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tassilo - das Magazin rund um Weilheim und die Seen - Ausgabe November/Dezember 2023

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meiner Hand heraus.“ Wobei auch<br />

sechser oder dreier Nadeln immer<br />

wieder mal z<strong>um</strong> Einsatz kommen,<br />

sofern <strong>die</strong> Wolle dicker oder dünner<br />

ist. „Die Wolle habe ich noch<br />

nie gekauft, bekomme ich immer<br />

von Menschen aus dem Dorf geschenkt.“<br />

Auffallend auf den ersten<br />

Blick: Wie professionell <strong>die</strong> Mützen<br />

gefertigt wurden – jede einzelne<br />

besticht durch Gleichmäßigkeit,<br />

Stabilität <strong>und</strong> idealer Größe. „Wobei<br />

nicht alle gleich groß sind“,<br />

betont <strong>die</strong> Expertin. Sie mache<br />

Mützen für Kinder im Alter von<br />

fünf bis zehn Jahren. „Beginnend<br />

mit sechs Maschen in der Mitte,<br />

gehe ich für <strong>die</strong> kleineren Größen<br />

20 <strong>und</strong> für <strong>die</strong> größeren 22 Reihen<br />

nach außen.“ An einem guten Tag<br />

schafft sie eine Mütze in vier St<strong>und</strong>en,<br />

zwei an einem Tag. „Zurzeit<br />

habe ich ziemliche Probleme mit<br />

meinem Bein, bin deshalb z<strong>um</strong> Sitzen<br />

verdammt <strong>und</strong> kann besonders<br />

viel häkeln.“ Trotzdem wird sie<br />

immer wieder aus der für sie fast<br />

schon meditativen Arbeit gerissen,<br />

weil sie so beliebt ist im Kreise von<br />

Fre<strong>und</strong>en, Familien <strong>und</strong> anderen<br />

Dorfbewohnern. Vor allem ihre<br />

eigenen Töchter, Schwiegersöhne,<br />

Enkel <strong>und</strong> Urenkel liegen ihr natürlich<br />

besonders am Herzen, aber<br />

auch der Huglfinger Pfarrer, „ein<br />

Inder, der perfekt Deutsch spricht“,<br />

den sie ohne Augenzwinkern als<br />

guten Fre<strong>und</strong> bezeichnet. Und als<br />

Anni Bader kam 1946 als Heimatvertriebene<br />

nach Huglfing.<br />

jemandem, „der ähnlich gerne<br />

Witze erzählt wie ich“. Nur alle, so<br />

meint Anni Bader frech grinsend,<br />

darf sie in Anwesenheit des Pfarrers<br />

nicht erzählen. „Nicht jugendfrei.“<br />

Während <strong>die</strong>ses Gesprächs<br />

sind bei Mütze N<strong>um</strong>mer 80 einige<br />

neue Reihen dazugekommen. „Die<br />

wird heute noch fertig.“<br />

Anni Bader wird<br />

emotional<br />

Diese große Einkaufstüte mit dann<br />

80 handgehäkelten Wollmützen<br />

wird schließlich zu Maria Furtmayr<br />

gebracht. „Bei mir daheim befindet<br />

sich <strong>die</strong> Sammelstelle für alle<br />

Huglfinger, <strong>die</strong> sich an Weihnachten<br />

im Schuhkarton beteiligen“,<br />

sagt <strong>die</strong> Frau, <strong>die</strong> Anni Bader vor<br />

Jede Mütze ein Unikat: Anni Bader häkelte kein Modell zweimal.<br />

<strong>r<strong>und</strong></strong> drei Jahren z<strong>um</strong> Häkeln beauftragt<br />

hat. Und heilfroh ist, <strong>das</strong>s<br />

<strong>die</strong>se so zuverlässig liefert. „Ohne<br />

solch fleißige Arbeiterinnen im<br />

Hinterg<strong>r<strong>und</strong></strong> würden Hilfsaktionen<br />

nicht funktionieren.“ Wer noch<br />

nie von „Weihnachten im Schuhkarton“<br />

(www.<strong>die</strong>-samariter.org)<br />

gehört hat: Es handelt sich <strong>um</strong> <strong>die</strong><br />

bekannteste <strong>und</strong> größte Geschenkaktion<br />

im deutschsprachigen<br />

Ra<strong>um</strong>, federführend organisiert<br />

von den barmherzigen Samaritern<br />

mit Hauptsitz in Berlin, <strong>die</strong> wieder<strong>um</strong><br />

b<strong>und</strong>esweit ein Netzwerk aus<br />

Sammel- <strong>und</strong> Auslieferungsstellen<br />

gesponnen haben. Die große<br />

Sammelstelle im Tassiloland, von<br />

der aus auch <strong>die</strong> einzelnen Schuhschachteln<br />

aus Huglfing final gesammelt<br />

werden: Bei Hubert <strong>und</strong><br />

Brigitte Lautenbacher im Wielenbacher<br />

Ortsteil Bauerbach. Sowohl<br />

Maria Furtmayr, Familie Lautenbacher<br />

sowie an anderen Sammelstellen<br />

werden <strong>die</strong> einzelnen<br />

Schuhschachteln nochmals aufgemacht,<br />

kontrolliert <strong>und</strong> <strong>um</strong>sortiert.<br />

„Damit letztlich jedes Kind gleich<br />

viel bekommt“, sagt Hubert Lautenbacher,<br />

der vor elf Jahren mal<br />

selbst dabei war bei der finalen<br />

Verteilung der Geschenke in Bulgarien.<br />

„Das hat mich emotional<br />

so gepackt, <strong>das</strong>s ich zwei Monate<br />

danach immer noch geknickt war“,<br />

sagt er noch heute über <strong>die</strong>se Erkenntnis,<br />

in welch unvorstellbarer<br />

Armut <strong>die</strong>se dort hilfsbedürftigen<br />

Kinder leben müssen. „Viele<br />

von denen haben z<strong>um</strong> ersten Mal<br />

überhaupt ein Geschenk bekommen.“<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle wird auch<br />

Anni Bader emotional, <strong>die</strong> als Heimatvertriebene<br />

am eigenen Leibe<br />

erfahren musste, was Armut bedeutet.<br />

„Ich kann mir richtig gut<br />

vorstellen, wie <strong>die</strong> hilfsbedürftigen<br />

Kinder <strong>das</strong> Geschenk auspacken<br />

<strong>und</strong> dabei ihre Augen zu leuchten<br />

beginnen.“ Spätestens dann,<br />

wenn sie <strong>die</strong> mit viel Liebe <strong>und</strong><br />

Geschick gehäkelten Wollmützen<br />

aufziehen. Und kommenden Winter<br />

nicht mehr frieren müssen. js<br />

Jetzt<br />

Weihnachts-<br />

Geschenke<br />

shoppen!<br />

november / dezember 2021 <strong>2023</strong> | 41

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