29.07.2023 Lindauer Bürgerzeitung
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14 29. Juli 2023 · BZ Nr. 30/23<br />
WISSENSWERTES<br />
Uccelin verleiht Flügel für die Karriere<br />
Als Stipendiat lernt der <strong>Lindauer</strong> Lukas Meßmer weltweit einige der besten Restaurants und Produzenten kennen<br />
Lukas hat Flügel bekommen.<br />
Die tragen den 26-Jährigen um<br />
die Welt – von einem kulinarischen<br />
Höhepunkt zum nächsten,<br />
aber auch von dem einen Abenteuer<br />
zum anderen. Doch Lukas<br />
ist nicht auf dem grandiosesten<br />
Urlaubstrip seines Lebens, sondern<br />
er hat sich auf den Weg in<br />
die Küchen der besten Köche<br />
der Welt gemacht. Sein Fleiß,<br />
sein Mut, seine Wissbegierde<br />
und sein Talent begleiten ihn.<br />
Lukas Meßmer ist Koch. Ein junger<br />
Koch, der Dank der Fundaziun<br />
Uccelin (Rätoromanisch für Vögelchen)<br />
auf einer spannenden<br />
Reise zu Spitzenköchen und herausragenden<br />
Produzenten ist.<br />
Sein Ziel: selbst einmal nach den<br />
Sternen am Kulinarikhimmel<br />
greifen zu können.<br />
Sie erinnern sich vielleicht, liebe<br />
BZ-Leser, wir haben Ihnen in<br />
unserer Weihnachtsausgabe die<br />
Geschichte von einem jungen<br />
Mann aus Lindau erzählt:<br />
Lukas Meßmer. Der 25-Jährige<br />
hatte sich nach einer Kochausbildung<br />
bei Thomas Kraus im<br />
Schachener Hof in Lindau die<br />
ersten Sporen in der Spitzengastronomie<br />
verdient, arbeitete<br />
damals als Junior Sous Chef im<br />
berühmten Sternerestaurant<br />
„Tantris“ in München. Weil er<br />
aber noch mehr von der Welt<br />
sehen, sein Wissen über Produkte<br />
vertiefen und seine<br />
Kochkünste weiter ausbauen<br />
und verfeinern möchte, hatte<br />
er sich für ein Programm beworben,<br />
das gastronomischen<br />
Träumen Flügel verleiht – für<br />
das Uccelin-Stipendium von<br />
Andreas Caminada.<br />
Know-how und Erfahrung für<br />
gastronomische Talente<br />
Andreas Caminada ist ein<br />
Koch aus der Schweiz, der bereits<br />
im Alter von 34 Jahren<br />
Lukas beim Muschelfischen in Zeeland.<br />
mit drei Michelin-Sternen und<br />
19 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet<br />
wurde. Sein Restaurant<br />
Schloss Schauenstein in<br />
Fürstenau ist seit 2011 auf der<br />
„The World‘s 50 Best Restaurants“-Liste<br />
platziert und erreichte<br />
2023 Platz 26 dieses<br />
internationalen Rankings. Zusammen<br />
mit seiner Frau Sarah<br />
gründete er 2016 die Fundaziun<br />
Uccelin mit dem Ziel, Kochund<br />
Serviceenthusiasten zu fördern<br />
und die Branche dadurch<br />
nachhaltig zu stärken. Das tut<br />
die Stiftung, indem sie Brücken<br />
zwischen den gastronomischen<br />
Talenten und Partnern baut,<br />
damit Neugier und Leidenschaft<br />
auf Know-how und Erfahrung<br />
treffen. Zu den Partnern gehören<br />
weltweit über 70 Restaurants,<br />
die die Stipendiaten der Fundaziun<br />
Uccelin für vier Wochen<br />
aufnehmen, und mehr als 30<br />
Produzenten, die den Stipendiaten<br />
während einer Woche einen<br />
Einblick in ihre Arbeit geben.<br />
Private Gönner und Spender<br />
sind für die Finanzierung der<br />
Stiftungsprogramme essenziell.<br />
Außerdem organisiert Fundaziun<br />
Uccelin jedes Jahr mindestens<br />
einen Charity Event.<br />
Das 20-wöchige Programm<br />
ist modular aufgebaut. Welche<br />
Restaurants und welche Produzenten<br />
die Stipendiaten besuchen<br />
möchten, suchen sie<br />
sich selbst aus. Die Abschlusswoche<br />
inklusive einer Kreation<br />
und der Präsentation eines Abschlussproduktes,<br />
das jeder Stipendiat<br />
entwickelt, findet beim<br />
Stiftungsgründer Andreas Caminada<br />
auf Schloss Schauenstein<br />
statt.<br />
Von den besten Köchen und<br />
Produzenten der Welt lernen<br />
Lukas hat sich im Rahmen<br />
des Uccelin Programms für einen<br />
Olivenproduzenten in Kalabrien<br />
entschieden.<br />
Er besuchte eine Krustentierproduktion<br />
in Zeeland, einer<br />
Provinz in den südwestlichen<br />
Niederlanden.<br />
Seine Reise führte ihn zu<br />
John Baker nach Zürich, einer<br />
Bäckerei, der nicht nur ihre<br />
Kunden sondern auch der<br />
Gault & Millau bestätigt, dass<br />
sie zu den Besten gehört.<br />
Lukas hat außerdem Felchlin<br />
in Ibach kennenlernen dürfen.<br />
Seit mehr als einem Jahrhundert<br />
ist das eines der führenden<br />
Unternehmen in der Herstellung<br />
von edelster Schweizer<br />
Schokolade.<br />
Selbst dem Käsemeister Willi<br />
Schmid aus dem Toggenburg,<br />
der im Städtlichäsi Lichtensteig<br />
Käse produziert, der weltweit<br />
zu den besten gehört,<br />
durfte Lukas nicht nur bei der<br />
Arbeit zur Hand gehen, sondern<br />
konnte ihm auch viel<br />
Wissen über die besondere<br />
Herstellungsweise entlocken.<br />
Neue Produkte und Techniken<br />
in einer fremden Umgebung,<br />
in der man sich auch<br />
mit Englisch kaum mehr verständigen<br />
kann, lernte der<br />
<strong>Lindauer</strong> Koch in Santiago de<br />
Chile kennen. Das Restaurant<br />
Borago von Rodolfo Guzman<br />
ist nicht nur das beste Restaurant<br />
in ganz Chile, sondern<br />
reiht sich nur drei Plätze hinter<br />
Andreas Caminada auf Platz 29<br />
der 50 besten Restaurants der<br />
Welt ein.<br />
Von der Millionenstadt Santiago<br />
de Chile führte die nächste<br />
Station ins beschauliche Städtchen<br />
Bad Ragaz in der Schweiz,<br />
wo Lukas im Team von Sven<br />
Wassmer, dessen Restaurant<br />
„Memories“ im Grand Resort<br />
Bad Ragaz auf drei Michelin-<br />
Sterne und einen grünen<br />
Michelin-Stern sowie 18 Gault<br />
Millau-Punkte und 98 Falstaff-<br />
Punkte verweisen kann, sich bei<br />
der Arbeit in einer zum Gastraum<br />
hin komplett offenen<br />
Küche beweisen durfte.<br />
Danach begann für Lukas<br />
seine Zeit in Fürstenau. Die<br />
mittelalterliche Stadt im Kanton<br />
Graubünden präsentiert sich<br />
als kleinste Stadt der Welt. Aber<br />
sie hat trotz ihrer wenigen Einwohner<br />
extrem viel Hochgenuss<br />
zu bieten: ein Schloss, ein Gasthaus,<br />
eine Bäckerei und einen<br />
Garten. Denn in Fürstenau verwirklicht<br />
Andreas Caminada<br />
seine Idee von guter Küche und<br />
gelebter Gastlichkeit. Zur mit<br />
drei Michelin-Sternen und 19<br />
Gault-Millau-Punkten prämierten<br />
Gourmetadresse „Schloss<br />
Schauenstein“ und dem Bündner<br />
Gasthaus „Casa Caminada“<br />
gesellt sich auch der Genussort<br />
„Oz“, was in der Muttersprache<br />
von Andreas Caminada<br />
(Rätoromanisch) „heute“ bedeutet.<br />
Dort gibt der schlosseigene<br />
Garten den Takt vor, in dem<br />
die Produkte täglich frisch geerntet<br />
werden, denn auf der<br />
stetig wechselnden Karte stehen<br />
ausschließlich vegetarische<br />
Gerichte.<br />
Von der klassischen Kochtechnik<br />
in den Schweizer Bergen<br />
ging es für Lukas Mitte Juli<br />
nach Spanien, genauer gesagt<br />
nach Dénia in der Provinz Alicante.<br />
Dort sammelt er derzeit<br />
spannende Koch-Erfahrungen<br />
am Meer im Restaurant von<br />
Quique Dacosta.<br />
Der spanische Küchenchef<br />
Quique Dacosta gilt als der faszinierendste<br />
Avantgardestar<br />
Spaniens, der sich als Autodidakt<br />
vom Küchenjungen zum<br />
Drei-Sterne-Koch emporgearbeitet<br />
hat.<br />
Wer einen der zehn<br />
Plätze im Uccelin-<br />
Programm von<br />
Drei-Sterne-Koch<br />
Andreas Caminada<br />
(rechts im Bild) ergattert,<br />
dem steht<br />
die Welt offen.<br />
Das 20 Wochen<br />
dauernde Programm<br />
führt die<br />
Kandidaten zu den<br />
besten kulinarischen<br />
Adressen und<br />
Produzenten rund<br />
um die Welt.<br />
Der 26 Jahre alte<br />
Lukas Meßmer aus<br />
Lindau ist dabei.<br />
Doch auch wenn das<br />
Programm für ihn<br />
bald zu Ende ist –<br />
seine berufliche<br />
Abenteuerreise<br />
geht weiter. Denn<br />
es steht noch ein<br />
Hilfsprojekt in<br />
Kambodscha auf<br />
seinem kulinarischen<br />
Entdecker-<br />
Plan.<br />
BZ-Fotos: Privat<br />
Abenteuer, Spaß aber vor<br />
allem viel neues Wissen<br />
Lukas hat seit seinem Start<br />
im Uccelin-Programm schon<br />
viele Abenteuer erlebt. So war<br />
er mit Jean und seinen Kollegen<br />
beim Muschelfischen auf<br />
dem Meer und hat dabei viel<br />
darüber gelernt, wie aufwendig<br />
es ist, Muscheln und Austern<br />
zu züchten. Die außergewöhnlich<br />
schönen Sonnenaufgänge,<br />
die vom Schiff aus zu beobachten<br />
waren, gab‘s als Gratiszugabe.<br />
Er ließ sich auch nicht von<br />
seiner ersten Unterkunft abschrecken,<br />
die ihn in der Hauptstadt<br />
Chiles erwartete: ein Hostel<br />
mit acht Personal-Betten in<br />
einer abgelegenen und nicht<br />
ganz ungefährlich wirkenden<br />
Gegend der Millionenstadt, von<br />
dem aus er anderthalb Stunden<br />
bis zur Arbeit im Restaurant<br />
unterwegs war. Da hat sich die<br />
Stiftung Uccelin sehr schnell<br />
um Ersatz bemüht. Denn nicht<br />
das Abenteuer, sondern der<br />
Lernprozess stehen während<br />
des Programmes im Vordergrund.<br />
Das Restaurant Borago, in dem<br />
er gearbeitet hat, konzentriert<br />
sich fast ausschließlich auf die<br />
Verarbeitung von chilenischen<br />
Produkten, die in vielen kleineren<br />
Gängen als großes Tasting-<br />
Menü serviert werden. Schon<br />
ab seinem dritten Arbeitstag<br />
durfte Lukas mit einem eigenen<br />
Gang zum Menü beitragen.<br />
Er lernte traditionelle chilenische<br />
Garmethoden für<br />
Fleisch kennen und entdeckte<br />
ganz neue Produkte, denn das<br />
Borago benutzt verschiedene<br />
Algen, Salzkräuter und Blüten,<br />
die das Team selbst an der<br />
Küste sammelt.<br />
(Fortsetzung nächste Seite)