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Wir Unternehmer – Re<strong>de</strong>zeit<br />
Markus Reiter<br />
Wi<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Terror <strong>de</strong>r Exzellenz<br />
In vielen Unternehmen wird eine wichtige Gruppe von Leistungsträgern massiv unterschätzt:<br />
das Mittelmaß. Diese Missachtung hat fatale Folgen.<br />
Wenn ich mich mit Freun<strong>de</strong>n und Bekannten<br />
unterhalte, wun<strong>de</strong>re ich mich<br />
oft, dass ich so gut wie nie auf einen<br />
mittelmäßigen Autofahrer treffe. Stets<br />
beklagt <strong>de</strong>r Gesprächspartner, auf <strong>de</strong>n<br />
Straßen seien nur Idioten unterwegs,<br />
die ihm selbst, einem selbstverständlich<br />
herausragen<strong>de</strong>n Autofahrer, das Leben<br />
schwer machten. Umfragen bestätigen<br />
meinen subjektiven Eindruck: Neun<br />
von zehn <strong>de</strong>utschen Autofahrern hal-<br />
ten sich für überdurchschnittlich gut.<br />
Das kann statistisch betrachtet gar nicht<br />
sein, <strong>de</strong>nn es wür<strong>de</strong> be<strong>de</strong>uten, dass die<br />
restlichen zehn Prozent es kaum aus <strong>de</strong>r<br />
Garage schaffen wür<strong>de</strong>n.<br />
Auf <strong>de</strong>n gleichen Wi<strong>de</strong>rspruch stoßen<br />
wir auch an<strong>de</strong>rnorts. Umfragen zufolge<br />
halten sich so gut wie alle College-Professoren<br />
in <strong>de</strong>n USA für besser als ihre<br />
Kollegen. Und rund ein Viertel <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten<br />
ist davon überzeugt, zu <strong>de</strong>m einen<br />
Prozent <strong>de</strong>r Besten ihres Jahrgangs<br />
zu gehören. Vermutlich muss man ein<br />
so robustes Selbstbewusstsein besitzen,<br />
um in einer Welt zu bestehen, die <strong>de</strong>m<br />
Terror <strong>de</strong>r Exzellenz unterliegt. Wo<br />
man hinschaut: Elitenauswahl, Exzellenzinitiative,<br />
Hochbegabtenför<strong>de</strong>rung.<br />
Kaum ein Unternehmen verkün<strong>de</strong>t: Wir<br />
nehmen gerne die Mittelmäßigen. Scha<strong>de</strong>,<br />
<strong>de</strong>nn damit vergeben sie Chancen.<br />
Greifen wir zu einem Vergleich. Bei mir<br />
zu Hause steht ein preiswerter mittelmä-<br />
Markus Reiter<br />
ist freier Journalist und Publizist sowie mit<br />
seiner Agentur Klar<strong>de</strong>utsch als freiberufl icher<br />
Schreib- und Kommunikationstrainer tätig.<br />
Im Verlag Oekom<br />
erschien sein Buch<br />
„Lob <strong>de</strong>s Mittelmaßes.<br />
Warum wir nicht alle<br />
Elite sein müssen“<br />
(96 Seiten, 12,95 €).<br />
ßiger Fernsehapparat. Er reicht für die<br />
drei bis vier Stun<strong>de</strong>n, die ich höchstens<br />
in <strong>de</strong>r Woche Fernsehen schaue, völlig<br />
aus. Im Gegenteil, es wäre eine Geldverschwendung<br />
gewesen, hätte ich mir<br />
einen High-End-Super-Hightech-Hochleistungsfernseher<br />
angeschafft, <strong>de</strong>r nach<br />
200 Betriebsstun<strong>de</strong>n bei mir technisch<br />
schon wie<strong>de</strong>r veraltet wäre.<br />
Diese Logik scheint in <strong>de</strong>n Personalabteilungen<br />
allzu oft nicht verstan<strong>de</strong>n<br />
zu wer<strong>de</strong>n. Gesucht wer<strong>de</strong>n dort<br />
ausschließlich die Besten. Lee Iaccoca,<br />
angeblich Amerikas härtester Manager,<br />
hat in seiner Zeit bei General Electric<br />
sogar je<strong>de</strong>s Jahr die zehn Prozent<br />
Schlechtesten seiner Belegschaft entlassen.<br />
Ziemlich zynisch und kein Vorbild,<br />
<strong>de</strong>nn die Mitarbeiter mit Mittelmaß<br />
sind das Rückgrat eines Unternehmens.<br />
Ohne sie läuft <strong>de</strong>r La<strong>de</strong>n nicht – und die<br />
drei Überfl ieger stün<strong>de</strong>n verloren da.<br />
Damit wir uns recht verstehen: Es gibt<br />
einen Unterschied zwischen Mittelmaß<br />
und Mittelmäßigkeit. Mittelmäßigkeit<br />
be<strong>de</strong>utet, sich durchzuwurschteln, sich<br />
nicht anzustrengen. Solches Verhalten<br />
ist mitnichten lobenswert. Beim<br />
Mittelmaß hingegen geht es nicht um<br />
Verhalten, son<strong>de</strong>rn um die natürliche<br />
Beschränkung durch Genetik, Alter,<br />
Talent und Intelligenz, die man trotz<br />
größter Anstrengung nicht überschreiten<br />
kann. 90 Prozent <strong>de</strong>r Menschen<br />
bewegen sich in <strong>de</strong>n meisten Bereichen<br />
in einem überschaubaren Intervall um<br />
dieses Mittelmaß herum. Diesen Mitarbeitern<br />
wird zu wenig Aufmerksamkeit<br />
gewidmet. Wer ihre Leistungen stets an<br />
<strong>de</strong>n fünf Prozent Besten misst, verursacht<br />
Enttäuschung und <strong>de</strong>motiviert.<br />
Das Mittelmaß in <strong>de</strong>n Unternehmen, die<br />
Fleißigen und Engagierten, die es <strong>de</strong>nnoch<br />
nie an die Spitze schaffen, haben<br />
mehr Anerkennung verdient. Zumal<br />
wir feststellen wer<strong>de</strong>n, dass fast je<strong>de</strong>r<br />
von uns in irgen<strong>de</strong>iner bestimmten Sache<br />
ein ganz beson<strong>de</strong>res Talent hat. Befreit<br />
von <strong>de</strong>m Druck, immer und überall<br />
Spitze sein zu müssen, könnte sich <strong>de</strong>r<br />
Einzelne auf genau diese Fähigkeit konzentrieren<br />
– zum Vorteil <strong>de</strong>s ganzen<br />
Unternehmens.<br />
10 ProFirma 07/08 2011<br />
Foto: die arge Lola