Ablauf-<br />

planes o<strong>der</strong> untereinan<strong>der</strong> stehend im Regal)<br />

- Visualisieren von ixen täglichen, wöchentlichen, monatlichen, etc. Terminen in Tages- o<strong>der</strong> Tagesab-<br />

schnittplänen, Kalen<strong>der</strong>n.<br />

- genaue Deinition von Anfang und Ende einer Aktivität/eines Arbeitsschrittes (z. B. durch TimeTimer,<br />

Kurzzeitwecker, Sanduhren, Ampeln, etc.)<br />

Für die meisten Klienten ist es zudem sinnvoll o<strong>der</strong> auch notwendig, das Verstreichen von Zeit und Hand-<br />

lungen visuell deutlich zu machen. Das kann neben <strong>der</strong> Anwendung von Timern, Sanduhren, etc. gesche-<br />

hen, indem die Bildkarten nach Beendigung <strong>der</strong> Aktivität vom Plan abgenommen o<strong>der</strong> umgedreht werden.<br />

Vergangene Tage werden am Kalen<strong>der</strong> beispielsweise jeden Abend vor dem Zubettgehen o.Ä. am Plan<br />

durchgestrichen, abgehakt, abgestempelt o<strong>der</strong> sogar abgeschnitten. Objekte im Regal können herausgenom-<br />

men, als Übergangsobjekt benutzt o<strong>der</strong> mittels Vorhang o.Ä. verdeckt werden.<br />

Die Wahl <strong>der</strong> eingesetzten Hilfe in Form von Objekten, Fotos, Symbolen o<strong>der</strong> schriftlichen Anweisun-<br />

gen richtet sich immer nach dem individuellen Abstraktionsniveau des Menschen mit Beeinträchti-<br />

gung.<br />

Bei <strong>der</strong> Abarbeitung von Zeitplänen wird die starke Neigung autistischer Menschen zur Routine genutzt,<br />

wobei grundsätzlich darauf zu achten ist, dass <strong>der</strong> Klient nach dem Plan agiert/arbeitet und nicht die Tätigkeit<br />

als routinierte Handlung durchführt. Dann hat <strong>der</strong> Plan seinen Auftrag als Orientierungshilfe verloren. Ablauf-<br />

pläne haben in <strong>der</strong> Regel eine festgelegte und bleibende Arbeitsrichtung von oben nach unten o<strong>der</strong> von links<br />

nach rechts. Im Umgang mit Plänen ist zudem darauf zu achten, WIE <strong>der</strong> Plan von <strong>der</strong> Person tatsächlich ge-<br />

nutzt wird. Vor allem in <strong>der</strong> Anfangszeit des Einsatzes strukturierter Hilfen orientiert sich ein Mensch mit Au-<br />

tismus vielmehr an seiner Bezugsperson, als am Plan selbst. Häuig obliegt dies <strong>der</strong> fehlerhaften Steuerung<br />

<strong>der</strong> Bezugsperson im Umgang mit dem Plan. Anzuraten ist deshalb nicht nur die Relektion <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Strukturierungshilfe auf ihre Wirksamkeit hin. Vielmehr müssen auch unterstützende Bezugspersonen eine<br />

Relektion ihres Handelns erfahren.<br />

45


Hilfesysteme und Netzwerke in den Lebensbereichen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

3. Strukturierung von Arbeitsorganisation<br />

Menschen mit <strong>Autismus</strong> müssen häuig visuell verdeutlicht bekommen, wo sich ihr Arbeits- o<strong>der</strong> Be-<br />

schäftigungsplatz beindet; wo sich das Material beindet; wo und wie es bearbeitet werden soll und<br />

wohin das fertige Produkt zu bringen ist. Außerdem kann visuell verdeutlicht werden, wann ein Ar-<br />

beitsschritt bzw. -prozess beendet ist UND was als NÄCHSTES kommt/welches <strong>der</strong> nächste Arbeits-<br />

schritt ist.<br />

Helfen können:<br />

- optische Vorgabe <strong>der</strong> Reihenfolge (Arbeit von links nach rechts, von oben nach unten)<br />

- individuell angenehme Tätigkeiten nach Abschluss eines Arbeitsschrittes (z. B. Spaß machende Beschäfti-<br />

gung, Essen- o<strong>der</strong> Trinkpause, Zeit für Stereotypien o.Ä.)<br />

- Verstreichen von Zeit visualisieren, z.B. mit Timer (siehe oben)<br />

- individuelle Arbeitsmappe, aus <strong>der</strong> z. B. <strong>der</strong> Umfang (z. B. Aufgabe 5,7,3, die sich entsprechend im Regal<br />

wie<strong>der</strong> inden) und die Reihenfolge <strong>der</strong> Aufgaben/Tätigkeiten hervor gehen (z. B. die Nummern 5,7,3<br />

beinden sich neben o<strong>der</strong> untereinan<strong>der</strong>)<br />

Zusammenfassend: Bei <strong>der</strong> möglichst selbstständigen Abarbeitung <strong>der</strong> Arbeitssysteme sind visuell die we -<br />

sentlichen Aspekte zu berücksichtigen: Was ist zu tun? Wie viel ist zu tun? In welcher Reihenfolge ist es zu<br />

tun? Wann bin ich fertig? Was kommt danach? 84<br />

4. Strukturierung von Material und Aufgaben<br />

Um den Arbeitsvorgang zu erleichtern, sollten auch die Materialien gekennzeichnet werden, damit sie<br />

rasch identiiziert werden können.<br />

Die Materialien können z. B.:<br />

- mit Hilfe von Schablonen gekennzeichnet, sortiert, geordnet, passgenau bearbeitet werden<br />

- individuell so angeordnet/vorstrukturiert werden, dass <strong>der</strong> Nutzer aus <strong>der</strong> Anordnung den Sinn <strong>der</strong> Auf-<br />

gabe selbständig erkennt, d.h. erfasst, WAS zu tun ist und in Handlung kommt<br />

- sollte zunächst so vorstrukturiert werden, dass das Material/die Aufgabe aufgeht, d.h. beendet werden<br />

84 Siehe Häußler, Strukturierung als Hilfe zum Verstehen und Handeln: Die För<strong>der</strong>ung von Menschen mit <strong>Autismus</strong> nach dem Vorbild des TEACCH-<br />

46<br />

kann > es sollten keine Materialien übrig bleiben, nicht passen, schadhaft sein. Später können Fehler be-<br />

wusst in die Aufgabe mit eingebaut werden, um z.B. das Finden von Problemlösungsstrategien zu för<strong>der</strong>n<br />

o<strong>der</strong> am Umgang mit Frust zu arbeiten.<br />

Ansatzes. In ISSAAC: Unterstützte Kommunikation mit nicht sprechenden Menschen, Dortmund, Loeper-Verlag, 2000.


Weiter können Aufgaben/Materialien:<br />

Hilfesysteme und Netzwerke in den Lebensbereichen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

- mit Farbetiketten versehen werden, so dass zugehörige Paare/Sets gebildet werden können<br />

- immer an demselben, gekennzeichneten Ort (z.B. am Arbeitsplatz; eigenes Regal o<strong>der</strong> eigenes Fach im<br />

Schrank) bereitgestellt werden<br />

Instruktionen<br />

Oft sind autistische Menschen von einem Wortschwall des Angehörigen, Betreuers, Ausbil<strong>der</strong>s über-<br />

for<strong>der</strong>t. Die Relektion des eigenen Handelns und <strong>der</strong> eigenen Sprache spielt in diesem Zusammen-<br />

hang eine beson<strong>der</strong>s große Rolle.<br />

Es empiehlt sich z. B.:<br />

- nicht zu viele gleichzeitige Informationen geben<br />

- einzelne Auffor<strong>der</strong>ungen in sinnvollem Abstand mehrmals wie<strong>der</strong>holen<br />

- Instruktionen gleich zu Beginn <strong>der</strong> Aufnahme einer Tätigkeit geben<br />

- eindeutige Formulierungen in möglichst ein und demselben Wortlaut, d.h. bei wie<strong>der</strong>holter Ansprache<br />

keine an<strong>der</strong>en Begrifflichkeiten nutzen<br />

- auf direkte und inhaltlich klare Sprache achten (ggf. zunächst Aufmerksamkeit lenken!) > Vermeiden un-<br />

speziischer Aussagen wie z.B. „gleich“, „später“, „da drüben“, „ein bisschen“<br />

- Vermeiden von Ironie und Sarkasmus<br />

Instruktionen können auf unterschiedlichem Niveau erfolgen und müssen im Laufe des Betreuungs- und För-<br />

<strong>der</strong>prozesses individuell evaluiert und angepasst werden. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass In-<br />

struktionen immer personenabhängig sind und unterstützend zu den visuellen Hilfen eingesetzt werden. Ziel<br />

je<strong>der</strong> Strukturierung ist das selbständige, personenunabhängige Zurechtinden und Handeln.<br />

Für die meisten Menschen mit <strong>Autismus</strong> sind Zeiten wie Freizeit, Pausen, Ferien und Wartesituationen<br />

sehr schwierig, weil es diesen Zeiten in <strong>der</strong> Regel an Inhalt/Struktur fehlt.<br />

Hilfreiche Maßnahmen:<br />

Ausgewählte, einzelne Aktivitäten mit vorstrukturierenden klaren Informationen: Wo beinde ich mich? Wo<br />

halte ich mich auf? Was ist zu tun? Wie viel davon? Wann bin ich fertig? Was kommt danach? Häuig müssen<br />

Informationen auch dann noch zur Verfügung stehen, wenn <strong>der</strong>jenige, von dem sie stammen, nicht mehr an-<br />

wesend ist.<br />

5. Routinen als Strukturierungshilfen<br />

Handlungsroutinen<br />

Autistische Menschen sind häuig nicht in <strong>der</strong> Lage, Einzelhandlungen in einen größeren Sinneszusam-<br />

47


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

menhang einzubetten. Sie neigen dazu, eigene Routinen zu entwickeln und an ganz bestimmten Ab-<br />

läufen festzuhalten.<br />

Eine Hilfestellung bei <strong>der</strong> Verkettung verschiedener Handlungsschritte kann das Einüben einer entsprechen-<br />

den Routine sein. Im Gegensatz zu o. g. Strukturierungshilfen ist <strong>der</strong> Aufbau von Routinen eine nicht visuelle<br />

Maßnahme zur Strukturierung von Handlungsabläufen.<br />

Bsp.: Ein Jugendlicher, <strong>der</strong> als Landschaftsgärtner Außenanlagen bestellte, wurde z. B. vor Beginn einer Tätig-<br />

keit jeweils gefragt: „Was müssen wir mitnehmen?“ Daraufhin zählte er sämtliche Werkzeuge auf und konnte<br />

sie dann aus dem Schuppen holen. Ein an<strong>der</strong>es Beispiel wäre <strong>der</strong> Einsatz <strong>der</strong> „Fertig-Kiste“: Alles was fertig ist,<br />

kommt in die Kiste und wird nicht mehr herausgeholt. Kann visuell unterstützt werden.<br />

Zusammenfassend ergeben diese Strukturierungshilfen Möglichkeiten zum Aufbau konstruktiver Routinen,<br />

geben Sicherheit und erleichtern die Systematik des eigenen Handelns. Sie sind stets individuell zu gestalten<br />

und müssen fortlaufend auf ihre Angemessenheit überprüft sowie stets den neuen Bedingungen angepasst<br />

werden. Die Strukturierung ist nur in Verbindung mit Flexibilisierung sinnvoll. 85<br />

6. GESTALTUNG VON INDIVIDUELLEN<br />

HILFEARRANGEMENTS<br />

Die Vielfalt <strong>der</strong> Beeinträchtigungen und <strong>der</strong>en verschiedenste Ausmaße erfor<strong>der</strong>n konzeptionelle Handlungs-<br />

ansätze und Unterstützungsangebote <strong>der</strong> verschiedenen Rehabilitations- und Leistungsträger, mit den viel-<br />

fältigsten inhaltlichen Ausrichtungen.<br />

Aus den bereits erläuterten engen Zusammenhängen zwischen Ursache und Wirkung sind schlussfolgernd<br />

die qualitativen und quantitativ erfor<strong>der</strong>lichen Leistungen <strong>der</strong> Rehabilitations- und Leistungsträger stärker als<br />

bisher inhaltlich auf diese Kriterien auszurichten. Durch die unterschiedlichen Handlungsansätze und Unter-<br />

stützungsangebote sind entsprechend <strong>der</strong> individuellen Bedarfslage die Hilfen passgerecht zu arrangieren. In<br />

<strong>der</strong> Regel sind lebenslange Unterstützungsangebote und Therapien in den verschiedensten Formen und Aus-<br />

maßen erfor<strong>der</strong>lich. Da die Gestaltung <strong>der</strong> Übergänge entscheidend auf die Lebensperspektive betroffener<br />

Menschen wirkt, ist das komplexe Zusammenwirken <strong>der</strong> am Prozess Beteiligten künftig wirksamer zu gestal-<br />

ten.<br />

85 Siehe Häußler, Strukturierung als Hilfe zum Verstehen und Handeln: Die För<strong>der</strong>ung von Menschen mit <strong>Autismus</strong> nach dem Vorbild des TEACCH-<br />

48<br />

Ansatzes. In ISSAAC: Unterstützte Kommunikation mit nicht sprechenden Menschen, Dortmund, Loeper-Verlag, 2000.


86 Www.sgb-ix-umsetzen.de/Praxiskommentar von Helmut Breitkopf zu § 30 SGB IX.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen erhalten Leistungen nach den für die Rehabilitationsträger geltenden Leis-<br />

tungsgesetzen. Nach den Bestimmungen des SGB IX sind die Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, die<br />

nach dem individuellen Bedarf des Leistungsberechtigten erfor<strong>der</strong>lichen Leistungen funktionsbezogen fest-<br />

zustellen, zu dokumentieren und ggf. Leistungen verschiedener Leistungsgruppen o<strong>der</strong> Rehabilitationsträger<br />

zu koordinieren. Die Träger <strong>der</strong> Sozialhilfe nutzen hier als Instrument den Gesamtplan nach § 58 SGB XII.<br />

In <strong>der</strong> medizinischen Rehabilitation und auch in <strong>der</strong> Plege werden verstärkt – als eine wirksame Form <strong>der</strong><br />

Qualitätsverbesserung aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Nutzerperspektive – Assessments eingesetzt. Dabei geht es insbeson-<br />

<strong>der</strong>e um das Erkennen von speziischen Störungen und positiven Ressourcen, an denen die Behandlung und<br />

Unterstützung des behin<strong>der</strong>ten Menschen ansetzt und <strong>der</strong>en Wirksamkeit fortlaufend evaluiert und ggf. an-<br />

gepasst werden muss.<br />

Aus dieser Sichtweise heraus wurde durch Mitarbeitende des Kooperationsverbundes <strong>Autismus</strong> ein autismus-<br />

speziischen Assessment entwickelt, das praxisorientiert eine Ergänzung zum Erstellen eines Gesamtplanes<br />

nach § 58 SGB XII darstellt. Dieses Instrument wurde bereits bei den Kooperationspartnern eingesetzt, einigen<br />

Leistungsträgern vorgestellt und beindet sich <strong>der</strong>zeit in einer redaktionellen Überarbeitung. Es wird dann<br />

nach weiteren Abstimmungen mit den Leistungsträgern <strong>der</strong> Öffentlichkeit vorgestellt.<br />

6.1 FRÜHFÖRDERUNG<br />

Als Frühför<strong>der</strong>ung bezeichnet man frühe Hilfen in Form eines abgestimmten interdisziplinären Systems ärztli-<br />

cher, medizinisch-therapeutischer, psychologischer, heilpädagogischer und sozialpädagogischer Leistungen<br />

für behin<strong>der</strong>te o<strong>der</strong> von Behin<strong>der</strong>ung bedrohte Kin<strong>der</strong> in den ersten Lebensjahren (Vorschulalter). Die Rechts-<br />

ansprüche sind im SGB XII, SGB VIII und SGB V festgeschrieben und werden vor allem in den Sozialpädiatri-<br />

schen Zentren (SPZ) und Frühför<strong>der</strong>stellen erbracht. Beide Einrichtungen stehen nicht in Konkurrenz<br />

zueinan<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n ergänzen sich. 86<br />

För<strong>der</strong>- und Beratungsstellen für Menschen mit <strong>Autismus</strong> (auch <strong>Autismus</strong>ambulanzen) leisten diagnostische<br />

Einschätzungen, richten ihren Fokus auf die interdisziplinäre, autismusspeziische För<strong>der</strong>ung, stellen Kontakte<br />

zu diagnostizierenden Ärzten her und kooperieren eng mit an<strong>der</strong>en sozialen Einrichtungen. In Abstimmung<br />

mit an<strong>der</strong>en Frühför<strong>der</strong>einrichtungen werden Absprachen für die Zusammenarbeit getroffen. Kin<strong>der</strong> mit au-<br />

tismusspeziischem För<strong>der</strong>bedarf sollten von den Fachleuten geför<strong>der</strong>t werden, die die autismusspeziischen<br />

Methoden kennen und Erfahrung im Umgang mit speziischen Verhaltensweisen haben. In <strong>der</strong> Zusammenar-<br />

beit wird darauf geachtet, dass durch eine möglichst nahtlose Übergabe zwischen den allgemeinen Frühför-<br />

<strong>der</strong>stellen und den autismusspeziischen För<strong>der</strong>stellen lange Wartezeiten vermieden werden, in denen das<br />

Kind nicht geför<strong>der</strong>t wird.<br />

49


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Die Kin<strong>der</strong> werden in verschiedenen Entwicklungs-, Kompetenz- und Verhaltensbereichen unterstützt. Autis-<br />

tische Kin<strong>der</strong> haben vor allem Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Sinneswahrnehmung und Informationsverarbeitung. Sie<br />

haben individuell sehr unterschiedlich stark ausgeprägte Störungen <strong>der</strong> zentralen und sozialen Kohärenz.<br />

Diese zeigen sich in allen Lebensbereichen, vor allen in <strong>der</strong> Kommunikation und im Sozialverhalten. Diese ver-<br />

än<strong>der</strong>ten speziischen Prozesse wirken auf den Entwicklungsprozess <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, sich mit <strong>der</strong> Lebenswelt aus-<br />

einan<strong>der</strong>zusetzen, zu lernen und zu handeln. Entsprechend dem Individuum und seinem Lebensumfeld<br />

werden verschiedene Methoden zu einem multimodalen Therapieprogramm integriert.<br />

Diese spezialisierten und standardisierten Therapieansätze beziehen sich vor allem auf die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Kommunikation, <strong>der</strong> sozialen und interaktiven Kompetenz und Wahrnehmung.<br />

Die Frühför<strong>der</strong>ung gilt als wirkungsvollste För<strong>der</strong>ung. Je früher und intensiver eine gezielte För<strong>der</strong>ung ein-<br />

setzt, desto größer sind erfahrungsgemäß die Erfolge.<br />

Die Frühför<strong>der</strong>ung soll in die nachfolgende schulische För<strong>der</strong>ung münden und dort individuell und intensiv<br />

fortgeführt werden. Klar strukturierte Lernsituationen ermöglichen Erfolge in kleinsten Schritten. Ziel ist es,<br />

dass Kin<strong>der</strong> mit <strong>Autismus</strong> lernen, ihre persönliche und dingliche Umwelt sowie die sozialen Bezugssysteme zu<br />

strukturieren, zu kategorisieren sowie angemessenes Lern- und Arbeitsverhalten kontinuierlich aufzubauen.<br />

Eltern und Bezugspersonen werden befähigt, mit dem Kind angemessen umzugehen. Sie lernen u. a. die ein-<br />

zelnen För<strong>der</strong>maßnahmen präzise umzusetzen. 87<br />

Ist-Situation<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Ist-Situation ist bundesweit festzustellen, dass knapp 10 Jahre nach Inkrafttreten <strong>der</strong> verän-<br />

<strong>der</strong>ten bundesrechtlichen Regelungen eine konsequente Umsetzung <strong>der</strong> Frühför<strong>der</strong>ung als Komplexleistung<br />

noch immer nicht erfolgt ist. Bereits vor 6 Jahren wurde dieses in den gemeinsamen Presseerklärungen vom<br />

29. November 2004 und vom 12. April 2006 <strong>der</strong> Patientenbeauftragten, Helga Kühn-Mengel, und dem/<strong>der</strong> Be-<br />

hin<strong>der</strong>tenbeauftragten <strong>der</strong> Bundesregierung, Hermann Haack bzw. Karin Evers-Meyer, deutlich. Letztere hat<br />

bereits 2006 darauf verwiesen, dass die erfor<strong>der</strong>liche Verständigung <strong>der</strong> verschiedenen Leistungsträger bis-<br />

her als gescheitert angesehen wird, z. T. Leistungen sogar zurückgefahren werden. Auf die nur schwer aufzu-<br />

holende Benachteiligung in Schule, Beruf und <strong>der</strong> gesellschaftlichen Teilhabe und somit langfristig<br />

anfallenden höheren Kosten wurde ausdrücklich aufmerksam gemacht. 88<br />

87 Schor, Schweiggert, <strong>Autismus</strong>. Ein häuig verkanntes Problem, 2. Aulage, Auer Verlag GmbH, 2001.<br />

88 Www.behin<strong>der</strong>tenbeauftragte.de, In: Presseerklärungen Frühför<strong>der</strong>ung als Komplexleistung umsetzen (29.11.2004); Nicht zu Lasten <strong>der</strong> kleinen<br />

50<br />

Patienten sparen. Beauftragte for<strong>der</strong>n konsequente Umsetzung <strong>der</strong> Frühför<strong>der</strong>ung als Komplexleistung (12.4.2006).


89 Cordes, Frühe Verhaltenstherapie mit autistischen Kin<strong>der</strong>n, In: Schirmer (Hrsg.), Psychotherapie und <strong>Autismus</strong>, dgvt-Verlag 2006.<br />

90 Engel, H u.a., Datenerhebung zu den Leistungs- und Vergütungsstrukturen in <strong>der</strong> Frühför<strong>der</strong>ung behin<strong>der</strong>ter und von Behin<strong>der</strong>ung bedrohter Kin-<br />

<strong>der</strong>. Institut für Sozialforschung, ISG, Köln, 2008.<br />

91 Gemeinsame Stellungnahme zur Weiterentwicklung <strong>der</strong> Komplexleistung „Interdisziplinäre Frühför<strong>der</strong>ung“ vom 13.01.2009.<br />

92 Gemeinsames Rundschreiben BMAS/BMG an den GVG-Spitzenverband, Deutschen Städtebund und Deutschen Landkreistag vom 24.06.09.<br />

93 Vereinigung für interdisziplinäre Frühför<strong>der</strong>ung (ViFF) LV Berlin-Brandenburg e.V. Dominanz des Ökonomischen o<strong>der</strong> Primat des Fachlichen in <strong>der</strong><br />

interdisziplinären Frühför<strong>der</strong>ung, September 2010.<br />

94 Presseinformation des Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie Nr. 110/2010 vom 8. September 2010,12. Forum Frühför<strong>der</strong>ung.<br />

95 Presseinformation des Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie Nr. 089/2010 vom 28. Juni 2010.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Auch nach Cordes 89 ist Deutschland zurzeit von einer guten Versorgung autistischer Kleinkin<strong>der</strong> weit entfernt.<br />

Die autistischen Kin<strong>der</strong> werden zu spät erkannt, die angewandten Therapieverfahren für größere Kin<strong>der</strong>, Ju-<br />

gendliche und Erwachsene unterscheiden sich nicht in Intensität und Inhalt. Es fehlt an einer geregelten Kos-<br />

tenübernahme.<br />

Das im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom Institut für Sozialforschung und Gesell-<br />

schaftspolitik (ISG) 90 vorgelegte Gutachten zum Stand <strong>der</strong> Frühför<strong>der</strong>ung nach den Kriterien des SGB IX hat<br />

deutlich die bundesweit bestehenden erheblichen Deizite aufgezeigt. Sowohl die Wohlfahrtsverbände als<br />

auch die Fachverbände haben auf die vielfältigen Probleme bei <strong>der</strong> Umsetzung hingewiesen. 91<br />

Mit dem gemeinsamen Rundschreiben <strong>der</strong> Bundesministerien für Arbeit und Soziales (BMAS) und Gesundheit<br />

(BMG) 92 wurden die in <strong>der</strong> Frühför<strong>der</strong>ung belastenden, offenen Rechtsfragen und Unklarheiten eindeutig ge-<br />

klärt.<br />

Seit dem 01.07.2007 gibt es eine Rahmenvereinbarung für das Land Brandenburg, die die inhaltliche Umset-<br />

zung <strong>der</strong> Komplexleistung in Interdisziplinären Frühför<strong>der</strong>- und Beratungsstellen (IFFB) und SPZ sowie die<br />

Kostenteilung <strong>der</strong> Rehabilitationsträger regeln soll. Tatsächlich ist die praktische und konsequente Umset-<br />

zung <strong>der</strong> Komplexleistung und die damit verbundene Vergütung weiterhin in Brandenburg offen. Die mit <strong>der</strong><br />

Umsetzung verbundenen Schwierigkeiten werden u.a. in <strong>der</strong> Stellungnahme <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>vereinigung für inter-<br />

disziplinäre Frühför<strong>der</strong>ung Berlin-Brandenburg e.V. in Kooperation mit dem Interdisziplinären Frühför<strong>der</strong>bei-<br />

rat an <strong>der</strong> Überregionalen Arbeitsstelle Frühför<strong>der</strong>ung Brandenburg vom September 2010 aufgezeigt. 93<br />

Nach Baaske 94 „sei die Frühför<strong>der</strong>ung in Brandenburg gut, als Komplexleistung aber noch besser. Knapp die<br />

Hälfte aller behin<strong>der</strong>ten Kin<strong>der</strong> benötigt sowohl medizinisch-therapeutische als auch heilpädagogische Leistun-<br />

gen. Der Zugang zu dieser umfangreichen Hilfe müsse für Kin<strong>der</strong> und Eltern erleichtert werden.“<br />

In Brandenburg fanden im 2. und 3. Quartal lächendeckend Regionalkonferenzen zur Umsetzung <strong>der</strong> UN-<br />

Konvention über die Rechte behin<strong>der</strong>ter Menschen statt. Nach dem Willen <strong>der</strong> Landesregierung 95 stehe „die<br />

„Inklusion“ – die gleichberechtigte Beteiligung Behin<strong>der</strong>ter am gesellschaftlichen Leben – im Mittelpunkt.“<br />

51


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Nach Baaske 96 gehören behin<strong>der</strong>te Menschen „in die Mitte <strong>der</strong> Gesellschaft. Dazu gehört ein Platz in <strong>der</strong><br />

Regel-Kita, <strong>der</strong> Regelschule, <strong>der</strong> ,normalen’ Ausbildung und Berufswelt.“ Die landesweite Inklusionsdebatte<br />

lässt keinen Zweifel an dieser landespolitischen Zielstellung offen.<br />

Um so schwerer ist zu verstehen, warum das Thema Frühför<strong>der</strong>ung keinen stärkeren Fokus bekommt. Wie<br />

kann Inklusion angestrebt und geför<strong>der</strong>t werden, wenn bereits im frühen Entwicklungsalter benachteiligter<br />

Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Anspruch nach einer möglichst früh einsetzenden, individuellen För<strong>der</strong>ung des Kindes unzurei-<br />

chend umgesetzt ist?<br />

Bundesweit inden bei den medizinischen und berulichen Rehabilitationsträgern die Grundsätze des ICF<br />

Einzug. In <strong>der</strong> Rehabilitation benachteiligter Kin<strong>der</strong> wird <strong>der</strong> wissenschaftlich begründeten und weltweit an-<br />

erkannten Ausrichtung weiterhin unzureichende Beachtung geschenkt. Gerade im Lebenskontext von Klein-<br />

kin<strong>der</strong>n müssen die unmittelbaren Bezugspersonen und <strong>der</strong>en Lebenswelt im Vor<strong>der</strong>grund stehen. Diese<br />

müssen nicht nur intensiv in den För<strong>der</strong>prozess mit eingebunden werden, son<strong>der</strong>n darüber hinaus begleitend<br />

beraten und in (autismus-)speziische, sowie familiensystemische Themen eingeführt werden. Dieser Ansatz<br />

sichert den Transfer des Lernfortschrittes <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in ihr Lebensumfeld.<br />

Aufgrund fehlen<strong>der</strong> Erfahrungen und Kenntnisse in <strong>der</strong> differenzierten Diagnostik werden auch in Branden-<br />

burg Kin<strong>der</strong> und Jugendliche mit <strong>Autismus</strong> oft nicht o<strong>der</strong> viel zu spät diagnostiziert. In Folge setzt eine zielge-<br />

richtete adäquate För<strong>der</strong>ung häuig zu spät ein. In <strong>der</strong> Konsequenz sind bereits Verhaltens- und Kompe-<br />

tenzmuster manifest aufgebaut, die die Selbständigkeit und Lebensqualität sowie das gesamte familiäre Zu-<br />

sammenleben belasten o<strong>der</strong> gefährden. Man nimmt dadurch dem Kind die Möglichkeit, innerhalb bestimm-<br />

ter Entwicklungsfenster therapiegestützt die Erfahrung zu machen, die für seine spätere sozio-emotionale<br />

Entwicklung und kognitive Entwicklung maßgeblich ist. Es entstehen so grundsätzlich vermeidbare Sekun-<br />

därprobleme.<br />

Aus <strong>der</strong> Nutzerperspektive ist ein zügigeres Bewilligungsverfahren entsprechend den gesetzlichen Vorgaben<br />

wünschenswert. Des Weiteren ist kritisch anzumerken, dass Eltern bei <strong>der</strong> Beantragung von Einglie<strong>der</strong>ungs-<br />

hilfe nicht angemessen beraten werden. Oft werden Eltern zunächst an die Krankenkassen verwiesen, um<br />

eine mögliche Kostenübernahme zu beantragen. Die Konlikte zwischen den Leistungsträgern gehen bedau-<br />

erlicherweise zu Lasten <strong>der</strong> betroffenen Familien. Anzumerken ist hierbei, dass bei Antragstellung sowohl die<br />

Zuständigkeitsklärung gem. § 14 SGB IX als auch die Beratung und Unterstützung nach § 11 SGB XII Betroffe-<br />

ner <strong>der</strong>zeit noch unzureichend erfolgt.<br />

Im Land Brandenburg gibt es <strong>der</strong>zeit neben den drei Partnern des KVA einen Anbieter, <strong>der</strong> autismusspezii-<br />

sche Frühför<strong>der</strong>ung und För<strong>der</strong>ung von Menschen mit <strong>Autismus</strong> aller Altersklassen durchführt. Daneben gibt<br />

96 Ebenda.<br />

52


es viele Frühför<strong>der</strong>- und Beratungsstellen (FFB), die die Frühför<strong>der</strong>ung von Kin<strong>der</strong>n mit <strong>Autismus</strong> überneh-<br />

men, aber die i. d. R. nicht die entsprechenden Qualiikationen des vorgenannten Standards erfüllen.<br />

Prozess <strong>der</strong> Kontaktaufnahme und <strong>der</strong> autismusspeziischen (Früh-)För<strong>der</strong>ung<br />

Die Kontaktaufnahme geschieht zum einen durch Familien, die sich mit ihrem Anliegen direkt an den mögli-<br />

chen Anbieter wenden, o<strong>der</strong> zum an<strong>der</strong>en sind es auch ErzieherInnen aus Kin<strong>der</strong>tagesstätten, Kin<strong>der</strong>ärzte<br />

und Sozialleistungsträger sowie die verschiedensten Institutionen, die sich an die Leistungserbringer wenden<br />

mit <strong>der</strong> Bitte um Hilfestellung für einen Betroffenen mit entsprechendem Bedarf. Da sich die Ausprägung <strong>der</strong><br />

<strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung über Jahre entwickelt und die verschiedenen Merkmale allein unspeziisch sind,<br />

handelt es sich zunächst nur um eine Verdachtsdiagnose.<br />

Die Kosten für eine autismusspeziische Frühför<strong>der</strong>ung/För<strong>der</strong>ung werden <strong>der</strong>zeit von den zuständigen Sozi-<br />

alleistungsträgern (Jugendamt o<strong>der</strong> Sozialamt) übernommen. Dabei ist in Brandenburg festzustellen, dass<br />

zum Teil große Unterschiede in Bezug auf die Art <strong>der</strong> Leistung, den Umfang und die Dauer <strong>der</strong> Leistungsbe-<br />

willigungen zwischen den Landkreisen auftreten. Den betroffenen Familien ist aus fachlich-therapeutischer<br />

Sicht die differenzierte Handlungsweise <strong>der</strong> zuständigen Rehabilitationsträger nur schwer zu vermitteln. Pro-<br />

blematisch ist weiterhin die fehlende Anerkennung <strong>der</strong> autismusspeziischen Beratung durch die Rehabilitati-<br />

onsträger als Bestandteil <strong>der</strong> Maßnahme <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe. In <strong>der</strong> Folge wird diese nicht bewilligt, d.h.<br />

auch nicht inanziert. 97 Die Kosten für längerfristige, begleitende Beratung werden <strong>der</strong>zeitig nur von den Fa-<br />

milien, die es sich leisten können, selbst übernommen.<br />

Die För<strong>der</strong>ung sowie die Beratung und Anleitung von Eltern, Fachkräften und Lehrern werden – sowohl in<br />

den Räumen des Leistungserbringers, als auch in <strong>der</strong> Häuslichkeit o<strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en betreuenden Einrichtun-<br />

gen, z. B. Kin<strong>der</strong>tagesstätten, Schulen, etc. – vor Ort angeboten.<br />

Wenn die Kostenübernahme geklärt ist, hospitiert die Fachkraft in <strong>der</strong> Familie und den betreuenden Einrich-<br />

tungen. Nach einer umfassenden Anamnese erfolgt die Eingangsdiagnostik. Dazu werden Instrumente einge-<br />

setzt, die speziell für die Erfassung des <strong>Autismus</strong> entwickelt worden sind. Diese Verfahren erheben gezielt das<br />

Entwicklungs- und Verhaltensproil von Kin<strong>der</strong>n mit <strong>Autismus</strong>. Sie verlangen vom Untersucher spezielles<br />

Fachwissen über <strong>Autismus</strong> und beson<strong>der</strong>e Erfahrung (siehe Punkt 3 Diagnostik ). Im Anschluss wird unter Be-<br />

rücksichtigung <strong>der</strong> Wünsche <strong>der</strong> Bezugspersonen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>plan erstellt.<br />

In <strong>der</strong> Frühför<strong>der</strong>ung/För<strong>der</strong>ung werden die Klienten in verschiedenen Entwicklungs-, Kompetenz- und Ver-<br />

haltensbereichen unterstützt. Entsprechend <strong>der</strong> individuellen Bedarfslage und des Lebensumfeldes werden<br />

verschiedene Methoden in ein multimodales Therapieprogramm integriert.<br />

97 Hinweis: <strong>Autismus</strong>speziische Erstberatung wird <strong>der</strong>zeitig vom Land Brandenburg unterstützt und im Oberlinhaus Potsdam kostenfrei für betrof-<br />

fene Familien, aber auch an<strong>der</strong>e interessierte Personen angeboten.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

53


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

In <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung ist es wichtig, die Kin<strong>der</strong>, Jugendlichen und Erwachsenen in ihrer Selbständigkeit, in ihren<br />

sozialen Interaktionen und in <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Freizeit zu unterstützen. Individuelle Interessen und Stärken<br />

werden in diesem Prozess berücksichtigt. Die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit eigenen Hemmnissen und Schwierig-<br />

keiten wird intensiv begleitet.<br />

„Fallbesprechungen“, Fallsupervisionen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Fachkräften<br />

begleiten diese Entwicklung. Vor Ablauf des Bewilligungszeitraums werden Entwicklungsberichte zur Be-<br />

schreibung des För<strong>der</strong>prozesses für den zuständigen Sozialleistungsträger erstellt. Die enge Zusammenarbeit<br />

<strong>der</strong> Therapeuten mit den Eltern/Sorgeberechtigten bzw. Betreuern ist dabei selbstverständlich, um den Ent-<br />

wicklungsfortschritt in den täglichen Lebensalltag zu übertragen und zu sichern und so Alltagskompetenzen<br />

zu stärken.<br />

Das „Potsdamer Elterntraining zur Frühför<strong>der</strong>ung autistischer Kin<strong>der</strong>“ (PEFA)<br />

Das „Potsdamer Elterntraining zur Frühför<strong>der</strong>ung autistischer Kin<strong>der</strong>“ (PEFA) richtet seinen Fokus auf die Un-<br />

terstützung und Anleitung <strong>der</strong> Eltern/Bezugspersonen im direkten Umfeld des Kindes. Dieses speziische El-<br />

terntraining wurde in den Jahren 2005-2008 vom Kompetenzzentrum für <strong>Autismus</strong> im Geschäftsbereich <strong>der</strong><br />

LebensWelten im Oberlinhaus in enger Kooperation mit <strong>der</strong> Überregionalen Arbeitsstelle Frühför<strong>der</strong>ung<br />

Brandenburg und dem Institut für <strong>Autismus</strong>forschung IFA in Bremen entwickelt. Finanziell wird es für drei<br />

Jahre von <strong>der</strong> Aktion Mensch unterstützt.<br />

Das Elterntraining ist konzeptionell an das Bremer Elterntraining (BET 98 ) angelehnt und bietet seit 2008 jähr-<br />

lich vier Familien die Möglichkeit des intensiven Coachings im eigenen familiären Haushalt. Konkret bedeutet<br />

dies nicht nur die För<strong>der</strong>ung des Kindes, son<strong>der</strong>n vielmehr die konkrete Anleitung <strong>der</strong> Eltern im Kontakt zu<br />

ihrem Kind. Eine qualiizierte Trainerin (unterstützt durch ein entsprechend geschultes Kotrainerteam) beglei-<br />

tet die Familie 2-3 Mal wöchentlich für mehrere Stunden vor Ort. Ziel ist es, dass die Eltern im Laufe des För-<br />

<strong>der</strong>jahres lernen, das Verhalten ihres Kindes zu relektieren und eigenverantwortlich För<strong>der</strong>schwerpunkte<br />

abzuleiten, individuelle Hilfen zu erstellen und im Alltag umzusetzen. Nach Ende des zweiten Projektjahres re-<br />

sümieren durchgängig alle Familien, dass die Teilnahme am Elterntraining für sie und ihr Kind ein außeror-<br />

dentlicher Erfolg war. Alle Kin<strong>der</strong> zeigten in allen Lernbereichen außergewöhnlich gute Lern- und<br />

Entwicklungs- fortschritte und konnten herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen stark minimieren o<strong>der</strong> abbauen.<br />

98 BET: Dieses Programm wurde 2002 von H. und R. Cordes konzipiert und 2003 erstmalig angewandt. Das BET ist „ein auf die deutsche Versorgungs-<br />

54<br />

situation abgestimmtes Konzept, das die erfolgreichen Elemente verhaltenstherapeutischer Frühför<strong>der</strong>programme umfasst, gleichzeitig aber mit<br />

möglichst wenig direkter Expertenanleitung arbeitet.“ Erste Ergebnisse zeigen, dass die von den Eltern und Co-Therapeuten durchgeführte Thera-<br />

pie zu guten Entwicklungsfortschritten führt. Als erschweren<strong>der</strong> Faktor wird die hohe Bereitschaft <strong>der</strong> Eltern zur Mitarbeit über einen langen Zeit-<br />

raum aufgeführt, die so zu einer wesentlichen Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lebenssituation <strong>der</strong> Familie führt. Gleichzeitig wird auf die durch die hohe Intensi-<br />

tät <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen wöchentlichen Therapiestunden hohen anfallenden Kosten hingewiesen.


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Zudem beschrieben alle Eltern, dass sich die familiäre Situation insgesamt sehr entspannt hat und die Familie<br />

dichter denn je zusammengefunden hätte.<br />

Ausblick und Perspektiven <strong>der</strong> speziischen Frühför<strong>der</strong>ung (PEFA)<br />

Das Oberlinhaus plant die Fortführung des Elterntrainings als Regelangebot ab Oktober 2011. Angedacht ist<br />

die Erweiterung des Personenkreis auf Kin<strong>der</strong> im Grundschulalter mit ASS. Zudem ist das Angebot des Inten-<br />

sivtrainings auch im schulischen Kontext – unter <strong>der</strong> Voraussetzung des engen Austauschs mit den Eltern und<br />

Lehrkräften des Kindes – angedacht.<br />

6.2 SCHULISCHE BILDUNG<br />

„Die inklusive Schule kommt!“ Nach Artikel 24 Absatz 1 <strong>der</strong> UN-Konvention für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

gibt es „das Recht von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integrati-<br />

ves [inklusives] Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen…“<br />

Zur Umsetzung dieses Artikels werden in jedem Bundesland Maßnahmen erarbeitet. Schlussfolgernd daraus<br />

werden das Brandenburgische Schulgesetz und die Verordnungen sowie Verwaltungsvorschriften überarbei-<br />

tet. Auch für Schülerinnen und Schüler mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen (ASS) bedeutet die Umsetzung <strong>der</strong><br />

UN-Konvention insbeson<strong>der</strong>e des Artikels 24 eine neue schulische Ausrichtung. Dazu zählen ein wohnortna-<br />

her Schulbesuch im allgemeinen Bildungssystem, volle und gleichberechtigte Teilhabe, das Gewährleisten<br />

notwendiger Unterstützungen für eine erfolgreiche Bildung sowie das Sicherstellen von Hilfen, die für den<br />

Einzelnen am besten geeignet sind.<br />

Gegenwärtiger Ausgangspunkt für Schülerinnen und Schüler mit ASS ist die noch gültige Empfehlung <strong>der</strong><br />

Kultusministerkonferenz 99 – demnach erfolgt die För<strong>der</strong>ung von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit ASS in unter-<br />

schiedlichen För<strong>der</strong>formen und unterschiedlichen För<strong>der</strong>orten, eigene Schulen sind nicht vorgesehen.<br />

Auch Brandenburg folgt dieser Empfehlung und somit besuchen Schüler mit ASS die Schule <strong>der</strong>en Bildungs-<br />

gang ihrem Leistungsvermögen entspricht. Die Verwaltungsvorschriften zur Son<strong>der</strong>pädagogikverordnung<br />

VV-SopV 9-§ 12 vom 02.08.2007 des Landes Brandenburg sagt dazu:<br />

„Schülerinnen und Schüler mit autistischem Verhalten können in allgemeinen Schulen im gemeinsamen Un-<br />

terricht o<strong>der</strong> in einer ihrem individuellen son<strong>der</strong>pädagogischen För<strong>der</strong>bedarf entsprechenden För<strong>der</strong>schule<br />

99 Empfehlungen zur Erziehung und zum Unterricht von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit autistischem Verhalten, Beschluss <strong>der</strong> Kultusministerkonfe-<br />

renz vom 16.06.2000.<br />

55


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

o<strong>der</strong> För<strong>der</strong>klasse unterrichtet werden. Es ist bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Schule darauf zu achten, dass diese Schüle-<br />

rinnen und Schüler eine Kontinuität <strong>der</strong> Bezugspersonen, eine feste Gruppenstruktur und eine klare Struktur<br />

des Tagesablaufs benötigen.“ (Abs. 3)<br />

Die Bildungsinhalte des festgelegten Bildungsgangs müssen unter Berücksichtigung des Entwicklungsstan-<br />

des und <strong>der</strong> Lernvoraussetzungen vermittelt werden. Für die Leistungsbewertung gelten die individuellen Re-<br />

gelungen des Nachteilsausgleichs gemäß Nummer 4 Abs. 2. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Einsatz technischer Hilfsmittel<br />

zur Überwindung von Einschränkungen in <strong>der</strong> Kommunikation ist hierbei einzubeziehen. (Abs. 4)<br />

Die Unterschiedlichkeit <strong>der</strong> Ausprägung <strong>der</strong> autistischen Verhaltensweisen erfor<strong>der</strong>t eine individuelle Aus-<br />

richtung <strong>der</strong> pädagogischen Maßnahmen. Erziehungsziele, unterrichtliche Inhalte und Methoden müssen an<br />

die Individualität und an die pädagogischen Bedürfnisse des einzelnen Kindes o<strong>der</strong> Jugendlichen anknüpfen.<br />

Beson<strong>der</strong>heiten beim schulischen Lernen von Schülerinnen und Schülern mit ASS:<br />

Schülerinnen und Schüler mit ASS lernen häuig nicht in den „zu erwartenden“ Lernwegen. Das heißt sie grei-<br />

fen nicht auf vermittelte Lernstrategien zurück, son<strong>der</strong>n bevorzugen eigene Lösungsstrategien. Sie sind dabei<br />

beson<strong>der</strong>es darauf angewiesen, dass sie eine mehr o<strong>der</strong> weniger stark vorbereitete Lernumgebung vorinden.<br />

Dazu gehört, dass Lernaufgaben o<strong>der</strong> die gefor<strong>der</strong>te Struktur <strong>der</strong> Aufgabenbearbeitung klar erkennbar sein<br />

und visuell unterstützt werden sollten.<br />

Bedingt durch die Filterschwäche vieler Menschen mit <strong>Autismus</strong> sind verbale Auffor<strong>der</strong>ungen und Anweisun-<br />

gen für diese Menschen schwer verständlich und werden teilweise nur zeitverzögert verarbeitet. Sie neigen<br />

häuig dazu, sich stark an Einzelereignissen o<strong>der</strong> Einzelobjekten zu orientieren und dadurch die Gesamtzu-<br />

sammenhänge und Regelwerke nicht zu erkennen. Es ist deshalb nötig, an<strong>der</strong>e speziische Hilfen anzubieten,<br />

um das Lernen zu unterstützen. Die hier beschriebenen Merkmale und Beson<strong>der</strong>heiten im schulischen Lernen<br />

von Schülerinnen und Schülern mit ASS sind nur ein kleiner Ausschnitt <strong>der</strong>er, die in <strong>der</strong> Unterrichtsgestaltung<br />

berücksichtigt werden müssen, damit ein Schulbesuch gelingt.<br />

Der beson<strong>der</strong>e pädagogische Handlungsbedarf ergibt sich vor allem in den Bereichen:<br />

- Erlernen sozial angemessener Verhaltensweisen, Gestalten von Beziehungen,<br />

- Aufbau von verbalen und nonverbalen Kommunikationsformen, z. B. mit Mitteln <strong>der</strong> unterstützenden<br />

Kommunikation, wenn möglich auch Aufbau schriftsprachlicher Kommunikation, z. B. durch gestützte<br />

Kommunikation,<br />

- Wecken und Unterstützen von sachorientiertem Neugierverhalten und Ausbildung angemessener Einwir-<br />

kungsformen auf die sächliche Umwelt,<br />

- willentliche Handlungsplanung, -steuerung und -durchführung, z. B. mit Hilfe des TEACCH-Ansatzes usw.<br />

56


100 Ergebnisse wurde von Prof. Dr. Rainer Trost vorgestellt im Rahmen <strong>der</strong> Tagung „Kin<strong>der</strong> und Jugendliche mit autistischem Verhalten. Neue Wege<br />

durch die Schule“, Bad Boll, 25. - 26. Januar 2010.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Ein umfangreiches Wissen über die möglichen Ausprägungen von <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen sind des-<br />

halb unbedingte Voraussetzungen für die beteiligten Lehrkräfte. Diese beziehen sich beson<strong>der</strong>s auf die Berei-<br />

che: Wahrnehmung, Verarbeitung und Erleben, Kommunikation, Sprache und Wissen.<br />

Ist- Situation von Schülern mit ASS<br />

In Baden Württemberg wurden erste umfassende Untersuchungen zur vermuteten Anzahl von Schülerinnen<br />

und Schülern mit ASS durchgeführt. In einem Forschungsprojekt an <strong>der</strong> Pädagogischen Hochschule Ludwigs-<br />

burg/Reutlingen (Prof. Dr. R. Trost) 100 wurde deutlich, dass die Vielfalt <strong>der</strong> Erscheinungsformen von <strong>Autismus</strong>-<br />

Spektrum-Störungen, die zunehmende Anzahl <strong>der</strong> betroffenen Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen und die oftmals von<br />

Eltern, Lehrern und Betroffenen als unbefriedigend erlebte Beschulungssituation, eine große Herausforde-<br />

rung für alle Schulformen darstellt. Beson<strong>der</strong>s in angestrebten inklusiven Beschulungsformen muss den be-<br />

son<strong>der</strong>en Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern mit ASS Rechnung getragen werden. Angemessene<br />

Klassengrößen und räumliche Bedingungen, die Rückzugsräume umfassen, sind ebenso Voraussetzungen<br />

wie eine angemessene Personalausstattung und autismusspeziisch ausgebildetes schulisches Personal.<br />

Man kann zurzeit davon ausgehen, dass ca. 70 % aller Schülerinnen und Schüler mit ASS Schulen mit dem<br />

son<strong>der</strong>pädagogischen För<strong>der</strong>schwerpunkt geistige Entwicklung besuchen. Nach <strong>der</strong> jeweilig gültigen Ver-<br />

waltungsvorschrift erfolgt die Stundenzuweisung analog für an<strong>der</strong>e Schüler mit diesem För<strong>der</strong>schwerpunkt.<br />

Eine geson<strong>der</strong>te Stundenzuweisung für Schüler mit ASS gibt es in Brandenburg hier bisher nicht. Ein geringer<br />

Teil <strong>der</strong> Schüler mit ASS besucht Schulen mit dem son<strong>der</strong>pädagogischen För<strong>der</strong>schwerpunkt körperliche und<br />

motorische Entwicklung. Die übrigen Schülerinnen und Schüler werden in Schulen mit dem För<strong>der</strong>schwer-<br />

punkt Lernen o<strong>der</strong> sozial-emotionale Entwicklung und in allen übrigen allgemeinbildenden Schulen beschult.<br />

Als staatliches Beratungsangebot steht den Schulen mit autistischen Schülern ein Beratungslehrersystem zur<br />

Verfügung. Die Beratungslehrer sind den son<strong>der</strong>pädagogischen För<strong>der</strong>- und Beratungsstellen zugeordnet.<br />

Die personelle Ausstattung und die Ausgestaltung <strong>der</strong> Beratungsform sind in den einzelnen Schulamtsberei-<br />

chen unterschiedlich. Einhellig kann aber davon ausgegangen werden, dass <strong>der</strong>zeit das Unterstützungssys-<br />

tem nicht ausreichend ist. Somit sind viele Schulen im Schulalltag vor Ort auf sich selbst gestellt.<br />

Für die betroffenen Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen und ihre Eltern ist es häuig vom Zufall abhängig, ob sie eine<br />

Schule inden, die Erfahrungen mit Schülern mit ASS hat.<br />

So werden Schüler und Schülerinnen mit intensiveren Ausprägungen autistischer Verhaltensweisen immer<br />

noch teilweise hausbeschult o<strong>der</strong> mit reduzierter Schulzeit beschult. Für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche mit beson-<br />

57


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

<strong>der</strong>en Problemen im Sozial- und Kontaktverhalten ist gerade hier die weitere Lebensperspektive zu hinterfra-<br />

gen, wenn diese fast ausschließlich in Einzelsituationen realisiert wird und ihnen somit die Möglichkeit zum<br />

Erlernen entsprechen<strong>der</strong> Strategien innerhalb einer Gruppe genommen wird. Damit ist längerfristig eine so-<br />

ziale Einglie<strong>der</strong>ung in Frage gestellt.<br />

Bei einer zunehmenden Anzahl von Schülern mit ASS ist ein Umdenken in <strong>der</strong> Beschulung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Stark strukturierte Unterrichtskonzepte sind die Voraussetzung für eine angemessene und för<strong>der</strong>liche Beschu-<br />

lungssituation für Schüler mit ASS. Dabei ist <strong>der</strong> Wechsel von Klassen- und Einzelunterricht unumgänglich.<br />

Auch in solchen stabilen Schulstrukturen kann es immer wie<strong>der</strong> phasenweise zu Störungen <strong>der</strong> Beindlichkeit<br />

und wechselnden Entwicklungsverläufen mit ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten kommen. Diese gehö-<br />

ren zum Erscheinungsbild <strong>der</strong> <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung. In solchen Fällen ist eine auf den Schüler bezo-<br />

gene Vernetzung <strong>der</strong> Maßnahmeträger, <strong>der</strong> schulischen Hilfesysteme, <strong>der</strong> Lehrkräfte, <strong>der</strong> Eltern und ggf. <strong>der</strong><br />

betreuenden Wohneinrichtungen nötig. Diese lexiblen Hilfesysteme umfassen (zeitweise) Schulbegleitung<br />

o<strong>der</strong> befristeten Einzelunterricht o<strong>der</strong> auch einen Schulwechsel.<br />

Schulbegleitung<br />

Ziel einer Schulbegleitung ist beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Aufbau einer zusätzlichen Strukturierung, die dem Schüler mit<br />

ASS die Möglichkeit eröffnet, sich möglichst selbstständig im schulischen Umfeld zu orientieren und zu inte-<br />

grieren. Schulbegleitung kann bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit ASS nötig sein, um den Schulbesuch über-<br />

haupt zu realisieren. Dies hängt von <strong>der</strong> individuellen Situation des Schülers ab.<br />

Eine schulische Unterstützung kann sowohl durch sonstiges pädagogisches Personal gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2<br />

des Brandenburgischen Schulgesetzes (Unterrichtshelferinnen und Unterrichtshelfer) o<strong>der</strong> Schulhelfer/innen<br />

über das Jugendamt nach § 35a Abs. 3 SBG VIII o<strong>der</strong> über das Sozialamt nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII<br />

gewährleistet werden.<br />

Zu den Aufgabenfel<strong>der</strong>n eines/einer Schulbegleiters/Schulbegleiterin gehören:<br />

- Ermöglichung <strong>der</strong> Teilnahme am Schulbesuch und schulischen Aktivitäten<br />

- Individuelle Hilfen bei <strong>der</strong> Aneignung von Lerninhalten<br />

- Erweiterung <strong>der</strong> Sozialkompetenz<br />

- Individuelle Strukturierung des Schulalltags<br />

- Begleitung in Krisensituationen<br />

- Begleitung bei Auszeiten und in Pausen<br />

- Unterstützung bei <strong>der</strong> räumlichen Orientierung und im Schulhaus und im Außengelände<br />

58


101 U. a. Jacobs, Das Betriebspraktikum als wesentlicher Baustein des berufsvorbereitenden Unterrichts, In: autismus-Heft Nr. 58/04. Berger, Integrati-<br />

onszentrum für Menschen mit <strong>Autismus</strong>, MAut-München, In: autismus-Heft Nr. 57/04.<br />

102 Jacobs, Das Betriebspraktikum als wesentlicher Bestandteil des berufsvorbereitenden Unterrichts – Ein Teil zur Vorbereitung von Jugendlichen mit<br />

autistischen Lebenserschwernissen auf die Übergangsphase Schule/Arbeitsfeld In: autismus - Heft Oktober 58/04.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Voraussetzung für sinnvolle pädagogische Interventionen im Schulgeschehen ist aber eine Kenntnis autis-<br />

musspeziischer Beson<strong>der</strong>heiten. Schulbegleiter/innen müssen deshalb über entsprechende pädagogische<br />

Basisqualiikationen verfügen. Durch die <strong>der</strong>zeit begrenzte personelle Ausstattung <strong>der</strong> Schulen hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit ASS wird Schulbegleitung immer wie<strong>der</strong> nötig werden.<br />

6.2.1 ÜBERGANG INS BERUFSLEBEN<br />

Ein beson<strong>der</strong>es Augenmerk <strong>der</strong> schulischen Bildung muss dem Übergang in ein Berufsleben gelten. Eine um-<br />

fassende langfristige Vorbereitung auf ein Arbeitsleben und damit verbunden, die Einführung von strukturier-<br />

ten Arbeitsformen sind die Voraussetzung für einen gelungenen Übergang in eine beruliche Zukunft. In <strong>der</strong><br />

Fachliteratur wird immer wie<strong>der</strong> darauf hingewiesen, welche wichtige Rolle die Schule beim Übergang in ein<br />

Berufsleben spielt. 101 Lehrer, die mit den speziischen Stärken und Schwächen ihrer Schüler vertraut sind,<br />

müssen mit den zukünftigen Ausbil<strong>der</strong>n in enger Kooperation diesen Übergang vorbereiten.<br />

Abstimmungen über die Bedingungen des zukünftigen Arbeitsplatzes müssen langfristig vorbereitet und ge-<br />

plant werden. Berufspraktika und regelmäßige Besuche in <strong>der</strong> zukünftigen Arbeitsstelle gehören dazu. Ange-<br />

bahnte Arbeitsstrukturen wie Arbeiten nach TEACCH sollten dabei unbedingt weiter vermittelt werden. Nach<br />

Jacobs 102 hat ein großer Teil <strong>der</strong> Jugendlichen aufgrund fehlen<strong>der</strong> sozialer Kompetenzen bereits im 1. Ausbil-<br />

dungsjahr die Ausbildung abgebrochen. Insofern muss die Vermittlung sozialer Schlüsselqualiikationen ein<br />

wesentlicher Bestandteil schulischer Berufsvorbereitung sein.<br />

Denn schließlich sind nach Jacobs von <strong>der</strong> Wirtschaft gefor<strong>der</strong>te soziale Kompetenzen:<br />

- Leistungsbereitschaft<br />

- Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit<br />

- Kommunikationsfähigkeit<br />

- Kooperationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit<br />

- Gruppenfähigkeit<br />

- Belastbarkeit und Durchhaltevermögen<br />

- Flexibilität<br />

- Bereitschaft und Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme<br />

- Konliktfähigkeit<br />

- soziale Mobilität und Flexibilität i. S. <strong>der</strong> Bereitschaft zum Wechsel in an<strong>der</strong>e <strong>Arbeitsgruppe</strong>n ohne soziale<br />

Anpassungsprobleme<br />

59


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Nach den KMK-Empfehlungen ist eine enge Zusammenarbeit <strong>der</strong> Schule mit den Eltern, <strong>der</strong> Arbeitsverwal-<br />

tung, den Betrieben, den Werkstätten für Behin<strong>der</strong>te, den Kammern, den Fachdiensten zur berulichen Ein-<br />

glie<strong>der</strong>ung und an<strong>der</strong>en Einrichtungen, die sich <strong>der</strong> Aufgabe <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung dieser Personengruppe<br />

annehmen, erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Im Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Partner ist die Vorbereitung auf die Berufswelt Aufgabe <strong>der</strong><br />

Schule. Neben arbeitsweltbezogenen Fähigkeiten, wie Ausdauer, manuelle Geschicklichkeit hinsichtlich <strong>der</strong><br />

berulichen Tätigkeit, Aufgabenverständnis, ist beson<strong>der</strong>s die Ausbildung sozialer Fähigkeiten für die Schule<br />

eine absolute Notwendigkeit und zugleich eine große Herausfor<strong>der</strong>ung für alle Beteiligten. Die Ausbildung<br />

<strong>der</strong> o. g. berulichen Fähigkeiten gelingt häuig bei geschickter Ausnutzung und Einbindung von Spezialinte-<br />

ressen autistisch behin<strong>der</strong>ter Menschen relativ gut und ist auch teilweise sehr erfolgreich.<br />

Sehr schwierig gestaltet sich aber in <strong>der</strong> Regel die Ausbildung sozialer Fähigkeiten. An den meisten Arbeits-<br />

plätzen, auch in Werkstätten für behin<strong>der</strong>te Menschen (WfbM), ist soziale Integration und Flexibilität ge-<br />

fragt. 103 Ist es vielleicht in <strong>der</strong> Schule gelungen, ein tragfähiges Netz fester Strukturen zu knüpfen, muss ein<br />

Weg gesucht werden, Teile dieses Netzes an den zukünftigen Arbeitsplatz zu transferieren. Nur durch eine<br />

enge Zusammenarbeit zwischen Schule und zukünftigem Arbeitsplatz kann <strong>der</strong> Schritt in eine Arbeitswelt<br />

gelingen.<br />

Praktisch bedeutet das eine Unterrichtsgestaltung, die im geschützten Rahmen bekannte Strukturen, neue<br />

Fähigkeiten übt, zum Beispiel wechselnde soziale Gruppen, Tagesabläufe – die ein gewisses Maß an Flexibili-<br />

tät erfor<strong>der</strong>n – und regelmäßige Erkundung neuer Lebensräume, wie Kennenlernen von Arbeitsplätzen und<br />

Räumlichkeiten in <strong>der</strong> WfbM. Regelmäßige Kontakte erleichtern den Übergang. Dazu gehört auch eine lexi-<br />

ble Aufnahmeregelung. In <strong>der</strong> Regel liegen acht Wochen zwischen Schulentlassung und Aufnahme einer Ar-<br />

beit. Dieser Zeitraum ist für diesen speziellen Personenkreis zu lang. Angebahnte Strukturen und<br />

Unterstützungshilfen sind bis dahin in Vergessenheit geraten.<br />

103 Dalferth, Soziale Unterstützung bei <strong>der</strong> berulichen För<strong>der</strong>ung und Einglie<strong>der</strong>ung von jungen Menschen mit <strong>Autismus</strong>, In: Tagungsbericht<br />

60<br />

10. Bundestagung „<strong>Autismus</strong> und Gesellschaft“ vom 1. bis 3. März 2002 in Trier.


6.3 ARBEIT UND BESCHÄFTIGUNG<br />

Ist-Situation<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Einer Arbeit nachzugehen, ist für die weitere Selbständigkeits- und Persönlichkeitsentwicklung sowie die Le-<br />

bensqualität und das Selbstwertgefühl autistischer Menschen sehr bedeutsam.<br />

Nach Dalferth 104 sind <strong>der</strong>zeit ca. 65 % <strong>der</strong> speziellen Personengruppe in einer WfbM, 5 % auf dem allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt und 30 % ohne Arbeit. Er verweist auf Studien in den USA, wo 24 bzw. 35 % eine Berufstätigkeit<br />

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefunden haben.<br />

Auch in Brandenburg liegen bereits einige Erfahrungen diesbezüglich vor. Im Berufsbildungswerk im Oberlin-<br />

haus gGmbH in Potsdam wurden seit 1999 108 Teilnehmer/innen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung geför<strong>der</strong>t.<br />

Aktuell werden 41 Teilnhmer/innen in einem <strong>der</strong> 30 Berufe in den Bereichen Wirtschaft und Verwaltung, Er-<br />

nährung/Hauswirtschaft, Metall-, Holz-, Druck- sowie Orthopädietechnik ausgebildet und 14 junge Menschen<br />

mit ASS nehmen an einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teil. Um diesem speziellen Störungsbild<br />

gerecht zu werden, wurde im BBW ein Konzept mit beson<strong>der</strong>en Angeboten entwickelt und so auf die indivi-<br />

duellen Bedürfnisse dieser Rehabilitanden reagiert. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Konzeptes ist die be-<br />

ziehungsorientierte Begleitung durch einen Coach. Mittlerweile unterstützen seit dem Ausbildungsjahr<br />

2005/06 zehn Coaches die jungen Menschen mit <strong>Autismus</strong> im BBW. Außerdem werden die Rehabilitanden<br />

mit ASS in ihrer Persönlichkeitsentwicklung durch psychologische Beratung, SOKO-Gruppen und beson<strong>der</strong>e<br />

heilpädagogische För<strong>der</strong>ung begleitet.<br />

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Gesamtheit <strong>der</strong> Gestaltung und individuellen Begleitung <strong>der</strong><br />

praktisch-berulichen, schulisch-berulichen Ausbildung und des Wohnens bei Menschen mit <strong>Autismus</strong> eine<br />

Einheit bilden muss und somit eine enge Zusammenarbeit <strong>der</strong> an diesem Prozess beteiligten Professionellen<br />

erfor<strong>der</strong>t. Insbeson<strong>der</strong>e musste festgestellt werden, dass Menschen mit <strong>Autismus</strong> gerade bei <strong>der</strong> Bewältigung<br />

<strong>der</strong> Pausen und Freizeiten erhebliche Probleme haben, die den Verlauf <strong>der</strong> Ausbildung wesentlich (negativ)<br />

beeinlussen können.<br />

Bisher konnten 23 Rehabilitanden ihre Ausbildung im BBW in Potsdam erfolgreich abschließen. Sieben junge<br />

Menschen konnten nach <strong>der</strong> Ausbildung eine Beschäftigung inden. Davon wurde bei drei Absolventen mit<br />

ASS <strong>der</strong> Übergang in ein Beschäftigungsverhältnis durch einen Coach begleitet. Ein junger Mann erhält diese<br />

Unterstützung an seinem Arbeitsplatz bereits seit zwei Jahren. Insgesamt jedoch zeigen die Erfahrungen <strong>der</strong><br />

letzten Jahre, dass bei vielen Absolventen mit ASS nach ihrer erfolgreichen Berufsausbildung die Suche nach<br />

104 Dalferth, Beruliche För<strong>der</strong>ung, erfolgreiche Beschäftigung und soziale Integration junger Menschen aus dem autistischen Spektrum; AUTISMUS<br />

Nr: 57/2004 sowie 11. Bundeskongress Leipzig vom 16. - 18.9.2005, Übergang ins Arbeitsleben, Hoffnungsvolle Ergebnisse eines Forschungspro-<br />

jektes (noch unveröffentlicht).<br />

61


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

einem geeigneten Arbeitsplatz trotz Begleitung durch den Integrationsdienst des BBWs, Unterstützung <strong>der</strong><br />

Eltern und <strong>der</strong> Agenturen für Arbeit schwierig ist. Zwar haben sich durch eine frühe professionelle Begleitung<br />

und eine störungsspeziisch angepasste schulische Bildung die individuellen Voraussetzungen für eine beruf-<br />

liche Einglie<strong>der</strong>ung autistischer Menschen in den zurückliegenden Jahren deutlich verbessert. Jedoch kommt<br />

diese positive Ausgangslage in <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Beschäftigungssituation noch nicht nachhaltig zum Tragen. In<br />

<strong>der</strong> Übergangsphase in die Erwerbstätigkeit sind darüber hinaus individuelle Unterstützungsangebote und<br />

Begleitung unbedingt erfor<strong>der</strong>lich. Auch <strong>der</strong> Wunsch nach Loslösung vom Elternhaus scheitert zum einen an<br />

den Unsicherheiten bei <strong>der</strong> Arbeitssuche bzw. mangeln<strong>der</strong> Arbeitsplatzsicherheit und zum an<strong>der</strong>en an <strong>der</strong><br />

mangelnden Unterstützung bei <strong>der</strong> Wohnungssuche und Hilfeleistungen im Wohnen.<br />

Aus <strong>der</strong> aktuellen Ausgangssituation heraus hat sich die <strong>Arbeitsgruppe</strong> u. a. auch die Aufgabe gestellt, die we-<br />

sentlichsten Gründe für ein Scheitern einer berulichen Rehabilitation zu hinterfragen. Zusammenfassend<br />

werden aus Veröffentlichungen und den vorhandenen Erfahrungen bei <strong>der</strong> langjährigen Begleitung <strong>der</strong> be-<br />

troffenen Menschen Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine beruliche Rehabilitation verbessert werden kann.<br />

Dabei wurden insbeson<strong>der</strong>e die Übergänge zur Erstausbildung als auch zur Beschäftigung hinterfragt. Der<br />

Großteil autistischer Jugendlicher und Erwachsener mit schwerer Intelligenzmin<strong>der</strong>ung wird nach Beendi-<br />

gung <strong>der</strong> Schulplicht im Rahmen <strong>der</strong> Tagesstrucktur im vollstationär betreuten Wohnen eingebunden o<strong>der</strong> in<br />

einer Werkstatt für behin<strong>der</strong>te Menschen beschäftigt. Ähnlich wie unter den Bedingungen des allgemeinen<br />

Arbeitsmarkts scheitern viele jugendliche und erwachsene Menschen mit <strong>Autismus</strong> beim Arbeiten auf dem<br />

freien Arbeitsmarkt o<strong>der</strong> in einer Werkstatt für behin<strong>der</strong>te Menschen, weil sie bestimmte Regeln des Zusam-<br />

menlebens und -arbeitens von Menschen nicht beherrschen und auch nicht erlernen können. Sie verhalten<br />

sich für die „Arbeitswelt“ zu unlexibel, können sich schwer anpassen o<strong>der</strong> verstehen nicht, was man von<br />

ihnen erwartet.<br />

6.3.1 VORAUSSETZUNGEN<br />

Voraussetzung ist die Bereitschaft aller am Arbeitsprozess Beteiligten, diese Menschen auf Dauer zu beschäfti-<br />

gen. Darüber hinaus sind die Rahmenbedingungen auf die speziischen Kriterien des „<strong>Autismus</strong>“ und die indi-<br />

viduellen Fähigkeiten des Einzelnen abzustimmen.<br />

Nach Dalferth 105 ist die erfolgreiche Einglie<strong>der</strong>ung von autistischen Menschen im hohen Maße abhängig von<br />

Art und Ausmaß <strong>der</strong> sozialen Unterstützung. Gleichzeitig ist die Qualität <strong>der</strong> sozialen Unterstützung davon<br />

abhängig, ob und inwieweit die Betreuer dieser Menschen selbst eine Vorbereitung auf diese Aufgabe und<br />

Begleitung erhalten. Beson<strong>der</strong>s sind Tätigkeiten geeignet, die kein zu großes Maß an Sozialkontakt, interper-<br />

sonaler Kommunikation, unvorhersehbaren Ereignissen und neuen Situationen beinhalten.<br />

105 Dalferth/Schopf, Der Übergang ins Arbeitsleben: Hoffnungsvolle Ergebnisse eines Forschungsprojektes, In: 11. Bundestagung zur För<strong>der</strong>ung von<br />

62<br />

Menschen mit <strong>Autismus</strong> 16. - 18. September in Leipzig (noch unveröffentlicht).


Da nach Dalferth 106 bei <strong>der</strong> berulichen För<strong>der</strong>ung autistischer Menschen standardpädagogische Methoden<br />

versagen, benötigt das mit <strong>der</strong> Begleitung autistischer Menschen beauftragte Personal durch gezielte Fortbil-<br />

dungsveranstaltungen speziische Kenntnisse über das autistische Syndrom und den speziellen Hilfebedarf.<br />

Eine intensive, längerfristige Vorbereitung auf die Berufsausbildung mit dem Ziel einer berulichen Rehabilita-<br />

tion ist wesentlich und muss folgende Inhalte berücksichtigen:<br />

- Soziale Integration und individuelle Unterstützung im geschützten, strukturierten Umfeld<br />

- Herausbildung <strong>der</strong> Berufsbildungsreife<br />

- Abklärung von individuellen Entwicklungspotenzialen durch gezielte, individuelle För<strong>der</strong>ung und beglei-<br />

tende Diagnostik<br />

- Erarbeiten einer Empfehlung zu weiteren berulichen Perspektiven (Bereiche) mit Herausarbeiten des Un-<br />

terstützungsrahmens. 107<br />

Unverzichtbar sind Maßnahmen, die auf die behin<strong>der</strong>ungsspeziische Anpassung <strong>der</strong> Ausbildungsrahmenbe-<br />

dingungen gerichtet sind:<br />

- Für jeden autistischen Jugendlichen/Erwachsenen wird ein individueller För<strong>der</strong>plan erstellt, <strong>der</strong> seine spe-<br />

ziischen Befähigungen und seine behin<strong>der</strong>ungsbedingten Erschwernisse berücksichtigt. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

sind die Kommunikations- und sozialen Interaktionsstörungen sowie Rückzugstendenzen zu beachten.<br />

- Die Koordination <strong>der</strong> rehabilitativen Hilfen muss in einen Gesamtunterstützungsrahmen eingebettet wer-<br />

den. Durch ein Kooperationsteam (Psychologe, Fachbetreuer für <strong>Autismus</strong>, Sozialarbeiter mit autismusspe-<br />

ziischen Kenntnissen etc.) werden die jeweiligen Mitarbeiter im Ausbildungsbereich vorbereitet, angelei-<br />

tet, begleitet und beraten. Darüber hinaus müssen weitere Kooperationsstränge mit den Eltern, externen<br />

Therapeuten und an<strong>der</strong>en beratenden Institutionen angebahnt und realisiert werden. Dabei muss eine<br />

hohe Transparenz zwischen allen Beteiligten sichergestellt werden.<br />

- Die Nachbereitung nach Abschluss <strong>der</strong> Berufs(erst)ausbildung muss verbessert werden. Über Case Ma-<br />

nagement/Arbeitsassistenz sind nachbereitende Integrationshilfen, wie Hilfe bei Bewerbung, bei Nach-<br />

frage und Ablösungswunsch vom Elternhaus, Unterstützung bei Suche nach Wohnraum/betreutem Woh-<br />

nen, erfor<strong>der</strong>lich.<br />

- Die Einbeziehung <strong>der</strong> Integrationsfachdienste in jedem Bundesland ist übergreifend erfor<strong>der</strong>lich. Nach<br />

Dalferth 108 ist – über das EQUAL-Projekt Berlin – eine speziische Qualiizierung 2006 vorgesehen.<br />

Im Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherheit wird zur Sicherstellung<br />

<strong>der</strong> Ausbildungsziele in <strong>der</strong> Erstausbildung im Berufsbildungswerk (BBW) Abensberg, die Aufstellung eines<br />

106 Siehe Anmerkung 54, ebenda, auch: autismus Heft Nr. 57/2004.<br />

107 Dalferth, Soziale Unterstützung bei <strong>der</strong> berulichen För<strong>der</strong>ung und Einglie<strong>der</strong>ung von Menschen mit <strong>Autismus</strong>, In: <strong>Autismus</strong> und Gesellschaft, 10.<br />

Bundestagung „Hilfe für das autistische Kind“ vom 01. - 03.03.2002 Trier.<br />

108 Dalferth/Schopf, Der Übergang ins Arbeitsleben: Hoffnungsvolle Ergebnisse eines Forschungsprojektes, In: 11. Bundestagung zur För<strong>der</strong>ung von<br />

Menschen mit <strong>Autismus</strong>, 16. - 18. September in Leipzig (noch unveröffentlicht).<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

63


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

diagnostischen Kriterienkatalogs (182 Kriterien) verwendet, in dem die individuellen Ressourcen und Fähig-<br />

keiten sowie die Deizite erfasst und über Assessments dargestellt werden. Der Schwerpunkt liegt im Bundes-<br />

modell in Kooperation mit drei weiteren BBW, insbeson<strong>der</strong>e im gezielten Sozialtraining und ganzheitlich<br />

ausgerichteten Ausbildungskonzept (Freizeit, Wohnen, Schule, sozial- und lebenspraktisches Training, Arbeits-<br />

unterstützung).<br />

6.3.2 SPEZIELLE ANFORDERUNGEN AN EINEN ARBEITSPLATZ<br />

Als Rahmenbedingungen werden insbeson<strong>der</strong>e für den Arbeits- bzw. Beschäftigungsbereich an <strong>der</strong> WfbM<br />

empfohlen:<br />

- kleine <strong>Arbeitsgruppe</strong>n (maximal 6 Teilnehmer), z. B.<br />

- reine Autistengruppe o<strong>der</strong><br />

- Mitglie<strong>der</strong> sind in <strong>der</strong> Mehrzahl nicht autistisch beeinträchtigt<br />

- ausgelagerte Arbeitsplätze einer WfbM, auch an einer Wohnstätte<br />

- Gewährleistung eines stabilen Betreuerbezugs<br />

- Vermeidung wechseln<strong>der</strong> Arbeitseinsätze sowie Mobilität zwischen verschiedenen Arbeitsorten wegen<br />

<strong>der</strong> extremen Anpassungsschwierigkeiten und Verän<strong>der</strong>ungshemmnisse<br />

- individuell geschütztes Arbeitsumfeld über Einzelarbeitsplatz mit Schutz vor einem Übermaß an Umge-<br />

bungsreizen<br />

- Erfor<strong>der</strong>nis eines Arbeitsplatzes mit Lärmschutz, Sichtblenden etc. wegen <strong>der</strong> hohen Empindlichkeit ge-<br />

genüber Geräuschen und <strong>der</strong> leichten Ablenkbarkeit<br />

- starke Individualisierung im Arbeitsbereich; lexible, auf den Bedarf des Einzelnen ausgerichtete Unterstüt-<br />

zungsformen zur Vermeidung sozialer Überfor<strong>der</strong>ung<br />

- Schaffen von strukturierenden Hilfen in <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> und im Umfeld<br />

- klare und eindeutige Arbeitsplatzunterweisung, kurze, nicht wortreiche Sätze, nicht in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

redend, da Lernprozesse so blockiert und Betroffene überfor<strong>der</strong>t sind<br />

Bei <strong>der</strong> Erstausbildung ist die Anpassung <strong>der</strong> Prüfungsmodalitäten, Vorbereitung <strong>der</strong> Abschlussprüfung i. V.<br />

m. Ausgleichsregelungen (Bereitstellung eines Laptops, schriftliche Fragen, Begleitung durch Vertrauensper-<br />

son) erfor<strong>der</strong>lich. 109<br />

Um Menschen mit Intelligenzmin<strong>der</strong>ungen bzw. <strong>Autismus</strong> in die Arbeitswelt auf Dauer zu integrieren, ist zu-<br />

nächst eine tägliche arbeitsbegleitende Unterstützung, beson<strong>der</strong>s auf sozialkommunikativer Ebene, erfor<strong>der</strong>-<br />

lich. Ein sogenanntes „On-Job-Coaching“, welches das Wie<strong>der</strong>holen von elementaren Regeln und Anweisun-<br />

gen sowie eine Beruhigung und Absicherung des Betroffenen zu Beginn jedes Arbeitstages beinhaltet, ist äu-<br />

ßerst hilfreich.<br />

109 Dalferth: Soziale Unterstützung bei <strong>der</strong> berulichen För<strong>der</strong>ung und Einglie<strong>der</strong>ung von Menschen mit <strong>Autismus</strong>, In: <strong>Autismus</strong> und Gesellschaft,<br />

64<br />

10. Bundestagung „Hilfe für das autistische Kind“ vom 01. - 03.03.2002 Trier.


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Das „Jobcoaching“ ist für einen jungen Menschen mit <strong>Autismus</strong> nicht zu unterschätzen. Dadurch erhält dieser<br />

einen Begleiter, <strong>der</strong> ihn in den Betrieb bzw. in die Werkstatt einführt, den Kontakt zu Mitarbeitern und Vorge-<br />

setzten herstellt und plegt, ihn in die einzelnen Schritte seiner Tätigkeit einführt und so verhin<strong>der</strong>t, dass er in<br />

interpersonale Konlikte gerät und die Orientierung auf das Wesentliche bei seiner Tätigkeit verliert. In <strong>der</strong><br />

Regel müssen die Betroffenen täglich instruiert werden, auch wenn sich die Tätigkeit nicht än<strong>der</strong>t. Die Mög-<br />

lichkeit eines On-Job-Coachings ist <strong>der</strong>zeit allerdings erst in sehr wenigen Fällen gegeben und sollte weiter<br />

ausgebaut werden.<br />

Grundsätzlich müssen Übergänge, Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Umgebung, im Tagesablauf und Bezugspersonen<br />

von allen am Prozess Beteiligten systematisch und zielstrebig vorbereitet, abgestimmt und umgesetzt wer-<br />

den. Der autistische Jugendliche o<strong>der</strong> Erwachsene muss stets die Möglichkeit erhalten, sich langsam an neue<br />

Personen in <strong>der</strong> Umgebung zu gewöhnen. Insofern sind bereits während <strong>der</strong> Schulausbildung vorbereitende<br />

und nach o. g. Gesichtspunkten strukturierte Berufspraktika durchzuführen. Grundsätzlich müssen spontane<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Umgebung und des Tagesablaufes vermieden werden.<br />

Bei beson<strong>der</strong>s schwer beeinträchtigten Menschen, die nach <strong>der</strong> Beendigung <strong>der</strong> schulischen Ausbildung Hil-<br />

fen in einer Tagesför<strong>der</strong>stätte erhalten, ist als erster Schritt immer <strong>der</strong> Schwerpunkt auf Vermittlung von le-<br />

benspraktischen Fähigkeiten und Handlungskompetenzen und den Beziehungsaufbau auszurichten, damit<br />

diese Menschen zunächst in die Gruppe im För<strong>der</strong>- und Beschäftigungsbereich integriert werden können.<br />

6.4 SPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN AN DAS WOHNEN<br />

Unterstützung im selbstständigen Wohnen benötigen die meisten Betroffenen lebenslang. Den intensivsten<br />

Unterstützungsbedarf benötigen Menschen mit niedrigem Entwicklungsniveau und i. d. R. schwersten Intelli-<br />

genzmin<strong>der</strong>ungen. Speziell auf die Personengruppe mit sehr hohem Unterstützungsbedarf sind die nachfol-<br />

genden Ausführungen ausgerichtet:<br />

Konzeptionelle Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

Generell ist bei <strong>der</strong> Gestaltung von Wohnangeboten für Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung darauf zu<br />

achten, dass diese auf die speziischen Beson<strong>der</strong>heiten Rücksicht nehmen und einen entsprechend angepass-<br />

ten Rahmen bieten. Hinzukommend müssen Wohnangebote die persönlichen (Alltags-) Kompetenzen <strong>der</strong><br />

Bewohner/innen aufgreifen und ein weitestgehend selbstbestimmtes Handeln gewährleisten. Grundsätzlich<br />

ist es auch Auftrag von speziischen Wohnformen, soziale Teilhabe, Teilhabe am Arbeitsleben sowie das Leben<br />

in <strong>der</strong> Gemeinschaft nach den individuellen Wünschen des Einzelnen zu unterstützen.<br />

Grundlage für ein erfolgreiches Arbeiten in Wohnbereichen ist ein klares, eindeutiges, fachliches Handlungs-<br />

konzept, welches sämtliche Mitarbeiter <strong>der</strong> Einrichtung kennen und leben. Die Umsetzung des Konzeptes<br />

65


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

muss von <strong>der</strong> Leitung kontinuierlich überprüft und ggf. angepasst werden. Des Weiteren wird von den Mitar-<br />

beitern erwartet, sich Wissen um die typischen Beson<strong>der</strong>heiten/Schwierigkeiten von Menschen mit <strong>Autismus</strong><br />

anzueignen. Eine ethische Grundhaltung zu entwickeln, die über die Akzeptanz <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heiten jedes ein-<br />

zelnen Bewohners/je<strong>der</strong> einzelnen Bewohnerin hinaus geht, ist gleichermaßen von Bedeutung. Dazu muss<br />

je<strong>der</strong> Mitarbeitende verstehen, dass ER seine EIGENEN Vorstellungen, Erwartungen und Ansprüche hinsicht-<br />

lich <strong>der</strong> konzeptionellen Inhalte, <strong>der</strong> Kommunikation und Interaktion untereinan<strong>der</strong>, etc. den Bedürfnissen<br />

und Wünschen <strong>der</strong> Bewohner/innen anpassen muss – nicht umgekehrt! Hinzukommend wird vom Personal<br />

gefor<strong>der</strong>t, sich regelmäßig im Hinblick auf die eigene Haltung, Arbeitsweise und Fachlichkeit zu überprüfen.<br />

Regelmäßige Einzel- und Teamsupervisionen sollten als unterstützende Maßnahme angeboten werden.<br />

Die individuellen För<strong>der</strong>- bzw. Hilfeplanungen müssen regelmäßig auf inhaltliche Richtigkeit und Aktualität<br />

überprüft und weiterentwickelt werden. Eine zuverlässige fachliche Unterstützung und interdisziplinäre Zu-<br />

sammenarbeit mit Fachärzten z.B. aus den Bereichen <strong>der</strong> Psychiatrie und Neurologie sollten vorhanden sein<br />

bzw. aufgebaut werden.<br />

Lage, Räumlichkeiten und Ausstattung<br />

Im Hinblick auf Artikel 19 <strong>der</strong> UN-Konvention für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, <strong>der</strong> besagt, dass je<strong>der</strong> Mensch<br />

die Wahl seiner Wohnform und seines Wohnortes treffen können soll, muss auch in diesem Zusammenhang<br />

auf die beson<strong>der</strong>en Bedarfe von Menschen mit <strong>Autismus</strong> Rücksicht genommen werden. Aktuell ist das Ange-<br />

bot speziischer Wohnformen weitaus kleiner als die Nachfrage. Individuell muss sowohl eine Orts- o<strong>der</strong><br />

Stadtnähe (z. B. Einkaufsmöglichkeiten, Verkehrsanbindung) im Hinblick auf die gewünschte Selbstbestim-<br />

mung, aber auch das Bedürfnis nach Ruhe und Überschaubarkeit von Menschen mit <strong>Autismus</strong> als Kriterium<br />

für die Bestimmung eines Standortes beachtet werden. Die einzelnen Bedarfe und Vorstellungen zur eigenen<br />

Wohnform sind individuell sehr unterschiedlich und häuig abhängig vom Grad <strong>der</strong> vorliegenden Beeinträch-<br />

tigung. Menschen mit <strong>Autismus</strong> benötigen häuig ein breites medizinisches, therapeutisches Betreuungs-<br />

und Versorgungsangebot (Krankenhaus, Arzt- bzw. Facharztpraxen), welches sich aus den bisherigen prakti-<br />

schen Erfahrungen im Flächenland Brandenburg, insbeson<strong>der</strong>e bei den über 18-Jährigen, sehr problematisch<br />

gestaltet und deshalb beachtet werden muss.<br />

Für eine Vielzahl von Menschen mit <strong>Autismus</strong> ist die Lage einer Wohneinrichtung in einem ruhigen und ländli-<br />

chen Umfeld empfehlenswert. Durch ein reizarmes und lächenmäßig großes Umfeld haben sich erfahrungs-<br />

gemäß herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen bei einzelnen Bewohnern/innen deutlich verringert. Bei Menschen<br />

mit <strong>Autismus</strong> ist immer wie<strong>der</strong> festzustellen, dass sie nicht selten mehr Zurückgezogenheit, Klarheit und<br />

Sicherheit benötigen, als an<strong>der</strong>e Menschen.<br />

Abhängig von <strong>der</strong> individuellen Persönlichkeit und Symptomatik stellt es hingegen auch ein hohes Maß an<br />

Lebensqualität dar, wenn sich das Wohnsetting in einem städtischen Umfeld mit einer Vielzahl an kulturellen<br />

Möglichkeiten, Bildung- und Freizeitangeboten beindet. Erfahrungsgemäß entwickeln viele Menschen mit<br />

66


<strong>Autismus</strong> auch beson<strong>der</strong>e Interessen an Aktivitäten, die in ländlicher Ebene nur mit enormem Aufwand zu er-<br />

möglichen sind (z.B. Besuch eines Einkaufscenters, Kino, Auslüge mit Bus und S-Bahn usw.). Des Weiteren ist<br />

bei <strong>der</strong> Standortwahl des Wohnangebotes auch die örtliche Nähe zu Angehörigen und weiteren Bezugsper-<br />

sonen zu berücksichtigen, so dass ein regelmäßiger Kontakt und Besuche sichergestellt werden können.<br />

Wohnformen, in denen Menschen mit <strong>Autismus</strong> mit beson<strong>der</strong>s ausgeprägten Anpassungs-, Selbst- und<br />

Fremdgefährdungsproblemen leben, sollten reizarm gestaltet und klar strukturiert sein. Die Balance zwischen<br />

reizarmer, klarer Gestaltung von Wohn- und Gemeinschaftsräumen und <strong>der</strong> Vermittlung eines gemütlichen,<br />

familiären Ambientes fällt dabei häuig sehr schwer. Das Raumangebot muss sowohl ausreichend Platz für<br />

Rückzugsmöglichkeiten, als auch großzügige Gemeinschaftslächen ausweisen, damit ausreichend Individua-<br />

lität, aber auch Gemeinschaftsleben ermöglicht werden kann.<br />

Durch den Einsatz von Strukturierungshilfen (z.B. farbliche Kodierung, Symbole) kann dem Bewohner i.d.R.<br />

eine bessere räumliche Orientierung ermöglicht werden. Selbiges sollte durch eindeutige Funktionszuweisun-<br />

gen von Räumen und Einrichtungsgegenständen unterstützt werden. Die Einrichtung und Gestaltung <strong>der</strong><br />

Wohnatmosphäre muss sich weitestgehend an den Präferenzen <strong>der</strong> einzelnen Bewohner ausrichten. Dabei ist<br />

auch <strong>der</strong> Schutz vor sensorischer Überfor<strong>der</strong>ung (z.B. durch Farben, Bil<strong>der</strong>, Halleffekte, Lärm) zu beachten.<br />

Der Privatbereich des Bewohners/<strong>der</strong> Bewohnerin stellt einen geschützten Bereich dar, in den man sich je<strong>der</strong>-<br />

zeit zurückziehen und Ruhe inden kann. Dieser Raum muss von <strong>der</strong> Einrichtung unbedingt als nicht öffent-<br />

lich akzeptiert und geschützt werden. Wegen <strong>der</strong> differierenden Geräuschempindlichkeiten, dem gestörten<br />

Schlaf-/Wachrhythmus, den vielfältigen Ordnungsprinzipien und Verhaltensweisen sind Einzelzimmer unbe-<br />

dingt erfor<strong>der</strong>lich. Des Weiteren ist es speziell bei Betroffenen mit komplexen Verhaltensauffälligkeiten häuig<br />

vorteilhaft, die Zimmer <strong>der</strong> einzelnen Bewohner eher spartanisch einzurichten, wobei die Einrichtungsgegen-<br />

stände eine hohe Stabilität besitzen müssen. Dieses ist wegen <strong>der</strong> Häuigkeit herausfor<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Verhaltens-<br />

weisen (z.B. Selbst- und Fremdverletzung) im beson<strong>der</strong>en Maße zur Gewährleistung <strong>der</strong> Sicherheit und<br />

Verringerung <strong>der</strong> Verletzungsgefahr an<strong>der</strong>er Anwesenden erfor<strong>der</strong>lich. Mitunter kann bei komplexen fremd-<br />

übergreifenden Verhaltensweisen des Betroffenen auch die Bereitstellung eines Time-out-Raumes als sinnvoll<br />

betrachtet werden, wobei die Nutzung des Raumes lediglich unter genauer Berücksichtigung <strong>der</strong> Gesetzes-<br />

lage erfolgen darf.<br />

In unstrukturierten Zeiträumen zeigen Menschen mit <strong>Autismus</strong> stereotyp sich wie<strong>der</strong>holende Handlungen<br />

und Verhaltensweisen, wovon sie sich häuig nur schwer lösen können. In diesem Bereich ist es wichtig, Frei-<br />

zeitaktivitäten und Eigenbeschäftigung zu planen und zu strukturieren.<br />

Eine kleine Gruppengröße wirkt sich meist positiv auf die Verhaltensweisen <strong>der</strong> Bewohner aus. Bisherige Er-<br />

fahrungen zeigen, dass sich Abstände und Intensität verschiedener Verhaltensauffälligkeiten, wie Zwänge,<br />

Schlafstörungen, Stereotypien und Inkontinenz wesentlich verringern, wenn die Rahmenbedingungen ent-<br />

sprechend gestaltet sind.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

67


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Dabei muss die Wohngruppe übersichtlich sein, damit sich anbahnende negative o<strong>der</strong> affektive Verhaltens-<br />

weisen besser kontrollieren bzw. schneller bewältigen lassen. Da Reize individuell ganz unterschiedlich irritie-<br />

ren und Unruhezustände hervorrufen können, muss dies in die Ausgestaltung mit einließen. Alle Räume sind<br />

so zu gestalten, dass für den Bewohner klar erkennbar ist, was von ihm erwartet wird. Insofern ist eine klare<br />

Trennung von Wohn-, Arbeits-, Beschäftigungs- und Freizeitbereich vorzunehmen.<br />

Für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche mit einer schweren autistischen Behin<strong>der</strong>ung gelten grundsätzlich die gleichen<br />

Rahmenbedingungen wie für erwachsene Menschen mit autistischer Behin<strong>der</strong>ung. Die Erfahrungen <strong>der</strong> letz-<br />

ten Jahre haben jedoch gezeigt, dass bei unzureichen<strong>der</strong> ambulanter Unterstützung <strong>der</strong> Familie und des Kin-<br />

des eine möglichst frühe Hilfe in einer stationären Betreuungsform sinnvoll sein kann. Durch eine frühe,<br />

intensive För<strong>der</strong>ung verringerte sich <strong>der</strong> Hilfebedarf in einer relativ kurzen Zeit. Kin<strong>der</strong> in einem jungen Alter<br />

zeigen häuig noch keine gefestigten Verhaltensmuster. Mit gut strukturierten pädagogisch-therapeutischen<br />

Programmen ist in <strong>der</strong> Regel in kurzer Zeit ein erheblicher Lernzuwachs zu erzielen.<br />

Voraussetzung für eine solch positive Entwicklung ist eine enge Zusammenarbeit mit Eltern, vorschulischer<br />

Einrichtung und Schule. Das heißt, mit Hilfe enger Absprachen werden die gleichen Programme in allen Le-<br />

bensbereichen durchgeführt. Gesammelte eigene Erfahrungen zeigen, dass bei Kin<strong>der</strong>n im jungen Alter<br />

durch den gezielten Aufbau von Kompetenzen in sämtlichen Lebensbereichen die Festigung echten Problem-<br />

verhaltens verhin<strong>der</strong>t werden kann.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen Schwerpunkte <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung und Beschäftigung bei erwachsenen und min-<br />

<strong>der</strong>jährigen Menschen mit <strong>Autismus</strong> ist ein altersdifferenziertes Wohnen im Einzelfall zu berücksichtigen.<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an das soziale Wohnsetting<br />

Übergeordnetes Ziel eines Wohnangebotes ist es, dass die sozialräumliche Lage des Wohnangebotes dem Be-<br />

wohner das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Daher ist nicht zuletzt bei Wohnangeboten, die mehr als einem<br />

Betroffenen Platz bieten, darauf zu achten, dass die verschiedenen Bewohner zueinan<strong>der</strong> passen. Es muss<br />

dem Bewohner innerhalb des Wohnstandortes je<strong>der</strong>zeit die Möglichkeit gegeben sein, soziale Kontakte<br />

knüpfen zu können und Interaktion nach <strong>der</strong>en Wünschen zu gestalten. Aufgabe des jeweiligen Wohnange-<br />

botes ist es, diese Kontaktaufnahmen im erfor<strong>der</strong>lichen Maße fachlich zu begleiten bzw. zu unterstützen.<br />

Dabei ist <strong>der</strong> Bewohner auch vor sozialer Überfor<strong>der</strong>ung zu schützen.<br />

Die meisten Menschen mit <strong>Autismus</strong> haben Schwierigkeiten, Freundschaften und Partnerschaften aufzu-<br />

bauen und zu führen, so dass sie durch ihre Bezugspersonen, Therapeuten, etc. darin unterstützt werden müs-<br />

sen. Viele Menschen wünschen sich jedoch Kontakt zu Gleichaltrigen, selbst o<strong>der</strong> auch nicht betroffenen<br />

Menschen. Für schwer geistig behin<strong>der</strong>te Menschen mit <strong>Autismus</strong> bleibt dieser Bereich häuig verschlossen,<br />

sodass unbefriedigte Wünsche, Vorstellungen, sexuelle Bedürfnisse bzw. das Verlangen nach partnerschaftli-<br />

cher Nähe zu Problemen führen können.<br />

68


Reaktionen, wie massive fremd- und eigengefährdende Verhaltensweisen o<strong>der</strong> auch sexuelle Übergriffe auf<br />

An<strong>der</strong>e sind dann oftmals die Folge. Des Weiteren tritt sehr häuig verstärkt Onanie (auch in <strong>der</strong> Öffentlich-<br />

keit) und auffälliges sexuelles Verhalten auf. Jede Person muss jedoch auch einen Raum haben, in dem sie ihre<br />

Sexualität ungestört ausleben darf. 110 Der Fokus <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung liegt dann häuig darin, ein für den Betroffe-<br />

nen verständliches Regelwerk hinsichtlich des Umgangs mit <strong>der</strong> eigenen Sexualität zu entwickeln.<br />

Umfeld<br />

Die eingeschränkte Fähigkeit von Menschen mit ASS, emotionale Reaktionen auf Personen o<strong>der</strong> Objekte mit<br />

an<strong>der</strong>en zu teilen, schränkt ihr Verständnis und ihre Erfahrungen mit sich selbst und an<strong>der</strong>en, mit sozialen Be-<br />

ziehungen in <strong>der</strong> Gesellschaft, in <strong>der</strong> sie leben, drastisch ein.<br />

Die Inklusion von Menschen mit <strong>Autismus</strong> setzt eine hohe Bereitschaft des Umfeldes voraus, sich auf ihre Be-<br />

son<strong>der</strong>heiten einzulassen und ihre Bedürfnisse, Wünsche und auch Grenzen zu akzeptieren. Erfahrungsge-<br />

mäß ist festzustellen, dass die Gesellschaft weniger Toleranz gegenüber erwachsenen Menschen mit Autis-<br />

mus bzw. dessen individuell unterschiedlichen – teilweise herausfor<strong>der</strong>nden Verhaltensweisen – zeigt. Die<br />

Gestaltung partnerschaftlicher Beziehungen stellt eine zusätzliche Belastung <strong>der</strong> Inklusion Jugendlicher und<br />

Erwachsener mit <strong>Autismus</strong> in die soziale Umwelt dar.<br />

Die aktive Öffentlichkeitsarbeit muss daher einen sehr hohen Stellenwert einnehmen, um so bestehende<br />

Hemmschwellen abzubauen und das erfor<strong>der</strong>liche Verständnis sowie Toleranz im gesellschaftlichen Umfeld<br />

für Menschen mit <strong>Autismus</strong> zu erreichen.<br />

Auch die Eltern und Angehörigen von Menschen mit <strong>Autismus</strong> bilden einen zentralen Stellenwert in <strong>der</strong> Ar-<br />

beit. Eine stabile Beziehung zu den Eltern/Angehörigen ist auch für Erwachsene mit <strong>Autismus</strong> teilweise wich-<br />

tiger als für An<strong>der</strong>e, die sich durch Freundschaft, Ehe etc. neue Bezüge verschaffen, die Menschen mit Behin-<br />

<strong>der</strong>ung oft verschlossen bleiben. Die Zusammenarbeit zwischen Angehörigen und den unterstützenden<br />

Diensten erfolgt in festen Strukturen und ist von gegenseitigem Respekt, partnerschaftlicher Kooperation<br />

und von hoher Transparenz geprägt.<br />

Aktuell werden die „Leitlinien für Wohnstätten für Menschen mit <strong>Autismus</strong>“ 111 vom Herausgeber, dem<br />

Bundesverband <strong>Autismus</strong> Deutschland e.V. überarbeitet, <strong>der</strong> aktuellen Gesetzgebung und verän<strong>der</strong>-<br />

ten Standards angepasst.<br />

110 Siehe auch Matoni, „Michael hat DAS nicht und wird ES auch nicht haben!“ Ansichten, Einsichten und Schlussfolgerungen zum Thema Sexualität<br />

und <strong>Autismus</strong>, In: 11. Bundestagung des Bundesverbandes <strong>Autismus</strong> Deutschland e. V.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

111 Bundesverband Hilfe für das autistische Kind (2004): Leitlinien für die Arbeit in Wohnstätten für Menschen mit <strong>Autismus</strong>, Hamburg.<br />

69


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

6.5 ALTER UND BEHINDERUNG<br />

Über den Lebensabschnitt „Leben im Alter“ und die entsprechenden Lebensräume älterer Menschen mit au-<br />

tistischen Spektrumsstörungen sind bislang keine speziischen Forschungsergebnisse und Erfahrungen ver-<br />

fügbar. Von daher wird hier <strong>der</strong> Versuch unternommen, insbeson<strong>der</strong>e im Bezug auf Erkenntnisse <strong>der</strong> Sozialen<br />

Gerontologie, über Wechselbeziehungen zwischen Altern und Behin<strong>der</strong>ung auf zulässige Folgerungen für<br />

den Personenkreis <strong>der</strong> autistischen Menschen zu schließen.<br />

Einschlägige Fachveröffentlichungen wurden in Verbindung mit den praktischen Erfahrungen <strong>der</strong> Autorinnen<br />

bei <strong>der</strong> Begleitung autistischer Menschen zusammengetragen, um die Lebensqualität im zu erwartenden Al-<br />

terungsprozess <strong>der</strong> Menschen mit <strong>Autismus</strong> beeinlussen zu können. Die hier aufgestellten Thesen sollen<br />

nach Auffassung <strong>der</strong> Autorinnen dringend an eine erfor<strong>der</strong>liche Diskussion über fachliche Leitlinien und Emp-<br />

fehlungen für die Gestaltung von Lebensräumen für alt werdende autistische Menschen anstoßen.<br />

Der Dritte Altenbericht <strong>der</strong> Bundesregierung (BT - Drucksache 14/5130 vom 19.01.2001) zur Lage <strong>der</strong> älteren<br />

Generation, beschäftigt sich u. a. mit <strong>der</strong> Situation von älteren Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen.<br />

Behin<strong>der</strong>ungsunabhängig ist demnach grundsätzlich von folgenden Tendenzen des Alterns in <strong>der</strong> Gesell-<br />

schaft <strong>der</strong> Bundesrepublik auszugehen:<br />

Die demograische Entwicklung in <strong>der</strong> BRD zeigt deutlich, dass die Zahl <strong>der</strong> älteren Menschen künftig zuneh-<br />

men wird. Nach Tews hat die verän<strong>der</strong>te Altersrealität Folgen für die Altersbil<strong>der</strong> in unserer Gesellschaft hin-<br />

sichtlich:<br />

- Quantität (Zahl <strong>der</strong> Alten hat sich vom Anteil 3 - 10 % in den historischen Gesellschaften auf über ein Drit-<br />

tel erhöht)<br />

- Proportionen (Verringerung <strong>der</strong> Geburtenraten und Bevölkerungspyramide)<br />

- Ausweitung <strong>der</strong> Altersphase, Differenzierung des Alters (Ausweitung <strong>der</strong> Altersphase – frühere Berufsauf-<br />

gabe, Zunahme <strong>der</strong> Hochaltrigkeit)<br />

- Verjüngung und frühe Entberulichung des Alters<br />

- Feminisierung (Altersgesellschaft ist zu $ eine Frauengesellschaft; im höheren Alterzu ¾)<br />

- Singularisierung und Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Familienstrukturen (allein leben als Lebensstil)<br />

- Hochaltrigkeit (Anteil steigt).<br />

In <strong>der</strong> mit dem Anstieg <strong>der</strong> Personengruppe mit einem Alter über 60 Jahre verbundenen gesellschaftlichen<br />

Entwertung des Alters sieht Schuppener die beson<strong>der</strong>e Bedeutung.<br />

In Brandenburg ist darüber hinaus durch die regional unterschiedlichen demographischen Entwicklungs-<br />

trends und die selektive Abwan<strong>der</strong>ung jüngerer Bevölkerungsgruppen eine überdurchschnittliche Altersver-<br />

schiebung in den strukturschwachen, dünn besiedelten Gebieten zu erwarten. Die gerade in den ländlichen<br />

70


Regionen geringe Verfügbarkeit, Erreichbarkeit und Zugänglichkeit <strong>der</strong> infrastrukturellen Ausstattung beein-<br />

lusst die Wohnsituation älterer Menschen erheblich. 112<br />

Das Älterwerden ist ein biologischer, physiologischer, psychischer und sozialer Verän<strong>der</strong>ungsprozess:<br />

- biologisch = Gesundheitszustand, körperliche und geistige Leistungsfähigkeit<br />

- psychologisch = kognitive, emotionale Verän<strong>der</strong>ungen<br />

- soziologische = soziale Wirklichkeit, Werte, Normen, soziale Erwartungen von und gegenüber älte-<br />

112 Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen Brandenburg (Hrsg.), Sozialpolitik im Überblick 2003, Beiträge zur Sozial- und Gesund-<br />

heitsberichterstattung Nr. 3.<br />

113 Havemann, Stöppler, Altern mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung, Kohlhammer Verlag, 1. Aulage 2004.<br />

114 Beck, Soziale Integration von älteren Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, In: Fachtagung <strong>der</strong> Arbeiterwohlfahrt des Landes Brandenburg „Alt und behin-<br />

<strong>der</strong>t – Ende <strong>der</strong> Integration“ am 19.06.2001 in Potsdam.<br />

ren Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung; im gesellschaftlichen Kontext bedeutet dies<br />

die zweifache Stigmatisierung: a) durch soziale Abwertung wegen des Alter<br />

b) wegen <strong>der</strong> geistigen Behin<strong>der</strong>ung. 113<br />

Nach Beck 114 ist das Älterwerden stets ein dynamischer Prozess, <strong>der</strong> von Übergängen und Bewältigungsaufga-<br />

ben geprägt ist. Die Referentin weist darauf hin, dass sich soziale Unterstützung, psychologische und rehabili-<br />

tative Hilfen positiv auswirken, indem sie Abhängigkeit und Plegebedürftigkeit reduzieren. Benachteiligun-<br />

gen aus früheren Lebensphasen wirken verstärkt bis ins Alter.<br />

Deprivierte Lebenssituationen, Plegebedürftigkeit, psychische Erkrankungen im Alter sind nicht schicht- o<strong>der</strong><br />

geschlechtsneutral verteilt. Als behin<strong>der</strong>nde Umweltfaktoren für Altersprozesse benennt sie unter an<strong>der</strong>en:<br />

- eingeschränkte Rollenübernahme im Lebensverlauf und benachteiligte Lebensbedingungen<br />

- reduzierte soziale Bindungen und Vernachlässigung psychosozialer Bedürfnisse<br />

- dauerhafte Angewiesenheit auf Hilfen.<br />

In den Veröffentlichungen zur Qualitätssicherung in <strong>der</strong> Plege wird neben den sozialen Netzwerken, <strong>der</strong> al-<br />

tengerechten Infrastruktur immer wie<strong>der</strong> auf die beson<strong>der</strong>e Bedeutung <strong>der</strong> gesundheitlichen und plegeri-<br />

schen Versorgung in <strong>der</strong> Altenpolitik verwiesen. Nach Kölb-Keerl muss in Zukunft eine verbesserte<br />

Verzahnung <strong>der</strong> Leistungen über Versorgungsstufen hinaus und das Zusammenwirken <strong>der</strong> medizinischen mit<br />

den ambulanten, <strong>der</strong> akut-medizinischen mit den rehabilitiven Leistungen erreicht werden. Auch Bienstein<br />

richtet den Fokus auf die Entstehung von Netzwerken, die die Zusammenarbeit <strong>der</strong> Berufsgruppen in <strong>der</strong> Be-<br />

gleitung von behin<strong>der</strong>ten Menschen verbessert und im Wesentlichen die Art <strong>der</strong> Lebensgestaltung und Ver-<br />

lässlichkeit sichert. Nach Bradl ist die Vernetzung von Diensten und Einrichtungen umso wichtiger, je<br />

dezentraler bzw. individueller die Wohnformen für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung sind. Unter dezentralen Bedin-<br />

gungen ist die Wirkungsweise <strong>der</strong> Kooperation mit regionalen sozialen Angeboten und medizinischen Diens-<br />

ten beson<strong>der</strong>s relevant.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

71


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Nach Herschkowitz muss eine Optimierung des Alters erfolgen, die auf drei Prinzipien beruht: Vorbeugung,<br />

Aktivität und Integration. Das Verstehen <strong>der</strong> Alterungsvorgänge, das Wissen um die lebenslange Plastizität<br />

des Gehirns und die positive Lebenseinstellung sind dabei die entscheidenden Gesichtspunkte. Ausdrücklich<br />

wird hier auf ein stabiles soziales Netzwerk verwiesen. 115<br />

Zu den Beson<strong>der</strong>heiten, die <strong>der</strong> Altersprozess für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen mit sich bringt, kommt Schel-<br />

bert/Winter 116 zu folgenden hier relevanten Aussagen:<br />

Im Unterschied zu an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n gab es wegen <strong>der</strong> NS-Verbrechen „Euthanasie“ in Deutsch-<br />

land bisher keine normale demographische Entwicklung <strong>der</strong> überwiegend in Einrichtungen lebenden<br />

schwerstbehin<strong>der</strong>ten älteren Menschen. Neue Prognosen zeigen, dass sich die durchschnittliche Lebenser-<br />

wartung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen allmählich <strong>der</strong> <strong>der</strong> nicht behin<strong>der</strong>ten Menschen annähert. Inso-<br />

fern muss sich <strong>der</strong> Personenkreis <strong>der</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen mit <strong>der</strong> Stigmatisierung hinsichtlich ihrer<br />

Behin<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Alterung auseinan<strong>der</strong>setzen.<br />

Aus <strong>der</strong> Analyse von För<strong>der</strong>- und Rehabilitationskonzepten für ältere Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen werden<br />

im Dritten Bericht zur Lage <strong>der</strong> älteren Generation in <strong>der</strong> Bundesrepublik (2001) nachfolgende Grundaussa-<br />

gen gefolgert:<br />

1. Ältere Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung erwerben durch Training sensomotorische, alterspraktische<br />

und kognitive Fertigkeiten, die sich positiv auf die Kompetenzen auswirken.<br />

2. Menschen mit seelischen Behin<strong>der</strong>ungen sind wegen ihrer affektiven und emotionalen Störungen weni-<br />

ger belastungsfähig und unsicher im Kontaktverhalten.<br />

3. Ältere Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung, insbeson<strong>der</strong>e mit Down-Syndrom, zeigen eine höhere Präva-<br />

lenzrate <strong>der</strong> Alzheimer-Erkrankung und für Seh- und Hörstörungen. Dabei ist bei Menschen mit geistiger<br />

Behin<strong>der</strong>ung die frühe Erfassung und Differentialdiagnostik erschwert.<br />

Auch Beck 117 verweist darauf, dass <strong>der</strong> Alterungsprozess behin<strong>der</strong>ter Menschen grundsätzlich hinsichtlich des<br />

Verlaufs, <strong>der</strong> multifaktoriellen Beeinlussung und <strong>der</strong> individuellen Ausprägung, mit dem nicht behin<strong>der</strong>ter<br />

Menschen vergleichbar ist. Jedoch haben die Umweltfaktoren in diesem Prozess wegen <strong>der</strong> Benachteiligun-<br />

gen im Lebenslauf und vor dem Hintergrund erhöhter Desintegration für behin<strong>der</strong>te Menschen eine größere<br />

Bedeutung.<br />

115 Herschkowitz, Das vernetzte Gehirn, 2. korr. Aulage, Verlag Hans Hubera.<br />

116 Schelbert, Winter „Fachliche Leitlinien und Empfehlungen für Lebensräume älterer Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung“. In: Lebensräume älterer Men-<br />

schen mit Behin<strong>der</strong>ungen. Hessische Erfahrungen. Hrsg. Hessisches Sozialministerium, Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit Behin-<br />

<strong>der</strong>ung e. V., Lebenshilfe-Verlag Marburg 2001.<br />

117 Beck: Soziale Integration von älteren Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, In: Fachtagung <strong>der</strong> Arbeiterwohlfahrt des Landes Brandenburg „Alt und behin-<br />

72<br />

<strong>der</strong>t - Ende <strong>der</strong> Integration“am19.06.2001 in Potsdam.


Auf die ausführliche Auswertung <strong>der</strong> Fachliteratur über alterstypische Erkrankungen im Altern mit geistiger<br />

Behin<strong>der</strong>ung wird an dieser Stelle verzichtet und auf die diesbezüglichen Abhandlungen verwiesen. 118<br />

Kruse 119 verweist darauf, dass gerade Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung im beson<strong>der</strong>en Maße zur Erhaltung <strong>der</strong> kör-<br />

perlichen und seelisch-geistigen Aktivität angeregt werden müssen. Gerade bei diesem Personenkreis ist das<br />

Risiko des Verlusts ausgebildeter Funktionen und Fertigkeiten, erworbenen Wissens und entwickelter Kom-<br />

pensationsstrategien im Alter deutlich höher als bei Menschen ohne Behin<strong>der</strong>ung.<br />

Nach den Erkenntnissen <strong>der</strong> Hirnforschung 120 entwickelt sich das Gehirn in den Lebensabschnitten differen-<br />

ziert, aber lebenslang, auch im Alter (siehe auch Anlage 3). Nachteilig wirken sich jedoch die Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Synapsen aus, sodass die Übermittlungsgeschwindigkeit zwischen den Zellen abnimmt und<br />

damit das schnelle Erfassen von Informationen beeinträchtigt wird. Da um einige Nerven die Myelinschicht<br />

dünner wird, verlangsamt sich die Übertragungsgeschwindigkeit durch die Nervenbahnen. Diese Verlangsa-<br />

mung führt zu einer Verlangsamung von Reaktionen und Denkprozessen.<br />

Als wichtigste Erkenntnisse <strong>der</strong> letzten Jahre bezeichnet Herschkowitz 121 die Feststellung, dass Aktivität ein<br />

Leben lang zur Neubildung von Hirnstrukturen führen kann. Durch die Plastizität des Gehirns ist es möglich,<br />

die Hirnleistung durch Training zu verbessern und bei Abbau o<strong>der</strong> Schädigungen natürliche Korrekturpro-<br />

zesse einzuleiten. Darüber hinaus geht das normale Altern ohne Berücksichtigung des typischen krankhaften<br />

Alterns, insbeson<strong>der</strong>e auch mit psychologischen Verän<strong>der</strong>ungen, einher, wie Informationsverarbeitung, Ver-<br />

wertung von Erfahrungen, Erinnern, Vergessen, verän<strong>der</strong>tes Zeitgefühl des Alarm- und Stress-Systems und<br />

emotionale Beeinträchtigung.<br />

Die Erkenntnisse <strong>der</strong> Medizin, <strong>der</strong> Rehabilitations- und Plegeforschung zu Möglichkeiten <strong>der</strong> Kompetenzer-<br />

haltung und -för<strong>der</strong>ung im Alter deuten auf eine hohe Plastizität des Zentralnervensystems hin. Nach Kruse<br />

zeigt sich die neurophysiologische und physiologische Plastizität vor allem darin, dass positive Verän<strong>der</strong>un-<br />

gen möglich sind, womit auch ein heilerziehungsplegerisches Handlungsfeld in <strong>der</strong> Begleitung von Alte-<br />

rungsprozessen bei Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen umschrieben sein dürfte:<br />

118 Siehe u. a.: Hessisches Sozialministerium: Lebensräume älterer Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, Hessische Erfahrungen, Lebenshilfe Verlag Marburg<br />

2001. Fachtagung „Behin<strong>der</strong>te Menschen im Alter“ am 23. August 2000 Essen, Fachverband Behin<strong>der</strong>tenhilfe und Psychiatrie im Diakonischen<br />

Werk <strong>der</strong> EKiR, Symptome und Diagnostik <strong>der</strong> Alzheimer-Krankheit bei Menschen mit Down-Syndrom, Geistige Behin<strong>der</strong>ung 3/02. Assistenz und<br />

Plege im (eigenen) Heim, Fachtagung <strong>der</strong> Lebenswege gGmbH Berlin 26. April 2002. Haveman, Stöppler: „Altern mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung“, Kohl-<br />

hammer Verlag 2004. Theunissen: Altenbildung und Behin<strong>der</strong>ung. Klinkhardt Verlag 2002. Impulse 2006 Fachtag <strong>der</strong> Lebenshilfe Berlin „Geistig<br />

behin<strong>der</strong>t und plegebedürftig. Individuelle Hilfearrangements an <strong>der</strong> Schnittstelle von Einglie<strong>der</strong>ungshilfe und Plegeversicherung“ 29. März<br />

2006.<br />

119 Kruse, Selbstbestimmung und soziale Partizipation Kompetenzerhaltung und -för<strong>der</strong>ung. In: Fachtagung „Lebensräume älterer Menschen mit Be-<br />

hin<strong>der</strong>ung“ am 22.Oktober 1998 Frankfurt/Main.<br />

120 Herschkowitz, Das vernetzte Gehirn, 2. korr. Aulage, Verlag Hans Huber, 2002.<br />

121 Ebenda.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

73


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

- Steigerung <strong>der</strong> physiologischen Leistungskapazität und des Gleichgewichts durch sport- und bewegungs-<br />

122 Häusler-Srzepan, In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen (Hrsg.), Möglichkeiten und Grenzen einer selbständigen Lebensführung in<br />

74<br />

therapeutische Maßnahmen<br />

- Steigerung <strong>der</strong> Kompetenz <strong>der</strong> Sprache und des Sprechens durch logopädische Maßnahmen<br />

- Steigerung <strong>der</strong> alltagspraktischen Kompetenz durch selbständigkeitsorientierte, aktivierende Betreuung<br />

- Steigerung <strong>der</strong> Selbstständigkeit und Stärkung des Selbstwertgefühls durch verhaltenstherapeutisches<br />

Training<br />

- Verbesserung speziischer kognitiver Leistungen durch kognitives Training<br />

In <strong>der</strong> Arbeit mit Menschen mit <strong>Autismus</strong> müssen jedoch die enormen Schwierigkeiten im kognitiven und<br />

emotionalen Bereich Beachtung inden. So kann beispielsweise methodisch nur unter bestimmten Vorausset-<br />

zungen und unter Beachtung des Vorgenannten auf das Handlungskonzept <strong>der</strong> Basalen Stimulation zurück-<br />

gegriffen werden, das immer stärker in <strong>der</strong> Plege alter Menschen, aber auch in <strong>der</strong> Begleitung mehrfach<br />

behin<strong>der</strong>ter Menschen, erfolgreich angewandt wird.<br />

Nach Auffassung <strong>der</strong> Autorinnen ist es denkbar, dass für alt werdende Menschen mit <strong>Autismus</strong> (insbeson<strong>der</strong>e<br />

Asperger etc.), die bereits für Menschen mit psychischer o<strong>der</strong> geistiger Behin<strong>der</strong>ung proilierte Familienplege<br />

als eine Alternativwohnform in Erwägung gezogen werden kann. Denn in <strong>der</strong> Regel werden hier nicht mehr<br />

als zwei Personen in eine Gastfamilie integriert, sodass eine Anbindung analog bekannter Familienstrukturen<br />

möglich ist. Mo<strong>der</strong>ne Behin<strong>der</strong>tenarbeit ist geprägt durch die Kompetenzperspektive. Auch hier können Er-<br />

kenntnisse <strong>der</strong> Sozialen Gerontologie übernommen werden. Nach Häusler 122 ist <strong>der</strong> Mensch auf vielfältige<br />

Weise eingebunden in seine Umwelt.<br />

Die Kompetenz eines Menschen ist bestimmt von <strong>der</strong> Gesamtheit <strong>der</strong> Sozialisierungseinwirkungen im Laufe<br />

<strong>der</strong> Biograie sowie <strong>der</strong> Qualität des aktuellen sozialen Umfeldes. Es indet ein ständiger Wechselwirkungspro-<br />

zess zwischen dem Individuum und seinem sozialen Umfeld statt. Diese Prozesse sind geprägt durch Interak-<br />

tion und Kommunikation zwischen den Beteiligten. Sie inden somit auf <strong>der</strong> Beziehungsebene statt. Insofern<br />

ist das Zusammenwirken verschiedener Rahmenbedingungen und Personen verantwortlich für die Gestal-<br />

tung <strong>der</strong> Lebenswelt.<br />

Bei zurückgehen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> mangeln<strong>der</strong> Kompetenz können danach Umweltbedingungen, wie z. B. technische<br />

Hilfen o<strong>der</strong> soziale und emotionale Unterstützung zur Aufrechterhaltung einer selbstständigen Lebensfüh-<br />

rung, bedeutsam werden.<br />

Auf die enge Abhängigkeit von Selbstbestimmung behin<strong>der</strong>ter Menschen von den sozialen Bezugssystemen<br />

wird vielfältig in <strong>der</strong> Fachliteratur verwiesen. 123<br />

Einrichtungen: Integrierter Gesamtbericht zur gleichnamigen Untersuchung, Schriftenreihe des BMFSF, Bd. 147,1; 1. Aulage Kohlhammer 1998.<br />

123 Siehe auch Schuppener GB1/04; Waldschmidt, Selbstbestimmung als behin<strong>der</strong>tenpolitisches Paradigma, Perspektiven <strong>der</strong> Disability Studies,<br />

In: Das Parlament. Aus Politik und Zeitgeschichte, 17. Februar 2003 B8/2003.


Bisher indet in den Veröffentlichungen zur Altenarbeit die Gruppe <strong>der</strong> alt werdenden behin<strong>der</strong>ten Menschen<br />

wenig Beachtung. Der Prozess des Alterns unterscheidet sich bei Menschen mit o<strong>der</strong> ohne Behin<strong>der</strong>ung nicht<br />

wesentlich. Gleichstellung sowie die Sicherstellung <strong>der</strong> Teilhabe an <strong>der</strong> Gesellschaft machen die Erschließung<br />

von Synergieeffekten durch eine Verzahnung von Gesundheits-, Behin<strong>der</strong>ten- und Altenhilfe unverzichtbar.<br />

Auch für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung geht es um Beratung, Bildung, Unterstützung im Lebensalltag, Behinde-<br />

rungsbewältigung. Dabei sind die Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Menschen mit <strong>Autismus</strong> und geistiger Behin<strong>der</strong>ung zu<br />

berücksichtigen. Dazu gehört auch das Auftreten <strong>der</strong> (lebenslangen) chronischen Erkrankung „<strong>Autismus</strong>“.<br />

Gleichzeitig ist es nach Auffassung <strong>der</strong> Autorinnen nicht sinnvoll, den Fokus nur auf den Personenkreis <strong>der</strong><br />

absehbar alt werdenden autistischen Menschen zu richten. Sowohl bei den Menschen mit autistischen<br />

Spektrumsstörungen als auch bei denen mit Intelligenzmin<strong>der</strong>ungen liegt diese Behin<strong>der</strong>ung seit dem frü-<br />

hesten Kindesalter vor. Insofern darf <strong>der</strong> Einluss <strong>der</strong> persönlichen Zukunftsplanung, <strong>der</strong>en Erarbeitung<br />

und Relexion sowie lebenslange Verwirklichung im Kontext mit den sozialen Bezugssystemen auf den<br />

späteren Alterungsprozess nicht unterschätzt werden.<br />

Rehabilitation im Alter ist wie das Verständnis von Behin<strong>der</strong>ung i. S. <strong>der</strong> WHO im engen Maße mit den räumli-<br />

chen, sozialen und infrastrukturellen Umweltbedingungen verknüpft. Insofern sind die För<strong>der</strong>- und Rehabili-<br />

tationskonzepte als abgestimmte Netzwerke aller am Prozess Beteiligten lebenslang auf alle Lebensbereiche<br />

auszurichten. Dabei ist das Zusammenwirken <strong>der</strong> einzelnen Politikfel<strong>der</strong>, Rehabilitations- und Leistungsträger,<br />

Dienstleister etc. in den einzelnen Lebensbereichen, einschließlich <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Übergänge, bedeu-<br />

tend. Insofern werden bereits mit Beginn <strong>der</strong> Frühför<strong>der</strong>ung die Weichen für den späteren Lebensbereich<br />

Alter mit Behin<strong>der</strong>ung gestellt.<br />

6.6 FREIZEITGESTALTUNG<br />

Autistische Menschen zeigen beson<strong>der</strong>s Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Freizeitgestaltung. Darüber hinaus ist durch<br />

die Struktur des Flächenlandes Brandenburg die Schaffung von lexiblen und bedarfsgerechten Unterstüt-<br />

zungsangeboten in <strong>der</strong> notwendigen Angebotsvielfalt erschwert.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Unstrukturierte Zeiten in <strong>der</strong> Freizeit sind für diese Menschen oft die schwierigsten und stressigsten. Hier ist ein<br />

typisches Merkmal die mangelnde Flexibilität im Sozialverhalten und das häuig starre zwanghafte Festhalten an<br />

wenigen stereotypen Verhaltensmustern und Ritualen. Autistische Menschen verfallen leicht in dieses Verhalten,<br />

wenn sie keine Anregungen für die Freizeit bekommen. Sie haben nur wenig Möglichkeiten, „Eigeninitiative“ zu<br />

ergreifen und ihre arbeitsfreie Zeit sinnvoll und für sie selbst zufrieden stellend zu gestalten. Insofern können sie<br />

in <strong>der</strong> Freizeit nicht einfach sich selbst überlassen werden, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Freizeitbereich muss durch Angebote<br />

stetig begleitet und strukturiert werden. Dabei sind die Anfor<strong>der</strong>ungen an den Unterstützungsbedarf vielfältig,<br />

von hoher Flexibilität geprägt und bei Menschen mit hoher Intelligenzeinschränkung am höchsten.<br />

75


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Hier ist anzumerken, dass nach Aussagen <strong>der</strong> betroffenen Menschen und ihrer Angehörigen Leistungen <strong>der</strong><br />

Einglie<strong>der</strong>ungshilfen im Wesentlichen auf das Wohnen beschränkt sind und Freizeitaktivitäten ungenügend<br />

unterstützt werden. Insofern wird bemängelt, dass heranwachsende Kin<strong>der</strong> und Erwachsene im hohen Maße<br />

von <strong>der</strong> Hilfe <strong>der</strong> Eltern o<strong>der</strong> des familiären Umfeldes abhängig sind. Gerade in strukturschwachen Regionen<br />

führt dies zu einer nicht zu unterschätzenden, gegenseitigen hohen Abhängigkeit, die sich im familiären Um-<br />

feld unterschiedlich auswirkt. Häuig führen die fortlaufenden Einschränkungen in <strong>der</strong> eigenen Lebenssitua-<br />

tion zu zusätzlichen Belastungs- und Überlastungssituationen, die wie<strong>der</strong>um zu Konlikten auf <strong>der</strong> Bezie-<br />

hungsebene Betroffener führen.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e für Menschen mit schwerer Intelligenzbeeinträchtigung können Schwerpunkte in <strong>der</strong> Freizeit-<br />

gestaltung sein:<br />

- Weiterentwicklung bestehen<strong>der</strong> Interessen, z. B. Demontage technischer Geräte<br />

- Angebote zur Kompetenzerweiterung, z. B. Musizieren, Basteln, Sport, basale Angebote<br />

- Gruppenaktivitäten zur Erweiterung <strong>der</strong> sozialen Kompetenz, z. B. Wan<strong>der</strong>touren, Auslüge, Spaziergänge<br />

Hilfreich ist es, Programme im Freizeitbereich zu etablieren. Autistische Menschen haben große Probleme Ak-<br />

tivitäten gezielt zu planen und vorzubereiten. Urlaubsreisen können für schwerstbetroffene Bewohner oft<br />

nicht stattinden, da diese mit einer sehr hohen Stressbelastung verbunden sind. Es tritt häuig große Angst<br />

auf als Reaktion auf Unbekanntes. Diese Angst äußert sich u. a. darin, dass stark fremdaggressive Verhaltens-<br />

weisen auftreten. Die Teilhabe am sozialen Leben muss insbeson<strong>der</strong>e für die schwerstmehrfach betroffen<br />

Menschen unterstützt werden. Nur mit dieser Unterstützung ist es möglich, öffentliche Begegnungsstätten<br />

o<strong>der</strong> auch öffentliche Einrichtungen zu nutzen (Schwimmbä<strong>der</strong>, Kino, Bücherei usw.)<br />

Stets ist hier die positive Wirkung für soziale Lernbeziehungen zu sehen. Jedoch sind gerade die differenziert<br />

verlaufende Kommunikation und Verän<strong>der</strong>ungen im sozialen Lebensumfeld Auslöser von Konlikten, Krisen<br />

o<strong>der</strong> Verhaltensproblemen. Deshalb gestaltet sich, insbeson<strong>der</strong>e bei erwachsenen Menschen mit <strong>Autismus</strong><br />

und geistiger Behin<strong>der</strong>ung mit herausfor<strong>der</strong>nden Verhaltensweisen, dieses als ein äußerst schwieriger und<br />

sensibler Prozess, <strong>der</strong> ständig relektiert und angepasst werden muss.<br />

Im Freizeitbereich dienen folgende Elemente als Eckpfeiler zur Unterstützung:<br />

- die Schaffung von Möglichkeiten eine Auswahl zu treffen<br />

- eigenes Tempo<br />

- zeitlich planen zu können<br />

- Wie<strong>der</strong>holung/Regelmäßigkeit <strong>der</strong> Angebote und Abläufe<br />

- ausgewähltes und attraktives Angebot<br />

Nach eigenen praktisch gesammelten Erfahrungen ist anzumerken, dass Aktivitäten – auch die angenehmen<br />

und entspannenden – für Menschen mit <strong>Autismus</strong> und schwerer geistiger Behin<strong>der</strong>ung leicht zu viel werden<br />

können. Deshalb müssen Freizeitaktivitäten oft nur über eine kurze Zeitspanne angeboten werden, damit sie<br />

für die Betroffenen ein positives Erlebnis darstellen.<br />

76


6.7 BERATUNG/FAMILIÄRE ENTLASTUNG<br />

Derzeit erfolgt die Beratung, Unterstützung und Entlastung beson<strong>der</strong>s bei den Eltern, weniger bei den autisti-<br />

schen Jugendlichen und Erwachsenen. Die Beratung <strong>der</strong> Eltern auf emotionaler, praktischer und fachlicher<br />

Ebene ist wesentlich. Die autistischen Störungen beginnen i. d. R. früh, umfassen alle Lebensbereiche, sodass<br />

die betroffenen Familien stark gefor<strong>der</strong>t sind und somit die gesamte Familie belastet ist.<br />

Die Beratung <strong>der</strong> Eltern und an<strong>der</strong>er Angehörigen sowie <strong>der</strong> Hinweis auf Möglichkeiten <strong>der</strong> Selbsthilfe ist eine<br />

wesentliche Ressource. Bedingt durch die Struktur des Flächenlandes Brandenburg, gestaltet sich die kontinu-<br />

ierliche Unterstützung in <strong>der</strong> Selbsthilfebewegung innerhalb des Landesverbandes zur För<strong>der</strong>ung von Men-<br />

schen mit <strong>Autismus</strong> schwierig. Bei <strong>der</strong> alltäglichen Problembewältigung in <strong>der</strong> Familie kann jedoch gerade die<br />

Unterstützung innerhalb <strong>der</strong> Selbsthilfebewegung eine Basis für den Austausch zwischen Gleichbetroffenen<br />

zu speziischen Themen sein, die Betroffenen Kraft gibt und zur Stärkung <strong>der</strong> Selbsthilfe beiträgt. Insofern gilt<br />

es auch in strukturschwachen Regionen, Alternativen zu inden, damit betroffene Menschen wirkungsvoll Ent-<br />

lastung inden.<br />

In dem von 2003 - 2006 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützten Pro-<br />

jekt von Selbsthilfe und Familie zur stärkeren Verbindung von Selbsthilfe, Engagementför<strong>der</strong>ung und Famili-<br />

enför<strong>der</strong>ung werden durchaus Impulse für familienbezogene Entlastung deutlich.<br />

Viele Eltern machen sich wegen <strong>der</strong> autistischen Störung ihres Kindes schwere Vorwürfe und sehen ihre Ei-<br />

genverantwortung bei <strong>der</strong> Entstehung des Syndroms; Schuldzuschreibungen und Unverständnis durch die<br />

Umwelt verstärken o<strong>der</strong> bestätigen diesen Aspekt.<br />

Deshalb steht zu Beginn <strong>der</strong> Beratung <strong>der</strong> Eltern zunächst oft die „Entschuldung“ <strong>der</strong> Eltern, d. h. die Erklä-<br />

rung, dass Elternverhalten nicht an <strong>der</strong> Entstehung des auffälligen Verhaltens beteiligt ist, jedoch Elternverhal-<br />

ten deutlich Einluss auf die künftige Entwicklung des Kindes hat. Die Vermittlung von Informationen und<br />

Zusammenhängen über Symptomatik, Ursachen, Verlauf und auch Behandlungsmöglichkeiten ist maßgeb-<br />

lich für den weiteren Prozess. Es ist wichtig, die Eltern so früh wie möglich in die För<strong>der</strong>ung des Kindes einzu-<br />

beziehen und den Eltern (auch Geschwistern) Raum zugeben, dass sie lernen, mit emotionalen und<br />

praktischen Belastungen umzugehen. Eltern erlernen im Rahmen <strong>der</strong> Beratung Strategien und entwickeln<br />

Handlungsweisen für den Lebensalltag. Die bereits benannten Elternprogramme stärken die Eltern in ihren<br />

Fähigkeiten im Umgang mit den Kin<strong>der</strong>n und trainieren diese unter <strong>der</strong> Anleitung und Auswertung von Fach-<br />

leuten in Maßnahmen <strong>der</strong> lebenspraktischen För<strong>der</strong>ung im Alltag.<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Erschwert wird das Zusammenleben teilweise dadurch, dass Eltern schmerzhaft feststellen, dass sie keine<br />

o<strong>der</strong> nur z.T. ihren Vorstellungen entsprechende Beziehung zu ihrem Kind aufbauen können. Das Kind wendet<br />

sich kaum den Eltern zu, kommuniziert wenig, reagiert nicht o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s auf die liebevolle Zuwendung <strong>der</strong> El-<br />

tern. Für die Eltern ist es schwierig zu erkennen, welche Rolle sie für das Kind spielen. Eltern sind z. T. in ihrem<br />

Verhalten und auch ihren Gefühlen verunsichert und belastet. Auch Geschwister bedürfen <strong>der</strong> Hilfe, da sie<br />

77


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

aufgrund <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Bedeutung des autistischen Kindes im Familienverbund z.T. weniger im Mittelpunkt<br />

stehen o<strong>der</strong> auch die Familien als angespannt erleben.<br />

Zur Gestaltung des Alltags gehört für die Familien auch die Suche nach einem geeigneten Kin<strong>der</strong>gartenplatz,<br />

einer entsprechenden Schule, Beschäftigung, Entlastungsangeboten usw. Der Kontakt zu Einrichtungen, Behör-<br />

den, Ärzten kann für Eltern, aber auch im heranwachsenden Alter für Betroffene, sehr verwirrend, belastend und<br />

zermürbend sein; z. T. ist die Kontinuität <strong>der</strong> Unterstützungsleistungen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> medizinischen Rehabilitations-<br />

leistungen gefährdet. Auch durch den Bundesgesetzgeber wurde die Beratung, Unterstützung und Aktivierung<br />

<strong>der</strong> Leistungsberechtigten mit Einführung des SGB XII 124 durch den Rehabilitationsträger Sozialhilfe verstärkt.<br />

Familienentlastende Dienste bieten regional unterschiedliche Leistungen zur Entlastung dieser Familien an,<br />

so stundenweise Betreuung, Ferienbetreuung und auch Hilfe in Notsituationen (z. B. Erkrankung <strong>der</strong> Bezugs-<br />

person u. ä). Diese Angebote entlasten Familien mit einem autistischen Kind/-Jugendlichen und schaffen Frei-<br />

räume und Erholung.<br />

Die Gestaltung partnerschaftlicher Beziehungen stellt eine zusätzliche Belastung <strong>der</strong> Integration Heranwach-<br />

sen<strong>der</strong> und autistischer Erwachsener in die soziale Umwelt dar. Nach Herrathi 125 ist die angemessene sexuali-<br />

tätsbezogene Begleitung von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit <strong>Autismus</strong> durch vier Hauptprobleme erschwert:<br />

- das Fehlen von Empathie<br />

- die Direktheit <strong>der</strong> sexuellen Aktion ohne Rücksicht auf an<strong>der</strong>e<br />

- die Gefahr <strong>der</strong> (Selbst-)Verletzung<br />

- die Objektorientierung, Bevorzugung von Gegenständen – bei sexueller Aktivität.<br />

Insofern sind insbeson<strong>der</strong>e Eltern in <strong>der</strong> Zeit des Erwachsenwerdens doppelt belastet, zum einen durch die Zeit<br />

<strong>der</strong> Pubertät und zum an<strong>der</strong>en durch die Schwierigkeiten, Sexualität autismusspeziisch zu begleiten. Die Ge-<br />

staltung von Beziehungen hat für die weitere Entwicklung junger Menschen einen nicht zu unterschätzenden<br />

Einluss. Dieses Problemfeld wird bei <strong>der</strong> familiären Unterstützung und Beratung <strong>der</strong>zeit noch unterschätzt. 126<br />

Zurzeit gibt es wenige Angebote <strong>der</strong> speziischen kontinuierlichen Beratung für betroffene Erwachsene, die<br />

sich dieser Thematik und <strong>der</strong> Form möglicher Unterstützungsleistungen widmet. Derzeit indet die Beratung<br />

über Selbsthilfeverbände o<strong>der</strong> bei Bedarf über an<strong>der</strong>e Beratungsdienste statt. Tragfähige Unterstützungsan-<br />

gebote, die <strong>der</strong> eigenen Entlastung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> betroffenen Angehörigen dienen, sind wichtig bei <strong>der</strong> Bewälti-<br />

gung und Akzeptanz <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung verbundenen Probleme und verhin<strong>der</strong>n körperliche, seelische<br />

und soziale Überlastungen.<br />

124 Siehe § 11 SGB XII.<br />

125 Herrath, Sexualität und <strong>Autismus</strong> o<strong>der</strong>: Was behin<strong>der</strong>t Sexualität? www.isp-dortmund.de.<br />

126 Näheres über Sexualität und Partnerschaft in: Schirmer: <strong>Autismus</strong> in Berlin: Ein Handbuch und Ratgeber, S.180 - 190; Preißmann, Sympathie, Zu-<br />

78<br />

neigung, Liebe, Beziehung: Übergänge in ein neues <strong>Autismus</strong>zeitalter. In: 11. Bundestagung vom 16. - 18. September 2005 in Leipzig (Tagungsbe-<br />

richt Juli 2006).


6.8 ANFORDERUNGEN AN DEN UNTERSTÜTZER/MITARBEITER/ASSISTENTEN<br />

(NACHFOLGEND UNTERSTÜTZER GENANNT)<br />

Nach Beck 127 ist „<strong>der</strong> Einluss professioneller Arbeit umso bedeutsamer für die Lebensführung des Einzelnen,<br />

je angewiesener er auf Leistungen ist und je weniger er selbst seine Interessen durchsetzen kann. Analog zum<br />

Grad <strong>der</strong> Angewiesenheit wächst die soziale Verantwortung <strong>der</strong> Leistungserbringer für die Lebensführung<br />

und für die Verhin<strong>der</strong>ung von Gefährdungen durch unzureichende Qualität.“<br />

Die Kompetenz <strong>der</strong> Dienste bzw. <strong>der</strong> Unterstützer ist ein wesentlicher Einlussfaktor in <strong>der</strong> Ausgestaltung und<br />

Umsetzung des Lebensalltags und <strong>der</strong> Lebensperspektive von behin<strong>der</strong>ten Menschen.<br />

a) Anfor<strong>der</strong>ungen an Unterstützer<br />

Der Erfolg <strong>der</strong> Teilhabe von Kin<strong>der</strong>n, Jugendlichen und Erwachsenen mit <strong>Autismus</strong> setzt eine Begleitung vor-<br />

aus, die durch ein gut vorbereitetes und qualiiziertes Fachpersonal sicher gestellt wird. Insofern sind erfor<strong>der</strong>-<br />

lich:<br />

- spezielle, fundierte Kenntnisse und Methoden, Fähigkeiten zu einem guten Beziehungs- und Kommunika-<br />

tionsaufbau und zur Bewältigung <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Schwierigkeiten beim Problemlösen. Die Unterstützung<br />

muss auf den individuellen Bedarf ausgerichtet sein, dabei sind die menschlichen Beziehungen in den Si-<br />

tuationen <strong>der</strong> Hilfe von Respekt und Achtung geprägt.<br />

- persönliche Eignung, hohe Belastbarkeit, äußerste Flexibilität, beson<strong>der</strong>e Einfühlsamkeit, außerordentliche<br />

Kreativität, Fähigkeit/Wille zur Ausübung von Selbstrelexion, Einbringung von autismusspeziischem Wis-<br />

sen<br />

Unterstützer sollen:<br />

- im Sinne des „pädagogischen Bezugs“ handeln<br />

- in <strong>der</strong> Lage sein, Konliktsituationen nicht als Entwertung <strong>der</strong> eigenen Person zu interpretieren<br />

- in diesem Verhältnis authentisch und glaubwürdig sein<br />

- Verständnis und Sympathie für die Menschen mit <strong>Autismus</strong> einbringen<br />

- eine verlässliche Konstante im Leben <strong>der</strong> autistischen Menschen darstellen<br />

- in je<strong>der</strong> Lebenssituation einen verbal und körperlich gleichberechtigten Partner darstellen<br />

- sich auf schwierige, auffällige, abweichende sowie auf kritische Konliktsituationen einstellen können<br />

- körperliche und emotionale Konlikte aushalten können (Deeskalationsmethoden beherrschen)<br />

- ihr eigenes Handeln stetig relektieren<br />

- Bereitschaft zur Teamarbeit, zur Transparenz und Evaluation <strong>der</strong> Teamarbeit haben<br />

- Handlungsabläufe ritualisieren und fortwährend wie<strong>der</strong>holen<br />

- Bereitschaft für Aneignung neuer Handlungsstrategien zeigen<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

127 Beck, Qualität in <strong>der</strong> Arbeit mit Menschen mit schwerer Behin<strong>der</strong>ung. In: Fachkongress <strong>der</strong> Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen.<br />

79


Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

Begleitung, Assistenz und stellvertretende Ausführung sind dabei Grundwerte jeglichen Handelns. Die Unter-<br />

stützung beson<strong>der</strong>s schwer funktionsbeeinträchtiger Menschen muss unbedingt verlässlich, engmaschig und<br />

lexibel, hinsichtlich spezieller För<strong>der</strong>- bzw. Alternativangebote, gestaltet werden. Krisensituationen erfor<strong>der</strong>n<br />

eine intensivere und für alle Beteiligten transparente Begleitung.<br />

b) Anfor<strong>der</strong>ungen an die pädagogische Leitung von Diensten und Einrichtungen<br />

Gerade für die Arbeit mit dieser Klientel ist es äußerst wichtig, dass die Unterstützer auch umfassende Unter-<br />

stützung durch die pädagogische Leitung erhalten. Dazu sollten leitende Mitarbeiter die Wünsche und Sor-<br />

gen ihrer Mitarbeiter ernst nehmen, ihnen ein unterstütztes Arbeitsklima ermöglichen (z. B. durch Supervi-<br />

sion, Teamberatung) und somit eine tragfähige Atmosphäre im Team herstellen.<br />

Des Weiteren ist die situations- bzw. problembezogene Unterstützung in Verbindung mit einem positiven<br />

(kollegial gestützten) Arbeitsmilieu von zentraler Bedeutung, um kritische Erziehungspraktiken o<strong>der</strong> Um-<br />

gangsformen zu minimalisieren und Gelegenheiten zur Relexion des gemeinsamen Handelns zu offerieren.<br />

Gerade die Arbeit mit verhaltensauffälligen Menschen verlangt von professionellen Helfern eine Praxis- bzw.<br />

Selbstrelexion, vor allem auch dann, wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter von einem Bewohner angegriffen<br />

wird o<strong>der</strong> ihm nicht angstfrei begegnen kann. Angstfreies Arbeiten stellt die Basis für tragfähige Beziehungs-<br />

gestaltung dar. 128<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen bzw. Aufgaben <strong>der</strong> Leitung sind u. a.:<br />

- Klarheit über die an Unterstützer gestellten Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

- Relexion in Krisensituationen mit den Unterstützern<br />

- Teilnahme und Hilfe in Bezug auf Einzelfallgespräche<br />

- Mitarbeit an För<strong>der</strong>plänen; bei Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Klientenbedürfnisse Entwicklung <strong>der</strong> notwendigen Hand-<br />

128 Rössert & Steiger 2003, 327.<br />

80<br />

lungskonzepte<br />

- Anleitung und Beratung <strong>der</strong> Unterstützer (z. B. Einzelberatung)<br />

- Mitwirkung bei Konzepterstellung und -fortschreibungen<br />

- Durchführung regelmäßiger Dienstbesprechungen mit allen Mitarbeitern<br />

- Vermittlung und Sicherung von Fortbildungsmaßnahmen für die Unterstützer, die die Handlungskompe-<br />

tenzen sichern und erweitern<br />

- Zusammenarbeit mit Trägern, Eltern o<strong>der</strong> Angehörigen, Fachdiensten, Behörden<br />

- Beratung/Unterstützung in Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit und Gemeinwesenarbeit<br />

Die hohe Intensität und Belastung <strong>der</strong> Unterstützer erfor<strong>der</strong>n durch den Träger <strong>der</strong> Einrichtung o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Dienste die Schaffung von Unterstützungsmöglichkeiten für diese. Beck verweist u. a. darauf, dass „je umfas-<br />

sen<strong>der</strong> in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht ... das professionelle Handeln auf einen Menschen ist, desto stär-


ker und unmittelbarer hängt seine Lebensqualität von <strong>der</strong> Arbeitsqualität ab. Auch die Arbeit muss als sinn-<br />

voll empfunden und bewertet werden sowie Mitwirkung an den die Arbeit betreffenden Abläufen und Ent-<br />

scheidungen gesichert sein. Verän<strong>der</strong>ungen müssen im Alltag dann auch tatsächlich durchführbar sein.“<br />

Die Formen einer Unterstützung können vielschichtig sein. Dazu gehören u. a.:<br />

- Unterstützung <strong>der</strong> Teamarbeit (Übergabegespräche, regelmäßige Teamberatungen mit Relexion und<br />

Evaluation)<br />

- Intensität <strong>der</strong> Fallbesprechungen (intern, teamübergreifend)<br />

- fachspeziische Fortbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen<br />

- Umgang mit herausfor<strong>der</strong>nden und bedrohlichen Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen (Selbst-<br />

schutz <strong>der</strong> Mitarbeiter, Aufbau von Distanz, Entspannungstechniken)<br />

- Krisenintervention<br />

- Kommunikationstraining<br />

- Verhaltenstherapie<br />

- Arbeitsformen wie TEACCH, Lovaas, Kommunikations- und Wahrnehmungsför<strong>der</strong>ung<br />

- Umgang mit Medikamenten und mögliche Wirkungen<br />

- Weiterbildung <strong>der</strong> Unterstützer zum Fachbetreuer für <strong>Autismus</strong><br />

- Supervision (erfahrene Praxisberater) Regelmäßige Supervisionen eröffnen dem Team Möglichkeiten <strong>der</strong>:<br />

- Relexion<br />

- Problemaufbereitung und -bewältigung<br />

- Suche nach neuen Wegen, Einsatz spezieller Methoden<br />

- Evaluation <strong>der</strong> Wirksamkeit <strong>der</strong> Arbeit und evtl. Verän<strong>der</strong>ungen von Haltungs- und Betreuungsstil<br />

- verbesserte Kommunikation im ganzen Hilfesystem<br />

Gestaltung von individuellen Hilfearrangements<br />

81


Krise, Verhalten<br />

7. KRISE, VERHALTEN<br />

Verhaltensweisen, Verhaltensauffälligkeiten, Aggressionen und Krisen werden in <strong>der</strong> Fachliteratur verschieden<br />

beschrieben und aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt. Im praktischen Alltag wird die Vielfalt <strong>der</strong><br />

unterschiedlichen Probleme mit den verschiedenen Dimensionen des Herangehens und <strong>der</strong>en Bewältigung<br />

deutlich. Klar zu stellen ist, dass ein Verstehen stets ein differenziertes Herangehen, Aufbereitung und unter-<br />

schiedliche Perspektiven <strong>der</strong> Betrachtung notwendig werden lässt, die eine hohe Professionalität und Flexibi-<br />

lität aller am Prozess Beteiligten erfor<strong>der</strong>t.<br />

7.1 VERHALTEN<br />

Was sind herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen?<br />

„Herausfor<strong>der</strong>ndes Verhalten ist ein Verhalten von solcher Intensität, Häuigkeit und Dauer, dass die<br />

körperliche Unversehrtheit des autistischen Menschen o<strong>der</strong> An<strong>der</strong>er möglicherweise gefährdet<br />

wird.“ 129<br />

„Herausfor<strong>der</strong>ndes Verhalten ist ein beobachtbares, zielgerichtetes Verhalten, das eine Schädigung<br />

bewirkt. Herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen beginnen dort, wo eine Beeinträchtigung von sich selbst<br />

o<strong>der</strong> dritten anfängt.“ 130<br />

„Aggression ist ein beobachtbares, absichtlich schädigendes Verhalten... und im weiteren Sinne ein be-<br />

obachtbares, manchmal zielgerichtetes Verhalten, das eine Schädigung bewirkt... Aggression kann Ur-<br />

sache einer Krise sein o<strong>der</strong> auch eine Krise auslösen” 131<br />

Theunissen 132 verweist darauf, dass die Schwierigkeit, Verhaltensauffälligkeiten zu bestimmen, damit zusam-<br />

menhängt, dass die Einschätzung eines Verhaltens, einschließlich <strong>der</strong> damit verknüpften Erlebensweisen<br />

als auffällig o<strong>der</strong> in hohem Masse normabhängig gestört, sich an dem bemisst, was <strong>der</strong> Beobachter als<br />

Norm abweichend o<strong>der</strong> sozial unerwünscht erlebt und einstuft. Gleichzeitig verweist er darauf, dass es sich<br />

bei schwierigen Verhaltensweisen häuig um soziale Probleme, Erziehungs-, Kommunikations- und Interakti-<br />

onsprobleme o<strong>der</strong> Konlikte handelt, an denen die unmittelbare Lebenswelt nicht selten maßgeblich beteiligt<br />

129 Deinition aus : Bundesverband Hilfe für das autistische Kind, Vereinigung zur För<strong>der</strong>ung autistischer Menschen e.V.<br />

130 Deinition aus: Ausführungen zum Kurs „Fachbetreuer für <strong>Autismus</strong>“.<br />

131 Deinition aus: Heinrich, Akute Krise-Aggression-Aspekte sicheren Handels bei Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung.<br />

132 Theunissen, Pädagogik bei geistiger Behin<strong>der</strong>ung und Verhaltensauffälligkeiten. Ein Kompendium für die Praxis, Bad Heilbrunn 2005.<br />

82


Krise, Verhalten<br />

ist (personell, räumlich, materiell). Insofern gilt, dass „diejenigen, die mit sog. verhaltensauffälligen, geistig be-<br />

hin<strong>der</strong>ten Menschen zusammenleben und erkennen, dass bei ein und demselben Problemverhalten ver-<br />

schiedene Erklärungen denkbar sein können.“ 133<br />

Es handelt sich hauptsächlich um ein langfristig soziales o<strong>der</strong> pädagogisches, dauerhaftes Problem. Mögli-<br />

cherweise kann eine Krise die Ursache sein.<br />

Aspekte zur Einschätzung von Verhaltensweisen:<br />

1. Jedes Verhalten ist für den Betreffenden sinnvoll (inneres Gleichgewicht herstellen, Selbsterhaltung), wich-<br />

tig ist die Ursachensuche.<br />

2. Eine Auffälligkeit ist keiner eindeutigen Ursache zuzuordnen, son<strong>der</strong>n einem Ursachengefüge.<br />

3. Unangemessenes Verhalten tritt längerfristig und in unterschiedlichen Situationen auf.<br />

4. Beachtung <strong>der</strong> subjektiven Sichtweise des Betrachters.<br />

5. Verhaltensauffälligkeiten beeinlussen nachhaltig die Entwicklung des autistischen Menschen.<br />

6. Betrachtung <strong>der</strong> Verhaltensauffälligkeiten in Bezug zu entwicklungs- und altersgemäß bedingten Krisen.<br />

Darüber gilt zu beachten:<br />

- Auffälligkeiten/Psychische Störungen und Belastungen sind das Resultat eines komplexen Geschehens<br />

zwischen mehreren Personen, hängen auch von materiellen Gegebenheiten ab.<br />

- Eine verän<strong>der</strong>te Sichtweise begreift jedes Verhalten von autistischen Erwachsenen zunächst als für diese<br />

sinnvoll.<br />

- Zum Beispiel müssen Aggressionen, Ticks etc. als Ausdruck <strong>der</strong> Beindlichkeit und Bedürfnisse dieser Men-<br />

schen interpretiert werden. Gerade diese Auffälligkeiten können Frustration, Isolation und subjektive Ver-<br />

nachlässigung signalisieren.<br />

Eine eindeutige Zuordnung bestimmter Symptome von Verhaltensauffälligkeiten zu bestimmten Ursachen ist<br />

generell nicht möglich.<br />

Verschiedene pathogene Faktoren führen in einem zeitlichen Nacheinan<strong>der</strong> und in ihren Wechselwirkungen<br />

dazu, dass sich manifeste Störungen entwickeln, mehr und mehr ausprägen und unter ungünstigen Bedin-<br />

gungen zunehmend verfestigen – o<strong>der</strong> aber unter günstigen Bedingungen, auch entspannen können. In<br />

ihrer Verquickung können endogene wie exogene Faktoren eine Rolle spielen.<br />

Endogene Faktoren sind jene, die ursächlich in <strong>der</strong> Person des Betroffenen selbst liegen und innerlich be-<br />

dingt sind, wie z.B. erbliche bzw. anlagebedingte Faktoren, biochemische, neurologische o<strong>der</strong> hirnorganische<br />

Faktoren, wie etwa beson<strong>der</strong>e Wahrnehmungsstrukturen o<strong>der</strong> Verarbeitungsmechanismen (wenngleich auch<br />

diese von außen mitbedingt sein können), geistige Behin<strong>der</strong>ung, Teilleistungsstörungen etc.<br />

133 Ebenda.<br />

83


Krise, Verhalten<br />

Exogene Faktoren sind jene Variablen, die von außen auf den Menschen einwirken und seine Entwicklung<br />

und sein Verhalten mitbestimmen.<br />

Hierzu zählen:<br />

- Erkrankungen und <strong>der</strong>en Auswirkungen<br />

- Psycho-soziale Faktoren wie Erziehung<br />

- familiäres Umfeld, evtl. institutionelle Betreuung, die Qualität <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />

- Umweltvariablen wie Umgebung, Wohnen, räumliche Gegebenheit, inanzielle Ressourcen etc.<br />

- bestehende o<strong>der</strong> fehlende Beziehungen und Bindungen, und <strong>der</strong>en Qualität<br />

- Interaktive und kommunikative Prozesse.<br />

Sollen Verhaltensauffälligkeiten in ihrer Bedeutung verstanden werden, müssen mögliche Ursachen erkannt<br />

und zu den Verhaltensauffälligkeiten in Beziehung gesetzt werden.<br />

Hierzu Beispiele:<br />

- Der Autist schreit viel und lang anhaltend, wenn er sich waschen soll. Auf Instruktionen reagiert er nicht.<br />

Mögliche Ursachen:<br />

Wahrnehmungsstörungen (Überempindlichkeit bzw. Hypersensibilität); eingeschränktes Sprachverständ-<br />

nis; Störung <strong>der</strong> Handlungskompetenz.<br />

- Der Autist ist motorisch sehr unruhig, er kann bei <strong>der</strong> Einnahme <strong>der</strong> Mahlzeiten nicht ruhig am Tisch sitzen.<br />

Mögliche Ursachen:<br />

Überempindlichkeit <strong>der</strong> Fernsinne, Hören und Sehen; Gefühlsstörungen; massiv gestörte Orientierung.<br />

Eine sinnvolle Interventionsplanung muss Folgendes beinhalten:<br />

Der Ausgangspunkt ist stets: Wo beindet sich <strong>der</strong> Betroffene? Zunächst ist eine intensive Verhaltensbeobach-<br />

tung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

- Zeigt <strong>der</strong> Autist in den einzelnen Wahrnehmungsbereichen zu starke o<strong>der</strong> zu geringe Reizverarbeitung?<br />

- Signalisiert <strong>der</strong> Autist die extreme Suche nach Reizen (unterstimuliert) o<strong>der</strong> die starke Vermeidung von<br />

Reizen (überstimuliert)?<br />

- Wofür begeistert sich <strong>der</strong> Betroffene, welche Interessen hat er? Was ist beliebt?<br />

- Spricht er eher auf visuelle Reize, akustische Reize, taktile Reize etc. an?<br />

- Wie reagiert er auf verschiedene Gerüche?<br />

- Braucht er Unterstützung in <strong>der</strong> Kommunikation, beispielsweise durch Bildkarten o<strong>der</strong> Gebärden?<br />

Wichtig ist hierbei, immer an die Interessen und Neigungen des autistisch behin<strong>der</strong>ten Menschen anzuknüp-<br />

fen, um so einen Bezug herzustellen. Kann so eine Kommunikationsebene hergestellt werden, ist die Vo-<br />

raussetzung für eine Verhaltensän<strong>der</strong>ung gegeben.<br />

84


Durch Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Umweltvariablen und einer verstärkten För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> individuellen Selbstständigkeit<br />

kann eine erhebliche Minimierung von auffälligen Verhaltensweisen erzielt werden, die nicht zuletzt auch zu<br />

einer Steigerung des Wohlbeindens beiträgt.<br />

Sollen Verhaltensauffälligkeiten wirksam und erfolgreich sein, dann sind die entsprechenden Maßnahmen<br />

immer an individuellen Bedürfnissen und Interessen des Autisten zu orientieren.<br />

Wichtig für den Umgang mit verhaltensauffälligen Menschen ist es, eine Sichtweise zu entwickeln, ein Ver-<br />

ständnis, demnach „sowohl Verhaltensauffälligkeiten als auch Krisen... auf <strong>der</strong> Grundlage eines systemökolo-<br />

gischen Erklärungsmodells... nicht allein an einer bestimmten Person fest(zu)machen, son<strong>der</strong>n sie gelten<br />

grundsätzlich als Ausdruck einer Beziehungsstörung zwischen Person und Umwelt. In diesem Sinne sollten<br />

sie auch als Problemlösungsversuche verstanden und nachvollzogen werden, die für die jeweilige Person Be-<br />

deutung und Funktionen besitzt.“ 134<br />

Eine solche Sichtweise zu entwickeln, bedeutet einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel vorzunehmen, dem-<br />

nach die Ursächlichkeit <strong>der</strong> Störung nicht allein in dem Auffälligen/Behin<strong>der</strong>ten selbst zu suchen ist, son<strong>der</strong>n<br />

potenziell auch bei mir als Unterstützer: in <strong>der</strong> Art, mit ihm umzugehen; in dem, was ich ihm anbiete; in <strong>der</strong><br />

Umwelt, die ich für ihn gestalte.<br />

Sich so zu begreifen, ist oft schwer und erfor<strong>der</strong>t von denjenigen, die mit diesen Menschen umgehen o<strong>der</strong> ar-<br />

beiten, eine hohe Flexibilität des Denkens; die Fähigkeit zur Empathie; die Bereitschaft, Blickrichtungen zu<br />

wechseln, sich auf An<strong>der</strong>sartigkeit einzulassen und vor allem: diese auch auszuhalten.<br />

Ausdauer und Gelassenheit, bei gleichzeitiger Festigkeit und <strong>der</strong> Fähigkeit diesen oftmals verwirrten, desori-<br />

entierten Menschen Richtung vorzugeben sind weitere notwendige Qualitäten, die Betreuer für den erfolgrei-<br />

chen Umgang mit Menschen mit einer <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung brauchen. Die Richtung aber, die den<br />

Menschen gegeben wird, soll ein Halt sein, eine Führung, die sich mehr als Angebot begreift, denn als unum-<br />

stößliches Muss. Der in <strong>der</strong> Pädagogik häuig verwendete Begriff des Führens sollte vielleicht besser ersetzt<br />

werden durch den Begriff des „Begleitens“, „Geleitens“ o<strong>der</strong> „Anbietens“.<br />

Fehlgesteuertes, auffälliges, auch hochaggressives Verhalten als Lösungs- o<strong>der</strong> Kommunikationsversuch ver-<br />

stehen.<br />

Die eingeschränkten sprachlichen Möglichkeiten von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, ihre Bedürfnisse und Be-<br />

indlichkeiten zum Ausdruck zu bringen, bringt für sie die Notwendigkeit mit sich, an<strong>der</strong>e Wege <strong>der</strong> Kommu-<br />

nikation zu inden. Bei vielen Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung ist dabei das Senden nonverbaler<br />

134 Wüllenweber & Theunissen, (Hrsg.) Handbuch Krisenintervention, Bd:2, Praxis und Konzepte zur Krisenintervention bei Menschen mit geistiger Be-<br />

hin<strong>der</strong>ung, Verlag W. Kohlhammer, 2004, S. 141.<br />

Krise, Verhalten<br />

85


Krise, Verhalten<br />

Botschaften <strong>der</strong> Kanal, um sich mitzuteilen. Hierunter allerdings kann nicht nur die Körpersprache gefasst<br />

werden, son<strong>der</strong>n das gesamte Verhalten und die Interaktion sind auch unter dem Blickwinkel <strong>der</strong> Kommuni-<br />

kation zu betrachten und zu verstehen.<br />

Was will <strong>der</strong> Betroffene sagen, wenn er sein Essen vom Tisch fegt, was, wenn er die Bil<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Wand und<br />

sich selbst die Kleidung vom Leib reißt? Warum zerstört er alle Möbel in seinem Zimmer? Langanhaltendes<br />

Schreien – manchmal über Stunden, aus welchem Grund? Warum greift er wie aus dem Nichts seine Bezugs-<br />

person o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Mitbewohner an, schlägt o<strong>der</strong> beißt sie so heftig, dass ihnen bleibende körperliche Schä-<br />

den entstehen?<br />

Die Unterscheidung <strong>der</strong>artiger Ausdrucksformen hinsichtlich Kommunikation o<strong>der</strong> zwanghaften Ver-<br />

haltens ist oft sehr schwierig.<br />

Drückt es etwas aus, wenn er immer wie<strong>der</strong>, in hoch-stereotyper Weise, alle fünf Minuten, nach Kaffee fragt?<br />

Warum schläft <strong>der</strong> Mensch nicht, son<strong>der</strong>n rennt nachts rastlos durch das Haus? Warum „schaukelt“ <strong>der</strong><br />

Mensch, warum onaniert er exzessiv, warum befasst er sich immer wie<strong>der</strong> mit seinen Exkrementen, holt sie<br />

sich aus dem Körper, um dann damit die Zimmerwände zu beschmieren – nicht schön, aber Realität, und ist<br />

das keine Herausfor<strong>der</strong>ung?<br />

Seelisch krank? Behin<strong>der</strong>t? Autistisch?<br />

Reicht das als Erklärung, um einen würdevollen, respektvollen Umgang mit diesen Menschen entwickeln zu<br />

können? Wie kann eine Sichtweise auf eben diese Verhaltensauffälligkeiten entwickelt werden, die es ermög-<br />

licht, mit diesen Menschen überhaupt zusammen zu sein, mit ihnen über Jahre zu arbeiten und zu leben?<br />

Denn gerade Kontinuität und Verlässlichkeit in den Beziehungen sind dringend nötig, um bei den Betroffenen<br />

ein Lebensgefühl <strong>der</strong> Sicherheit und des Aufgehoben-Seins entstehen zu lassen, als Grundvoraussetzung für<br />

Wandlungsprozesse.<br />

Wie kann ein Verständnis, passen<strong>der</strong> vielleicht: können nützliche Hypothesen darüber erlangt werden, die es<br />

ermöglichen, sinnvolle Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Umgebung und täglichen Lebensweise dieser<br />

Menschen vorzunehmen? Worauf reagiert eigentlich dieser Mensch in dieser Weise? Wie gelingt es, so auf<br />

diese Verhaltensweisen zu blicken, dass uns nicht als einzige Möglichkeit <strong>der</strong> Intervention eine Erhöhung <strong>der</strong><br />

Medikation, o<strong>der</strong>, wenn das nichts hilft, die Fixierung dieser Menschen einfällt? Denn auch das ist oftmals jah-<br />

relange Realität für viele <strong>der</strong> Betroffenen.<br />

Es kann nur dann etwas bewirkt werden, Entspannung erzielt werden, wenn <strong>der</strong> Unterstützer auch selbstkri-<br />

tisch sich als Interaktionspartner, als Teil des Kommunikationsprozesses begreift, <strong>der</strong> durch sein Tun das Ver-<br />

halten des Gegenübers mit bedingt.<br />

86


7.2 MÖGLICHE URSACHEN FÜR HERAUSFORDERNDES VERHALTEN<br />

Krise, Verhalten<br />

Alle Verhaltensweisen haben einen Grund. Von Angehörigen und Professionellen werden häuig genannt:<br />

- körperliche Schmerzen/Unbehagen (z. B. Übelkeit, Zahnweh, Ohrenschmerzen, Verstopfung, Kopfweh, Mi-<br />

gräne)<br />

- psychologische Schwierigkeiten/Angst (z. B. ausgelöst durch: Lärm o<strong>der</strong> Geräusche, fremde Umgebung,<br />

nicht vertraute Menschen, Wechsel in <strong>der</strong> Routine, ein Nichtverstehen <strong>der</strong> Vorgänge)<br />

- Unfähigkeit, bestimmte Bedürfnisse mitzuteilen; Bedürfnisse können nicht klar geäußert werden durch<br />

Sprache, Zeichen o<strong>der</strong> Gesten<br />

- stressbedingte Denkblockaden<br />

- Reaktion auf Anfor<strong>der</strong>ungen (z. B. Anfor<strong>der</strong>ungen werden nicht verstanden o<strong>der</strong> können den Grund, wer,<br />

wofür, nicht erkennen)<br />

- Zeichen für Über- o<strong>der</strong> Unterfor<strong>der</strong>ung<br />

- Ausdruck für Nähe- und Distanzproblematik im Kontakt zu an<strong>der</strong>en Menschen<br />

- Bedingungen des Zusammenlebens in <strong>der</strong> Familie o<strong>der</strong> Wohnstätten<br />

- Störungen des gewohnten Tagesablaufes o<strong>der</strong> feststehen<strong>der</strong> Regelungen<br />

- äußere Rahmenbedingungen (Anzahl/Ausstattung <strong>der</strong> Räumlichkeiten, fehlende Rückzugsmöglichkeiten)<br />

- Wetterfühligkeit<br />

- (phasenweise auftretendes) psychotisches Empinden und Erleben<br />

- Zwänge und rigides Beharren auf bestimmten Ritualen<br />

- geringe Impulskontrolle und Wartenmüssen<br />

- Ungeduld und die Nähe zum begehrten Objekt<br />

- Versuch durch selbstverletzende Verhaltensweisen und das Zufügen von Schmerzen, ein eigenes Körper-<br />

gefühl herzustellen<br />

Herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen geschehen selten aufgrund einer linearen Erregung; vielmehr ist es über-<br />

wiegend ein Zustand <strong>der</strong> Häufung von Spannungsmomenten, <strong>der</strong>en Bündelung schließlich Aggression auslö-<br />

sen kann. Herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltenweisen sind fast immer mit subjektiver Stressbelastung verbunden.<br />

Wichtig bei herausfor<strong>der</strong>nden Verhaltensweisen ist <strong>der</strong>en Bewertung im Hinblick auf das Zustandekommen<br />

und nicht das vermeintliche Resultat <strong>der</strong> Aktionen.<br />

7.3 WAS IST EINE KRISE?<br />

„Nach Theunissen 135 spricht man „von einer Krise, wenn ein bestimmter Prozess zu einer Situation eskaliert, in <strong>der</strong><br />

vertraute Bewältigungsmuster eines Betroffenen nicht genügen, individuelle Bedürfnisse o<strong>der</strong> ein inneres Gleichge-<br />

135 Theunissen, Paul, 2004, S. 140 f. In: Wüllenweber, Theunissen (Hrsg.), Handbuch Krisenintervention, Bd. 2 , Praxis und Konzepte zur Kriseninterven-<br />

tionen bei Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung, Verlag W. Kohlhammer.<br />

87


Krise, Verhalten<br />

wicht (psychische Stabilität) aufrecht zuhalten und soziale Ressourcen nicht verfügbar o<strong>der</strong> inadäquat, erschöpft<br />

o<strong>der</strong> überfor<strong>der</strong>t erscheinen, zu einer erfolgreichen Aulösung hintergründiger Probleme sowie des Krisengesche-<br />

hens beizutragen.“<br />

Die akute Krise nach Heinrich 136 wird als „punktueller Ausschnitt aus einem zeitlichen Kontinuum, als Teilaspekt<br />

einer Krisenentwicklung“ bezeichnet. „Diese kann sich schon lange vor <strong>der</strong> akuten Situation abzeichnen o<strong>der</strong> nach<br />

dem Moment aggressiven Geschehens noch über Minuten, Stunden o<strong>der</strong> gar Tage nachwirken. In Krisenentwick-<br />

lungen können sich beruhigende und spannungserhöhende Zeitabschnitte abwechseln.“ 137<br />

„Psychosoziale Krisen von Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung stellen eine zeitlich begrenzte, oft schwer erkenn-<br />

bare und die betroffene Person stark belastende Lebensproblematik dar, ausgelöst durch eine Störung in <strong>der</strong> Per-<br />

son-Umwelt-Beziehung. Psychosoziale Krisen äußern sich bei Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung häuig in<br />

Problemverhaltensweisen, da die Betroffenen ihre Belastungen nur schwer bewältigen und hierüber nur einge-<br />

schränkt (verbal) kommunizieren können.“ 138<br />

Theunissen 139 verweist darauf, dass Krisen keine Konlikte sind, aber Konlikte auslösen können. Bei „sozialen<br />

Konlikten“ handelt es sich um eine Gegensätzlichkeit von Interessen und Wünschen zwischen (mindestens)<br />

zwei Menschen, die allen Menschen seit frühester Kindheit vertraut sind. In <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe treten in <strong>der</strong><br />

pädagogischen Interaktion viele dieser Konlikte auf, die bei Gegensätzlichkeiten in den Wünschen und Inte-<br />

ressen zwischen professionellen Helfern und behin<strong>der</strong>ten Menschen auch eskalieren können. 140<br />

7.4 AUSWIRKUNGEN MASSIVER HERAUSFORDERNDER VERHALTENSWEISEN<br />

Neben den bereits dargestellten unterschiedlichen Auswirkungen auf die betroffenen Menschen, haben her-<br />

ausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen auch Auswirkungen auf:<br />

- die Mitbewohner<br />

- die einzelnen Unterstützer<br />

- das Unterstützerteam<br />

- die Institution/Dienste<br />

- Eltern & Elternarbeit<br />

- <strong>der</strong>zeitiges soziales und Wohn-Umfeld<br />

- Öffentlichkeit<br />

136 Heinrich, Akute Krise-Aggression-Aspekte sicheren Handelns bei Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung, Lebenshilfe Verlag Marburg 2005.<br />

137 Ebenda.<br />

138 Wüllenweber. In: Theunissen: Krisen und Verhaltensauffälligkeiten bei geistiger Behin<strong>der</strong>ung und <strong>Autismus</strong>, Forschung-Praxis-Relexion. Verlag W.<br />

Kohlhammer 2003, S. 4.<br />

139 Theunissen, Krisen und Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung und <strong>Autismus</strong>. Verlag W. Kohlhammer 2003.<br />

140 Ebenda.<br />

88


Nachfolgend werden insbeson<strong>der</strong>e Auswirkungen im betreuten Wohnen dargestellt:<br />

a) Auswirkung auf die Mitbewohner 141<br />

- Anspannung und Erregung können sich bei den an<strong>der</strong>en Mitbewohnern in einer Kettenreaktion hoch-<br />

schaukeln. Mitbewohner werden verletzt, schreien, schauen ängstlich, suchen Schutz beim Personal, lau-<br />

fen weg, ziehen sich in ihr Zimmer o<strong>der</strong> nach draußen zurück.<br />

- Schmerzhafte Verletzungen müssen gegebenenfalls behandelt werden.<br />

- Eigentum, Wertsachen o<strong>der</strong> Gegenstände zur Freizeitgestaltung (Radio, Lieblingsgegenstand, Bil<strong>der</strong> etc.)<br />

sind zerstört.<br />

- Gewohnte o<strong>der</strong> Sicherheit bietende Strukturen von Tages- o<strong>der</strong> Arbeitsabläufen werden gestört o<strong>der</strong> un-<br />

terbrochen.<br />

- Die Wohneinrichtung kann sich dramatisch verän<strong>der</strong>n: nur noch beschädigte Möbel, vertraute Einrich-<br />

tungsgegenstände fehlen (Qualität des Mobiliars: Sperrmüll-Niveau).<br />

- Hillosigkeit, Angst und Verunsicherung entstehen.<br />

- Rückschritte in <strong>der</strong> persönlichen Entwicklung (Einnässen), Stereotypien, Hyperaktivität o<strong>der</strong> zwanghaftes<br />

Verhalten treten wie<strong>der</strong> auf o<strong>der</strong> nehmen zu.<br />

- Das fachliche Begleitpersonal wird auch über die akute Krise hinweg als überfor<strong>der</strong>t, gereizt und unge-<br />

recht erlebt.<br />

- Mitbewohner müssen erhebliche Einschränkungen ihrer Selbstständigkeit, ihrer Freiheit zur persönlichen<br />

Entwicklung und ihrer Würde im Moment <strong>der</strong> akuten Aggressionskrise hinnehmen.<br />

b) Auswirkungen auf die Mitarbeiter 142<br />

- Verletzungen, die aus akuten Aggressionssituationen entstanden sind (z. B. tiefe Kratz- und Bisswunden,<br />

Blutergüsse, Stauchungen o<strong>der</strong> Zerrungen)<br />

- Psychosomatische Störungen o<strong>der</strong> Erkrankungen, wie Schlafprobleme, Nervosität und Angstzustände,<br />

Magen-Darm-Probleme, Zunahme süchtigen Verhaltens (Koffein, Nikotin, Alkohol, Medikamente), Kopf-<br />

und Rückenschmerzen, Essprobleme, Belastungssyndrome (Burnout)<br />

- Erfor<strong>der</strong>lichkeit längerer Zeit zur Regeneration und Erholung<br />

- Auftreten von Zweifeln an eigenen menschlichen und fachlichen Fähigkeiten, Schuldzuweisung an <strong>der</strong> es-<br />

kalierenden Entwicklung<br />

- Entwicklung problematischen Konliktmanagementverhaltens: männliche Kollegen werden vorgeschickt,<br />

Nachtwachen schließen sich ein o<strong>der</strong> Fachkräfte laufen in <strong>der</strong> akuten Krise weg. Nicht selten unangemes-<br />

sene o<strong>der</strong> missbräuchliche Anwendung freiheitsentziehen<strong>der</strong> Maßnahmen, wie Fixierung o<strong>der</strong> Einschlies-<br />

sen, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> nicht ärztlich verordnete Einsatz zusätzlicher sedieren<strong>der</strong> Medikamente.<br />

141 Heinrich, Akute Krise-Aggression-Aspekte sicheren Handelns bei Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung, Lebenshilfe Verlag Marburg 2005.<br />

142 Ebenda.<br />

Krise, Verhalten<br />

89


Krise, Verhalten<br />

c) Probleme innerhalb und außerhalb einer Institution 143<br />

Nach Heinrich reagiert ein System im Normalfall angemessen und effektiv, lernt aus Krisen und nutzt Konlikte<br />

zu mehr Einigkeit, Unterstützung und Fachlichkeit, wenn bestimmte Voraussetzungen dafür wirksam sind.<br />

Nachfolgend wird mit Schwerpunktlegung auf das Problematische, <strong>der</strong> Blick auf die hohe Bedeutung <strong>der</strong> not-<br />

wendigen Vor- und Rahmenbedingungen gelenkt werden:<br />

- Akute Krisen sind hoch zeit- und kostenintensiv durch zusätzliche Personalstunden, Reparaturkosten, An-<br />

schaffung von Schutzvorrichtungen o<strong>der</strong> Sicherheitsmaßnahmen.<br />

- Die Arbeit einer Einrichtung kann durch häuigen Wechsel des Personals o<strong>der</strong> wegen Personalengpässen<br />

durch Ausfallzeiten (Krankheiten, Verletzungen etc.) gestört werden.<br />

- Leitende Angestellte (Bereichs-, Einrichtungsleiter) können selbst hillos werden und unter lähmenden<br />

Druck geraten.<br />

- Unterschiedliche Gewichtungen o<strong>der</strong> Konlikte zwischen Leitung und Mitarbeitern über das richtige Vor-<br />

gehen im Umgang mit problematischen Verhaltensweisen können zu einem die Aktivitäten lähmenden<br />

Machtkampf ausarten.<br />

Abzuleitende Konsequenzen aus <strong>der</strong> komplexen Verhaltensproblematik<br />

- herausfor<strong>der</strong>ndes Verhalten ist zwar ein komplexes, aber dennoch ein verän<strong>der</strong>bares Problem<br />

- herausfor<strong>der</strong>ndes Verhalten muss die richtige Aufmerksamkeit und Gewichtung erhalten<br />

- evtl. Schädigung muss schnellstmöglich verringert o<strong>der</strong> beendet werden<br />

- die Thematik „herausfor<strong>der</strong>ndes Verhalten“ sollte versachlicht werden<br />

- Umgang mit massiven herausfor<strong>der</strong>nden Verhaltensweisen ist ein Arbeitsauftrag<br />

- herausfor<strong>der</strong>ndes Verhalten muss fachgerecht behandelt werden; Än<strong>der</strong>ungen bedürfen eines kom-<br />

plexen, vernetzten Behandlungsplans<br />

Herausfor<strong>der</strong>ndes Verhalten kann man in einem gewissen Rahmen „verstehen lernen“.<br />

Dazu ist notwendig:<br />

- Beobachtungen festzustellen und festzuhalten<br />

(Was genau ist das problematische Verhalten? Wodurch wurde das aggressive bzw. herausfor<strong>der</strong>nde Ver-<br />

halten noch verstärkt?)<br />

- Gewichtungen vorzunehmen<br />

(Wie schwer wiegen massive Aggressionen wirklich? Welche negativen Auswirkungen erleben das soziale<br />

Umfeld und die Institution?)<br />

143 Ebenda.<br />

90


- Wirkungsanalyse zu betreiben<br />

(Welche inneren und äußeren Faktoren wirken bei dem Autisten spannungssteigernd?)<br />

- Deutungen anzustellen<br />

- Ursachenforschung zu betreiben (Welche Ursachen, Auslöser o<strong>der</strong> Bedingungen könnten vor dem aggres-<br />

siven Problemverhalten eine Rolle gespielt haben?)<br />

7.5 KRISENVERMEIDUNG BZW. -PRÄVENTION<br />

Eine Krisensituation bedeutet für den/die Betroffenen, aber auch für die Betreuenden, eine beson<strong>der</strong>e Her-<br />

ausfor<strong>der</strong>ung, denn schließlich muss die Krise irgendwie gemeistert werden. Gelingt dies, ist in <strong>der</strong> Regel ein<br />

Fortschritt gelungen, ein Zuwachs an Problemlösungskompetenz, an Wissen um die Beson<strong>der</strong>heit dieser Per-<br />

son und an Zutrauen in die eigene Fähigkeit im Umgang mit diesen Verhaltensauffälligkeiten.<br />

Aber neben <strong>der</strong> Chance zum Wachstum birgt die Krise – und das meist vor<strong>der</strong>gründig – natürlich auch die<br />

große Gefahr des Scheiterns, <strong>der</strong> Katastrophe, eines ungesteuerten, nicht mehr kontrollierbaren Ausbruchs<br />

destruktiver Energien. Die Folgen können sein: psychiatrische Dekompensation, Selbstverletzungen bis hin<br />

zum Suizid, und beson<strong>der</strong>s zu nennen sind hier die Fremdgefährdungen. Wer einmal eine Eruption massiver<br />

Fremdaggression bei einem Menschen mit <strong>Autismus</strong> erlebt hat, durch diesen ernsthaft bedroht o<strong>der</strong> wohl-<br />

möglich gar verletzt wurde, <strong>der</strong> kann schnell starke Angst bekommen, wenn sich die Möglichkeit einer Wie-<br />

<strong>der</strong>holung dieses Verhaltens abzeichnet.<br />

Als Ergebnis in einer aktuell in Einrichtungen eines in <strong>der</strong> <strong>Arbeitsgruppe</strong> beteiligten Trägers erfolgten Befra-<br />

gung <strong>der</strong> Mitarbeiterinnen zum Thema Krisenintervention gab es auf die Frage: „Wann handelt es sich aus<br />

Ihrer Sicht um eine Krise?“ unter an<strong>der</strong>em folgende Aussagen:<br />

- wenn eine, mehrere o<strong>der</strong> gar alle Personen „außer Kontrolle“ geraten<br />

- wenn ich nicht mehr weiß, was ich machen kann<br />

- wenn pädagogisches Handeln nicht mehr greift<br />

- wenn man zu keiner Lösung kommt<br />

- Ratlosigkeit<br />

Tatsächlich benennen die Mitarbeiter hier vor allem ihre eigenen Grenzen. Die Krise ist etwas subjektiv Erleb-<br />

tes, die Bezeichnung des Geschehens als „Krise“ folglich eine Einschätzung, die mit dem Gefühl einhergeht,<br />

die Situation nicht mehr erfolgreich lenken o<strong>der</strong> kontrollieren zu können. Wenn dieser Zustand erreicht ist,<br />

kann eine Wendung zum Guten nur noch durch externe Unterstützung erfolgen. Auch hier greift wie<strong>der</strong> die<br />

For<strong>der</strong>ung nach Supervision und Unterstützung <strong>der</strong> Professionellen.<br />

Krise, Verhalten<br />

91


Krise, Verhalten<br />

Nach Dalferth 144 und Heinrich 145 ergibt sich deshalb für die Prävention bzw. Deeskalation von Krisen eine<br />

Drei-Ebenen-Strategie, die sich beziehen muss auf:<br />

- betreuerbezogene Maßnahmen, Zugewinn an Sicherheit und Handlungsfähigkeit<br />

- auf den Betroffenen bezogene Maßnahmen, Verhaltensmodiikation und Kommunikationsför<strong>der</strong>ung<br />

- umweltbezogene Maßnahmen, Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Umweltbedingungen<br />

Betreuerbezogene Maßnahmen (Ebene 1):<br />

Es handelt sich um Maßnahmen, welche die Betreuungspersonen befähigen, in kritischen Situationen nicht<br />

selbst in einen Ausnahmezustand aus Angst und Überfor<strong>der</strong>ung zu geraten und dadurch handlungsunfähig<br />

zu werden, son<strong>der</strong>n an Sicherheit zu gewinnen.<br />

- geplante und strukturierte Aufteilung belasten<strong>der</strong> Aufgaben im Alltag, sodass für einzelne Mitarbeiter die<br />

Arbeit mit den schwierigsten Personen zeitlich begrenzt bleibt<br />

- regelmäßige Relexion des Entwicklungsstandes des behin<strong>der</strong>ten Menschen in Fall- und Teambesprechun-<br />

gen; Bewusstmachen von Kompetenzen und Ressourcen<br />

- Interventionsplan für akute Notsituationen<br />

- Supervision und qualiizierte (autismusspeziische) Fort- und Weiterbildung; Möglichkeiten zum fachlichen<br />

Erfahrungsaustausch im Team und außerhalb (z. B. Arbeitskreis „<strong>Autismus</strong>“)<br />

- als konzeptionelle und strukturelle Maßnahmen:<br />

- eine den Betreuungsnotwendigkeiten und -vorhaben entsprechende Arbeitszeitstruktur und ein entspre-<br />

chen<strong>der</strong> Stellenschlüssel<br />

- Etablierung eines dauerhaften Bezugsbetreuersystems<br />

In <strong>der</strong> Arbeit mit autistischen Menschen, die herausfor<strong>der</strong>nde Verhaltensweisen zeigen, brauchen die Betreu-<br />

ungspersonen den Schutz durch den ehrlichen, relektierten Umgang mit eigenen Empindungen, Grenzen<br />

und Fähigkeiten. Darüber hinaus wird die intensive Überprüfung <strong>der</strong> Bedürfnisse des Autisten zusammen mit<br />

<strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> notwendigen Interventionen zum Schutz aller Beteiligten Klarheit über die gestellten An-<br />

for<strong>der</strong>ungen geben, wodurch für die Durchführung <strong>der</strong> Arbeit die notwendige Sicherheit vermittelt wird.<br />

Die regelmäßige Teilnahme an Beratungen und Fortbildungen, um Handlungsmöglichkeiten zu erweitern<br />

und die Herstellung einer tragenden Atmosphäre im Team, sind wichtige Elemente, die die Mitarbeiter psy-<br />

chisch und physisch schützen werden.<br />

144 Dalferth, M. (1995): Behin<strong>der</strong>te Menschen mit <strong>Autismus</strong>syndrom. Probleme <strong>der</strong> Perzeption und <strong>der</strong> Affektivität. Ein Beitrag zum Verständnis und<br />

zur Genese <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung. 2. Aulage. Edition Schindele.<br />

145 Heinrich, Akute Krise-Aggression-Aspekte sicheren Handelns bei Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung, Lebenshilfe Verlag Marburg 2005.<br />

92


Auf den betroffenen Menschen bezogene Maßnahmen (Ebene 2):<br />

Diese Maßnahmen sollen bei Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung Lernprozesse initiieren und zum Aufbau von alter-<br />

nativen Handlungsmöglichkeiten und -kompetenzen zu seinem Problemverhalten führen, die ihm eine Be-<br />

wältigung seiner schwierigen Lebenssituationen erlauben.<br />

- Kommunikationsför<strong>der</strong>ung<br />

„Gute Fähigkeit zu kommunizieren – sprachlich o<strong>der</strong> nicht sprachlich – bedeutet, dass ein Mensch mit Au-<br />

tismus seine Bedürfnisse und Wünsche mitteilen kann. Das reduziert die Wahrscheinlichkeit des Auftretens<br />

von herausfor<strong>der</strong>ndem Verhalten.“<br />

- Verzicht auf die Anwendung aversiver Maßnahmen<br />

- Einsatz körperbezogener/wahrnehmungsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Verfahren (z. B. sensorische Integration, Führen nach<br />

Affolter)<br />

- Politik <strong>der</strong> geringen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

„Das bedeutet, das Niveau <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen niedrig zu halten und einfache Worte und Gesten o<strong>der</strong> Zei-<br />

chen zu benutzen. Anfor<strong>der</strong>ungen müssen eventuell schrittweise gemacht werden, und die Betreuer müs-<br />

sen sich den Antworten und Reaktionen des Menschen mit <strong>Autismus</strong> anpassen“.<br />

- Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Umgebung<br />

„Die Betreuer müssen ständig die Lebens- und Arbeits-Umgebung des autistischen Menschen prüfen, um<br />

festzustellen, ob es Faktoren gibt, die ein herausfor<strong>der</strong>ndes Verhalten auslösen können. Solche Faktoren<br />

können sein: Geräusche, Farben, Temperaturen, die Anwesenheit von Tieren o<strong>der</strong> Menschen. Wenn solche<br />

Faktoren erkannt sind, kann man das än<strong>der</strong>n.“<br />

- Aufbau einer Beziehung<br />

„Viele Menschen berichten, dass <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong> Arbeit mit Menschen mit <strong>Autismus</strong> auf dem Aufbau einer<br />

vertrauensvollen Beziehung beruht, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Betroffene sich in <strong>der</strong> Gegenwart <strong>der</strong> Bezugsperson sicher<br />

fühlt.“<br />

- Einrichtung sinnvoller Tätigkeiten und Routinen<br />

„Routinen und Tätigkeiten geben dem Tag eine Struktur und helfen dem Menschen mit <strong>Autismus</strong>, die Welt<br />

als sinnvoll zu erleben. Plötzliche Verän<strong>der</strong>ungen müssen vermieden werden. Wenn Verän<strong>der</strong>ungen<br />

unvermeidlich sind, muss <strong>der</strong> Mensch mit <strong>Autismus</strong> schrittweise darauf vorbereitet werden, um sich darauf<br />

einstellen zu können.“<br />

Krise, Verhalten<br />

93


Krise, Verhalten<br />

Umweltbezogene Maßnahmen (Ebene 3):<br />

Diese Maßnahmen zielen darauf ab, schwer behin<strong>der</strong>ten Menschen Sicherheit und Schutz, ausreichend Ruhe<br />

und Rückzugsmöglichkeiten, Kommunikationsangebote, Betätigungsmöglichkeiten und Befriedigung ihrer<br />

Grundbedürfnisse zu garantieren.<br />

- Strukturierung, Rhythmisierung des Alltags<br />

- an den beson<strong>der</strong>en Nöten dieser Menschen orientierte räumliche Ausstattung, Beziehungsstrukturen und<br />

pädagogische Programme, Bewegungs-, Entspannungs- und Betätigungsmöglichkeiten<br />

Kenntnisse, die im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Krisenintervention für Mitarbeiter in spezialisierten Einrichtungen<br />

für Menschen mit ASS unerlässlich sind, sind deeskalierende Maßnahmen zum einen, sowie Techniken und<br />

rechtliche Aspekte <strong>der</strong> physischen Intervention zum an<strong>der</strong>en. Auch Möglichkeiten des Notfallhandelns, wozu<br />

ebenso rechtliche Aspekte freiheitsbeschränken<strong>der</strong> Maßnahmen zählen, sollten vertraut sein. 146<br />

7.6 SUPERVISION<br />

Im familiären Umfeld entlastet eine fachliche Begleitung die häuig hoch belasteten Familien, sie kann neue<br />

Handlungsmuster anbahnen helfen.<br />

Im betreuten Wohnen stellt die regelmäßige Supervision, je nach Anzahl <strong>der</strong> Bewohner, einen selbstverständ-<br />

lichen Qualitätsstandard dar, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> psychosozialen Arbeit mehr und mehr als wertvoll geschätzt und als<br />

notwendig anerkannt wird. Regelmäßige Supervision bietet den Professionellen die Möglichkeit, sich aus<br />

einem professionellen Abstand heraus mit dem Fallgeschehen zu befassen, entlastet von dem Zeitdruck des<br />

unmittelbaren Handelns und ist herausgelöst aus <strong>der</strong> unmittelbaren emotionalen Anspannung. Hier geht es<br />

darum, das Tun des Klienten o<strong>der</strong> Bewohners mit Hilfe eines(r) Supervisors(in) aus verschiedenen Blickwinkeln<br />

zu betrachten:<br />

- Was genau ist geschehen?<br />

- Wie wurde das Verhalten von verschiedenen Beteiligten o<strong>der</strong> Beobachtern wahrgenommen?<br />

- Hypothesenbildung über mögliche Ursachen bzw. Auslöser des Verhaltens<br />

- Relektion <strong>der</strong> eigenen Gefühle und Einstellungen zu diesem Verhalten<br />

- Relektion <strong>der</strong> eigenen Anteile am interaktiven Geschehen<br />

- Suche nach verdeckten Ressourcen und Lösungsmöglichkeiten sowohl in <strong>der</strong> Person des Betroffenen als<br />

auch in den ihn umgebenden Systemen (Familie, Häuslichkeit, Arbeit)<br />

- genaues, gemeinsames Planen des zukünftigen Vorgehens im Team<br />

Die vordringliche Aufgabe des(r) Supervisors(in) ist es, diesen relektorischen Prozess anzuleiten und die<br />

Teammitglie<strong>der</strong> darin zu unterstützen, neue Sichtweisen auf das Geschehen zu entwickeln. Mittels einer<br />

146 Näheres siehe Wüllenweber, Theunissen (Hrsg.), Handbuch Krisenintervention; Heinrich (Hrsg.) Akute Krise Aggression 2005.<br />

94


Grundhaltung von Neutralität und Wertschätzung werden gedankliche und mitfühlende Zugänge eröffnet,<br />

die ein erweitertes Verständnis <strong>der</strong> Person und Situation erlauben und wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Zugänge zu ihr schaffen<br />

können. Erst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, werden oft auch neue Lösungswege denkbar.<br />

In den oftmals hoch angespannten, fachlich wie menschlich <strong>der</strong>art komprimierten Anfor<strong>der</strong>ungssituationen<br />

dieser Arbeit, stellt die Supervision nicht nur einen Ausdruck des Respekts vor <strong>der</strong> Leistung <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

dar, son<strong>der</strong>n ist zugleich auch eine präventive Maßnahme.<br />

Die psychischen Belastungen dieser Arbeit mit dieser speziellen Personengruppe sind mitunter enorm. Es<br />

liegt ebenso in <strong>der</strong> Verantwortung des gesellschaftlichen Auftraggebers, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Arbeitgeber, den<br />

Menschen, die diese Arbeit leisten, auch die Möglichkeit zur Relektion, aktiven Entlastung und damit auch<br />

<strong>der</strong> Regeneration zu geben. Mit Regeneration ist hier nicht etwa Urlaub gemeint, son<strong>der</strong>n das Zurückgewin-<br />

nen <strong>der</strong> eigenen Kraft und Handlungsfähigkeit aus einem tieferen Prozess des Verstehens heraus. Durch diese<br />

relektorische Leistung erfolgt ein Zugewinn an Fachlichkeit, <strong>der</strong> sich unmittelbar auf den Umgang mit dieser<br />

Zielgruppe auswirkt.<br />

Durch die Relektion <strong>der</strong> eigenen Arbeit kann zugleich auch die Anerkennung <strong>der</strong> eigenen Leistung erfolgen,<br />

eine wichtige Variable, um seine Arbeit mit Motivation, Ausdauer und Freude zu tun. Supervision vermittelt<br />

Sicherheit im Umgang mit den täglichen Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Arbeit: mit Provokationen, Aggressionen,<br />

Zwängen, Unruhezuständen, selbstverletzendem Verhalten, mit den starken Gefühlsschwankungen <strong>der</strong> Be-<br />

wohner. Supervision stellt eine fachlich begründete Notwendigkeit dar zur Ergänzung des Qualiizierungsin-<br />

strumentes „Weiterbildung“: Sie ermöglicht die kontinuierliche, alltagsnahe Relektion <strong>der</strong> Umsetzungs-<br />

möglichkeiten des in Weiterbildungen Gelernten. Das ist etwas, was keine kurz- o<strong>der</strong> mittelfristig angelegte<br />

Weiterbildung leisten kann.<br />

Erfolge und Hin<strong>der</strong>nisse in <strong>der</strong> praktischen Umsetzung des Gelernten müssen ausgewertet, <strong>der</strong>en Anwen-<br />

dung optimiert werden, um <strong>der</strong> Arbeit mit den Leistungsempfängern dauerhaft zugute kommen zu können.<br />

Nur durch das Instrument „Supervision“ kann sichergestellt werden, dass die in Aus- und Weiterbildung ver-<br />

mittelten Inhalte auch in <strong>der</strong> Praxis Nie<strong>der</strong>schlag inden.<br />

Krise, Verhalten<br />

Die Vermeidung bzw. das Abfangen von Krisen durch einen Zugewinn an Qualität in <strong>der</strong> täglichen Arbeit ist<br />

zunächst eine ethische Prämisse, stellt aber auch – wie alle Präventionsarbeit – volkswirtschaftlich einen er-<br />

heblichen potenziellen Einsparposten dar! Burn-out-Syndrome in psychosozialen Berufsgruppen sind ein hin-<br />

länglich bekanntes Problem, dem auch durch Bereitstellung entsprechen<strong>der</strong> Angebote frühzeitig begegnet<br />

werden sollte, um so erheblichen, menschlichen wie langfristig inanziellen Folgekosten vorzubeugen. Super-<br />

vision als eine Investition in Qualität, nützt also nicht nur den Bewohnern, son<strong>der</strong>n auch den Mitarbeitern und<br />

<strong>der</strong> kurz- und langfristigen Einsparung inanzieller Ressourcen, die sonst in akute Schadensbegrenzung, Psy-<br />

chiatrieaufenthalte, Medikation, den Wechsel <strong>der</strong> Bewohner in an<strong>der</strong>e Einrichtungen, beruliche Rehabilita-<br />

tion o<strong>der</strong> gar Umschulungen, die Ausbildung nachrücken<strong>der</strong> Fachkräfte usw., investiert werden müssten.<br />

95


Ausblicke<br />

8. AUSBLICK<br />

Für die betroffenen Menschen und auch ihre Angehörigen sind wohnortnahe, individuelle und lebensfeldori-<br />

entierte Hilfearrangements erfor<strong>der</strong>lich, die es ihnen ermöglichen, in ihren unterschiedlichen Lebensberei-<br />

chen qualiiziert und spezialisiert unterstützt zu werden.<br />

Im Kooperationsverbund <strong>Autismus</strong> arbeiten die drei Träger CJD Prignitz, <strong>Samariteranstalten</strong> Fürstenwalde und<br />

Verein Oberlinhaus Potsdam daran, die Dienstleistungen und Angebotsformen für Menschen mit <strong>Autismus</strong><br />

nutzerorientiert zu vernetzen und neue Angebote aufzubauen. In diesem Verbund werden wirkungsvolle<br />

Handlungskonzepte zur Stärkung <strong>der</strong> Nutzerposition erarbeitet, fachliche Maßstäbe abgestimmt und Lö-<br />

sungsansätze für offene Fragestellungen entwickelt. Dies geschieht in enger Abstimmung mit den Nutzern,<br />

dem Bundesverband zur För<strong>der</strong>ung von Menschen mit <strong>Autismus</strong> und den unterschiedlichen Leistungs- bzw.<br />

Rehabilitationsträgern.<br />

Durch die Bündelung unterschiedlicher fachlicher Kompetenzen, <strong>der</strong> Abstimmung, Ergänzung und Verzah-<br />

nung von Angeboten werden Synergieeffekte erzielt. Je nach den vorhandenen örtlichen Bedingungen wer-<br />

den im Interesse <strong>der</strong> betroffenen Menschen individuelle Lösungen mit lokalem Arrangement gesucht, die<br />

auch Qualität und Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> sozialen Dienstleistungen vereinen.<br />

Auf <strong>der</strong> Grundlage dieser fundierten Spezialkenntnisse arbeitet <strong>der</strong> Kooperationsverbund aus dem Blickwin-<br />

kel <strong>der</strong> Betroffenen i. S. von<br />

- Anleitung, Austausch, Beratung und Unterstützung von Eltern, Pädagogen, Betreuern, an<strong>der</strong>en Institutio-<br />

nen etc. nach den Grundsätzen von Partizipation, Community living und Care ethics<br />

- Vermittlung und Unterstützung von Einzel- und Wohngruppenberatung Betroffener<br />

- Vermittlung und Beratung spezieller lebensfeldbezogener Schwerpunkte (TEACCH, Umgang mit heraus-<br />

for<strong>der</strong>ndem Verhalten, Gestaltung von Beschäftigungs-/Arbeitsplätzen, altersbedingten Übergängen etc.)<br />

- Zusammenwirken mit verschiedenen Leistungs- und Rehabilitationsträgern, Trägern von Dienstleistungen<br />

- Öffentlichkeits- und Gemeinwesenarbeit, Lobbyarbeit, Unterstützung bürgerlichen Ehrenamtes<br />

Der Kooperationsverbund <strong>Autismus</strong> (KVA) im Land Brandenburg wird künftig, das vorhandene Angebot er-<br />

weiternd, folgende drei Akzente setzen:<br />

- Schulische Bildungsangebote sollen unter dem Paradigma <strong>der</strong> Inklusion geför<strong>der</strong>t und weiterentwickelt werden<br />

- Rahmenbedingungen von Arbeit und Beschäftigung unter dem Paradigma <strong>der</strong> Teilhabe am Arbeitsleben<br />

für Menschen mit ASS zu gestalten<br />

- Weiterführende Qualiizierungen für „Schlüsselpersonen“ im Bereich von Bildung, Arbeit, För<strong>der</strong>ung, Bera-<br />

tung und Verwaltung<br />

Bis diese Aufgaben erfüllt sind und damit <strong>der</strong> KVA überlüssig wird, muss noch manch dickes Brett gebohrt<br />

werden!<br />

96


Anlage 1<br />

ANLAGE 1<br />

GESETZLICHE GRUNDLAGEN/ABGRENZUNGEN<br />

PERSONENKREIS/BEHINDERTENBEGRIFF<br />

Entsprechend <strong>der</strong> Zielsetzung des SGB IX und in Anerkennung zeitgemäßer Behin<strong>der</strong>tenarbeit mit dem In-<br />

krafttreten des SGB IX wurde <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenbegriff <strong>der</strong> Begriffsbestimmung <strong>der</strong> WHO angepasst.<br />

Begriff Behin<strong>der</strong>ung<br />

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sind Personen behin<strong>der</strong>t, wenn die körperliche Funktion, die geistige Fä-<br />

higkeit o<strong>der</strong> die seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für<br />

das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in <strong>der</strong> Gesellschaft beein-<br />

trächtigt ist. Von einer Behin<strong>der</strong>ung bedroht ist man, wenn diese Beeinträchtigung zu erwarten ist.<br />

Eine Schwerbehin<strong>der</strong>ung liegt dann vor, wenn ein Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung von wenigstens 50 147 vorliegt und<br />

die betroffenen Menschen ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt o<strong>der</strong> ihre Beschäftigung auf einem<br />

Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben.<br />

Leistungsberechtigt für Hilfen zur Einglie<strong>der</strong>ung nach dem SGB XII<br />

Das sind Personen, die durch eine Behin<strong>der</strong>ung i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit<br />

an <strong>der</strong> Gesellschaft teilzuhaben eingeschränkt o<strong>der</strong> davon bedroht sind (wesentlich behin<strong>der</strong>te Menschen, §<br />

53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), wenn und solange in <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heit des Einzelfalles die Aussicht besteht, dass<br />

die Aufgabe <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer an<strong>der</strong>en körperlichen, geistigen<br />

o<strong>der</strong> seelischen Behin<strong>der</strong>ung können Leistungen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe erhalten (§ 53Abs. 1 Satz 2 SGB XII).<br />

Die Einglie<strong>der</strong>ungshilfe-Verordnung (EinglhVO) i. d. F. vom 01.02.1975, zuletzt geän<strong>der</strong>t durch das Gesetz<br />

vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022), beschreibt den Personenkreis näher:<br />

- körperlich wesentlich behin<strong>der</strong>te Menschen (§ 1)<br />

- geistig wesentlich behin<strong>der</strong>te Menschen (§ 2)<br />

- seelisch wesentlich behin<strong>der</strong>te Menschen (§ 3)<br />

Begriff Plegebedürftigkeit<br />

Gem. § 14 SGB XI sind Personen plegebedürftig, die wegen einer Krankheit und/o<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung bei <strong>der</strong> Er-<br />

147 Siehe auch Versorgungsmedizinische Grundsätze (VMG) – Anhaltspunkte für ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und<br />

98<br />

nach dem Schwerbehin<strong>der</strong>tenrecht (AHP) i.V.m. Erster und Zweiter Verordnung zur Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Versorgungsmedizin-Verordnung<br />

http://vmg.vbsinfo.de u. http://anhaltspunkte.vbsinfo.de.


nährung, <strong>der</strong> Mobilität, <strong>der</strong> Körperplege und <strong>der</strong> hauswirtschaftlichen Versorgung voraussichtlich für min-<br />

destens sechs Monate in erheblichem o<strong>der</strong> höherem Maße <strong>der</strong> Hilfe bedürfen.<br />

LEISTUNGEN NACH DEM SGB IX UND XII 148<br />

Voraussetzungen für Leistungen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe<br />

- Vorliegen <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung gemäß § 53 SGB XII und<br />

- Erreichen <strong>der</strong> dort und im SGB IX genannten Ziele<br />

Leistungen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe sind insbeson<strong>der</strong>e Leistungen nach dem sechsten Kapitel des SGB<br />

XII (§§ 54 Abs. 1 ff SGB XII)<br />

- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX entsprechen jeweils den Rehabilitationsleis-<br />

tungen <strong>der</strong> gesetzlichen Krankenversicherung.<br />

- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX entsprechen jeweils den Rehabilitationsleistun-<br />

gen <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit.<br />

- Leistungen zur Teilhabe am Leben in <strong>der</strong> Gemeinschaft nach § 55 SGB IX (soziale Rehabilitation) entspre-<br />

chen insbeson<strong>der</strong>e den Leistungen des SGB XII i.V.m. <strong>der</strong> VO des XII. SGB in <strong>der</strong> Fassung vom 01.02.1975,<br />

zuletzt geän<strong>der</strong>t am 27.12.2004 – Einglie<strong>der</strong>ungshilfe-Verordnung (EinglhVO).<br />

- Hilfe zur angemessenen Schulbildung, insbeson<strong>der</strong>e im Rahmen <strong>der</strong> allgemeinen Schulplicht und zum<br />

Besuch weiterführen<strong>der</strong> Schulen nach § 12 EinglhVO (z.B. Schulhelfer).<br />

- Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hoch-<br />

schule nach § 13 EinglhVO.<br />

- Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit nach § 13 a EinglhVO.<br />

- Nachgehende Hilfe zur Sicherung <strong>der</strong> Wirksamkeit <strong>der</strong> ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und<br />

zur Sicherung <strong>der</strong> Teilhabe am Arbeitsleben nach § 17 Abs.1 EinglhVO.<br />

Weitere spezielle Leistungen nach <strong>der</strong> EinglhVO sind:<br />

- an<strong>der</strong>e Hilfsmittel (§§ 9,10 i.V.m. § 55, Abs. 2 Nr. 1 SGB IX) einschließlich Bedienungseinweisung<br />

148 Siehe auch Bundesarbeitsgemeinschaft <strong>der</strong> überörtlichen Träger <strong>der</strong> Sozialhilfe, Orientierungshilfe zu den Schnittstellen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe<br />

nach dem SGB XII zu an<strong>der</strong>en sozialen Leistungen („Schnittstellenpapier“) vom 24.11.2009.<br />

Anlage 1<br />

99


Anlage 1<br />

- allgemeine Ausbildung (§ 16), wie blindentechnische Grundausbildung, Kurse zur Verselbstständigung,<br />

hauswirtschaftliche Lehrgänge etc.<br />

- Anleitung von Betreuungspersonen (§ 20)<br />

- Übernahme <strong>der</strong> Kosten für Begleitpersonen i.V.m. Maßnahmen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe (§ 22)<br />

Persönliches Budget 149<br />

Ab 01.01.2008 besteht aufgrund von § 159 Abs. 5 SGB IX die Plicht <strong>der</strong> Rehabilitationsträger, auf Antrag des<br />

Leistungsberechtigten ein persönliches Budget auszureichen (siehe Budget VO vom 27.05.2004, Verordnung<br />

zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des IX. SGB). Ziel ist eine Verbesserung <strong>der</strong> Selbstbestimmung behin-<br />

<strong>der</strong>ter Menschen (§ 9 Abs. 2 und 3 des IX. SGB i. V. m. § 17). Eine Entscheidung fällt <strong>der</strong> Rehabilitationsträger<br />

per Bescheid.<br />

Hilfen in an<strong>der</strong>en Lebenslagen nach dem neunten Kapitel des SGB XII sind u. a.:<br />

- Hilfe zur Weiterführung des Haushalts (§ 70)<br />

- Altenhilfe (§ 71)<br />

Gesamtplan<br />

Nach § 58 SGB XII ist zur Durchführung <strong>der</strong> Leistungen so frühzeitig wie möglich ein Gesamtplan durch den<br />

Träger <strong>der</strong> Sozialhilfe aufzustellen, dabei soll dieser mit allen Beteiligten zusammenwirken.<br />

Wenn nach § 10 SGB IX verschiedene Leistungen o<strong>der</strong> mehrere Rehabilitationsträger erfor<strong>der</strong>lich sind, sind<br />

diese mit dem Leistungsberechtigten abzustimmen. Dabei sind die beson<strong>der</strong>en Bedürfnisse seelisch behin-<br />

<strong>der</strong>ter o<strong>der</strong> von einer solchen Behin<strong>der</strong>ung bedrohter Menschen zu berücksichtigen.<br />

HILFEN ZUR PFLEGE NACH DEM SGB XI UND XII<br />

In den vergangenen Jahren sind weitere vielfältige Verän<strong>der</strong>ungen des SGB XI erfolgt, wie u.a. das<br />

- Plege-Qualitätsgesetz (PQsG) und Plegeleistungs-Ergänzungsgesetz(Pleg) ab 01.01.2002 in Kraft<br />

- Plege-Weiterentwicklungsgesetz (WSG) ab 01.08.2008 in Kraft.<br />

Je nach Art, Häuigkeit und Umfang des Hilfebedarfs erhalten plegebedürftige Menschen eine von drei Ple-<br />

gestufen. Die seit dem 13.07.2009 gültige Richtlinie des GKV – Spitzenverbandes zur Begutachtung von Ple-<br />

gebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinie-BRi) 150 vom<br />

08.06.2009 in <strong>der</strong> Fassung vom 08.06.2009 enthält die Plegebedürftigkeitsrichtlinie (Anlage 2) und die<br />

149 Siehe auch www.budget.bmas.de sowie Näheres in Handlungsempfehlungen <strong>der</strong> BAR “Trägergreifende Aspekte bei <strong>der</strong> Ausführung von Leistun-<br />

100<br />

gen durch ein persönliches Budget“,Stand: 01.04.2009.<br />

150 Www.gkv-spitzenverband.de.


Härtefallrichtlinie (Anlage 3). Die Plegebedürftigkeitsrichtlinie regelt die Abgrenzung <strong>der</strong> Merkmale <strong>der</strong><br />

Plegebedürftigkeit und <strong>der</strong> Plegestufen, sowie das Verfahren <strong>der</strong> Feststellung <strong>der</strong> Plegebedürftigkeit. Die<br />

Leistungen <strong>der</strong> Plege 151 werden im § 28 des SGB XI benannt. § 35 a SGB XI bestimmt bei Teilnahme an einem<br />

trägerübergreifenden persönlichen Budget nach § 17 SGB IX Näheres.<br />

Das Plegezeitgesetz (PlegeZG) ermöglicht Berufstätigen bei akut auftreten<strong>der</strong> Plegebedürftigkeit einem<br />

nahen Angehörigen eine kurzzeitige Freistellung von seiner/ihrer Arbeit. Hat <strong>der</strong> Arbeitgeber mehr als 15 Mit-<br />

arbeiter beschäftigt, ist eine plegebedingte Freistellung bis sechs Monate möglich. Ergänzende Leistungen<br />

erhalten Menschen mit erheblichen eingeschränkten Alltagskompetenzen auch dann, wenn die Vorausset-<br />

zungen für die Plegestufe 1 nicht erfüllt sind (sog. Betreuungsgeld). 152<br />

Der Begriff <strong>der</strong> Plege nach dem SGB XI gilt analog für die Hilfe zur Plege nach dem 7. Kapitel des SGB XII.<br />

Die Entscheidungen für analoge Leistungsbereiche <strong>der</strong> Träger <strong>der</strong> Plegeversicherungsleistungen sind bin-<br />

dend für die Träger <strong>der</strong> Sozialhilfe (§ 62 SGB XII).<br />

Darauf hinzuweisen ist, dass § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII den Anspruch bei einfacher Plegebedürftigkeit<br />

(Plegestufe 0) regelt. 153<br />

Abgrenzung zu an<strong>der</strong>en Rehabilitations- und Leistungsträgern<br />

Im Folgenden werden einige Leistungen für autistische Menschen hinsichtlich Zuständigkeiten, Schnittstellen<br />

und Problemfel<strong>der</strong>n aufgeführt:<br />

Träger <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

§ 10 SGB VIII regelt das Verhältnis <strong>der</strong> Leistungen nach dem SGB VIII zu den Leistungen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungs-<br />

hilfe nach dem SGB XII. In Brandenburg wurde von <strong>der</strong> Möglichkeit des § 10 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII bisher nicht<br />

Gebrauch gemacht, sodass die Maßnahmen <strong>der</strong> Frühför<strong>der</strong>ung nach Art <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung von dem jeweils<br />

zuständigen Leistungsträger gewährt werden.<br />

Einglie<strong>der</strong>ungshilfe für seelisch behin<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong> und Jugendliche, Hilfe zur Erziehung und Hilfe für junge<br />

Volljährige werden nach den Bestimmungen des SGB VIII durch die örtlichen Träger <strong>der</strong> Jugendhilfe geleistet.<br />

Aufgabe, Art und Ziel <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe richten sich gem. § 35 a SGB VIII nach §§ 53, 54, 56 und 57 des<br />

SGB XII, soweit diese auch auf seelisch behin<strong>der</strong>te o<strong>der</strong> von einer solchen Behin<strong>der</strong>ung bedrohte Personen<br />

Anwendung inden.<br />

151 Siehe auch www.bundesgesundheitsministerium.de<br />

152 Siehe www.mds-ev.org.de<br />

153 Siehe www.bmg.de Themenschwerpunkte Plegeversicherung/Plege/Informationen.<br />

Anlage 1<br />

101


Anlage 1<br />

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB VIII ist<br />

a) Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt<br />

b) Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt<br />

c) junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt und<br />

d) junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist.<br />

Diese Begriffsbestimmung wird in Brandenburg in <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe nach dem SGB IX und XII analog<br />

angewendet. 154<br />

Frühför<strong>der</strong>ung<br />

Grundlage <strong>der</strong> Frühför<strong>der</strong>ung sind die Vorschriften <strong>der</strong> §§ 26, 30, 55 und 56 des SGB IX für die Erbringung <strong>der</strong><br />

Leistungen für behin<strong>der</strong>te und von Behin<strong>der</strong>ung bedrohte Kin<strong>der</strong> als Komplexleistung. Diese ist als ganzheit-<br />

liche interdisziplinäre Beratung, Diagnostik, För<strong>der</strong>ung und Behandlung deiniert. Durch die Verordnung zur<br />

Früherkennung und Frühför<strong>der</strong>ung behin<strong>der</strong>ter und von Behin<strong>der</strong>ung bedrohter Kin<strong>der</strong> (Frühför<strong>der</strong>ungsver-<br />

ordnung – Früh VO) vom 24. Juni 2003 wurden durch den Bundesgesetzgeber gesetzliche Vorgaben für die<br />

Erbringung <strong>der</strong> Komplexleistung getätigt und die Möglichkeit eingeräumt, über Landesempfehlungen eine<br />

Präzisierung vorzunehmen. Seit 01.07.2007 gibt es eine Rahmenvereinbarung für das Land Brandenburg zur<br />

Regelung <strong>der</strong> inhaltlichen Umsetzung <strong>der</strong> Komplexleistung in Interdisziplinären Frühför<strong>der</strong>- und Beratungs-<br />

stellen (IFFB) und SPZ sowie <strong>der</strong> Kostenteilung <strong>der</strong> Rehabilitationsträger (siehe auch Kapitel 6.1).<br />

Schulische Ausbildung<br />

Grundlagen sind:<br />

- Empfehlungen zu Erziehung und Unterricht von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen mit autistischem Verhalten, Be-<br />

schluss <strong>der</strong> Kultusministerkonferenz (nach folgend KMK genannt) vom 16.06.2000<br />

- Gesetz über die Schulen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Schulgesetz BbgSchulG) i. d. F. vom<br />

02.08.2002, zuletzt geän<strong>der</strong>t am 07.07.2009<br />

- Verordnung über Unterricht und Erziehung für junge Menschen mit son<strong>der</strong>pädagogischem För<strong>der</strong>bedarf<br />

(Son<strong>der</strong>pädagogik-Verordnung - SopV) vom 02. August 2007 (GVBl.II/09, S.223), zuletzt geän<strong>der</strong>t durch<br />

Artikel 1 <strong>der</strong> Verordnung vom 10. Juli 2009, (GVBl.II/09, (Nr: 22); S. 433)<br />

- Verwaltungsvorschriften zur Son<strong>der</strong>pädagogik-Verordnung (VV–SopV) (Amtsblatt des MBJS (Nr. 7) 2007,<br />

102<br />

S. 223), zuletzt geän<strong>der</strong>t durch Verwaltungsvorschriften zur Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verwaltungsvorschriften zur<br />

Son<strong>der</strong>pädagogik-Verordnung vom 09. Juli 2009 (Amtsblatt des MBJS (Nr. 6) 2009, S.220)<br />

154 Siehe auch Bundesarbeitsgemeinschaft <strong>der</strong> überörtlichen Träger <strong>der</strong> Sozialhilfe, Orientierungshilfe zu den Schnittstellen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe<br />

nach dem SGB XII zu an<strong>der</strong>en sozialen Leistungen („Schnittstellenpapier“) vom 24.11.2009.


Anerkennung des son<strong>der</strong>pädagogischen För<strong>der</strong>bedarfes gem. SopV<br />

- Das Feststellungsverfahren erfolgt gem. § 3 SopV auf Antrag eines Berechtigten bei dem für die Wohnung<br />

zuständigen staatlichen Schulamt.<br />

- Antragsberechtigt sind gem. § 2 BbgSchulG die für die Person des(r) min<strong>der</strong>jährigen Schülers(in) einzeln<br />

o<strong>der</strong> gemeinsam Sorgeberechtigten o<strong>der</strong> nach diesem Gesetz gleichgestellten Personen und Schüler/-<br />

innen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben.<br />

- Der Antrag auf ein Feststellungsverfahren kann (entsprechend 3-zu § 3 VV-SopV) bis zu einem Jahr vor Be-<br />

ginn <strong>der</strong> Schulplicht gestellt werden.<br />

- Das staatliche Schulamt entscheidet über den Beginn des Feststellungsverfahrens und beauftragt gem.<br />

§ 3 Abs. 1 SopV die zuständige Son<strong>der</strong>pädagogische Beratungsstelle (SpFB) mit <strong>der</strong> Durchführung des<br />

Feststellungsverfahrens.<br />

- Das Feststellungsverfahren erfolgt durch einen För<strong>der</strong>ausschuss und glie<strong>der</strong>t sich in <strong>der</strong> Regel in<br />

- die Grundfeststellung des son<strong>der</strong>pädagogischen För<strong>der</strong>bedarfs (Stufe I) und<br />

- in die för<strong>der</strong>diagnostische Lernbeobachtung (Stufe II).<br />

- Die Feststellung des son<strong>der</strong>pädagogischen För<strong>der</strong>bedarfs in den För<strong>der</strong>schwerpunkten „Sehen“, „Hören“,<br />

„körperliche und motorische Entwicklung“, „geistige Entwicklung“ und bei autistischem Verhalten soll in<br />

<strong>der</strong> Stufe I in <strong>der</strong> Regel abschließend erfolgen. In den För<strong>der</strong>schwerpunkten „Lernen“, „Sprache“ und<br />

„emotionale und soziale Entwicklung“ erfolgt die abschließende Feststellung in <strong>der</strong> Regel in <strong>der</strong> Stufe II.<br />

Auf Antrag <strong>der</strong> Eltern kann das Feststellungsverfahren in <strong>der</strong> Stufe I abgeschlossen werden (entsprechend<br />

§ 3, Abs. 4 SopV).<br />

- Für die Grundfeststellung sind alle bisherigen Feststellungen <strong>der</strong> Schüler(-innen) heranzuziehen, insbeson-<br />

<strong>der</strong>e die Ergebnisse <strong>der</strong> Lernstandsfeststellung und die Lernpläne <strong>der</strong> Grundschule. Die zuständige SpFB<br />

kann darüber hinaus zur Feststellung <strong>der</strong> Entwicklungs- und Leistungsauffälligkeiten und bisheriger För-<br />

<strong>der</strong>maßnahmen weitere Unterlagen und Gutachten einholen.<br />

- Der För<strong>der</strong>ausschuss erarbeitet eine Bildungsempfehlung. Mitglie<strong>der</strong> eines För<strong>der</strong>ausschusses sind die<br />

mit dem Vorsitz beauftragte Lehrkraft <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>pädagogischen För<strong>der</strong>- und Beratungsstelle und die El-<br />

tern.<br />

- Nach § 4 Abs. 3 SopV sind die für die Entscheidungsindung zum geeigneten Lernort, insbeson<strong>der</strong>e hin-<br />

sichtlich <strong>der</strong> Bereitstellung notwendiger, zusätzlicher, sächlicher und personeller Mittel, zuständigen Kos-<br />

tenträger rechtzeitig einzubeziehen und das Benehmen herzustellen.<br />

- Das zuständige staatliche Schulamt entscheidet per Verwaltungsbescheid nach § 5 SopV unter Berück-<br />

sichtigung des Elternwunsches, auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Bildungsempfehlung über den Lernort, Jahrgangs-<br />

stufe, anzuwendenden Rahmenplan, För<strong>der</strong>umfang und -inhalt sowie Nachteilsausgleich.<br />

Beruliche Rehabilitation<br />

Anlage 1<br />

Nach den Bestimmungen des SGB III übernehmen die örtlichen Agenturen für Arbeit die Leistungen <strong>der</strong> Ar-<br />

beitsför<strong>der</strong>ung, wie u. a. Berufsberatung, Berufsvorbereitungsunterstützung, Ausbildungs- und Arbeitsver-<br />

103


Anlage 1<br />

mittlung. 155 Hochbegabte studierende behin<strong>der</strong>te Menschen erhalten von zuständigen örtlichen Trägern <strong>der</strong><br />

Sozialhilfe Leistungen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe. 156<br />

Mit Wirkung vom 01.01.2009 wurde mit Einführung des § 38 a GB IX die Unterstützte Beschäftigung festge-<br />

legt, mit dem Ziel, Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung dauerhaft eine bezahlte Arbeit zu sichern. Das integrative Kon-<br />

zept umfasst die beruliche Orientierung und Vorbereitung, die Arbeitsplatzbeschaffung und Vermittlung, die<br />

Qualiizierung im Betrieb und die langfristige Sicherstellung des Arbeitsverhältnisses. 157<br />

REGELUNGEN FÜR DIE BERUFLICHE REHABILITATION IN WERKSTÄTTEN FÜR<br />

BEHINDERTE MENSCHEN (NACHFOLGEND WFBM) 158<br />

Der Einglie<strong>der</strong>ungserfolg von Jugendlichen und Erwachsenen mit <strong>Autismus</strong> in einer WfbM setzt eine integrie-<br />

rende Arbeitsbegleitung durch ein gut vorbereitetes und qualiiziertes Fachpersonal voraus. 159<br />

Personenkreis und Aufnahmevoraussetzungen<br />

Auf die Erbringung von Leistungen in einer WfbM hat <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>te Mensch nach § 39 SGB IX einen Rechts-<br />

anspruch, wenn er – unabhängig von <strong>der</strong> jeweiligen Arbeitsmarktlage – voll erwerbsgemin<strong>der</strong>t im Sinne<br />

des § 43 Abs. 2 SGB VI ist. Dies gilt so lange, wie er die für die einzelnen Bereiche (§§ 40, 41 SGB IX) maßgeben-<br />

den Kriterien erfüllt.<br />

Die WfbM (§ 136 Abs. 1 SGB IX) hat denjenigen behin<strong>der</strong>ten Menschen, die wegen Art o<strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong><br />

Behin<strong>der</strong>ung<br />

- nicht<br />

- noch nicht o<strong>der</strong><br />

- noch nicht wie<strong>der</strong> auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können,<br />

155 Begriffsbestimmungen, Gesamtübersicht <strong>der</strong> Leistungen, Empfehlungen <strong>der</strong> BAG Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbrin-<br />

104<br />

gung inanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz gem. § 102 Abs. 4 SGB IX unter www.integrationsaemter.de.<br />

156 Siehe: Bundesarbeitsgemeinschaft <strong>der</strong> überörtlichen Träger <strong>der</strong> Sozialhilfe (BAGüS), Empfehlungen für Leistungen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe für be-<br />

hin<strong>der</strong>te Menschen zum Besuch einer Hochschule, Stand 24.05.2006.<br />

157 Siehe www.bag-ug.de.<br />

158 Siehe Bundesarbeitsgemeinschaft <strong>der</strong> überörtlichen Träger <strong>der</strong> Sozialhilfe, Werkstattempfehlungen Stand 01.01.2010 i.V.m. Fachkonzept für Ein-<br />

gangsverfahren und Berufsbildungsbereich in Werkstätten für behin<strong>der</strong>te Menschen vom 21.06.2010.<br />

159 Verordnung zur Bestimmung <strong>der</strong> Zuständigkeit für die Durchführung zum anerkannten Abschluss „anerkannte Fachkraft zur Arbeits- und Berufs-<br />

för<strong>der</strong>ung in anerkannten Werkstätten für behin<strong>der</strong>te Menschen“, GVB 1 Teil II Nr. 22 vom 16.09.2003.


Anlage 1<br />

eine angemessene beruliche Bildung und Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsent-<br />

gelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten und zu ermöglichen, ihre Leistungs- und Erwerbsfähigkeit zu erhal-<br />

ten, zu entwickeln, zu erhöhen o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>zugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Die<br />

WfbM hat den Übergang geeigneter behin<strong>der</strong>ter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch ge-<br />

eignete Maßnahmen zu för<strong>der</strong>n und steht allen behin<strong>der</strong>ten Menschen im vorgenannten Sinne, unabhängig<br />

von Art und Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teil-<br />

nahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer<br />

Arbeitsleistung erbringen werden (§ 136 Abs. 2 Satz 1 SGB IX).<br />

Darüber hinaus sind durch die Werkstatt gem. § 136 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB IX, § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 WVO<br />

zur Vermittlung sozialer Kompetenzen auf Grund <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ung geeignete Maßnahmen zur Weiterent-<br />

wicklung <strong>der</strong> Persönlichkeit, För<strong>der</strong>ung des Selbstwertgefühls und Entwicklung des Sozialverhaltens durchzu-<br />

führen.<br />

Ausschlusskriterien<br />

§ 136 Abs. 2 Satz 2 i.V. m. § 137 Abs. 2 SGB IX bestimmt den Personenkreis, <strong>der</strong> nicht in die WfbM aufgenom-<br />

men werden o<strong>der</strong> dort verbleiben darf. Dass sind behin<strong>der</strong>te Menschen, bei denen<br />

- trotz einer <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- o<strong>der</strong> Fremdgefährdung zu<br />

erwarten ist (Anmerkung: Wegen <strong>der</strong> autismusspeziischen Wirkungen problembehaftet, insofern sind bei<br />

<strong>der</strong> Aufnahme und bei <strong>der</strong> Sicherstellung des Einglie<strong>der</strong>ungserfolgs von Jugendlichen und Erwachsenen<br />

mit <strong>Autismus</strong> in einer WfbM diese zu berücksichtigen) o<strong>der</strong><br />

- das Ausmaß <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Betreuung und Plege die Teilnahme im Berufsbildungsbereich nicht zu-<br />

lässt o<strong>der</strong><br />

- sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauer-<br />

haft nicht (mehr) ermöglichen, weil sie das in § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB IX beschriebene Kriterium für die Auf-<br />

nahme bzw. weitere Beschäftigung (§ 137 Abs. 2 SGB IX) nicht o<strong>der</strong> nicht mehr erfüllen.<br />

Leistungsrechtliche Vorschriften <strong>der</strong> Rehabilitationsträger (nachfolgend Reha-Träger genannt)<br />

Die von den Reha-Trägern zu erbringenden Leistungen in einer WfbM richten sich gem. § 7 SGB IX nach den<br />

Vorschriften <strong>der</strong> §§ 39 ff. SGB IX und den für die jeweiligen Reha-Träger geltenden Leistungsgesetzen:<br />

- SGB III -Arbeitsför<strong>der</strong>ung (EV/BBB)<br />

- SGB VI - Gesetzliche Rentenversicherung (EV/BBB)<br />

- SGB VII - Gesetzliche Unfallversicherung (EV/BBB,AB)<br />

- SGB VIII - Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfe (AB)<br />

- BVG - Bundesversorgungsgesetz (EV/BBB,AB)<br />

- SGB XII - Sozialhilfe (AB)<br />

§ 42 SGB IX regelt, welche Rehabilitationsträger für die einzelnen Leistungen in <strong>der</strong> WfbM Eingangsverfahren<br />

(EV), Berufsbildungsbereich (BBB) und Arbeitsbereich (AB) zuständig sind.<br />

105


Anlage 1<br />

Leistungen des Trägers <strong>der</strong> Sozialhilfe<br />

Sind Leistungen durch den Träger <strong>der</strong> Sozialhilfe zu erbringen (§ 42 Abs. 2 SGB IX), so handelt es sich hierbei<br />

grundsätzlich um Leistungen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe für behin<strong>der</strong>te Menschen nach dem § 54 Abs. 1 Satz<br />

1 SGB XII zur Beschäftigung im Arbeitsbereich <strong>der</strong> WfbM (§ 41 SGB IX).<br />

Eine Beschäftigung im Arbeitsbereich ist nicht möglich für:<br />

- Lernbehin<strong>der</strong>te, die nicht wesentlich behin<strong>der</strong>t i. S. d. §§ 1 bis 3 Einglie<strong>der</strong>ungshilfe-Verordnung sind,<br />

- arbeitslose schwer behin<strong>der</strong>te Menschen, da diese dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen,<br />

- erwerbsfähige behin<strong>der</strong>te Menschen, für die Leistungen zur Einglie<strong>der</strong>ung in Arbeit nach § 16 SGB II o<strong>der</strong><br />

Leistungen zur Einglie<strong>der</strong>ung i.V. m. § 33 SGBIX erbracht werden können,<br />

- Personen, bei denen ausschließlich wegen beson<strong>der</strong>er sozialer Schwierigkeiten Hilfe nach § 67 SGB XII ge-<br />

boten ist,<br />

- Bezieher von Rente wegen teilweiser Erwerbsmin<strong>der</strong>ung nach § 43 SGB VI,<br />

- Bezieher von Rente wegen voller Erwerbsmin<strong>der</strong>ung, die weniger als sechs Stunden, jedoch mehr als drei<br />

Stunden täglich erwerbsfähig sein können und durch Entscheidung des Rentenversicherungsträgers unter<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> allgemeinen Arbeitsmarktlage als voll erwerbsunfähig gelten.<br />

Liegen die persönlichen Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer WfbM nicht bzw. nicht mehr<br />

vor, sind dem behin<strong>der</strong>ten Menschen an<strong>der</strong>e geeignete För<strong>der</strong>- und Betreuungsmöglichkeiten vom zu-<br />

ständigen Reha-Träger anzubieten (z. B. im För<strong>der</strong>- und Beschäftigungsbereich, angeglie<strong>der</strong>t an eine WfbM<br />

(FBB) i. S. d. § 136 Abs. 3 SGB IX o<strong>der</strong> in Wohnstätten für behin<strong>der</strong>te Menschen).<br />

Behin<strong>der</strong>te Menschen, die die in § 136 Abs. 2 SGB IX genannten Aufnahmekriterien für die För<strong>der</strong>ung und Be-<br />

schäftigung in einer WfbM nicht o<strong>der</strong> noch nicht erfüllen, erhalten Leistungen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe nach<br />

§ 54 Abs. 1 SGB IX in Form <strong>der</strong> Leistungen zur Teilhabe am Leben in <strong>der</strong> Gemeinschaft (§ 55 SGB IX).<br />

Werden die Leistungen im För<strong>der</strong>- und Beschäftigungsbereich, angeglie<strong>der</strong>t an eine WfbM, erbracht, ist ent-<br />

sprechend dem Maßnahmeziel zu unterscheiden in<br />

- Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erfor<strong>der</strong>lich und geeignet sind, behin<strong>der</strong>-<br />

ten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen (§ 54 Abs. 1 i.V. m. § 92 Abs.<br />

2 Nr. 8 SGB XII o<strong>der</strong> i.V. m. § 55 SGB IX)<br />

- sonstige Hilfen zur Teilhabe am Leben in <strong>der</strong> Gemeinschaft (§ 54 Abs. 1 SGB XII).<br />

106


ANLAGE 2<br />

ERLÄUTERUNGEN / BEGRIFFE<br />

Begriffe aus dem Bereich <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen<br />

ABA<br />

Anlage 2<br />

Applied Behavior Analysis bzw. Angewandte Verhaltenstherapie ist eine Therapieform, welche durch den ge-<br />

zielten Einsatz von Verstärkung kleinschrittig und mit vielen Wie<strong>der</strong>holungen unterschiedliche Kompetenzen<br />

anbahnt. Wichtig dabei ist die Verhaltenshilfe zum Ausbau des erwünschten Verhaltens (sog. Prompting), die<br />

immer dann gegeben wird, wenn ein Kind eine korrekte Lösung nicht zeigen kann. Eine korrekte Antwort<br />

wird immer durch Lob und einen weiteren Verstärker belohnt. Verstärker können beliebte ess- o<strong>der</strong> trinkbare<br />

Dinge, Handlungen, Spielzeuge o<strong>der</strong> sonstige Dinge sein, die für den Betroffenen eine Belohnung darstellen.<br />

ABA ist auf den Prozess einer Verhaltensän<strong>der</strong>ung im Sinne <strong>der</strong> Entwicklung von adaptivem, prosozialem Ver-<br />

halten sowie <strong>der</strong> Verringerung von nicht angepasstem und unangemessenem Verhalten ausgerichtet. Die<br />

Motivation des Kindes wird gezielt in den Vor<strong>der</strong>grund gerückt. Aufbauend werden Therapiepunkte erarbei-<br />

tet, die überwiegend in natürlichen Situationen und am Tisch erarbeitet werden können.<br />

ADHD<br />

Attention Deicit Hyperactivity Disor<strong>der</strong>; Eine Form von ADD, die mit Hyperaktivität einhergeht. Man sieht die<br />

Ursache heute in einer Störung des Gehirnstoffwechsels; wird bei schweren Fällen häuig mit Ritalin erfolg-<br />

reich behandelt.<br />

ADOS<br />

Diagnostische Beobachtungsskala für <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen; Verfahren zur Erfassung von Kommuni-<br />

kation, sozialer Interaktion und Spielverhalten mit Gegenständen bei Personen mit vermuteter <strong>Autismus</strong>-<br />

Spektrum-Störung o<strong>der</strong> einer an<strong>der</strong>en tiefgreifenden Entwicklungsstörung. ADOS ist eine Ratingskala mit<br />

Untersuchungsmaterial und gehört zum internationalen Standard <strong>der</strong> Diagnostik von Störungen des autisti-<br />

schen Spektrums nach ICD-10 und DSM-IV. In Abhängigkeit vom Alter und Sprachniveau <strong>der</strong> betreffenden<br />

Person wird eines von vier Untersuchungsmodulen gewählt, um anhand von gezielt inszenierten spieleri-<br />

schen Elementen, Aktivitäten und Gesprächen relevante Sachverhalte und Symptome für die Diagnose des<br />

<strong>Autismus</strong> prüfen zu können.<br />

Affolter, Félicie<br />

Siehe Therapie nach Affolter<br />

Asperger-Syndrom<br />

Hans Asperger beschrieb die nach ihm benannte Unterform <strong>der</strong> <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen erstmals um-<br />

fassend. Asperger-<strong>Autismus</strong> wird in <strong>der</strong> Regel später diagnostiziert als <strong>der</strong> frühkindliche <strong>Autismus</strong>, was über-<br />

wiegend auf die fehlende Sprachentwicklungsverzögerung und die nicht vorhandene kognitive Beeinträch-<br />

107


Anlage 2<br />

tigung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> zurückzuführen ist. Im Allgemeinen werden markante Auffälligkeiten <strong>der</strong> kindlichen Ent-<br />

wicklung etwa ab dem 3. Lebensjahr deutlich. Beim Asperger-Syndrom fällt in beson<strong>der</strong>em Maße die Diskre-<br />

panz zwischen intellektuellen Leistungen und den emotionalen Bereichen <strong>der</strong> Persönlichkeit auf. Die soziale<br />

Interaktion wirkt in den Bereichen Non-Verbales Verhalten (Gestik, Mimik, Gebärden, Blickkontakt) zuneh-<br />

mend eingeschränkt. Es fällt den Kin<strong>der</strong>n schwer, zwanglose Beziehungen zu Gleichaltrigen o<strong>der</strong> Älteren her-<br />

zustellen o<strong>der</strong> in Kontaktsituationen emotional zu reagieren. Ungewöhnliche und sehr ausgeprägte<br />

Interessen sowie stereotype Verhaltensmuster ersetzen die normaltypische Entwicklung des Kindesalters. Die<br />

Intelligenz ist meist mit gut bis überdurchschnittlich ausgeprägt, Intelligenzschwäche liegt selten vor. Weitere<br />

Auffälligkeiten sind durch motorische Ungeschicklichkeiten, grob- und feinmotorische Koordinationsstörun-<br />

gen sowie ungelenke und linkische Motorik gekennzeichnet.<br />

Atypischer <strong>Autismus</strong><br />

Ein atypischer <strong>Autismus</strong> wird dann diagnostiziert, wenn nicht alle von den Klassiikationssystemen des DSM-<br />

IV und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ICD-10 gefor<strong>der</strong>ten Kriterien erfüllt sind (Beeinträchtigungen in <strong>der</strong> sozialen Interaktion; Be-<br />

einträchtigungen in <strong>der</strong> Kommunikation; eingeschränktes, stereotyp repetitives Verhalten).<br />

<strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung (ASS)<br />

bezeichnet als Überbegriff die Vielfalt aller autistischen Störungen, die sich durch unterschiedlichste Sympto-<br />

men und Ausprägungen beinhalten. Als die beiden Hauptformen von ASS werden <strong>der</strong> frühkindliche <strong>Autismus</strong><br />

nach Kanner und das Asperger-Syndrom angesehen. Atypischer <strong>Autismus</strong> bezeichnet eine Form <strong>der</strong> Autis-<br />

mus-Spektrum-Störungen, bei <strong>der</strong> keine Diagnose für eine <strong>der</strong> Hauptformen alleingültig zugeordnet werden<br />

konnte.<br />

Comicstrip Geschichten<br />

Ähnlich wie Sozialgeschichten vermitteln Comicstrip Geschichten nach Carol Gray allgemeine Verhaltensre-<br />

geln o<strong>der</strong> soziale Zusammenhänge. In visualisierten Darstellungen können konkrete Verhaltensweisen erklärt<br />

und eingeübt werden. Entsprechende Zeichnungen und Symbole können individuell festgelegt sein (z. B.<br />

Symbolkarten, Strichmännchen o<strong>der</strong> auch Lieblingsiguren). Gesagtes kann durch Sprechblasen dargestellt<br />

werden. Viele Präsentationsmöglichkeiten geben gestalterischen Freiraum (z. B. auf Papier, an <strong>der</strong> Tafel, im<br />

Sand). Auch Farben können zum Einsatz kommen, beispielsweise die Farbe Rot für ärgerlich, unfreundlich,<br />

Wut. Comicstrip Geschichten setzen ausgeprägtere kognitive Leistungen voraus.<br />

Delacato-Methode<br />

Carl Delacato, amerikanischer Psychologe und Pädagoge, geht davon aus, dass Menschen mit ASS eine Hirn-<br />

verletzung haben. Diese Hirnverletzung trennen seiner Ansicht nach die Sinnesbahnen des Gehirns zur Au-<br />

ßenwelt und verursachen eine Wahrnehmungsstörung. Delacato beschreibt aber gleichermaßen die<br />

Plastizität des Gehirns und die Möglichkeit, durch konsequentes Training die abgetrennten Sinnesbahnen zu<br />

umgehen, um über neue Wege die Wahrnehmung wie<strong>der</strong>herzustellen. Delacato unterteilt die Funktionsstö-<br />

rungen in: Hypersensitiv – Die Sinnesbahn ist zu weit offen, als Folge davon gelangen zu viele Reize in das<br />

Gehirn und können nicht normal bewältigt werden. Hyposensitiv – Die Sinnesbahn ist nicht offen genug, so-<br />

108


Anlage 2<br />

dass zu wenige Reize aufgenommen werden und ein Reizmangel entsteht. Weißes Geräusch – Die Sinnes-<br />

bahn schafft Eigenreize als Folge <strong>der</strong> gestörten Funktion, die Wahrnehmung aus <strong>der</strong> Außenwelt wird dadurch<br />

entstellt o<strong>der</strong> überdeckt. Durch die Delacato-Methode werden bestimmte Bewegungsmuster passiv und<br />

rhythmisch mit verschiedenen Hilfsmitteln trainiert. Greif- und Tastübungen, vestibuläre Stimulation, Stimula-<br />

tion des Sehens, Hörens und <strong>der</strong> taktilen Wahrnehmung, Sprachtherapie und Diät gehören in das Gesamtkon-<br />

zept <strong>der</strong> Delacato-Methode. Ziel ist die Wie<strong>der</strong>herstellung und Differenzierung des Nervensystems.<br />

Diäten<br />

Eltern von Kin<strong>der</strong>n mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen berichten teilweise von Erfolgen bei <strong>der</strong> Einhaltung<br />

von Diäten, z. B. einer gluten- und kaseinfreien Ernährung. Die Verän<strong>der</strong>ungen durch eine Diät werden mit be-<br />

stehenden Stoffwechselerkrankungen in Verbindung gebracht. Nach Aufnahme <strong>der</strong> Diät wird von <strong>der</strong> Einstel-<br />

lung besserer Schlafgewohnheiten berichtet, ggf. vorhandene Verstopfungen bei den Ausscheidungen hätten<br />

sich gelöst und das Erscheinungsbild des Kindes sei im Allgemeinen ruhiger geworden. Über die Frage, wie<br />

sinnvoll, notwendig o<strong>der</strong> möglicherweise sogar gefährlich eine solche Ernährungsumstellung ist, streiten sich<br />

die Fachleute allerdings. Einige Mediziner verweisen auf die Gefahren von Mangel- o<strong>der</strong> Fehlernährung hin.<br />

Wissenschaftlich konnte <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen einer Diät und <strong>der</strong> scheinbar verbesserten Lebenssi-<br />

tuation des Kindes mit ASS noch nicht nachgewiesen werden.<br />

Echolalie<br />

Echohaftes Wie<strong>der</strong>holen dessen, das zu einer Person gesagt wird, auch mit z. T. erheblicher Verzögerung. Dies<br />

ist bei vielen sprechenden Autisten zu bemerken. Als Funktionale Echolalie wird bezeichnet, wenn die wie<strong>der</strong>-<br />

holte Phrase eine damit verbundene Bedeutung o<strong>der</strong> Absicht hat. Z. B.: „Hol deine Jacke!“, wenn die Person<br />

nach draußen gehen will.<br />

Elterntraining<br />

Allgemeines Ziel eines Elterntrainings ist es, Eltern theoretisches und praktisches Wissen über den Umgang<br />

mit ihrem Kind im Alltag und über die För<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten ihres Kindes zu vermitteln. Bei Elterntrai-<br />

ningsverfahren kann unterschieden werden zwischen Elterngruppentraining und Elterneinzeltraining. Oft<br />

wird das Gruppentraining mit dem Einzeltraining kombiniert. Der Schwerpunkt beim Elterntraining liegt auf<br />

<strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Kompetenzen von Eltern. Dabei geht man grundsätzlich davon aus, dass die Eltern, die<br />

in <strong>der</strong> Regel vor überdurchschnittlich schwierigen Erziehungsaufgaben stehen, „psychisch gesund“ und „sta-<br />

bil“ sind. Dennoch benötigen sie zur Bewältigung ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit ASS häuig Anlei-<br />

tung, Beratung und emotionale Unterstützung. Beim Elterntraining werden Therapeuten, Pädagogen und<br />

an<strong>der</strong>e Fachkräfte in erster Linie als Kooperationspartner von Eltern angesehen. Mögliche Inhalte von Eltern-<br />

trainingsprogrammen (nach Bölte 2009, S. 302):<br />

- Lernverhalten des Kindes: Beobachtung und Verständnis <strong>der</strong> gestörten sozialen Reizverarbeitung<br />

- Verhaltenstherapeutisches Training: Grundelemente von Lerntheorie und autismusspeziischer<br />

Verhaltenstherapie<br />

- Professionalisierung <strong>der</strong> Eltern: Eltern als Therapeuten ihres Kindes, Erhöhung <strong>der</strong> Selbstwirksamkeit<br />

- Aufbau entwicklungsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Interaktion<br />

109


Anlage 2<br />

Ergotherapie<br />

zusammenfassende Bezeichnung für Beschäftigungstherapie und Arbeitstherapie; indet Anwendung bei <strong>der</strong><br />

Therapie von Störungen <strong>der</strong> Motorik, <strong>der</strong> Sinnesorgane und <strong>der</strong> geistigen und psychischen Fähigkeiten bei<br />

Patienten und Behin<strong>der</strong>ten jedes Alters. Trainiert werden u. a. Essen, Waschen, Ankleiden, Schreiben, <strong>der</strong> Um-<br />

gang mit an<strong>der</strong>en Menschen, die Belastbarkeit am Arbeitsplatz usw. Ziel ist eine weitestgehende Selbständig-<br />

keit im täglichen Leben und im Beruf.<br />

Facilitated Communication (FC)<br />

Facilitated Communication (Gestützte Kommunikation) ist eine Trainingsmethode, die bei schweren Kommu-<br />

nikationsbeeinträchtigungen und neuromotorischen Störungen eine Möglichkeit bieten soll, sich ohne Laut-<br />

sprache mitzuteilen. Ursprünglich zielte die Gestützte Kommunikation hauptsächlich darauf ab, dass ein<br />

Helfer (Facilitator) den in seiner Kommunikation eingeschränkten Menschen an <strong>der</strong> Hand, am Arm o<strong>der</strong> an <strong>der</strong><br />

Schulter stützt, während dieser auf eine Buchstabentafel o<strong>der</strong> eine Buchstabentastatur zeigt bzw. tippt, um<br />

sich Buchstabe für Buchstabe in Worten o<strong>der</strong> Sätzen auszudrücken. Während des Stützens darf nicht bei <strong>der</strong><br />

Auswahl von Buchstaben geholfen werden, die Stützung soll schrittweise weitestmöglich zurückgenommen<br />

werden. Inzwischen ist es ein Anliegen <strong>der</strong> Gestützten Kommunikation geworden, auch an<strong>der</strong>e Methoden <strong>der</strong><br />

lautsprachunabhängigen, alternativen und multimodalen Unterstützenden Kommunikation zu integrieren<br />

(Augmentative and Alternative Communication, AAC). Das bedeutet, dass außer den Schriftzeichen vermehrt<br />

Körpersprache und Gebärden in die Kommunikation einbezogen sowie Fotos, Bil<strong>der</strong> und Symbole als Bedeu-<br />

tungsträger genutzt werden. Neben dem Computer haben im Zuge <strong>der</strong> technischen Weiterentwicklung auch<br />

an<strong>der</strong>e elektronische Kommunikationshilfen an Verbreitung gewonnen, z. B. ein Talker, <strong>der</strong> Tastendruck in<br />

Lautsprache transformiert.<br />

FED<br />

Familien Entlasten<strong>der</strong> Dienst; eine Möglichkeit, stunden- o<strong>der</strong> auch tageweise eine qualiizierte Betreuung für<br />

Angehörige mit Unterstützungsbedarf zu erhalten.<br />

Frühkindlicher <strong>Autismus</strong><br />

Auch als Kanner-Syndrom bezeichnet, wird <strong>der</strong> Frühkindliche <strong>Autismus</strong> mit seinen Merkmalen im Allgemei-<br />

nen vor dem vollendeten 3. Lebensjahr erkennbar. Im Gegensatz zum Asperger-<strong>Autismus</strong> werden in <strong>der</strong> Regel<br />

relativ früh Beson<strong>der</strong>heiten diagnostiziert. Der Frühkindliche <strong>Autismus</strong> wird heute als schwerere Form einer<br />

autistischen Störung verstanden. Ein Teil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> nimmt mehr als ein Jahr eine normale Entwicklung, die<br />

dann plötzlich stagniert. Häuig gehen bereits erworbene Fähigkeiten wie<strong>der</strong> verloren. Ungefähr die Hälfte<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> mit Frühkindlichem <strong>Autismus</strong> erwirbt keine Lautsprache. Weiterhin auffällig sind die einge-<br />

schränkte Interessenlage sowie stereotype Verhaltensmuster, wie sie bei einer normaltypischen Entwicklung<br />

im Kindesalter wichtig wären.<br />

Gehörtraining<br />

Siehe AIT / Audiotraining<br />

110


Anlage 2<br />

High-Functioning <strong>Autismus</strong> (HFA) gilt als eine Variante des frühkindlichen <strong>Autismus</strong>, dessen Betroffene<br />

keine o<strong>der</strong> eine nur geringe Intelligenzmin<strong>der</strong>ung aufweisen. Diese Form <strong>der</strong> <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen<br />

ist nicht immer leicht vom Asperger-<strong>Autismus</strong> abzugrenzen. Ein wichtiges Unterscheidungskriterium ist je-<br />

doch die verzögerte Entwicklung sprachlicher Kompetenzen, die beim hochfunktionalen <strong>Autismus</strong> zu beob-<br />

achten ist, nicht aber beim Asperger-Syndrom.<br />

Kanner-Syndrom<br />

Leo Kanner hat frühkindlichen <strong>Autismus</strong> erstmalig als eigenständiges Krankheitsbild beschrieben - siehe<br />

Frühkindlicher <strong>Autismus</strong>.<br />

Lovaas<br />

Verhaltenstherapie, die Kin<strong>der</strong>n notwendige Fähigkeiten in kleinen Schritten beibringt und es ihnen damit er-<br />

möglicht, gegebene Informationen zu verstehen und entsprechend zu reagieren. Der Verlauf <strong>der</strong> Therapie ist<br />

den Stärken und Problemen autistischer Kin<strong>der</strong> angepasst. Schwerpunkt <strong>der</strong> Therapie ist, neben <strong>der</strong> inhaltli-<br />

chen Arbeit, die Motivation für das Lernen durch das Discrete Trial Format (SD (diskriminativer Reiz, Stimulus,<br />

Instruktion) – R (Reaktion des Kindes) – SR (verstärken<strong>der</strong> Reiz, Konsequenz)). Eine Auffor<strong>der</strong>ung (SD), <strong>der</strong> das<br />

Kind folgt (R), wird vom Therapeuten mit einem verstärkendem Reiz (SR) belohnt (z. B. einer Umarmung).<br />

Thematische Schwerpunktsetzung in den Bereichen:<br />

- Kommunikation,<br />

- altersgerechte Spielfähigkeiten entwickeln,<br />

- Aufbau von abstrakten Konzepten,<br />

- schulische Fertigkeiten,<br />

- Sichtweise an<strong>der</strong>er Personen verstehen,<br />

- auf soziale Interaktionen zu reagieren, sie initiieren und aufrecht zu erhalten,<br />

- Generalisierung gelernten Wissens.<br />

Für die Therapie wird das Kind zunächst in 35 – 40 h/Woche intensiv begleitet. Eine Reduktion <strong>der</strong> Wochen-<br />

stunden erfolgt bei Bedarf (z. B. bei Schulbesuch o<strong>der</strong> durch die individuelle Anpassung des Curriculums be-<br />

zogen auf die Leistungsentwicklung).<br />

PECS<br />

Das Picture Exchange Communication System (PECS) von Lori Frost und Andy Bondy ist eine alternative Kom-<br />

munikationshilfe in Form von Bildkarten, die es Personen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung o<strong>der</strong> Kommunika-<br />

tionsbeeinträchtigungen ermöglicht, ihre fehlenden sprachlichen Möglichkeiten zu kompensieren. Ziel ist,<br />

den Betroffenen zu motivieren und zu befähigen, von sich aus eine entsprechende Kommunikation aufzu-<br />

bauen. Die Bildkarten von PECS setzen dabei an den Bedürfnissen und Wünschen <strong>der</strong> Person an. Eine Bild-<br />

karte, die den Wunsch abbildet, wird dabei mit einem Kommunikationspartner ausgetauscht bzw. diesem<br />

angezeigt. Nach <strong>der</strong> erfolgreichen Anbahnung des PECS-Ansatzes, kann auch das Kommentieren und Fragen-<br />

stellen gezielt geübt werden. Der gezielte Einsatz von PECS kann bei Kin<strong>der</strong>n mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung<br />

111


Anlage 2<br />

zum Spracherwerb führen. Dies ist jedoch nicht das eigentliche Ziel von PECS, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Ausgleich von<br />

Kommunikationsbeeinträchtigungen und die funktionale, spontane Kommunikation mit an<strong>der</strong>en Menschen.<br />

PEP<br />

Psycho-Educational Proile; Test, <strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>em dazu entwickelt wurde, das Vorliegen von <strong>Autismus</strong> beur-<br />

teilen zu können und dessen Ergebnisse die beson<strong>der</strong>s zu för<strong>der</strong>nden Problembereiche aufzeigen können.<br />

Pica Syndrom<br />

Bezeichnung für das gewohnheitsmäßige, oft zwanghafte Essen von eigentlich nicht essbaren Dingen (Blät-<br />

ter, Erde, Steine …).<br />

Savant-Syndrom<br />

Bezeichnet das Auftreten einer herausragenden Fertigkeit in einem klar abgegrenzten Bereich bei offensichtli-<br />

cher Intelligenzmin<strong>der</strong>ung; auch Inselbegabung genannt. Bekannt sind beson<strong>der</strong>s ausgeprägte mathemati-<br />

sche o<strong>der</strong> künstlerische Fähigkeiten. Häuig wird das Savant-Syndrom mit Personen aus dem <strong>Autismus</strong>-Spekt-<br />

rum in Verbindung gebracht, wobei die Prävalenz bei Menschen ohne <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung vergleich-<br />

bar häuig zu inden ist.<br />

Secretin<br />

Körpereigenes Hormon, das als Botenstoff im Verdauungssystem fungiert. Bei Anwendungen von Secretin-In-<br />

fusionen bei Menschen mit <strong>Autismus</strong> stellten sich in einigen Fällen deutliche Entwicklungsfortschritte ein und<br />

störende Verhaltensweisen reduzierten sich. Erste Studien, die eine mögliche Verwendung in <strong>der</strong> systemati-<br />

schen Behandlung autistischer Störungen abklären sollen, haben bisher noch keine systematische Wirksam-<br />

keit von Secretin bewiesen.<br />

Selbststimulation<br />

Verhaltensweisen, <strong>der</strong>en einziger Sinn darin zu liegen scheint, die eigenen Sinne zu stimulieren. Ein Beispiel<br />

ist das Hin- und Herschaukeln des Körpers. Viele Personen mit <strong>Autismus</strong> berichten, dass diese Selbststimula-<br />

tion eine wichtige regulierende Funktion für sie hat (z. B. beruhigend, konzentrationssteigernd, Schutz vor<br />

sensorischer Überlastung).<br />

Sensorische Integration / Sensorische Integrationstherapie<br />

Von A. Jean Ayres entwickelt; ihrer Theorie nach ist sensorische Integration ein neurologischer Prozess, bei<br />

dem die Empindungen des eigenen Körpers mit den Stimuli aus <strong>der</strong> Umgebung koordiniert und interpretiert<br />

werden. Dies ist notwendig, um eine Interaktion mit <strong>der</strong> Umwelt zu planen und auszuführen. Ist dieser Prozess<br />

gestört, kann es sein, dass die Person keine Informationen über sich und die Umwelt erfährt o<strong>der</strong> diese nicht<br />

zuordnen kann. Für Ayres nimmt dabei das Konzept von aufeinan<strong>der</strong> aufbauenden Hirnleistungen eine wich-<br />

tige Rolle: Störungen des propriozeptiven Systems äußern sich danach z. B. in Schwierigkeiten, einfache mo-<br />

torische Aufgaben auszuführen. Ziel <strong>der</strong> Therapie soll es sein, <strong>der</strong> Person zu ermöglichen, Sinnesinforma-<br />

tionen zu sortieren, zu interpretieren und für sich nutzbar zu machen.<br />

112


Thematische Schwerpunktsetzung:<br />

- Wahrnehmungsreize, die eine Person überfor<strong>der</strong>n, sollen reduziert werden,<br />

- unterempindliche Bereiche werden stimuliert,<br />

- taktiles System und Gleichgewichtssinn werden beson<strong>der</strong>s beobachtet.<br />

Die Therapie ist in <strong>der</strong> Fachwelt umstritten. Die Vielfalt möglicher Ursachen von Auffälligkeiten lassen eine ge-<br />

naue Zuordnung und damit eine empirische Unterstützung nicht zu. Entwicklungszusammenhänge und ihre<br />

Wechselwirkungen werden auf ein einfaches Ursache-Wirkungs-Prinzip reduziert (Quellen: Bölte, S., <strong>Autismus</strong>-<br />

Spektrum, Ursachen, Diagnostik, Intervention und Perspektiven. Bern, Verlag Hans Huber, 1. Aulage 2009<br />

Schirmer, B., Elternleitfaden <strong>Autismus</strong>. Stuttgart, TRIAS Verlag, 2006.).<br />

Serotonin<br />

Neurotransmitter; Chemische Substanz im Gehirn, die eine Rolle in <strong>der</strong> Kommunikation <strong>der</strong> Gehirnzellen un-<br />

tereinan<strong>der</strong> spielt. Es wurde festgestellt, dass <strong>der</strong> Serotonin-Spiegel bei autistischen Personen manchmal<br />

höher ist, als bei normal typischen Personen. Manche Medikamente, die sich bei <strong>der</strong> Behandlung von autisti-<br />

schen Symptomen als wirksam erwiesen haben, beeinlussen den Serotonin-Spiegel.<br />

Sozialgeschichten<br />

Sozialgeschichten (Social Stories) orientieren sich am amerikanischen Konzept von Carol Gray, sind aber the-<br />

matisch und sprachlich an deutsche Verhältnisse angepasst worden. Soziale Anleitungen können zur Ent-<br />

schlüsselung sozialer Situationen beitragen. Mit <strong>der</strong> Hilfe solcher Lerngeschichten können Sachverhalte und<br />

Charakteristika jeglicher Art dargestellt und aufgeklärt werden. Sozialgeschichten versuchen, betroffenen Per-<br />

sonen soziale Informationen zu geben, die ihr fehlen können. Sie werden auch geschrieben, um einer Person<br />

mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung zu vermitteln, dass sie in einer bestimmten Situation ganz beson<strong>der</strong>s gut ge-<br />

handelt hat o<strong>der</strong> aber wie man sich richtig verhalten könnte.<br />

Sozialtraining<br />

Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen haben in <strong>der</strong> Regel immer Schwierigkeiten, soziale Signale im<br />

zwischenmenschlichen Kontext zu deuten. Sie selber setzen auch kaum o<strong>der</strong> wenig Signale ein. Dadurch er-<br />

geben sich immer wie<strong>der</strong> soziale Schwierigkeiten und Missverständnisse. Dies kann zu sozialer Isolation und<br />

<strong>der</strong> Entwicklung zusätzlicher psychiatrischer Erkrankungen führen. Dem Training sozialer Fertigkeiten kommt<br />

daher eine wesentliche Bedeutung innerhalb <strong>der</strong> therapeutischen Ansätze zu. Alle Trainingsansätze haben<br />

zum Ziel, soziale Interaktions- und Kommunikationsfähigkeiten aufzubauen sowie die Selbständigkeit zu ver-<br />

bessern, um damit die soziale Integration zu unterstützen. Soziale Kompetenzgruppen bieten soziale Erfah-<br />

rungen in einem geschützten und strukturierten Rahmen und üben gezielt gebräuchliche soziale Verhaltens-<br />

weisen ein. Sozialtraining kann als Einzelför<strong>der</strong>ung, Gruppenangebot, Beratung und Anleitung o<strong>der</strong> Supervi-<br />

sion stattinden. Einzelför<strong>der</strong>ung kann folgende Ansätze beinhalten:<br />

- Sozialgeschichten/soziale Anleitungen<br />

- Comic Strip Conversations<br />

- Theory of Mind Training<br />

Anlage 2<br />

113


Anlage 2<br />

- Emotionstraining<br />

- PECS (Picture Exchange Communication System)<br />

- ABA/Applied Behavior Analysis/Verbal Behavior<br />

TEACCH<br />

Der TEACCH-Ansatz ist die Abkürzung von „Treatment and Education of Autistic and Communication handi-<br />

capped Children”, das bedeutet sinngemäß: Behandlung und pädagogische För<strong>der</strong>ung autistischer und in<br />

ähnlicher Weise kommunikationsbehin<strong>der</strong>ter Kin<strong>der</strong> und Erwachsene. Aus einem Forschungsprojekt zur Ent-<br />

wicklung eines För<strong>der</strong>konzeptes für autistisch behin<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong> in Chapel Hill in North Carolina wurde die Er-<br />

kenntnis gewonnen, dass klare Strukturen das Lernen dieser Kin<strong>der</strong> för<strong>der</strong>t. In Deutschland versteht man<br />

unter TEACCH einen pädagogisch-therapeutischen Ansatz. Durch die För<strong>der</strong>ung nach dem TEACCH-Ansatz<br />

soll jedem Menschen mit autistischen Verhaltensweisen eine Lebens- und Lernumwelt geschaffen werden,<br />

die seine persönliche Entwicklung am wenigsten einschränkt und ihn darüber hinaus befähigt, eine größt-<br />

mögliche Selbständigkeit zu erlangen. Unter Beachtung <strong>der</strong> individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse einer<br />

Person soll ihr ein sicherer Zugang zur Welt ermöglicht werden, damit diese für sie an Bedeutung gewinnt.<br />

Das „strukturierte Lernen“, in Deutschland häuig mit dem TEACCH-Ansatz gleichgestellt, ist nur eines <strong>der</strong><br />

Grundprinzipien des TEACCH-Ansatzes. Die übrigen Prinzipien sind eng mit dem strukturierten Lernen ver-<br />

knüpft und müssen hier unbedingt genannt werden:<br />

- Fachwissen über <strong>Autismus</strong><br />

- Diagnostik<br />

- Ganzheitlichkeit<br />

- Fallspeziische Methodenauswahl<br />

- Entwicklungsorientierung<br />

- Strukturierung und<br />

- kognitive Verhaltenstherapie.<br />

Theory of Mind<br />

Menschen mit ASS verfügen oft über keine „Theorie <strong>der</strong> psychischen Welt". Abgekürzt als TOM, besagt die<br />

Theory of Mind, dass autistischen Menschen überwiegend die Fähigkeit zu Empathie fehlt. Empathie kann<br />

hierbei als gedankliche Empathie verstanden werden (ich vermute, was ein an<strong>der</strong>er denkt) o<strong>der</strong> als emotio-<br />

nale Empathie (ich kann nachempinden, wie sich eine an<strong>der</strong>e Person fühlt). Menschen mit ASS können nicht<br />

nachvollziehen, wie Verhalten aus bestimmten mentalen Zuständen resultiert und auch nicht erfassen, wie<br />

sich Überzeugungen und Einstellungen manipulieren lassen; deshalb fällt es ihnen zum Beispiel schwer zu<br />

verstehen, was Täuschung und Betrug ist. Die mangelnde Fähigkeit, soziales Verhalten deuten bzw. verstehen<br />

zu können, beeinträchtigt erheblich die Fähigkeit zu sozialen Kontakten und führt oft zu sozialen Missver-<br />

ständnissen. ToM kann mit aufeinan<strong>der</strong> aufbauenden, kleinschrittigen Lerneinheiten u. a. das Deuten von Ge-<br />

sichtsausdrücken, emotionalen Ausdrücken o<strong>der</strong> das Hineinversetzen in an<strong>der</strong>e Personen för<strong>der</strong>n.<br />

Therapie nach Affolter<br />

Führen nach Affolter (Félicie A.; Schweizer Pädagogin und Psychologin); <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ansatz des Führens soll es<br />

114


wahrnehmungsgestörten Menschen ermöglichen, besser berühren, spüren, wirken, ordnen und Probleme<br />

lösen zu können. Affolter konzipierte einen För<strong>der</strong>ansatz, bei dem alltägliche Handlungsabläufe erfahren und<br />

gespürt werden können. Die Therapie wird auch „Geführte Interaktionstherapie“ genannt.<br />

Begriffe aus zeitgemäßer Behin<strong>der</strong>tenarbeit<br />

Assessment<br />

Erfassung einer Ausgangslage hinsichtlich speziischer Fähigkeiten/Deizite, jedoch nicht deizitorientiert,<br />

son<strong>der</strong>n insbeson<strong>der</strong>e ausgerichtet auf das Aufspüren und Registrieren von speziischen Stärken als Basis für<br />

die Einbindung in komplexe Unterstützungs-/För<strong>der</strong>angebote.<br />

Assistenz<br />

aus <strong>der</strong> Selbstbestimmt-Leben-Bewegung kommend; neue Qualität des Umgangs mit behin<strong>der</strong>ten Menschen<br />

und in ihrer Lebenswelt mit <strong>der</strong> Folge: Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Betreuungskonzepte, <strong>der</strong> Einrichtungsproile und<br />

Dienste, <strong>der</strong> Ausbildungs- und Tätigkeitsproile <strong>der</strong> Professionellen und des Gemeinwesens.<br />

Case-Management<br />

Individuelle Fallbegleitung<br />

Community Care<br />

Gemeinwesenintegrierte Unterstützung von Menschen mit einem Hilfebedarf, in Großbritannien, über Joint<br />

Commissions bei <strong>der</strong> Zentralverwaltung und Trust´s inding (Budget + Assistenz, Grundrente), siehe Suppor-<br />

ted Living<br />

Consulentenmodell<br />

In den Nie<strong>der</strong>landen angewandtes, staatlich geför<strong>der</strong>tes Konzept zur umfassenden Unterstützung/Beratung<br />

von Menschen mit schwersten Verhaltensauffälligkeiten<br />

Disability<br />

Begriff aus einem Klassiikationssystem <strong>der</strong> WHO für die Folgen von Gesundheitsstörungen, die die Einschrän-<br />

kungen von konkreten Fähigkeiten beschreiben (siehe Impairment)<br />

Disability Studies<br />

Interdisziplinäres Forschungsfeld zur Untersuchung des Zusammenhangs von Selbstbestimmung und Behin-<br />

<strong>der</strong>ung, Erfassung des Phänomens ,,Behin<strong>der</strong>ung” als soziale Konstruktion und Untersuchung unter kulturwis-<br />

senschaftlicher Perspektive, April 2002 Gründung <strong>der</strong> ,,Disability Studies in Deutschland”<br />

Empowerment<br />

Anlage 2<br />

Entspricht <strong>der</strong> Community-Bewegung in Großbritannien; Handlungsgrundsatz: Je<strong>der</strong> kann alles lernen. Je<strong>der</strong><br />

115


Anlage 2<br />

ist Experte in eigener Sache. Je<strong>der</strong> hat Recht auf Selbstbestimmung und Wahl- und Entscheidungsfreiheit, le-<br />

bensweltbezogene Sichtweise<br />

Enabling Niches<br />

Beruht auf Ansatz des Community Care, = Netzwerk mit schützendem, unterstützendem und persönlichkeits-<br />

för<strong>der</strong>ndem Charakter; nach Theunissen/Dalferth auf <strong>der</strong> Erkenntnis beruhend, dass das Fehlen einer tragfähi-<br />

gen Einbindung gemeindeintegrierter Wohnformen in umfeldbezogene Strukturen beeinlusst und das<br />

Prinzip bezieht sich auf eine Vielzahl von sozialen Ressourcen und <strong>der</strong>en Verknüpfung miteinan<strong>der</strong>, die es den<br />

Betroffenen ermöglicht, soziale Kompetenzen zu entwickeln und sozialen Halt zu inden<br />

Heilpädagogik<br />

Ist die Theorie und Praxis erzieherisch-therapeutischer Hilfen für Menschen, <strong>der</strong>en Lebenssituation bzw. Le-<br />

benschancen durch die Diskrepanz zwischen individuellen Entwicklungsvoraussetzungen und gesellschaftli-<br />

chen Erwartungen, Denk- und Verhaltensmustern von Isolation/Desintegration bzw. Benachteiligung<br />

beeinlusst wird<br />

Impairment<br />

Begriff aus einem Klassiikationssystem <strong>der</strong> WHO für die Folgen von Gesundheitsstörungen; bezeichnet orga-<br />

nisch (biologisch bedingte Schädigung einer Körperfunktion o<strong>der</strong> Körperstruktur (Anm. bei Übertragung auf<br />

Lern- und geistige Behin<strong>der</strong>ung Einbeziehung <strong>der</strong> sozialen Aspekte))<br />

Inklusion<br />

Aus Bürgerrechtsbewegung kommend, Sicherung von uneingeschränkten Bürgerrechten und -plichten, un-<br />

eingeschränkte Zugehörigkeit zur Gesellschaft, d. h. die Lebenswelt des behin<strong>der</strong>ten Menschen ist <strong>der</strong> Aus-<br />

gangspunkt – <strong>der</strong> Mensch mit Behin<strong>der</strong>ung wird als vollwertiges Mitglied <strong>der</strong> Gesellschaft akzeptiert,<br />

unabhängig von seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten; Fundament für Partizipation<br />

Independent-Living-Bewegung<br />

Betroffenen- und Elternbewegung = Selbstbestimmt-leben-Bewegung, (Deutschland urspr. Krüppelbewe-<br />

gung) for<strong>der</strong>t die Anerkennung von Menschen- und Bürgerrechten; gesellschaftliche Integration und Teilhabe<br />

am Leben in <strong>der</strong> Gesellschaft, selbstbestimmte Entscheidung zur Lebensplanung wie Berufstätigkeit, eigene<br />

Wohnung, Familienstand und im menschlichen Zusammenleben<br />

Partizipation<br />

lat. particeps = an etwas teilnehmend, Beteiligung, Teilhabe, Mitwirkung, Mitbestimmung<br />

SelfAdvocacy<br />

Selbstvertretung, Akzeptanz neben Sprache auch Willensbekundungen (Mimik, Gestik, Verhalten) anzuerken-<br />

nen, For<strong>der</strong>ung nach Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Zivilrechtsprechung<br />

116


Supported Living<br />

Konzept mit Schwerpunkt auf individuelle, bedarfs- und wunschgerechte Unterstützung im eigenen Wohn-<br />

raum auf Basis des Konzepts Community Care<br />

Tiergestützte Therapien<br />

Der Einsatz von Tieren bei <strong>der</strong> Therapie von somatischen, psychosomatischen und psychischen Erkrankungen<br />

wird seit langem in Deutschland praktiziert und vielfach als eine hilfreiche Variante angesehen. Der positive<br />

Einluss von Tieren auf die Menschen kann unter verschiedenen Bedingungen und mit unterschiedlichen Ziel-<br />

setzungen zur Therapie und För<strong>der</strong>ung genutzt werden. Allgemein werden zwei Formen unterschieden: Tier-<br />

gestützte Aktivitäten (Animal-Assisted-Activity), womit Tier-Mensch-Interaktionen bezeichnet werden, die<br />

ohne speziische therapeutische Zielsetzung erfolgen. Hierzu gehören beispielsweise Tierbesuchsdienste in<br />

Heimen usw. Tiergestützte Therapien (Animal-Assisted-Therapy), bei denen therapeutische Ziele deiniert und<br />

in einen Behandlungsplan eingebracht werden müssen. Die Therapien werden von fachlich geschulten Perso-<br />

nen wie z. B. Psychotherapeuten, Physiotherapeuten o<strong>der</strong> Logopäden durchgeführt. Dazu gehören auch the-<br />

rapeutische Settings, bei denen die Tiere nicht direkt mit den Menschen arbeiten o<strong>der</strong> kommunizieren,<br />

son<strong>der</strong>n lediglich anwesend sind. Der Einsatz von Tieren im pädagogischen Umfeld, wie z. B. zur Unterstüt-<br />

zung von erzieherischen Maßnahmen o<strong>der</strong> zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lernmotivation sowie <strong>der</strong> Einsatz von „Blinden-<br />

hunden“, gehört zu dieser Kategorie.<br />

Neurologische Begriffe 160<br />

Amygdala<br />

Auch Mandelkern genannt, ist Teil des Limbischen Systems und analysiert Informationen von Innen- und Au-<br />

ßenwelt auf emotionalen Inhalt hin, leitet diese an Hirnrinde und innere Organe weiter; koordiniert u. a.<br />

Angstreaktionen in Gehirn und Körper.<br />

Angststörung<br />

Angstgefühl, das so extrem und durchdringend ist, dass es die normalen psychischen und somatischen Funk-<br />

tionen beeinträchtigt.<br />

Basalgangien<br />

Strukturen, die bei Planung von komplexen Bewegungen eine Rolle spielen, auch Teil <strong>der</strong> Netzwerke, die Den-<br />

ken und Sprache koordinieren.<br />

160 Trepel: Neuroanatomie, 2. überarbeitete Aulage 1999 Urban Fischer Verlag. Pinel: Biopsychologie, 2. neu bearbeitete deutsche Aulage 2001 Spek-<br />

trum Akademischer Verlag Heidelberg. Herschkowitz: Das vernetzte Gehirn, 2. korrigierte Aulage 2002, Verlag Hans Huber. Nydahl, Bartoszek:<br />

Basale Stimulation Neue Wege in <strong>der</strong> Intensivplege, 3. überarbeitete Aulage 2000, Urban Fischer Verlag. Bienstein, Zegelin (Hrsg.): Handbuch<br />

Plege, 2.Aulage 1999, Verlag Selbstbestimmtes Leben.<br />

Anlage 2<br />

117


Anlage 2<br />

Benzodiazepine<br />

Wichtigste Gruppe <strong>der</strong> Angst lösenden Substanzen (u. a. Valium, Librium).<br />

Hippocampus<br />

Wichtig für Bildung und Abspeicherung von Erinnerungen (auch Ammonshorn), organisiert das Gedächtnis.<br />

Hirnrinde<br />

Cortex, unterteilt in zwei Hälften (Hemisphären), die über eine breite Nervenfaserplatte, den Balken (corpus<br />

callosum), verbunden sind; die Hirnrinde übernimmt die Integration und Interpretation von sensorischen In-<br />

formationen und von Wissen und Fühlen, <strong>der</strong> Erfassung <strong>der</strong> Gegenwart, das Erinnern an die Vergangenheit<br />

und <strong>der</strong> Zukunftsplanung.<br />

Hirnstamm<br />

Zentrum für die Koordination <strong>der</strong> lebensnotwendigen Funktionen (Kreislauf, Atmung); liegt zwischen Gehirn<br />

und Rückenmark.<br />

Hypothalamus<br />

Zentrum für interne Regulation <strong>der</strong> Organe<br />

Kleinhirn<br />

Koordiniert und korrigiert Körperbewegungen, gehört aber auch zum Netzwerk „Denken“<br />

Limbisches System<br />

Bestehend aus Amygdala, limbischer Hirnrinde, Hypothalamus und Hippocampus, an <strong>der</strong> Steuerung von<br />

Emotionen und Motivationen beteiligt.<br />

Melatonin<br />

Neurohormon <strong>der</strong> Zirbeldrüse; verantwortlich v. a. für den Tag-Nacht-Rhythmus; wird als Medikament in ge-<br />

ringen Dosen als Einschlafhilfe für Kin<strong>der</strong> mit Schlafstörungen genutzt.<br />

Myelin<br />

Isolierschichten um einen Nerv, welche die Nervenleitgeschwindigkeit erhöht.<br />

Nervensystem<br />

Der Begriff bezeichnet die Gesamtheit aller Nervenzellen und des Nervengewebes eines Organismus. Wich-<br />

tigste Funktionen sind Wahrnehmung, Integration des Wahrgenommenen, des Denkens und Fühlens sowie<br />

Auslösung angemessener Verhaltensweisen.<br />

Neuron<br />

(grch. = Nerv) Nervenzelle = funktionelle Grundeinheit des Nervensystems, besteht aus Zellkern, Axon (Nerv)<br />

118


und Dendriten (Verästelungen); Neurone können elektrische Signale leiten und an nachfolgende Zellen über<br />

Synapsen weitergeben.<br />

Phenylketonurie<br />

Phenylketonurie (kurz: PKU) ist eine vererbte, angeborene Stoffwechselstörung, bei <strong>der</strong> die Aminosäure Phe-<br />

nylalanin nicht richtig vom Körper abgebaut wird. Diese Substanz reichert sich im Blut an und kann sich v. a.<br />

im Gehirn absetzen und seine Funktionen beeinträchtigen. Ohne Therapie kann es dadurch zu geistigen und<br />

motorischen Behin<strong>der</strong>ungen kommen Die Behandlung <strong>der</strong> PKU besteht in einer Diät, bei <strong>der</strong> das Kind nur die<br />

genau berechnete Menge an Phenylalanin, also Eiweiß durch die Nahrung erhält, die es auch verträgt. So<br />

kann sich kein überschüssiges Phenylalanin im Körper anhäufen<br />

Plastizität des Gehirns<br />

Auch neuronale Plastizität; ist die Eigenschaft von Synapsen, Nervenzellen o<strong>der</strong> auch ganzen Hirnarealen, sich<br />

in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Verwendung in ihren Eigenschaften zu verän<strong>der</strong>n; so kann es durch ein gezieltes Trai-<br />

ning gelingen, beschädigte Nervenbahnen o<strong>der</strong> Bereiche nach Schlaganfall zu umgehen, indem an<strong>der</strong>e Hir-<br />

nareale auf verloren gegangene Fähigkeiten umtrainiert werden<br />

Psychoaktive Substanzen<br />

= Psychopharmaka; sind Substanzen, die psychologische Prozesse beeinlussen<br />

Relexe<br />

Bewegungsautonismen; Impulse gehen von <strong>der</strong> subkortikalen, d. h. unterhalb <strong>der</strong> Hirnrinde liegenden Ker-<br />

nen im Hirnstamm aus, Voraussetzung <strong>der</strong> Relexe zu komplexeren Bewegungsformen sind: normaler Muskel-<br />

tonus, normale Koordination von Haltung und Bewegung und die Fähigkeit <strong>der</strong> Kontrolle von Haltung und<br />

Bewegung gegen die Schwerkraft (Sowa, Metzler 1988).<br />

Rezeptorblocker<br />

Antagonistisch wirkende Pharmaka, die sich an postsynaptische Rezeptoren binden, ohne sie zu aktivieren<br />

und damit die Bindung des üblichen Neurotransmitters verhin<strong>der</strong>n.<br />

Rückenmark<br />

Leitet als Teil des Zentralnervensystems Informationen von <strong>der</strong> Haut, Muskeln, Gelenken, Glie<strong>der</strong>n und Orga-<br />

nen an das Gehirn und zurück.<br />

Sensomotorik<br />

Verknüpfung zwischen Wahrnehmungen, die auf sensorischer Verarbeitung von Reizen beruht.<br />

Stirnlappen<br />

Teil <strong>der</strong> Großhirnrinde; bei Angst übernimmt <strong>der</strong> Stirnlappen die Beurteilung <strong>der</strong> vom Thalamus gemeldeten<br />

Gefahr.<br />

Anlage 2<br />

119


Anlage 2<br />

Synapsen<br />

Kontaktstellen zwischen den Neuronen – dienen als Schaltstellen zur Weiterleitung in Form elektrischer Im-<br />

pulse (Informationsverschaltung und -weiterleitung).<br />

Thalamus<br />

Vermittelt Sinneseindrücke zur Hirnrinde und zur Amygdala.<br />

Transmitter(-systeme)<br />

Transmitter ist die bei Übertragung von elektrischen Signalen in den synaptischen Spalt ausgeschüttete Sub-<br />

stanz. Er ist ein Überträgerstoff, <strong>der</strong> erregend o<strong>der</strong> hemmend wirken kann (chemischer Botenstoff). Das Trans-<br />

mittersystem wird durch Verbund von Neuronen dargestellt, die den gleichen Transmitter o<strong>der</strong> eine gleiche<br />

Gruppe von chemisch ähnlichen Transmittern einsetzt.<br />

Zentralnervensystem (ZNS)<br />

Umfasst Gehirn und Rückenmark, besteht aus grauer und weißer Substanz.<br />

Psychomotorik<br />

Zusammenhang zwischen Motorik und seelischen Vorgängen. Das Konzept liegt in <strong>der</strong> Wahrnehmung, dem<br />

Erleben, Verstehen und Umgang mit sich selbst und <strong>der</strong> Lebenswelt (Ich-, Sach- und Sozialkompetenz).<br />

Basale Stimulation<br />

Konzept zur Unterstützung <strong>der</strong> menschlichen Wahrnehmung auf <strong>der</strong> basalen Ebene (Bewegung, Wahrneh-<br />

mung und Kommunikation bedingen einan<strong>der</strong>).<br />

Kinästhetik<br />

Konzept zur Unterstützung und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Bewegungsfähigkeit; Kinesis = wahrgenommene Bewegung,<br />

Körpersprache; Aesthetics = Wertschätzung <strong>der</strong> Schönheit.<br />

Wahrnehmung<br />

Höherer Prozess <strong>der</strong> Integration, <strong>der</strong> das Erkennen und die Interpretation komplexer Empindungsmuster be-<br />

dingt.<br />

Kognition<br />

Allgemeiner Ausdruck für Leistungen des Wahrnehmens, Erkennens und Denkens.<br />

Metakognition<br />

Fähigkeit, über die Ereignisse und Denkprozesse relektieren zu können.<br />

120


ANLAGE 3<br />

DIE LEBENSLANGE HIRNENTWICKLUNG<br />

(AUS HERSCHKOWITZ: ,,DAS VERNETZTE GEHIRN”)<br />

Stand bei <strong>der</strong> Geburt<br />

100 Mrd. Nervenzellen<br />

sind gebildet<br />

Wan<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Nervenzellen an ihre<br />

Endpositionen weit-<br />

gehend abgeschlossen<br />

erste Kontakte<br />

zwischen Nervenzellen<br />

sind geknüpft<br />

biochemische und<br />

elektrische Aktivität<br />

ist vorhanden<br />

Gehirn in Grundform<br />

erstellt. Gewicht<br />

beträgt 30 % des<br />

erwachsenen Gehirns,<br />

<strong>der</strong> Körper des Neuge-<br />

borenen nur 5 % des<br />

Erwachsenengewichts<br />

1. bis 8. Lebensjahr<br />

Zunehmende<br />

Verbindung innerhalb<br />

<strong>der</strong> Hirnrinde und<br />

zwischen <strong>der</strong> Hirn-<br />

rinde und darunter-<br />

liegenden Strukturen<br />

intensive Entwicklung<br />

in <strong>der</strong> Hirnrinde:<br />

Synapsen werden ge-<br />

bildet und abgebaut<br />

Entwicklung <strong>der</strong><br />

Gedächtnissysteme<br />

Entwicklung <strong>der</strong><br />

Sprachzentren<br />

Zuschaltung des<br />

limbischen Systems<br />

in das Netzwerk<br />

enge Verbindung <strong>der</strong><br />

beiden Hirnhälften<br />

Jugend - Adoleszenz<br />

Vorpubertät:<br />

Wachstumsspurt in<br />

<strong>der</strong> Neuronen- und<br />

Synapsenentwicklung<br />

Adoleszenz:<br />

Konsolidierung <strong>der</strong><br />

Synapsenentwicklung<br />

Intensivierung <strong>der</strong><br />

elektrischen<br />

Verknüpfung <strong>der</strong><br />

verschiedenen Areale<br />

<strong>der</strong> Hirnrinde<br />

Aufmerksamkeits-<br />

system auf<br />

Erwachsenenstufe<br />

Erwachsenenalter<br />

Vernetzung <strong>der</strong><br />

Hirnareale<br />

Verstärkte Verbindung<br />

<strong>der</strong> beiden Hirnhälften<br />

Verstärkte Verbind-<br />

ungen zwischen<br />

Hirnrinde und<br />

limbischem System<br />

Aktivitätsbedingte<br />

Plastizität<br />

im üblichen Alter<br />

Die Zahl <strong>der</strong><br />

Neuronen nimmt<br />

zwischen 20 und 90<br />

Jahren nicht<br />

wesentlich ab<br />

die Dendriten<br />

wachsen<br />

das Myelin wird<br />

reduziert<br />

Die Aktivität führt zur<br />

Bildung von neuen<br />

Synapsen: Plastizität<br />

Bildung von<br />

Neuronen aus<br />

Anlage 3<br />

Neuronenvorstufen<br />

121


Anlage 4<br />

ANLAGE 4<br />

MERKMALE DER FRÜHERKENNUNG/<br />

FRÜHKINDLICHER AUTISMUS 161<br />

U1 - U5 (BIS 7. LEBENSMONAT)<br />

Wahrnehmung Sozialverhalten<br />

- schreit länger ohne erkennbaren Grund<br />

- (o<strong>der</strong>) ist extrem ruhig<br />

- lächelt/lacht nicht/,,ernstes“ Kind<br />

- reagiert nicht auf die Mutter, streckt ihr nicht die Arme entgegen<br />

- scheint mit sich selbst zufrieden zu sein (keine Kontaktbedürfnisse)<br />

Motorik<br />

- macht sich steif beim Hochheben<br />

- (o<strong>der</strong>) ist sehr schlaff auf dem Arm<br />

- dreht sich weg<br />

Sprache<br />

- lallt nicht<br />

- bildet keine Silben<br />

Weitere Auffälligkeiten<br />

- saugt/trinkt nicht richtig<br />

- spezielle Ess-/Trinkvorlieben bzw. Gewohnheiten<br />

U6 (10.-12. LEBENSMONAT)<br />

Wahrnehmung<br />

- kratzt/schabt auf Oberlächen<br />

- beleckt Gegenstände<br />

- reagiert nicht auf (laute) Geräusche (wie taub)<br />

- orientiert sich nicht im Raum<br />

161 Hilfe für das autistische Kind, Regionalverband Mülheim a. d. Ruhr-Duisburg e.V. (Hrsg.), Diagnose För<strong>der</strong>ung Entwicklung.<br />

122


Sozialverhalten<br />

- schreit/weint lange und lässt sich nicht beruhigen<br />

- spielt nicht, bewegt Spielzeug nur stereotyp<br />

- imitiert nicht<br />

- schaut Personen nicht an<br />

Motorik<br />

- schaukelt/wiegt sich hin und her<br />

- sitzt/krabbelt nicht o<strong>der</strong> verspätet<br />

Sprache<br />

- spricht nicht<br />

- (o<strong>der</strong>) plappert monoton vor sich hin und wie<strong>der</strong>holt Wörter/Wortreste ohne erkennbaren Sinn<br />

- (o<strong>der</strong>) produziert stereotyp gleiche Laute<br />

U7 (21.-24. LEBENSMONAT)<br />

Wahrnehmung<br />

- sieht lange auf bestimmte Muster<br />

- kratzt, schabt, leckt an Oberlächen<br />

- manipuliert mit sehr wenigen Dingen immer wie<strong>der</strong> auf die gleiche Weise: bewegt sie vor dem Gesichts-<br />

feld hin und her<br />

- lauscht auf spezielle Geräusche (wie Rascheln, Zischen, Rauschen, Surren, Maschinen), „überhört“ an<strong>der</strong>e<br />

(auch laute!) Geräusche, scheint „taub“ zu sein<br />

Sozialverhalten<br />

- orientiert sich nicht im Raum, steht herum o<strong>der</strong> konzentriert sich auf ein spezielles Teilelement des Zimmers<br />

- sieht an Personen vorbei o<strong>der</strong> scheint durch sie hindurch zusehen<br />

- spielt nicht mit Gleichaltrigen, Geschwistern o<strong>der</strong> Eltern, wehrt Sozialkontakte ab<br />

- lächelt, lacht wenig beim Sozialkontakt, scheint mit sich selbst zufrieden zu sein („ernstes“ Kind)<br />

Motorik<br />

- bewegt stereotyp bestimmte Körperteile und Gegenstände, manchmal sehr graziös und geschickt<br />

- hat einen auffälligen Gang o<strong>der</strong> läuft verspätet<br />

- verdreht Augen, Finger, Hände, Hals auffällig, wedelt mit Armen, Händen, Tüchern, Bän<strong>der</strong>n etc.<br />

Sprache<br />

- spricht (immer noch) nicht<br />

- (o<strong>der</strong>) hört nach Sprechbeginn allmählich wie<strong>der</strong> auf<br />

- (o<strong>der</strong>) produziert stereotyp immer gleiche Laute o<strong>der</strong> Töne<br />

Anlage 4<br />

123


Anlage 4<br />

Weitere Auffälligkeiten<br />

- isst auffällig, stopft, schlingt, schluckt nicht, kaut nicht<br />

- nimmt nur Brei o<strong>der</strong> Flüssiges o<strong>der</strong> spezielle Speisen zu sich<br />

- schläft schlecht ein o<strong>der</strong> wacht zu früh auf o<strong>der</strong> liegt stundenlang nachts wach („braucht“ wenig Schlaf)<br />

U8 (3./4. LEBENSJAHR)<br />

Wahrnehmung<br />

- bekratzt, beklopft, beleckt Gegenstände, Kleidung, Personen<br />

- verschafft sich Lichteindrücke (grelles Licht, Lichtrelexe), bewegt Dinge vor dem Gesicht<br />

- lauscht auf spezielle Geräusche, „überhört“ an<strong>der</strong>e (auch laute!), scheint „taub“ zu sein<br />

- manipuliert mit sehr wenigen speziellen Dingen immer auf die gleiche Weise<br />

Sozialverhalten<br />

- hat starre Gewohnheiten und schreit, wenn diese durchbrochen werden<br />

- schreit bei Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Umwelt<br />

- orientiert sich nicht im Raum, steht herum o<strong>der</strong> konzentriert sich auf ein speziisches Teilelement des Zim-<br />

124<br />

mers<br />

- spielt nicht mit an<strong>der</strong>en, wehrt Sozialkontakte ab<br />

- sieht Personen nicht an, schaut an ihnen vorbei<br />

- spielt nicht mit Spielzeug, son<strong>der</strong>n geht stereotyp damit um<br />

- imitiert nicht<br />

Motorik<br />

- schaukelt, wiegt sich hin und her<br />

- bewegt stereotyp bestimmte Körperteile und Gegenstände<br />

- geht, läuft auffällig (Zehenspitzengang, hüpfend, manieriert)<br />

- verdreht Augen, Finger, Hände, Hals auffällig, wedelt mit Armen, Händen o<strong>der</strong> Gegenständen<br />

Sprache<br />

- spricht (immer noch) nicht<br />

- (o<strong>der</strong>) hört nach Sprechbeginn allmählich wie<strong>der</strong> auf<br />

- (o<strong>der</strong>) produziert stereotyp immer gleiche Laute o<strong>der</strong> Töne<br />

- (o<strong>der</strong>) spricht verwaschen, z. B. hoch, zu schnell, mit spezieller Melodie, polternd<br />

Weitere Auffälligkeiten<br />

- bevorzugt bestimmte Speisen, Getränke, lehnt an<strong>der</strong>e völlig ab<br />

- isst auffällig/stopft, schlingt, schluckt nicht, kaut nicht<br />

- schläft schlecht ein o<strong>der</strong> wacht zu früh auf o<strong>der</strong> liegt stundenlang nachts wach („braucht“ wenig Schlaf)


ANLAGE 5<br />

RELEVANTE NEUROLOGISCHE, SOZIALE, EMOTIONALE<br />

UND KOGNITIVE ENTWICKLUNGSASPEKTE BEI<br />

AUTISMUS-SPEKTRUM-STÖRUNG<br />

Entwicklungsaspekt Entwicklungszeitpunkt Verhaltensaspekt<br />

Neuropsychologie<br />

Selbstregulation von Geburt Neurophysiologische<br />

Erregungszuständen Regulation<br />

Soziale Interaktion<br />

Affektive Regulation ab ca. 2. Lebensmonat eines Wie<strong>der</strong>holter „Nachvollzug“<br />

Aktivitätsmusters<br />

Triadische Aufmerksamkeit 6. bis 13. Lebensmonat Gemeinsame Interaktion<br />

Referentieller Blickkontakt 6. bis 9. Lebensmonat wischen Personen und<br />

Objekten hin- und herschauen<br />

Aufmerksamkeitslenkung 9. bis 12. Lebensmonat Herzeigen und Hinzeigen im<br />

Emotionalität<br />

Empathie ab ca. 2. bis 12. Lebensmonat<br />

referentiellen Blickkontakt<br />

Interpersonale Bezogenheit ab ca. 2. Lebensmonat Emotionale Reaktionen als<br />

Richtungsweisungen in <strong>der</strong><br />

Faca-to-face-Interaktion<br />

Primäre Intersubjektivität 2. bis 5. Lebensmonat Emotionale Reaktionen, um<br />

emotionale Resonanz zu erhalten<br />

Emotionale Koorientierung ab ca. 12. Lebensmonat Emotionale Gemeinsame<br />

Kognitive Entwicklung<br />

Aufmerksamkeit<br />

Primäre Repräsentation ab ca. 9. Lebensmonat Stereotypes und relationales Spiel<br />

Sensorische Perspektivenüber-<br />

nahmefähigkeit<br />

Metarepräsentation 14. bis 18. Lebensmonat Vorstellungsmäßiges Spiel<br />

- funktional<br />

So-tun-als-ob-Fähigkeit ab ca. 24. Lebensmonat Vorstellungsmäßiges Spiel<br />

- symbolisch<br />

„Theory of Mind“ ab ca. 36. Lebensmonat Konzeptuelle Perspektivenüber-<br />

Quelle: Kusch, Petermann „Entwicklung autistischer Störungen“ Verlag Hans Huber, S. 218 - 219.<br />

nahmefähigkeit<br />

Anlage 5<br />

125


Anlage 6<br />

ANLAGE 6<br />

„INKLUSION”–<br />

EINSCHLUSS STATT AUSSCHLUSS GEDANKEN ZU<br />

EINEM VIEL DISKUTIERTEN SOZIALETHIKTHEMA<br />

ERFAHRUNGSBERICHT EINER MUTTER IN BEZUG AUF DEN PROZESS DER INKLUSION<br />

Integration: strebt die Einglie<strong>der</strong>ung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung in die bestehende Gesellschaft an.<br />

Inklusion: will die Verän<strong>der</strong>ung bestehen<strong>der</strong> Strukturen und Auffassungen dahingehend, dass die Unter-<br />

schiedlichkeit <strong>der</strong> Menschen zur Normalität wird. (06.09.2007 in „Kiek in” Fachtag Neumünster)<br />

Inklusion in Deutschland ist (m.E.), so wie sich die gesellschaftliche Situation zurzeit darstellt, ein weit ent-<br />

ferntes Ziel. Eine inklusive Gesellschaft würde eine Gesellschaft bedeuten, die ALLE Menschen in ihrer Mitte<br />

willkommen heißen kann, ohne „wenn und aber”. Ernst genommen würde Inklusion Wechsel <strong>der</strong> Grundauffas-<br />

sung im Umgang mit Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung bedeuten. Nur wenn dieser Wechsel und die damit verbun-<br />

dene Sicht auf Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung sich gravierend verän<strong>der</strong>n würden, wäre ein erster Schritt in<br />

Richtung Inklusion getan. Es müsste ein neuer Weg im Umgang mit Unterschieden beschritten werden…. („Es<br />

ist normal verschieden zu sein”, R. Weizsäcker.) Eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist nur dann mög-<br />

lich, wenn alte Klischees und Bil<strong>der</strong> über Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung abgelegt werden. Dies wie<strong>der</strong>um setzt<br />

tief greifende Strukturverän<strong>der</strong>ungen in Bildungs- und Gesellschaftsstrukturen voraus. Die Teilhabe aller Men-<br />

schen wird somit zu einer Frage <strong>der</strong> Realisierung von Bürgerrechten. Die Integration von Menschen mit Behin-<br />

<strong>der</strong>ung ist eine Re-Integration! Die Inklusion von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung würde bedeuten, dass<br />

Ausgrenzung generell vermieden wird. Es ist ein anspruchsvolles gesellschaftliches Ziel, dessen Verwirkli-<br />

chung zum jetzigen Zeitpunkt mehr eine (meine) Version ist als die Realität zu sein scheint.<br />

Meine langjährigen berulichen Erfahrungen mit schulischer Integration von Kin<strong>der</strong>n mit und ohne Behinde-<br />

rung und meines Sohnes mit einer <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung, haben lei<strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong> gezeigt, dass In-<br />

tegration häuig eher Anpassung des Kindes mit Behin<strong>der</strong>ung bedeutet. Das Kind, <strong>der</strong> Mensch soll sich<br />

verän<strong>der</strong>n und nicht grundsätzlich das Umfeld! Die hohe Erwartungshaltung an die Anpassungsleistung von<br />

Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung kann oftmals nicht in dem gefor<strong>der</strong>ten Maße befriedigt werden,<br />

ohne weiter schwere psychische Störungen aufgrund ständiger Überfor<strong>der</strong>ung zu verursachen.<br />

Wenn die UN-Konvention zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und in allen an<strong>der</strong>en Bereichen von Men-<br />

schen mit Behin<strong>der</strong>ung so ausgelegt wird, dass mir als Mutter gesagt wurde: „Wenn wir die Gleichstellung<br />

ernst nehmen, dann hat auch ein Mensch mit Behin<strong>der</strong>ung ein „Recht” darauf zu verwahrlosen, Alkoholiker<br />

o<strong>der</strong> obdachlos zu werden”, dann ist das an Zynismus kaum noch zu überbieten.<br />

126


Wenn „Ambulantisierung”, „Selbstverwirklichung” und „Selbstbestimmung” unter dem Aspekt <strong>der</strong> Sparmaß-<br />

nahmen und Kostendämpfung umgesetzt werden, sind dies meiner Meinung nach, u.a. für Menschen mit Au-<br />

tismus-Spektrum-Störung ein Hohn und zutiefst menschenverachtend!! Das Wort „Fürsorgeplicht” kommt in<br />

dem Katalog nicht mehr vor. In <strong>der</strong> letzten Wohneinrichtung, weitestgehend losgelassen, über viele Stunden<br />

am Tag sich selbst überlassen, ohne eine ersichtliche Tagesstruktur, Halt und engmaschige Begleitung, stol-<br />

perte mein Sohn hillos, überfor<strong>der</strong>t dem sichtbaren Abgrund entgegen – bis zur Explosion, nach <strong>der</strong> vorerst<br />

nichts mehr so war wie zuvor…<br />

Diese permanente Überfor<strong>der</strong>ung hatte zur Folge, dass mein Sohn im vergangenen Jahr viele Wochen auf <strong>der</strong><br />

Hochakutstation einer Psychiatrie verbracht hat. Betreut wurde er von Ärzten und Plegern, die keine Ahnung<br />

von Menschen mit einer <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung hatten. Wenn man sich dort gar nicht mehr zu helfen<br />

wusste, wurde mein Sohn sediert und auch ixiert. Für meine Tochter und für mich war das sehr belastend und<br />

auch schmerzhaft zu erleben. Hillos waren wir einer Situation ausgeliefert, aus <strong>der</strong> es lange Zeit keinen Aus-<br />

weg zu geben schien. Wir können nicht genau abschätzen, welche Folgen das für den Bru<strong>der</strong>, den Sohn be-<br />

deutete und evtl. auch noch bedeutet! Die letzte Wohngruppe, in <strong>der</strong> mein Sohn in Hamburg wohnte,<br />

weigerte sich, ihn zurückzunehmen und suchte auch nicht nach Alternativen. Meine Tochter holte ihren Bru-<br />

<strong>der</strong> dann aus <strong>der</strong> Psychiatrie. Die zugesagte Betreuung über das Amt für Einglie<strong>der</strong>ungshilfe durch die Ein-<br />

richtung wurde nicht eingehalten und war, mit ihren wenigen Stunden, nicht annähernd ausreichend um<br />

einen geregelten Berufsalltag zu gewährleisten. Nachdem ich dann auch noch ins Krankenhaus musste, war<br />

meine Tochter gänzlich alleingelassen und konnte ihren Beruf dann nicht mehr ausüben! Ohne die unermüd-<br />

liche Unterstützung meiner Tochter, weiß ich bis heute nicht, wie wir diese Zeit überlebt hätten!!!<br />

Es war eigentlich schon fast „fünf nach zwölf” als die Hilfe kam… Mein Sohn, <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> konnte in das „Haus<br />

Lydia” <strong>der</strong> <strong>Samariteranstalten</strong> Fürstenwalde einziehen! An diesem Einzelschicksal (<strong>der</strong>en ähnliche mir aber ei-<br />

nige bekannt sind) zeigt sich deutlich, dass <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Inklusion in <strong>der</strong> Realität nur ein schönes Wort ist,<br />

eine Farce!<br />

Nach <strong>der</strong> oben beschriebenen Deinition, hat die Arbeit im „Haus Lydia” erst einmal nicht viel mit Inklusion zu<br />

tun …. Durchgängig wird nach dem TEACCH-Ansatz gearbeitet. Es gibt eine Tagesstruktur, viele Spaziergänge,<br />

Sport, Reiten und Schwimmen. Eine Logopädin kommt ins Haus, genauso wie eine Künstlerin. Die Ärzte neh-<br />

men die Herausfor<strong>der</strong>ung an, dieser sehr speziellen Klientel gerecht zu werden. Ein dichter Betreuungsschlüs-<br />

sel, eine NACHTWACHE (eine Rarität, die es kaum noch in Hamburg gibt, selten sind noch Nachtbereitschaften<br />

vorhanden). Hier ist es bekannt, das Menschen mit <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung oft schlecht schlafen, Alp-<br />

träume haben, umherwan<strong>der</strong>n, von Angst überlutet werden, z.B. bei Gewitter.<br />

Endlich hat mein Sohn die Betreuung, die er so nötig braucht, die Umgebung, in <strong>der</strong> er heiler wird und seine<br />

Sozialkompetenz wie<strong>der</strong> erweitern kann! Im „Haus Lydia” wird an Kenntnisse aus <strong>der</strong> Schulzeit angeknüpft<br />

und mein Sohn schreibt, malt und bastelt wie<strong>der</strong>… nach langer Zeit, meist mit großer Freude! Über weite<br />

Strecken hat er nach kaum einem Jahr seine Vermeidungshaltung aufgegeben und arbeitet an vielen Tagen<br />

mit großer Begeisterung als „Gärtner“!<br />

Anlage 6<br />

127


Anlage 6<br />

Integriert ist diese Gruppe junger Frauen und Männer in die Dorfgemeinschaft. Sie hat ihren Platz in diesem<br />

kleinem gesellschaftlichen Rahmen erlangt und hat dennoch ihren „ge-/beschützten” Rahmen, <strong>der</strong> unver-<br />

zichtbar ist, aus meiner Sicht. Mein Sohn „darf” wie<strong>der</strong> autistisch sein! „Darf” wie<strong>der</strong> „Sein So-Sein” leben! Muss<br />

sich nicht ständig an <strong>der</strong> „normalen” Welt orientieren und messen, kann glücklich sein, auch wenn das Heim-<br />

weh manchmal plagt, das aber aufgewogen wird durch die Lebensbedingungen, die er im „Haus Lydia“ ge-<br />

funden hat.<br />

Solange das Umdenken in <strong>der</strong> Gesellschaft nicht erfolgt ist, solange die inanziellen und personellen Mittel<br />

nicht für diese tief greifende Strukturreform für diesen Prozess bereitgestellt wird, solange Menschen mit Be-<br />

hin<strong>der</strong>ung nicht ihr „So-Sein”, ohne sich verbiegen zu müssen, leben können, solange nicht „lächendeckend”<br />

in Kopf und Herz <strong>der</strong> sogenannten normalen Menschen, <strong>der</strong> Wechsel <strong>der</strong> Grundauffassung über das „So-Sein”<br />

von behin<strong>der</strong>ten Menschen, hier insbeson<strong>der</strong>e Menschen im <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störung, erfolgt ist, solange<br />

ist es, nach meinen bitteren Erfahrungen mit meinem Sohn und an<strong>der</strong>en Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung wichtig,<br />

Wohn- und Lebensformen zu schaffen, die auf ihre Bedürfnisse, ganz individuell (Individualisierung) zuge-<br />

schnitten sind!<br />

Ich glaube nicht, dass die Vision <strong>der</strong> Inklusion in absehbarer Zeit in Erfüllung gehen wird (wenn jemals über-<br />

haupt), da die Menschen, nach meinem Verständnis, dazu nicht o<strong>der</strong> kaum in <strong>der</strong> Lage sind. Wichtig ist es im<br />

persönlichem Umfeld für Akzeptanz zu „werben” und dem Menschen, <strong>der</strong> sich so „an<strong>der</strong>s” darstellt mit Liebe<br />

und Respekt zu begegnen und ihm die Unterstützung zu gewähren und ihm zuhelfen, seinen Alltag zu gestal-<br />

ten, dass er ein menschenwürdiges, erfülltes, ja auch glückliches Leben führen kann! Das ist die große Heraus-<br />

for<strong>der</strong>ung, die an Mütter und Väter, Geschwister, Familienmitglie<strong>der</strong>, gesetzliche Betreuer, Freunde, Betreuer<br />

und alle an<strong>der</strong>en begleitenden Personen gestellt ist! Ich weiß, dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

aus „Haus Lydia” nicht darum herum kommen werden, in irgendeiner Form, im Ansatz, die UN-Konventionen<br />

zu erfüllen. Das wird ein weiter Spagat zwischen diesen For<strong>der</strong>ungen und <strong>der</strong> Realität, die unsere erwachse-<br />

nen Töchter und Söhne mit Autistischer-Spektrum-Störung an uns alle stellen! Wenn ihre Welt aus den „An-<br />

geln” gerät, wachsen ihre Ängste. Angst ist ihre Reaktion auf Unübersichtlichkeit und Reizüberlutung, wenn<br />

sie ihnen zu nahe rückt, sie überschwemmt. Nur gemeinsam können wir uns den For<strong>der</strong>ungen entgegenstel-<br />

len und versuchen, mit „unserem” Konzept zu überzeugen und unsere Töchter und Söhne vertreten. Denn<br />

alles ANDERE macht mir Angst!<br />

An dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem „Haus Lydia”<br />

ganz herzlich bedanken; bedanken, für ihren Einsatz, ihre Empathie, ihre täglich zu bewältigende Arbeit - die<br />

sie nicht nach <strong>der</strong> „Stechuhr” leisten, für das gegenseitige Vertrauen, für ihre Mühe, für ihr „da-sein”, dafür, dass<br />

es meinem Sohn so viel besser geht als im vergangenem Jahr um diese Zeit!<br />

128<br />

Ragna Linde, Diplom Sozialpädagogin, Hamburg, 02.09.2010<br />

Literaturverzeichnis: - Von <strong>der</strong> Integration zur Inklusion, Lebenshilfe 2. Aulage Febr. 2010 /- Inklusion statt Integration, Son<strong>der</strong>druck Pädagogik Heft 2<br />

Verplichtung zum Systemwechsel 2009/- Von <strong>der</strong> Integration zur Inklusion - Lebenshilfe Veranstaltungsdokumentation <strong>der</strong> Fachtagung Gesellschaftli-<br />

che Entwicklung im Blickpunkt 23. - 24.11.2007 in Marburg.


129


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d) Richtlinie über die Durchführung <strong>der</strong> Psychotherapie in <strong>der</strong> Versorgung (Psychotherapie-Richtlinie) i. d. F.<br />

140<br />

vom 11.12.1998, zuletzt geän<strong>der</strong>t am 19.07.2005, in Kraft getreten am 01.10.2005<br />

http://www.g-ba.de/downloads/62-492-169/RL-Psycho-2005-07-19.pdf (nicht mehr in Kraft!).<br />

Neue Richtlinien-Version i. d. F. vom 19.02.2009, zuletzt geän<strong>der</strong>t am 15.10.2009, in Kraft getreten am 10.12.2009:<br />

http://www.g-ba.de/downloads/62-492-405/RL-Psycho-2009-10-15.pdf.<br />

e) Richtlinie über die Verordnung von Hilfsmitteln in <strong>der</strong> vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinie)<br />

i. d. F. vom 17.07.1992, zuletzt geän<strong>der</strong>t am 19.10.2004, in Kraft getreten am 06.01.2005<br />

http://www.g-ba.de/downloads/62-492-66/RL-Hilfsmittel-2004-10-19.pdf (nicht mehr in Kraft!).<br />

Neufassung i. d. F. vom 16.10.2008, in Kraft getreten am 07.02.2009:<br />

http://www.g-ba.de/downloads/62-492-309/RL-Hilfsmittel-Neufassung-2008-10-16.pdf.<br />

f) Richtlinie zur Deinition schwerwiegen<strong>der</strong> chronischer Krankheiten gem. § 62 SGB V (Chroniker-Richtlinie)<br />

i. d. F. vom 22.01.2004, zuletzt geän<strong>der</strong>t am 21.12.2004, in Kraft getreten am 01.01.2005.<br />

Neue Richtlinien-Version i. d. F. vom 22.01.2004, zuletzt geän<strong>der</strong>t am 19.06.2008, in Kraft getreten am 20.08.2008:<br />

http://www.g-ba.de/downloads/62-492-278/RL_Chroniker-2008-06-19.pdf.<br />

Fachhochschule Potsdam (Hrsg.): Arbeitsmaterialien des Fachbereiches Sozialwesen <strong>der</strong> Fachhochschule<br />

Potsdam Nr. 19. Endbericht zum Modellprojekt Betreuung psychisch kranker Menschen in Gastfamilien. Psy-<br />

chiatrische Familienplege im land Brandenburg.<br />

Hessisches Sozialministerium (Hrsg.) (2001): Lebensräume älterer Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung. Hessische Er-<br />

fahrungen. Lebenshilfe-Verlag.<br />

Kultusministerkonferenz (Hrsg.) (2000): Empfehlungen zu Erziehung und Unterricht von Kin<strong>der</strong>n und Ju-<br />

gendlichen mit autistischem Verhalten. Beschluss <strong>der</strong> Kultusministerkonferenz Juni 2006.<br />

o<strong>der</strong>: http://www.kmk.org/ileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/Beschluesse_Veroeffentlichungen/allg_<br />

Schulwesen/autis.pdf.<br />

Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg (Hrsg.) (2003): Rundschreiben LASV Abt. 5 Nr.<br />

6/2003. Landessozialamt. Gesamtplan.<br />

Lebenshilfe Berlin e.V. (Hrsg.): Impulse 2006 „Geistig behin<strong>der</strong>t und plegebedürftig…“. Individuelle Hilfear-<br />

rangements an <strong>der</strong> Schnittstelle von Einglei<strong>der</strong>ungshilfe und Plegeversicherung. Tagungsbericht März 2006.<br />

o<strong>der</strong>: http://www.lebenshilfe-berlin.de/ileadmin/user_upload/Downloads/07_Service/Publikationen/<br />

Impulse_2006.pdf.<br />

Lernen konkret. Praktische Erfahrungen mit Methoden aus dem TEACCH-Ansatz. 2/2003.


Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund <strong>der</strong> Krankenkasse e.V. (Hrsg.) (2004): Qualität in <strong>der</strong><br />

ambulanten und stationären Plege. 1. Bericht des MDS nach § 118 Abs. 4 SGB XI.<br />

http://www.mds-ev.de/media/pdf/Erster_Bericht-118-XI_QS-Plege.pdf (Stand: 10.11.2004)(Ergänzende Infor-<br />

mationen: 2. Bericht des MDS.<br />

http://www.mds-ev.de/media/pdf/Zweiter_Bericht_des_MDS.pdf (Stand: 09.08.2007)).<br />

Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund <strong>der</strong> Krankenkasse e.V. (Hrsg.) (2005): Begutachtungs-<br />

Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation.<br />

http://www.mds-ev.org/media/pdf/RL_VorsorgeReha_2005(2).pdf (Stand: 28.10.2005).<br />

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg (Hrsg.) (2003): Sozial-<br />

politik im Überblick 2003. Beiträge zur Sozial- und Gesundheitsberichterstattung Nr. 3.<br />

http://brandenburg.de/media/1336/sgb_3.pdf.<br />

VdS Brandenburg (Hrsg.) (2005): <strong>Autismus</strong> und Herausfor<strong>der</strong>ndes Verhalten. Fachtagung <strong>der</strong> AG <strong>Autismus</strong> im<br />

VdS Brandenburg, Band 12. Weidler Buchverlag.<br />

Verordnung über Unterricht und Erziehung für junge Menschen mit son<strong>der</strong>pädagogischem För<strong>der</strong>bedarf<br />

(Son<strong>der</strong>pädagogik-Verordnung SopädVO) vom 24.06.1997, zuletzt geän<strong>der</strong>t durch Verordnung vom<br />

21.07.2005 Neue Verordnungs-Version:<br />

http://www.bravors.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=land_bb_bravors_01.c.43471.de.<br />

Fachtagungen, Workshops und an<strong>der</strong>e Veranstaltungen<br />

- Fachtagung „Lebensräume älterer Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung“ im Oktober 1998 in Frankfurt/Main<br />

- Fortbildung LIS e.V. 2004: Nichtsprechende Menschen. Ein Überblick über Ursachen und Kommunikations-<br />

hilfen<br />

- DVfR-Workshop im Rahmen <strong>der</strong> RehaCare International 2005 in Düsseldorf: Teilhabe behin<strong>der</strong>ter Men-<br />

schen gezielt för<strong>der</strong>n! Die ICF als globaler Maßstab.<br />

- Fachtag <strong>der</strong> AG <strong>Autismus</strong> im VdS Brandenburg im April 2006 (noch unveröffentlicht)<br />

- Symposium Universität Potsdam in Zusammenarbeit mit dem Institut Hans E. Kehrer e.V. Bremen: Was sind<br />

Wirkvariablen bei <strong>der</strong> Therapie des frühkindlichen <strong>Autismus</strong>?<br />

Weitere Literaturangaben unter www.verbund-autismus.de.<br />

Literaturverzeichnis<br />

141


CJD Prignitz Prr<br />

ignitz<br />

Internet: www.verbund-autismus.de<br />

E-Mail: dialog@verbund-autismus.de<br />

Oberlinhaus Potsdam<br />

www.oberlinhaus.de<br />

CJD Prignitz<br />

www.cjd-prignitz.de<br />

<strong>Samariteranstalten</strong><br />

www.samariteranstalten.de<br />

Oberlinhaus<br />

Potsdam otsdam<br />

<strong>Samariteranstalten</strong><br />

Samariter<br />

anstal anstalten<br />

Fürs Fürstenwalde t en enwalde<br />

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