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GET – GREEN EFFICIENT TECHNOLOGIES DE 2/23

„GET – GREEN EFFICIENT TECHNOLOGIES“ ist die neue unabhängige Medienplattform für Energie­versorgung, Effizienzsteigerung und alternative Energieträger und -speicher. In der Industrie gibt es nach wie vor ein hohes Potential, Energie einzusparen. Effizienz ist nicht nur für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens wichtig, sondern zielführend und ressourcen­schonend. Die Bedeutsamkeit von Effizienz, vor allem in der Energieerzeugung, welche Rolle dabei Wasserstoff, Industrieprozesse, die Ressourcen- und Kreislaufwirtschaft spielen, wie Energie gespeichert werden kann und vieles mehr finden Sie in der neuen GET. „GET – GREEN EFFICIENT TECHNOLOGIES“ ist eine Publikation der PuK. Das Fachmedium wird 2023 in deutscher Sprache am 25. Mai und 7. November als Print- und Digitalausgabe und am 5. Juli und 29. November in englischer Sprache ausschließlich als digitale Ausgabe erscheinen.

„GET – GREEN EFFICIENT TECHNOLOGIES“ ist die neue unabhängige Medienplattform für Energie­versorgung, Effizienzsteigerung und alternative Energieträger und -speicher.

In der Industrie gibt es nach wie vor ein hohes Potential, Energie einzusparen. Effizienz ist nicht nur für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens wichtig, sondern zielführend und ressourcen­schonend.

Die Bedeutsamkeit von Effizienz, vor allem in der Energieerzeugung, welche Rolle dabei Wasserstoff, Industrieprozesse, die Ressourcen- und Kreislaufwirtschaft spielen, wie Energie gespeichert werden kann und vieles mehr finden Sie in der neuen GET.

„GET – GREEN EFFICIENT TECHNOLOGIES“ ist eine Publikation der PuK. Das Fachmedium wird 2023 in deutscher Sprache am 25. Mai und 7. November als Print- und Digitalausgabe und am 5. Juli und 29. November in englischer Sprache ausschließlich als digitale Ausgabe erscheinen.

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<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong><br />

<strong>DE</strong> 2/<strong>23</strong><br />

Wasserstoff und Prozesstechnik<br />

Energieversorgung<br />

Industrieprozesse Kreislaufwirtschaft Ressourcen<br />

Dezentralität<br />

Energie- und Wärmenetzwerke<br />

Logistik<br />

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Editorial<br />

Bloß nicht zurücksehen!<br />

„Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Die nächstbeste Zeit ist jetzt.“ Egal, ob dieses Sprichwort<br />

jetzt aus Afrika oder China stammt, rückblickend schlau zu tun, ist in unserer Gesellschaft meist verpönt. Doch<br />

oft offenbart ein unvoreingenommener Blick auf vergangene Zeiten schonungslos Schiefgelaufenes oder schlicht Versäumtes.<br />

Vor zwanzig Jahren produzierten die deutschen AKWs 165 Mrd. kWh Strom. Aus dieser Menge könnten Wärmepumpen<br />

heutzutage bei einem moderat niedrigen COP von 3 knapp 500 Mrd. kWh Wärmeenergie gewinnen <strong>–</strong> das<br />

entspricht in etwa dem aktuellen Wärmeenergiebedarf der 40,5 Millionen deutschen Privathaushalte. Hätten die beteiligten<br />

Regierungen Schröder und Merkel also nicht den Atomausstieg vorangetrieben, sondern hypothetisch unter Beibehaltung<br />

der Kernkraft in jedes deutsche Wohnhaus eine Wärmepumpe gesetzt <strong>–</strong> dann wäre der gesamte Wohnsektor<br />

kein CO 2 -Sorgenkind mehr. Dass 2003 die Kilowattstunde Strom für 17 Cent geradezu wohlfeil war, und auch 2003 jedes<br />

Kilowatt Strom seinen Weg quer durch die Republik ganz ohne SUEDLINK fand <strong>–</strong> Preisbremse drüber.<br />

Bändigung des Flatterstroms<br />

Das ist doch eine klassische Milchmädchenrechnung, mag jetzt der (hoffentlich) geneigte Leser denken. Stimmt, Sie<br />

haben völlig Recht <strong>–</strong> hier wird eine Jahresproduktion mit einer Spitzenlast in vier bis fünf Wintermonaten verglichen.<br />

Doch das trifft wohl auch auf den Anspruch zu, Strom ohne Speichermöglichkeit zu erzeugen mit Wind, der tagelang<br />

bundesweit Flaute (letzte bundesweite Flaute 10.9 bis 17.9 20<strong>23</strong>, maximale spezifische CO 2 <strong>–</strong>Emission 798 gCO2eq/kWh<br />

am 14.09 um 20 Uhr) haben kann. Und von einer Sonne Energie zu tanken, die im Winter bestenfalls nur halbtags und<br />

bei Schlechtwetter praktisch gar nicht scheint?<br />

Zumindest die Speicherproblematik ist für Privathaushalte und kleinere Gewerbeobjekte tendenziell beherrschbar, das<br />

beweist beispielsweise die Firma HPS mit ihrer Energiezentrale picea hier im Heft ab Seite 51. Mit dem richtigen Equipment<br />

können Energieversorger auch die Stromschwankungen durch Balkonkraftwerk, Wallbox, Wärmepumpe und<br />

privater Photovoltaik ohne Netzausbau bewältigen. Die Gemeinde Töging zeigt ab Seite 22 wie das geht. Auch Batteriespeicher<br />

sind eine Option, kommende teure Lastspitzen im Netz beispielsweise durch LKW-oder Schnelladesäulen zu<br />

minimieren.<br />

Behagliche Temperaturen bringen nicht nur Kohle oder Gas ins Wohnzimmer, in England sorgen in der ehemaligen<br />

Zechenstadt Gateshead Wärmepumpen von GEA mit Erdwärme für warme Füße.<br />

Showdown in Helsinki<br />

Einen kühlen Kopf sollten dagegen die Angestellten der ECHA in Helsinki bewahren, die aktuell über eine Empfehlung<br />

zur Beschränkung oder gar Verbot von PFAS in der EU beraten. Wichtige Aspekte rund um die Ewigkeitskunststoffe<br />

betrachtet unser Leitartikel auf den folgenden Seiten.<br />

Viel Spaß beim Lesen wünscht<br />

Ottmar Holz<br />

Redakteur<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

5


<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Titel<br />

Versorgungssicherheit im Fokus:<br />

Schraubenverdichter von AERZEN speisen Biomethan<br />

ins Gasnetz ein<br />

In der Energiewirtschaft zählt Versorgungssicherheit. Für die eingesetzten<br />

Systeme folgt daraus der hohe Anspruch an Verfügbarkeit<br />

und Ausfallsicherheit. Können kleinere Kraftwerke, Solarfarmen oder<br />

Windparks vergleichsweise einfach heruntergefahren oder komplett<br />

vom Netz genommen werden, gestaltet sich dieses bei Biogasanlagen<br />

deutlich schwieriger. Biologische Prozesse lassen sich nicht einfach<br />

stoppen, weshalb bei der technischen Ausrüstung maximale Ausfallsicherheit<br />

und Redundanz gefragt sind. Für die Einspeisung von<br />

Biomethan ins Erdgasnetz setzt die EWE NETZ GmbH im Bereich der<br />

Vorverdichtung des Biomethans AERZEN Schraubenverdichter ein.<br />

Inhalt<br />

Editorial<br />

Bloß nicht zurücksehen! 3<br />

Leitartikel<br />

Schluss mit Ewig 6<br />

Titelgeschichte<br />

Versorgungssicherheit im Fokus 16<br />

Energetische Infrastruktur<br />

Stärkung der Lade infra struk turen für Elektrofahrzeuge<br />

durch Energiespeichersysteme 19<br />

Clever regeln statt Kupfer vergraben 22<br />

Wohlige Wärme aus alten Stollen 25<br />

Wasserstoffwirtschaft<br />

Dimethylether: neues Transportmedium für effizienten Wasserstofftransport 28<br />

Mittelstand sollte beim Thema Wasserstoff<br />

auf Partnering-Projekte und Start-ups setzen 30<br />

Echtzeiteinblicke in die Methanol-Synthese 32<br />

Stellbare Fluidik-Komponenten machen Prüfstände flexibel 36<br />

Produktionsorganisation<br />

Materialfluss in Reinkultur 40<br />

Reparatur statt Neuteil 44<br />

Energieversorgung<br />

Kaltgestellt 47<br />

Langzeit-Stromspeicher mit grünem Wasserstoff 51<br />

Der entscheidende Dreh für den Klimaschutz 56<br />

Energieeffizienz<br />

Steuerluftdruck senken 59<br />

Dekarbonisierung<br />

Vom Versuch zum großindustriellen Einsatz 61<br />

Unternehmen <strong>–</strong> Innovationen <strong>–</strong> Produkte 65<br />

Inserentenverzeichnis 69<br />

Markenzeichenregister 70<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Dr. Harnisch Verlags GmbH in Zusammen arbeit<br />

mit Prof. Dr.-Ing. Eberhard Schlücker, Prof. i.R.,<br />

Berater in Wasserstoff- und Energiefragen als<br />

wissenschaftlicher Berater<br />

©<br />

20<strong>23</strong>, Dr. Harnisch Verlags GmbH<br />

Inhaltliche Koordination<br />

Prof. Dr.-Ing. Eberhard Schlücker<br />

Ottmar Holz<br />

Silke Watkins<br />

Verlag und Leserservice<br />

Dr. Harnisch Verlags GmbH<br />

Eschenstraße 25<br />

90441 Nürnberg<br />

Tel 0911 2018-0<br />

Fax 0911 2018-100<br />

E-Mail get@harnisch.com<br />

www.harnisch.com<br />

Irrtum vorbehalten<br />

Nachdruck und fotomechanische<br />

Vervielfältigung, auch auszugsweise,<br />

nur mit schriftlicher Genehmigung<br />

des Herausgebers<br />

Redaktion<br />

Ottmar Holz<br />

Silke Watkins<br />

Anzeigen/Markenzeichenregister<br />

Silke Watkins/Matti Schneider<br />

Technische Leitung<br />

Armin König<br />

Druck<br />

Schleunungdruck GmbH<br />

Eltertstraße 27<br />

D-97821 Marktheidenfeld<br />

ISSN 2752-2040<br />

6<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


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Leitartikel<br />

Schluss mit Ewig<br />

Ottmar Holz<br />

Photo: Adobe Stock/Octavian<br />

Am 22. März 20<strong>23</strong> hat die Europäische<br />

Chemieagentur (ECHA) einen<br />

Vorschlag für ein Verbot der Herstellung,<br />

der Verwendung und des Inverkehrbringens<br />

einschließlich der<br />

Einfuhr von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen<br />

(PFAS) veröffentlicht.<br />

Sollten diese Industriechemikalien<br />

mit ihren besonderen technischen Eigenschaften<br />

tatsächlich 2025 von der<br />

EU-Kommission verboten werden,<br />

hätte das wohl einschneidende Folgen<br />

für viele Lebensbereiche <strong>–</strong> vom<br />

Spiegelei bis hin zur politisch angeordneten<br />

Energiewende.<br />

PFAS, per- und polyfluorierte<br />

Alkylsubstanzen, finden breite Anwendung<br />

in nahezu allen Lebensbereichen,<br />

von der beschichtete Pfannen<br />

über die Outdoor-Jacke hin zur<br />

glänzenden Visitenkarte. Aufgrund<br />

ihrer ausgeprägten Eigenschaften<br />

wie hoher chemischer und thermischer<br />

Stabilität, Antihaft-, und<br />

starken wasser- und ölabweisenden<br />

Fähigkeiten, sind sie weitläufig unter<br />

Markennamen wie Teflon und Gore-<br />

Tex ein Begriff.<br />

Allerdings sind die Vorteile dieser<br />

Materialien mit Nachteilen verbunden:<br />

PFAS zersetzen sich in der<br />

Umwelt nicht und das über Jahrhunderte<br />

hinweg. Sie sind außerdem<br />

sehr mobil und können mittlerweile<br />

weltweit in Grund- und Oberflächenwasser,<br />

in Luft und Böden sowie im<br />

menschlichen Blutkreislauf und in<br />

vielen lebenden<br />

Organismen nachgewiesen<br />

werden.<br />

Sie stehen unter starkem<br />

Verdacht, Krebs, Unfruchtbarkeit<br />

und andere schwerwiegende<br />

Krankheiten auszulösen. Bei einigen<br />

Stoffen der Materialklasse ist die Toxizität<br />

auch schon nachgewiesen.<br />

Trotz der schon lange bekannten<br />

Probleme wurden erst in der letzten<br />

Zeit signifikante Schritte unternommen,<br />

um die Ausbreitung von<br />

PFAS einzudämmen: Im November<br />

2022 erhob der US-Bundesstaat<br />

Kalifornien umfangreiche Klagen gegen<br />

PFAS-produzierende Unternehmen<br />

wie 3M und Dupont. Nur einen<br />

Monat später kündigte 3M als erster<br />

großer Chemiekonzern an, die Produktion<br />

von PFAS-Substanzen bis<br />

Ende 2025 vollständig einzustellen.<br />

In Europa sind PFAS auch allgegenwärtig.<br />

Eine „Karte der ewigen<br />

Verschmutzung“, die im Rahmen des<br />

„Forever Pollution Project“ erstellt<br />

wurde, verdeutlicht das Ausmaß der<br />

Kontamination. Journalisten aus 18<br />

Zeitungen und Medienhäusern, darunter<br />

renommierte Namen wie Le<br />

Monde (Frankreich), NDR, WDR, Süddeutsche<br />

Zeitung (Deutschland) und<br />

The Guardian (UK) haben daran mitgewirkt.<br />

Abb. 1: Perfluoroktansulfonat (PFOS) ist eine der am häufigsten vorkommenden und meist<br />

diskutierten PFAS-Verbindungen. Acht fluorierte Kohlenstoffatome (Grün/Schwarz) bilden das<br />

Grundgerüst, an dem eine Sulfonsäuregruppe (SO 3 H) hängt. <br />

(Quelle: Eurowater)<br />

Vor diesem Hintergrund wurde<br />

ein umfassendes EU-weites Verbot<br />

der Verwendung und Herstellung<br />

von PFAS als Stoffklasse<br />

von Dänemark, Deutschland,<br />

den Niederlanden, Norwegen und<br />

Schweden angestoßen. Im Februar<br />

20<strong>23</strong> veröffentlichte die Europäische<br />

Chemieagentur (ECHA) den Vorschlag<br />

und prüft ihn aktuell, bevor sie<br />

eine Empfehlung an die Europäische<br />

Kommission ausspricht. Die Hauptgegenargumente<br />

richten sich gegen<br />

den Mangel an gleichwertigen Alternativen<br />

für PFAS in Anwendungen,<br />

die als kritisch für die Gesellschaft betrachtet<br />

werden.<br />

Vom 22.März bis zum 25. September<br />

gab die ECHA betroffenen Firmen<br />

und Institutionen in einem Konsultationsprozess<br />

die Gelegenheit,<br />

sich zu der angestrebten Beschränkung<br />

zu äußern. Nach Angaben der<br />

ECHA äußerten sich bis zum Stichtag<br />

mehr als 4.400 Organisationen,<br />

Firmen und Privatpersonen in insgesamt<br />

mehr als 5600 Kommentaren<br />

zum Thema.<br />

Was sind PFAS<br />

Eine im Jahr 2018 von der OECD<br />

veröffentlichte PFAS-Liste umfasst<br />

mehr als 4700 Einträge. Hinzu kommen<br />

ungewollte Synthesenebenprodukte<br />

und Verunreinigungen sowie<br />

Transformationsprodukte, die in der<br />

Umwelt sowohl abiotisch als auch<br />

durch biologischen Abbau entstehen<br />

können. Potentielle Abbauprodukte<br />

vieler PFAS gehören zu den<br />

extrem persistenten perfluorierten<br />

Carbon- und Sulfonsäuren. Sie sind<br />

in vielen Dingen unseres Alltags zu<br />

finden: Ob in Zahnseide, Backpapier,<br />

Outdoor kleidung oder Lösch- und<br />

Pflanzenschutzmitteln <strong>–</strong> überall sorgen<br />

PFAS dafür, dass die Produkte<br />

wasser-, fett- und schmutzabweisend<br />

sind. Doch nicht nur als Beschichtung<br />

sind PFAS nützlich <strong>–</strong> man kann aus<br />

8<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Leitartikel<br />

ihnen auch äußerst widerstandsfähige<br />

Kunststoffkörper und Folien herstellen.<br />

Diese finden beispielsweise<br />

Anwendung in Elektrolyseuren und<br />

Brennstoffzellen. Was PFAS für diese<br />

Anwendungen auszeichnet, stellt in<br />

Bezug auf die Entsorgung der Chemikalien<br />

ein Problem dar: Sie sind thermisch<br />

und chemisch extrem stabil<br />

und können weder durch Licht, Wasser<br />

oder Bakterien abgebaut werden.<br />

Aktuell stehen mehr als 10.000<br />

verschiedenartige Chemikalien im Fokus<br />

des Beschränkungsverfahrens.<br />

Eine allgemeingültige Definition ist<br />

aufgrund der Vielzahl schwierig, eines<br />

der möglichen Unterscheidungsmerkmale<br />

ist die Länge der Kohlenstoffkette.<br />

Kurzkettige PFAS mit weniger<br />

als 10 bis 13 Kohlenstoffatomen<br />

erweisen sich als besonders problematisch,<br />

da sie sich recht gut in Wasser<br />

lösen. So sind PFAS mittlerweile in<br />

Böden, Gewässern und Grundwasser<br />

in ganz Europa nachweisbar. Sie gelangen<br />

so auch in unsere Nahrung,<br />

sogar in Muttermilch sind PFAS zu finden.<br />

Für ein Verbot gibt es viele gute<br />

Gründe: Viele Studien belegen, dass<br />

sich die teilweise giftigen Chemikalien<br />

im menschlichen Körper anreichern.<br />

Das hat erhebliche gesundheitlichen<br />

Auswirkungen, die von der Schädigung<br />

von Organen bis hin zu Krebserkrankungen<br />

oder Entwicklungsstörungen<br />

reichen sollen.<br />

Wegen ihrer chemischen Stabilität<br />

ist die Beseitigung der so genannten<br />

Ewigkeitschemikalien bisher mit<br />

vertretbarem Aufwand kaum möglich.<br />

Bei einer Filterung durch Aktivkohle<br />

beispielsweise werden PFAS<br />

zwar gebunden, aber nicht beseitigt,<br />

so dass die Überreste im Sondermüll<br />

entsorgt bzw. gelagert werden müssen.<br />

Auch lassen sich mit Aktivkohle<br />

eher langkettige PFAS entfernen.<br />

Wer benötigt diese Kunststoffe?<br />

Angesichts der Ubiquität dieser<br />

Kunststoffe ist es im Rahmen eines<br />

Artikels nicht möglich, sämtliche möglichen<br />

Anwendungsgebiete auch nur<br />

ansatzweise zu beschreiben. Doch einige<br />

Branchen in zentralen Bereichen<br />

von Industrie und Energiewende wären<br />

von einem Verbot wohl besonders<br />

stark betroffen. Hierzu zählen<br />

Elektrolyseur- und Brennstoffzellenhersteller<br />

aber auch die Anbieter von<br />

Dichtungsmaterialen sowie Pumpen-<br />

bzw. Kompressorenhersteller.<br />

In der aktuellen Diskussion argumentieren<br />

die Verbotsbefürworter<br />

gerne mit einer nötigen Intensivierung<br />

der Suche nach Alternativwerkstoffen.<br />

Doch das könnte in einigen<br />

Bereichen durchaus schwierig werden<br />

<strong>–</strong> denn die Industrie forscht<br />

seit langem ergebnislos nach<br />

günstigerem und trotzdem ebenso<br />

leistungsstarkem Ersatz für die<br />

teilweise extrem hochpreisigen Spezialbeschichtungen<br />

und Dichtungsstoffe.<br />

Ein Grund dafür ist die extreme<br />

Verschleißfestigkeit der PFAS,<br />

die auf einem ganz besonderen physikalischen<br />

Effekt beruht, dem tribologischen<br />

Film. Dr. Marc Langela,<br />

Leiter der Material- und Produktentwicklung<br />

der Firma STASSKOL, erklärt<br />

dieses Phänomen.<br />

Die Rolle des tribologischen Films<br />

Die Tribologie ist die Wissenschaft<br />

der Reibung, Schmierung und des<br />

Verschleißes von sich relativ zueinander<br />

bewegenden mechanischen<br />

Bauteilen. Hier spielt beim Einsatz<br />

von PFAS der tribologische Film, kurz<br />

„Tribofilm“, der sich auf den Oberflächen<br />

bildet, eine entscheidende Rolle<br />

für die Leistungsfähigkeit vieler Produkte.<br />

PFAS, insbesondere das weit<br />

verbreitete<br />

Polytetrafluorethylen<br />

Abb. 2: Dr. Marc Langela, Leiter der<br />

Material- und Produktentwicklung bei<br />

STASSKOL seit 2007<br />

(PTFE), besitzen eine einzigartige molekulare<br />

Struktur, die eine außergewöhnlich<br />

geringe Reibung zwischen<br />

den Oberflächen ermöglicht und so<br />

auch hilft, den Verschleiß zu minimieren.<br />

Wenn ein Bauteil aus einem<br />

perfluor ierten Werkstoff wie PTFE<br />

auf eine Gegenlauffläche trifft, so lagert<br />

sich das Material auf dieser Gegenlauffläche<br />

in Form eines dünnen<br />

Films an. Dieser Tribofilm (in der Literatur<br />

auch Transferfilm genannt) besitzt<br />

nur eine Dicke im Mikrometerbereich<br />

und schützt die Oberfläche der<br />

Bauteile. Die Relativbewegung der<br />

Oberflächen findet dann zwischen<br />

zwei PTFE- bzw. PFAS-Oberflächen<br />

statt, was zu einer erheblichen Reduktion<br />

von Reibung und Verschleiß<br />

führt. Erst wenn der Tribofilm von<br />

der Gegenlauffläche mechanisch abgelöst<br />

wird, kommt es zu weiterem<br />

Verschleiß, indem die abgelöste<br />

Schicht durch neues Material aus<br />

dem PTFE-Bauteil ersetzt wird. Dieser<br />

Tribo- bzw. Transferfilm ist damit<br />

der eigentliche Grund, warum PFAShaltige<br />

Bauteile die Reibungskräfte<br />

verringern und dazu beitragen, dass<br />

die Oberflächen länger haltbar sind<br />

und sich weniger abnutzen. Der tribologische<br />

Film reduziert dabei auch<br />

die Hitzeentwicklung und unterstützt<br />

somit eine effiziente Energieübertragung<br />

in Maschinen und Geräten.<br />

Verbot gefährdet den<br />

Umweltschutz<br />

Ein Verbot von PTFE hätte beispielsweise<br />

ernsthafte Konsequenzen für<br />

den Betrieb von Pumpen, Verdichtern<br />

und Kompressoren, da nicht nur<br />

die Standzeiten deutlich reduziert<br />

wären, sondern auch Leckagen der<br />

zu verdichtenden Fluide zunehmend<br />

in die Umwelt gelangen würden.<br />

Dichtanwendungen bei Pumpen und<br />

Verdichtern (z.B. Kolbenkompressor)<br />

besitzen ein hohes Belastungskollektiv<br />

aus Druck, Reibgeschwindigkeit,<br />

Temperatur und chemischen Einflüssen.<br />

Diesem Belastungskollektiv<br />

können nur Lösungen auf Basis von<br />

Hochleistungskunststoffen gerecht<br />

werden.<br />

Die STASSKOL GmbH führt seit<br />

Jahrzehnten Versuche auf einem<br />

speziellen Prüfstand mit einem Test-<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong> 9


Leitartikel<br />

Abb. 3: Auf dem hauseigenen Prüfstand mit Testkompressor ermittelt und vergleicht<br />

STASSKOL die Parameter verschiedener Kunststoffe wie z.B. das Verschleißverhalten,<br />

Gleiteigenschaften, Temperatur- und Druckbeständigkeit und Laufzeit.<br />

<br />

(Bild: Stasskol GmbH)<br />

Gerade im Falle von Kompressoren in<br />

Biogasanlagen (Verdichtung von Methan)<br />

oder in Getränke- Fabriken und<br />

Brauereien (Verdichtung von CO 2 )<br />

würden solche Erhöhungen der Leckagen<br />

zu einer erheblichen Zunahme<br />

an Emission an Treibhausgasen<br />

führen. Hier sind die negativen Auswirkungen<br />

eines generellen PFAS-<br />

Verbotes auf die Umwelt unmittelbar<br />

zu erkennen. Pumpen und Verdichter<br />

stehen aber auch in unzähligen chemischen<br />

Anlagen, bei denen die Leckagen<br />

von Prozessfluiden in einer<br />

Fackel verbrannt werden. Auch hier<br />

würden signifikant höhere Leckagen<br />

zu deutlich zunehmenden Umweltbelastungen<br />

führen.<br />

kompressor durch. Hier werden auf<br />

PTFE-basierende Werkstoffe mit Rezepturen<br />

anderer Hochleistungskunststoffe<br />

wie PEEK, PPS oder Polyimiden<br />

verglichen. Nur perfluorierte<br />

Kunststoffe wie beispielsweise PTFE<br />

oder PFA erreichen minimale Leckagen<br />

und höchste Laufzeit.<br />

Die hohe Laufzeit hängt mit der<br />

beschriebenen Ausbildung des Tribofilms<br />

zusammen, welcher die<br />

minimiert.<br />

PFAS<br />

Oberflächen schützt und den Verschleiß<br />

Doch<br />

können<br />

noch mehr <strong>–</strong><br />

durch die aliphatische<br />

Struktur<br />

perfluorierter<br />

Kunststoffe besitzen<br />

die Moleküle<br />

eine hohe Flexibilität, welche<br />

sich in der Verformbarkeit der Materialien<br />

bemerkbar macht. Dadurch<br />

passen sich die Ober flächen von<br />

PFAS- Werkstoffen optimal an eine<br />

Gegenlauffläche an und dies auch<br />

bei sehr hohen Relativgeschwindigkeiten.<br />

Es wird so eine Abdichteffizient<br />

bei dynamisch beanspruchten<br />

Anwendungen ermöglicht, welche<br />

mit alternativen Hochleistungskunststoffen<br />

nicht denkbar ist. Die aliphatische<br />

Struktur der PFAS-Materialien<br />

entsteht aufgrund der Kohlenstoff-<br />

Fluor-Bindung und schützen das polymere<br />

Rückgrat.<br />

„Die besonderen tribologischen<br />

Eigenschaften von<br />

PFAS-Kunststoffen basieren<br />

auf einem Transferfilm, der in<br />

dieser Form einzigartig ist.“<br />

Dr. Marc Langela, STASSKOL GmbH<br />

Alternative Hochleistungskunststoffe<br />

wie PEEK, PPS oder Polyimide<br />

beruhen allesamt auf teilaromatischen<br />

Strukturen. Diese Strukturen<br />

erlauben ebenfalls eine hohe Druck-<br />

und Temperaturbeständigkeit und<br />

sowie eine sehr gute chemische Beständigkeit.<br />

Allerdings besitzen diese<br />

Hochleistungskunststoffe nicht<br />

die Fähigkeit, einen Transferfilm<br />

auszubilden, wie es bei PFAS-Werkstoffen<br />

wie dem PTFE der Fall ist.<br />

Dies führt zu signifikant höherem<br />

Verschleiß, wie es auch die Versuche<br />

auf dem Test-Kompressor gezeigt<br />

haben. Während<br />

Werkstoffe<br />

PTFE-Basis<br />

auf<br />

(abhängig<br />

vom Be-<br />

lastungskollek-<br />

tiv)<br />

Laufzeiten<br />

von ca. 1 bis 2<br />

Jahren ermöglichen,<br />

schrumpft<br />

diese Performance bei der Verwendung<br />

von nicht PFAS-haltigen Hochleistungskunststoffen<br />

auf eine Dauer<br />

von wenigen Monaten.<br />

Parallel hierzu führt die teilaromatische<br />

Struktur der alternativen<br />

Hochleistungskunststoffe zu einer<br />

hohen Steifigkeit. Im Gegensatz zu<br />

auf PFAS-Kunststoffen basierenden<br />

Dichtlösungen erschwert die Steifigkeit<br />

der alternativen Hochleistungskunststoffe<br />

die Anpassung von Dichtelementen<br />

an die abzudichtenden<br />

Bauteile bei relativer Bewegung.<br />

Dies führte bei den zahlreichen<br />

Untersuchungen auf dem Testkompressor<br />

von STASSKOL zu einer<br />

Erhöhung der Leckagen um den Faktor<br />

3-5.<br />

Höherer Energieverbrauch<br />

Neben dem Thema der höheren<br />

Umweltbelastung durch die Zunahme<br />

an Treibhausgasen spielt auch<br />

die Energieeffizienz der Produktionsprozesse<br />

eine erhebliche Rolle<br />

für die Umwelt. Selbst wenn Leckagen<br />

in den Prozess zurückgeführt<br />

werden können, so führt die geringe<br />

Abdichteffizienz von PFAS-freien<br />

Hochleistungskunststoffen zu einem<br />

deutlichen Verlust an Effizienz, was<br />

wiederum durch einen höheren Bedarf<br />

an Energie kompensiert werden<br />

muss. Die Verluste der Pumpe oder<br />

des Kompressors müssen abgefangen<br />

und dem Prozess erneut zugeführt<br />

werden.<br />

Steigender Wartungsaufwand<br />

Als dritter Punkt bleibt noch zu erwähnen,<br />

dass bei deutlich reduzierter<br />

Laufzeit der Dichtelemente ein kürzerer<br />

Wartungsintervall notwendig<br />

wird. Dies führt zu erhöhtem Material-<br />

und Personaleinsatz in den Anlagen,<br />

zu einem weiteren Abfall der<br />

Produktivität durch die entstehenden<br />

Ausfallzeiten sowie zu weiteren Nebeneffekten<br />

wie erhöhte Reisetätigkeit<br />

von Service-Technikern.<br />

Demzufolge zeigt sich, dass eine<br />

hohe Effizienz und eine hohe Verfügbarkeit<br />

von Pumpen und Verdichtern<br />

sowohl in Standardanwendungen<br />

(Bio gas, Brauereien, Kork-Produktion,<br />

etc.) als auch in chemischen Anlagen<br />

wie beispielsweise einer Raffinerie<br />

10<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Leitartikel<br />

oder einer Kunststoffproduktion ein<br />

wichtiger Baustein zum Schutz unserer<br />

Umwelt darstellt.<br />

Abwägen, wo ein PFAS-Verbot<br />

sinnvoll ist<br />

Eine der größten Herausforderungen<br />

besteht darin, umweltverträgliche Alternativen<br />

zu finden, die die tribologischen<br />

Eigenschaften von PFAS angemessen<br />

nachahmen können. Ein<br />

Ersatzstoff muss nicht nur eine vergleichbare<br />

tribologische Leistung bieten,<br />

sondern auch die gleiche Beständigkeit<br />

gegenüber Umwelteinflüssen<br />

(Bsp. hohe Temperaturen, UV, etc.)<br />

und Chemikalien aufweisen.<br />

In einigen Anwendungen können<br />

PFAS-Kunststoffe aufgrund ihrer<br />

chemischen Beständigkeit unersetzbar<br />

sein. Dies sind vor allem die<br />

oben beschriebenen Anwendungen<br />

in Pumpen und Verdichtern, bei denen<br />

sich die Parameter zu einem hohen<br />

Belastungskollektiv addieren.<br />

Hier wurden in den vergangenen<br />

Jahrzehnten zahlreiche Versuche mit<br />

alternativen Hochleistungskunststoffen<br />

durchgeführt. Die Ergebnisse<br />

in Punkto Performance und<br />

Lebensdauer standen allerdings<br />

weit hinter den Resultaten PFAS-haltiger<br />

Werkstoffe zurück.<br />

Neue Lösungsansätze ohne PFAS<br />

Anders sieht es bei Anwendungen<br />

mit mittlerem oder geringem Belastungskollektiv<br />

aus. Dies betrifft<br />

Dichtungen bei niedrigen Relativgeschwindigkeiten<br />

und niedrigen Drücken,<br />

die in rotierenden Systemen<br />

wie beispielsweise in Ventilatoren,<br />

Zentrifugen, Mischer und ähnlichen<br />

Systemen eingesetzt werden. Hier<br />

werden momentan häufig Lösungen<br />

auf Basis von PTFE und anderen<br />

PFAS-Kunststoffen verwendet, um<br />

auf Nummer sicher zu gehen, da diese<br />

Werkstoffe eine hohe Abdichteffizienz<br />

und einen geringen Verschleiß<br />

wirklich unter allen Bedingungen garantieren.<br />

Aufgrund der geringeren<br />

Belastungen in diesen Anwendungen<br />

würden PFAS-freie Kunststoffe aber<br />

ebenso zuverlässig arbeiten.<br />

STASSKOL entwickelt derzeit<br />

Alternativen, um hier gänzlich<br />

auf PFAS verzichten zu können. In<br />

einem moderaten Temperaturbereich<br />

sind dies technische Kunststoffe,<br />

welche durch die Auswahl der<br />

richtigen Füllstoffe und Additive in<br />

Punkto Reibung und Verschleiß optimiert<br />

werden. Hier ist die tribologische<br />

Charakterisierung unter oszillierender<br />

und vor allem rotierender<br />

Bewegung der Schlüssel zum Erfolg.<br />

Gleiches gilt für Anwendungen<br />

im Hochtemperaturbereich und mit<br />

aggressiven Medien. Hier werden<br />

Materialien auf Basis alternativer<br />

Hochleistungskunststoffe ohne PFAS<br />

entwickelt.<br />

Es muss also nicht immer ein<br />

PFAS-Kunststoff sein, um die Herausforderungen<br />

der Anwendung zu<br />

meis tern <strong>–</strong> wichtig ist es, zu wissen,<br />

wann man auf PFAS verzichten kann<br />

und bei welchen Aufgaben PFAS-<br />

Kunststoffe unverzichtbar sind <strong>–</strong> hier<br />

gilt es die Grenze in Richtung „PFASfrei“<br />

zu verschieben.<br />

Recycling statt Komplett-Verbot<br />

Das Recycling von PFAS-Materialien<br />

ist ein wichtiger Schritt, um die<br />

Umwelt zu entlasten und den Ressourcenverbrauch<br />

zu reduzieren.<br />

Während das Recycling bei thermoplastischen<br />

Werkstoffen bereits seit<br />

Jahrzehnten in der Praxis angewandt<br />

wird, galt das Recycling von PTFE immer<br />

als nicht durchführbar. Grund<br />

hierfür ist die Verarbeitung von PTFE<br />

im Press-Sinterverfahren, da durch<br />

das hohe Molekulargewicht ein Plastifizieren<br />

der Werkstoffe nicht möglich<br />

ist. Im Press-Sinter-Verfahren<br />

werden kleinste Korngrößen benötigt<br />

(d50 < 50 µm), um das Material ausreichend<br />

zu kompaktieren und die<br />

Zieleigenschaften zu erreichen.<br />

STASSKOL beschäftigt sich schon<br />

seit ca. 10 Jahren mit dem Recycling<br />

dieser Materialien und hat den Prozess<br />

des PTFE-Recyclings erfolgreich<br />

in die Produktion integriert. Dazu<br />

werden Abfälle, die in Form von Spänen<br />

bei der Fertigung der Produkte<br />

anfallen, sortenrein gesammelt und<br />

in einem 2-stufigen Prozess zerkleinert<br />

und vermahlen. Das so erhaltene<br />

Pulver kann in die Neuware eingemischt<br />

und so in den Produktzyklus<br />

zurückgeführt werden. Dadurch wird<br />

der Anteil an nutzbarem PTFE signifikant<br />

erhöht und als positiver Nebenaspekt<br />

werden die mechanischen sowie<br />

die tribologischen Eigenschaften<br />

durch die zweifache Wärmebehandlung<br />

im Vergleich zur reinen Neuware<br />

sogar noch verbessert.<br />

Das Recycling ist somit ein gangbarer<br />

Lösungsweg, der die Verfügbarkeit<br />

von PFAS-Kunststoffen für<br />

anspruchsvolle Anwendungen ermöglicht<br />

und gleichzeitig die Umweltbelastung<br />

vermeidet.<br />

Unverzichtbar für Zukunftstechnologien<br />

Auf PFAS basierende Kunststoffe sind<br />

für den Schutz der Umwelt einfach<br />

unverzichtbar. Ihre hervorragenden<br />

zu<br />

Materialien<br />

tribologischen Eigenschaften entstehen<br />

durch die Ausbildung des so genannten<br />

Tribofilms und machen diese<br />

Weltmeistern<br />

in Punkto<br />

Reibung und<br />

Verschleiß. Zusätzlich<br />

ermöglicht<br />

die flexible<br />

Molekülkette<br />

eine enorm hohe Abdichteffizienz, wodurch<br />

Leckagen für die Umwelt auf ein<br />

Minimum reduziert werden können.<br />

Diese Eigenschaften sind in der molekularen<br />

Struktur der PFAS-Kunststoffe<br />

begründet und können nicht<br />

durch alternative Hochleistungskunststoffe<br />

imitiert werden. Allerdings<br />

ist es wichtig, zu verstehen, in<br />

welchen Anwendungen PFAS-Kunststoffe<br />

unersetzlich sind und in welchen<br />

Anwendungen Substitute auf<br />

Basis anderer Materialien verwendet<br />

werden können. Zusätzlich muss<br />

sichergestellt werden, dass die Produkte<br />

nach dem Ende des Produkt-<br />

Lebenszyklus umweltgerecht entsorgt<br />

oder einem Recycling zugeführt<br />

werden.<br />

Es ist wichtig zu verstehen, dass<br />

Dichtkonzepte auf Basis von Polytetrafluorethylen<br />

wichtige Bausteine<br />

für Zukunftstechnologien sind <strong>–</strong> wie<br />

beispielsweise der Wasserstoffwirtschaft<br />

und dass die PFAS-Kunststoffe<br />

in vielen Bereichen der Industrie einen<br />

sehr wichtigen Beitrag zum Thema<br />

Umweltschutz liefern.<br />

„Die Frage zum Einsatz<br />

von PFAS-Kunststoffen ist<br />

ein Balanceakt zwischen<br />

Umweltschutz und verantwortungsvoller<br />

Nutzung.“<br />

Dr. Marc Langela, STASSKOL GmbH<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong> 11


Leitartikel<br />

Energiewende auf der Kippe<br />

Die Energiegewinnung aus fossilen<br />

Brennstoffen muss ein Ende finden<br />

<strong>–</strong> darin sind sich die meisten Staaten<br />

der Welt und die Wissenschaft<br />

einig. Doch womit die ganzen Hochöfen,<br />

Zementwerke, Kraftwerke und<br />

Gebäude dieser Welt befeuern, wenn<br />

Erdgas, Öl und Kohle als Energiequelle<br />

ausscheiden? Hier bietet sich Wasserstoff<br />

als Energieträger an. Immerhin<br />

entsteht bei der Verbrennung<br />

chemisch gesehen nur Wasser. Doch<br />

das gilt nur für per Elektrolyse aus<br />

Wasser regenerativ erzeugten Wasserstoff.<br />

Und auch hier findet sich<br />

wieder ein derzeit alternativloser Anwendungsfall<br />

für die Stoffgruppe der<br />

PFAS.<br />

Wasserstoffbrennstoffzellen und<br />

Elektrolyseure spielen eine entscheidende<br />

Rolle in der dringend benötigten<br />

Energiewende. Zentrales Bauteil<br />

beider Aggregate sind semipermeable<br />

Folien, die mit speziellen Katalysatormetallen<br />

beschichtet sind. Sie<br />

bestehen derzeit aus perfluorierten<br />

Sulfonsäuren (PFSA) <strong>–</strong> ein bestimmtes<br />

Material der Materialklasse PFAS<br />

und finden gegenwärtig beispielsweise<br />

in Membran-Elektroden-Einheiten<br />

(MEAs) von Brennstoffzellen<br />

aufgrund ihrer hohen Protonenleitfähigkeit<br />

und chemischen Stabilität<br />

Anwendung. Den Einsatz von PFSA<br />

in MEAs zu minimieren und gänzlich<br />

zu ersetzen, hat sich die Firma ionysis<br />

zum Ziel gesetzt.<br />

Funktioniert auch ohne Fluor<br />

Dieses Start-up aus Freiburg, eine<br />

Ausgründung aus dem Bereich „Elektrochemische<br />

Energiesysteme“ bei<br />

Hahn-Schickard und der Universität<br />

Freiburg, entwickelt umweltfreundlichere<br />

und fluorfreie MEAs ohne Einbußen<br />

bei Performanz oder Kosten.<br />

Darüber steht die Demonstration<br />

der technischen Machbarkeit im relevanten<br />

Maßstab im Zentrum. Vor<br />

Kurzem konnte das Team den ersten<br />

erfolgreichen Leistungsnachweis im<br />

Heavy-Duty-Vollformat und im Short<br />

Stack erbringen. „Zusammen mit nationalen<br />

und internationalen Partnern<br />

verfolgen wir das Ziel, neuartige<br />

MEAs für Brennstoffzellen zu entwickeln,<br />

zur Marktreife zu bringen und<br />

damit einen Beitrag zu einer wirklich<br />

nachhaltigen ‚grünen‘ Wasserstoffwirtschaft<br />

zu leisten. Die Erreichung<br />

der Leistungsfähigkeit des aktuellen<br />

Standes der Technik und die Validierung<br />

im Short Stack stellen einen<br />

wichtigen Meilenstein in der frühen<br />

Phase unseres Unternehmens dar“,<br />

sagt Lisa Langer, Mitgründerin und<br />

CFO von ionysis.<br />

Also alles bestens <strong>–</strong> oder?<br />

Nicht ganz so optimistisch zeigen sich<br />

neben praktisch allen Herstellern<br />

des Folienmaterials <strong>–</strong> wie Chemours,<br />

Evonik, Dongyue oder Gore <strong>–</strong> auch<br />

Elektrolyseurhersteller und Dichtungsproduzenten.<br />

Die Redaktion befragte<br />

stellvertretend die Firma H-Tec<br />

Systems, einen bekannten deutschen<br />

Elektrolyseurhersteller.<br />

<strong>GET</strong>: Sehen Sie eine Gefahr für die<br />

von der Bundesregierung vorangetriebene<br />

Energiewende bei<br />

einem möglichen Verbot von PFAS<br />

durch das Fehlen gleichwertiger<br />

Kunststoffe für die Herstellung von<br />

Membranen oder Stackdichtungen<br />

von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen?<br />

H-Tec Systems: Ein Verbot von PFAS<br />

käme einem Verbot von Elektrolyse<br />

aller Art gleich, da es derzeit keinen<br />

wirtschaftlichen und technischen Ersatz<br />

mit vergleichbarer Leistung gibt.<br />

Dies würde die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft<br />

in der EU stark verlangsamen,<br />

und Europa würde weit<br />

hinter die USA und China zurückfallen.<br />

Der Übergang zu erneuerbaren<br />

Energien und der europäische Green<br />

Deal wären gefährdet.<br />

Im Rahmen des Green Deal kündigte<br />

die EU den Aktionsplan für die<br />

Kreislaufwirtschaft (CEAP) an, der unter<br />

anderem Maßnahmen für Elektronik-<br />

und IKT-Abfälle vorsieht. Eine<br />

Recycling-Verordnung für Elektrolyse-Membranen<br />

mit hohem Recyclingwert<br />

könnte einen gangbaren Weg<br />

darstellen.<br />

<strong>GET</strong>: Bis zum 21.9. lief bei der ECHA<br />

ein Anhörungsverfahren, in dem<br />

Bürger, Unternehmen und andere<br />

Organisationen diesen Vorschlag<br />

kommentieren können. Haben<br />

Sie Ihre Bedenken bei der ECHA<br />

eingereicht?<br />

H-Tec Systems: H-TEC SYSTEMS nimmt<br />

an der Konsultation der ECHA teil.<br />

Wir stehen mit unserer Muttergesellschaft<br />

MAN Energy Solutions sowie<br />

dem VDMA in engem Austausch hierzu<br />

und beteiligen uns weiterhin in einer<br />

Arbeitsgruppe des Nationalen<br />

Wasserstoffrats zu diesem Thema.<br />

Auch bei den Dichtungsherstellern<br />

und deren Kunden zeigt sich eine<br />

Mischung von Verunsicherung und<br />

Furcht vor Nachteilen beim Handel<br />

ihrer Produkte auf dem Weltmarkt.<br />

Der Dichtungsspezialist C. Otto<br />

Gehrckens GmbH & Co. KG (COG)<br />

führte im Lauf des Jahres eine Onlinediskussionsrunde<br />

mit seinen Kunden<br />

durch und beantwortete dabei nach<br />

damaligem Kenntnisstand eine Vielzahl<br />

von Fragen der Anwender quer<br />

aus den unterschiedlichen Branchen.<br />

Die Redaktion der <strong>GET</strong> hat dabei<br />

ebenfalls einige interessante Antworten<br />

bekommen.<br />

„Ein undifferenziertes PFAS-<br />

Verbot wäre eine schwere<br />

Belastung für den Markthochlauf<br />

der Brennstoffzelle und<br />

viele weitere Transformationstechnologien.“<br />

Gerd Krieger, Geschäftsführer VDMA e. V.<br />

Arbeitsgemeinschaft Brennstoffzellen<br />

<strong>GET</strong>: Wird das Verbot auch Alternativen<br />

wie Fluorkautschuk (FKM)<br />

oder Perfluorkautschuk (FFKM)<br />

betreffen?<br />

COG: Es wären bei einem generellen<br />

Verbot alle fluorhaltigen Qualitäten<br />

wie FKM, FFKM, FEPM, PTFE oder<br />

auch FVMQ betroffen.<br />

<strong>GET</strong>: Gilt das Verbot weltweit? Gibt<br />

es ähnliche Bestrebungen auch in<br />

anderen Ländern?<br />

COG: Das diskutierte PFAS-Beschränkungsverfahren<br />

ist ein rein europä-<br />

12<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


isches Verfahren. Aber auch in anderen<br />

Ländern z.B. USA, China, Japan, usw.,<br />

laufen ähnliche PFAS-Beschränkungs-<br />

Bestrebungen. Hier wird aber das Thema<br />

nach unserem Kenntnisstand differenzierter<br />

bearbeitet und nicht versucht,<br />

PFAS kategorisch zu eliminieren. Die<br />

Pers pektive auf den Umfang der PFAS-<br />

Stoffe ist hier unterschiedlich. Bei uns<br />

strebt man ein generelles Verbot der gesamten<br />

PFAS-Gruppe mit ca. 10.000 unterschiedlichen<br />

Stoffen an. In anderen<br />

Ländern, z.B. den USA oder Japan werden<br />

nur bestimmte PFAS-Stoffe, die nachweislich<br />

toxisch oder in sonstiger Weise<br />

umweltschädlich sind, in den Verbotsverfahren<br />

berücksichtigt.<br />

<strong>GET</strong>: Wie geht es nach dem Verbot oder<br />

Beschränkung von PFAS bei Dichtungen<br />

weiter? Nach Ihrer Darstellung ist der<br />

Werkstoff alternativlos.<br />

COG: In der Tat sind in einigen Anwendungen<br />

die Fluorpolymere alternativlos.<br />

Ob und welche Alternativen hier noch<br />

entwickelt werden, vermögen wir zum<br />

jetzigen Stand noch nicht zu sagen. Bei<br />

anderen Anwendungen kann man zwar<br />

mit Alternativen arbeiten, die aber nicht<br />

ansatzweise einen ähnlichen Leistungsumfang<br />

aufweisen. Das führt unweigerlich<br />

zu großen technischen Rückschritten<br />

in vielen Bereichen.<br />

<strong>GET</strong>: Wird aktuell an Alternativen<br />

geforscht?<br />

COG: Da Fluorkautschuke, insbesondere<br />

die FFKM-Werkstoffe, z. T. sehr hochpreisig<br />

sind, wird seit vielen Jahren nach<br />

alternativen Werkstoffen geforscht. Bis<br />

heute konnten keine Substitute, die eine<br />

vergleichbare Performance haben, gefunden<br />

werden. Das betrifft u. a. Anwendungen<br />

für die Energiewende (Wasserstoff-<br />

oder Elektroantriebe), Pharma- und<br />

Lebensmittelbranche, aber auch die<br />

Chip- bzw. Computerindustrie<br />

<strong>GET</strong>: Lässt sich etwas zu einer<br />

Kostenentwicklung sagen?<br />

COG: Da die Substitutwerkstoffe, wenn<br />

überhaupt vorhanden, i.d.R. eine deutlich<br />

schlechtere Performance aufweisen,<br />

werden die Kosten aufgrund kürzerer<br />

Wartungsintervalle oder erhöhten Ausfällen<br />

entsprechend steigen. Diese Preise<br />

werden zwangsläufig auch auf den (End-)<br />

Verbraucher umgelegt.<br />

<strong>GET</strong>: Es wird an vielen Stellen von<br />

Alternativen gesprochen, die die PFAS<br />

betroffenen Dichtungen ersetzen sollen.<br />

Wieso werden diese Alternativen<br />

nicht schon längst verwendet?<br />

COG: Es ist so, dass die z. Zt. verfügbaren<br />

Alternativen nicht das gleiche Leistungsspektrum<br />

abdecken wie die Fluorelastomere.<br />

Es ist ja nicht nur die hervorragende<br />

chemische Beständigkeit bei gleichzeitiger<br />

Temperaturbeständigkeit bis über<br />

300 °C (bei einem FFKM), die einen guten<br />

FKM- oder FFKM-Dichtungswerkstoff ausmachen,<br />

sondern auch in Kombination<br />

mit den vorherigen Parametern das Rückstellverhalten,<br />

das elastische Verhalten<br />

über die Zeit usw. zeichnen einen qualitativ<br />

hochwertigen Werkstoff aus. In der<br />

Regel ist es so, dass die häufig genannten<br />

Substitute in einem, häufig in mehreren<br />

Punkten extreme Schwächen zeigen.<br />

So kann in einigen Bereichen mit Anforderungen<br />

einer chemischen Beständigkeit<br />

anstatt eines FKM-Werkstoffes ein<br />

HNBR Compound eingesetzt werden. Allerdings<br />

nicht, wenn die Elastomerdichtung<br />

gleichzeitig bei höheren Temperaturen<br />

abdichten soll. Oder wenn, wie z. B.<br />

bei Reinigungs- und Sterilisationsprozessen<br />

in der Lebensmittel- oder Pharmaindustrie,<br />

stark wechselnden Bedingungen<br />

auftreten. Diese Anforderungsprofile gibt<br />

es aber sehr häufig in unterschiedlichen<br />

Industriebereichen.<br />

<strong>GET</strong>: Gibt es Übersichtstabellen über<br />

aktuell vorhandene Alternativwerkstoffe<br />

(für PTFE, FKM, FFKM, PVDF, ...)<br />

im Dichtungsbereich?<br />

COG: COG verweist hierzu an die hauseigene<br />

Abteilung Anwendungstechnik.<br />

Eine Beständigkeitstabelle (auch für Alternativwerkstoffe<br />

findet man unter<br />

https://www.cog.de/produkte/bestaendigkeitsliste.<br />

Hierbei ist aber zu beachten,<br />

dass die dort gemachten Beständigkeiten<br />

je Werkstoffart sich auf<br />

Raumtemperatur beziehen. Bei höheren<br />

Temperaturen können sich die Beständigkeitswerte<br />

erheblich verschlechtern.<br />

Im Zweifel sollte der Anwender, Konstrukteur<br />

oder Einkäufer sich von seinem<br />

Dichtungslieferanten beraten lassen<br />

oder Tests durchführen.<br />

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Leitartikel<br />

Erfolgreiches Pilotprojekt<br />

Abb. 4: Gelbes Harz statt schwarzer Aktivkohle: In den Ionenaustauschern von Silhorko/<br />

Eurowater entfernt Spezialharz zuverlässig PFAS aus dem Wasser. Bilder: Eurowater/<strong>GET</strong><br />

Die meisten Umwelteinflüsse entstehen<br />

bei der Produktion, also zunächst<br />

vor Ort. Ist eine einfache Fluorverbindung<br />

erst einmal zu einem Kunststoff<br />

(z. B. PTFE) polymerisiert, so ist dieser<br />

Werkstoff in seiner Anwendung<br />

als ungefährlich einzustufen. Die Verwendung<br />

(und damit der Import) werden<br />

also per se zukünftig weiterhin<br />

nicht zu beanstanden sein. Deshalb<br />

wird es der öffentlichen Diskussion<br />

und der Politik in den Herstellungsländern<br />

von PFAS überlassen sein, ob<br />

deren Produktion dort verboten werden<br />

wird.<br />

Die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten<br />

setzten diese Richtlinie in nationales<br />

Recht um, Dänemark ging dabei noch<br />

einen Schritt weiter und senkte den<br />

nationalen Grenzwert sogar auf 2 Nanogramm<br />

pro Liter ab. Auf der Insel<br />

Fanø lag der gemessene Wert mit 4,4<br />

Nanogramm allerdings deutlich darüber.<br />

Das entpuppte sich auf der recht<br />

kleinen Insel allerdings als Problem <strong>–</strong><br />

Die Lösung lieferte der dänische<br />

Wasseraufbereitungsspezialist<br />

SILHORKO-EUROWATER A/S,<br />

seit 2020 ein Teil des Grundfos-<br />

Konzerns. Das Wasserwerk Fanø verfügt<br />

nun über die erste Wasseraufbereitungsanlage<br />

des Landes, die<br />

mithilfe der Ionenaustauschtechnologie<br />

die problematischen PFAS-<br />

Stoffe aus dem Trinkwasser entfernen<br />

kann. Die innovative Anlage,<br />

die aus einem speziell angefertigten<br />

Filter besteht, kann bis zu 150 m 3<br />

(150.000 Liter) Trinkwasser pro Stunde<br />

reinigen. In der Anlage wird das<br />

Wasser durch eine Schüttung von<br />

kleinen Ionenaustauschkugeln (auch<br />

Harze genannt) geleitet, die die<br />

PFAS-Stoffe aufnehmen.<br />

Diese Reinigungsmethode senkt<br />

nicht nur den Gehalt an PFAS unter<br />

Einmal freigesetzt <strong>–</strong> für immer<br />

verseucht?<br />

In der eingangs bereits erwähnten<br />

interaktiven „Karte der ewigen Verschmutzung“<br />

werden die bekannten<br />

Fundstellen von PFAS-Verschmutzungen<br />

in ganz Europa aufgeführt.<br />

Sie ist beispielsweise auf https://<br />

foreverpollution.eu/maps-and-data/<br />

maps/ unschwer zu finden. Die darin<br />

aufgeführten Fundorte beschränken<br />

sich nicht nur auf Industriegelände,<br />

auch in vielen Gewässern und Agrarflächen<br />

sind auffällige PFAS-Konzentrationen<br />

zu finden. Dazu trägt auch<br />

die hohe Mobilität der Stoffe in Wasser<br />

bei.<br />

Am <strong>23</strong>. Oktober 2020 legte der<br />

Europäische Rat mit der überarbeiteten<br />

Fassung der EG-Trinkwasserrichtlinie<br />

neue Mindeststandards für<br />

die Qualität des Trinkwassers fest. Sie<br />

beinhaltet eine verpflichtende Risikobewertung<br />

und ein Risikomanagement.<br />

In dem verbesserten Überwachungskonzept<br />

findet sich auch eine<br />

Vielzahl an verschärften Grenzwerten<br />

für Schadsubstanzen, darunter erstmals<br />

auch PFAS.<br />

Abb. 5: Die Harzkügelchen im Ionenaustauscher sorgen viele Jahre für sauberes Trinkwasser.<br />

<br />

(Grafik: Eurowater)<br />

einen anderen Brunnen zu graben,<br />

war auf der kleinen Insel nicht möglich.<br />

Abb. 6: Die Kügelchen aus Spezialharz binden<br />

PFAS sowohl an den hydrophilen Funktionsgruppen<br />

wie auch an den hydrophoben,<br />

fluorierten Kohlenstoffketten.<br />

<br />

(Grafik: Eurowater)<br />

den Grenzwert <strong>–</strong> sie ist auch so effektiv,<br />

dass PFAS von den Messgeräten<br />

nicht mehr erfasst werden kann. Konkret<br />

bedeutet dies, dass der Gehalt<br />

jeder PFAS-4-Verbindung sicher unter<br />

mikroskopischen 0,1 Nanogramm<br />

pro Liter liegt, sofern überhaupt noch<br />

welches vorhanden ist.<br />

„Unser Pilotversuch auf Fanø<br />

zeigt deutlich, dass es keine andere<br />

Reinigungsmethode für PFAS gibt,<br />

die vergleichbare Ergebnisse wie die<br />

Ionenaustauschtechnologie<br />

liefern<br />

kann. Sowohl, wenn wir über den<br />

Reinigungsgrad, als auch über die<br />

Lebensdauer sprechen“, sagt Arne<br />

Koch, Abteilungsleiter für Trinkwasser<br />

bei EUROWATER.<br />

Während Aktivkohle, die bisher<br />

für die Entfernung von PFAS verwendet<br />

wird, eine kurze Lebensdauer von<br />

14<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Leitartikel<br />

nur wenigen Monaten hat, wird die<br />

Kapazität der Harze Berechnungen<br />

zufolge für 8<strong>–</strong>10 Jahre reichen.<br />

Überzeugende Messungen<br />

Da die Anlage auf Fanø die erste ihrer<br />

Art ist, waren wiederholte Analysen<br />

erforderlich, um die Qualität des Wassers<br />

sicherzustellen, bevor die Anlage<br />

endgültig in Betrieb genommen werden<br />

konnte. Doch die Analysen waren<br />

eindeutig: kein messbares PFAS.<br />

Vor diesem Hintergrund gab die Aufsichtsbehörde<br />

grünes Licht für die Inbetriebnahme<br />

der Anlage und am 20.<br />

März konnten sich die Bewohner der<br />

Insel Fanø das erste Glas PFAS-freies<br />

Trinkwasser einschenken.<br />

EUROWATER kann nun die Erfahrungen<br />

aus der Ionenaustauschanlage<br />

von Fanø nutzen, um anderen<br />

Abb. 7: Plasmareaktor im laufenden<br />

Betrieb: Die Plasmaentladungen werden im<br />

Reaktor durch das charakteristische Leuchten<br />

deutlich sichtbar. (Bild: Fraunhofer IGB)<br />

Wasserwerken zu helfen, die möglicherweise<br />

ähnliche Probleme mit<br />

PFAS haben.<br />

„Die Zusammensetzung von<br />

PFAS-Stoffen kann von Wasserwerk<br />

zu Wasserwerk unterschiedlich sein,<br />

aber mit unserem Wissen aus Fanø<br />

sind wir jetzt in der Lage, den Reinigungsgrad<br />

und die Anlagenkapazität<br />

bereits zu berechnen, sobald wir<br />

die Wasseranalyse in der Hand haben“,<br />

sagt Søren Duch-Hennings,<br />

Abb. 8: Aufbau des Plasmareaktors: Durch Anlegen einer Hochspannung zwischen den Elektroden<br />

entsteht ein Plasma. Kontaminiertes Wasser wird nach oben gepumpt und fließt in<br />

einem Spalt durch die Zone mit der Plasmaentladung wieder nach unten. Dabei werden die<br />

PFAS angegriffen. <br />

(Grafik: Fraunhofer IGB)<br />

Chemieingenieur und Produktspezialist<br />

für Ionenaustauschtechnologie<br />

bei EUROWATER.<br />

Das<br />

Wasseraufbereitungsunternehmen<br />

hat bereits das nächste Pilotprojekt<br />

gestartet, bei dem die<br />

Harze gegen eine andere Zusammensetzung<br />

von PFAS-Stoffen getestet<br />

werden.<br />

Plasmablitze zerlegen PFAS<br />

Einen völlig anderen Ansatz zur Reinigung<br />

von PFAS-verschmutzem Wasser<br />

verfolgt das vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) im Rahmen der Initiative Wasser<br />

N geförderte Verbundprojekts<br />

AtWaPlas. Das Akronym steht für At-<br />

mosphären-Wasserplasma-Behand-<br />

lung. Mit dem energieeffizienten Verfahren<br />

werden die Molekülketten der<br />

PFAS abgebaut, so dass PFAS aus kontaminiertem<br />

Wasser entfernt werden<br />

könnten. Das Fraunhofer-Institut für<br />

Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik<br />

IGB in Stuttgart hat das Verfahren<br />

gemeinsam mit dem Industriepartner<br />

HYDR.O. Geologen und<br />

Ingenieure aus Aachen in nur zwei<br />

Jahren Projektlaufzeit entwickelt. Das<br />

Verfahren: Kreislaufführung des Wassers<br />

im Plasmareaktor<br />

Ein Plasma ist ein mittels Hochspannung<br />

ionisiertes elektrisch leitfähiges<br />

Gas, das äußerst reaktiv und<br />

damit in der Lage ist, Molekülketten<br />

von Substanzen anzugreifen.<br />

Zur Plasmabehandlung von verunreinigtem<br />

Wasser kommt ein<br />

zylinderförmiger Aufbau zum Einsatz.<br />

Im Inneren des Aufbaus befindet<br />

sich ein Edelstahlzylinder, durch<br />

welchen das Wasser nach oben gepumpt<br />

wird, bevor das Wasser an<br />

dessen Außenseite als dünner Film<br />

hinunterfließt. Gleichzeitig dient der<br />

Edelstahlzylinder als Masseelektrode<br />

des Stromkreises. Nach außen wird<br />

der Reaktoraufbau durch einen Glaszylinder<br />

begrenzt, auf dem sich ein<br />

Kupfernetz als Hochspannungselektrode<br />

befindet. Zwischen dem Glaszylinder<br />

und dem Wasserfilm bleibt<br />

ein winziger Spalt, der mit einem Gasgemisch<br />

gefüllt ist. Durch Anlegen einer<br />

Spannung von mehreren Kilovolt<br />

zwischen den beiden Elektroden wird<br />

aus dem Gasgemisch ein Plasma erzeugt.<br />

Es ist chemisch hoch aktiv und<br />

in der Lage, Molekülbindungen aufzubrechen.<br />

Das Plasma wird durch<br />

das charakteristische Leuchten und<br />

das Entladen in Form von Blitzen für<br />

das menschliche Auge sichtbar.<br />

Im Reinigungsprozess wird das<br />

Wasser mehrfach in einem geschlossenen<br />

Kreislauf durch den Reaktor<br />

und die Plasmaentladungszone im<br />

Spalt gepumpt, und jedes Mal werden<br />

die PFAS-Molekülketten weiter<br />

verkürzt und abgebaut. Im Idealfall<br />

werden die schädlichen PFAS-Stoffe<br />

auf diese Weise durch vollständige<br />

Mineralisierung so weit beseitigt,<br />

dass sie in massenspektrometrischen<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong> 15


Leitartikel<br />

Messungen nicht mehr nachweisbar<br />

sind. Damit werden auch die strengen<br />

Regularien der Trinkwasserverordnung<br />

in Bezug auf die PFAS-Konzentration<br />

erfüllt.<br />

Gegenüber herkömmlichen Methoden<br />

wie beispielsweise der Filterung<br />

mit Aktivkohle weist die am<br />

Fraunhofer IGB entwickelte Technologie<br />

einen entscheidenden Vorteil<br />

auf: Aktivkohlefilter können die<br />

schädlichen Stoffe zwar binden, sie<br />

aber nicht beseitigen. Somit müssen<br />

die Filter regelmäßig ausgetauscht<br />

und entsorgt werden. Die AtWaPlas-<br />

Technologie dagegen kann die schädlichen<br />

Substanzen rückstandsfrei eliminieren<br />

und arbeitet dabei sehr<br />

effizient und wartungsarm.<br />

Reale Wasserproben statt<br />

synthetischer Mischungen<br />

Während konventionelle Testverfahren<br />

mit im Labor synthetisch angerührten<br />

wässrigen PFAS-Lösungen<br />

arbeiten, wurden im AtWaPlas-Projekt<br />

reale Wasserproben aus PFASkontaminierten<br />

Gebieten untersucht,<br />

die der unter anderem auf Altlastensanierung<br />

spezialisierte Projektpartner<br />

HYDR.O. zulieferte. Diese enthalten<br />

neben PFAS auch weitere Partikel,<br />

Schwebstoffe und organische Trübungen.<br />

So wurde der Reinigungseffekt<br />

auch unter realen Bedingungen<br />

mit wechselnden Wasserqualitäten<br />

unter Beweis stellt. Zugleich konnten<br />

die Prozessparameter laufend angepasst<br />

und weiterentwickelt werden.<br />

Weitere Anwendungsgebiete<br />

und Ausblick<br />

Das Plasma-Wasserreinigungsverfahren<br />

lässt sich auch für den Abbau<br />

anderer schädlicher Substanzen<br />

einsetzen, beispielsweise von Medikamentenrückständen,<br />

Pestiziden,<br />

Herbiziden und Cyaniden. Daneben<br />

kommt AtWaPlas auch für die umweltschonende<br />

und kostengünstige<br />

Aufbereitung von Trinkwasser in mobilen<br />

Anwendungen infrage.<br />

Nach den erfolgreichen Versuchsreihen<br />

mit einem Fünf-Liter-Reaktor im<br />

Technikums-Maßstab soll das Verfahren<br />

gemeinsam mit dem Verbundpartner<br />

weiter optimiert werden. Ziel<br />

ist es, toxische PFAS durch verlängerte<br />

Prozesszeiten und mehr Umläufe<br />

im Tank vollständig zu eliminieren<br />

und die AtWaPlas-Technologie auch<br />

für die praktische Anwendung im größeren<br />

Maßstab verfügbar zu machen.<br />

Zukünftig könnten entsprechende<br />

Anlagen auch als eigenständige Reinigungsstufe<br />

in Klärwerken aufgestellt<br />

werden oder in transportablen Containern<br />

auf kontaminierten Freilandflächen<br />

zum Einsatz kommen.<br />

Rettung für den Acker<br />

PFAS dienen aber nicht nur als Baumaterial<br />

für Kunststoffe oder Dichtungen<br />

<strong>–</strong> sie sind auch in Feuerlöschschäumen<br />

zu finden. Diese bilden<br />

auf der Oberfläche brennbarer Flüssigkeiten<br />

oder auf geschmolzenen<br />

Oberflächen einen dünnen Wasserfilm<br />

und verhindern so das Austreten<br />

von brennbaren Gasen. Dies steigert<br />

die Löschwirkung des Schaumes<br />

und verhindert gleichzeitig die Rückzündung<br />

der brennbaren Flüssigkeit.<br />

Löschschäume werden daher traditionell<br />

gerne auch auf Flugplätzen<br />

eingesetzt. Versickert das Löschwasser<br />

von Einsätzen oder den obligatorischen<br />

Übungen im Erdboden, kann<br />

das zu einer Belastung umliegender<br />

Agrarflächen führen. Doch wie reinigt<br />

man einen Acker?<br />

Das Forschungskonsortium des<br />

FABEKO Projektes, bestehend aus<br />

der GEOlogik Wilbers & Oeder GmbH<br />

in Münster, der Mull und Partner Ingenieurgesellschafts<br />

GmbH in Osnabrück,<br />

dem Helmholtz-Zentrum<br />

für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig<br />

und der Sensatec GmbH in Kiel,<br />

hat im Juni 20<strong>23</strong> eine Sanierungsanlage<br />

zur On-Site-Behandlung<br />

PFAS-kontaminierter Böden in Betrieb<br />

genommen. In dem vom Bundesministerium<br />

für Bildung und<br />

Forschung (BMBF) geförderten Forschungsvorhaben<br />

FABEKO wird die<br />

bereits in der Gemeinde Hügelsheim<br />

getestete, biopolymergestützte<br />

PFAS-Elution weiterentwickelt und<br />

mit zwei Wasseraufbereitungsverfahren,<br />

der Flotation und der Adsorption<br />

der PFAS an elektrisch stimulierte<br />

Aktivkohle gekoppelt.<br />

Zur Sanierung des Oberbodens<br />

wurde zunächst ein Bodenhaufwerk<br />

mit 50 m³ Volumen aufgebaut. Der<br />

Boden wird, wie bereits im vorhergehenden<br />

FuE-Projekt BioKon erfolgreich<br />

getestet, mit einer Lösung aus<br />

biologisch abbaubaren Löslichkeitsvermittlern<br />

durchspült. Die Löslichkeitsvermittler<br />

binden die PFAS und<br />

lösen diese von der Bodenmatrix.<br />

Das Perkolat wird in einem Pumpensumpf<br />

gesammelt und dann in die<br />

Sanierungsanlage gefördert und dort<br />

aufgereinigt.<br />

Aktivkohle vor Ort regenerieren<br />

Das Wasseraufbereitungsverfahren<br />

der Flotation ist bereits im vorausgegangenen<br />

Forschungsvorhaben<br />

zum Einsatz gekommen und wird<br />

in diesem Pilotversuch weiterentwickelt.<br />

Das zweite Verfahren, das auf<br />

der Adsorption der PFAS an elektrisch<br />

stimulierter Aktivkohle basiert<br />

und wesentlich energie- und ressourcenschonender<br />

ist, wurde in diesem<br />

FuE-Projekt durch Forscher des UFZ<br />

entwickelt. Die Spurenstoffe werden<br />

damit nicht nur sehr effizient aus<br />

dem Wasser entfernt, sondern die<br />

Aktivkohle kann auch direkt am Ort<br />

ihrer Verwendung regeneriert und<br />

wiederverwendet werden.<br />

Abb. 9: Verfahrensschema der biopolymergestützten PFAS Elution und der Wasseraufbereitungs-techniken<br />

im FABEKO-Projekt <br />

(Grafik: Sensatec GmbH)<br />

16<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Leitartikel<br />

Dafür werden Vliese aus feinen Aktivkohlefasern<br />

eingesetzt, deren Oberfläche<br />

für die Anziehung der negativ<br />

geladenen PFAS maßgeschneidert<br />

ist. Ist das Aufnahmevermögen der<br />

Vliese für PFAS erschöpft, dann wird<br />

vorzugsweise mit grünem Strom die<br />

Aktivkohle kurzzeitig negativ geladen.<br />

Die ebenfalls negativ geladenen<br />

PFAS-Moleküle werden damit von<br />

der Oberfläche abgestoßen und in<br />

einem kleinen Volumen an Konzentrat<br />

gesammelt. Das regenerierte Aktivkohlevlies<br />

kann dann sofort wieder<br />

für die Wasserreinigung eingesetzt<br />

werden.<br />

Im Projekt FABEKO wurden Module<br />

für die potentialgesteuerte Adsorption<br />

entwickelt, die nun erstmalig<br />

im Pilotversuch in Rastatt zur Reinigung<br />

des PFAS-haltigen Wassers aus<br />

der Bodenwäsche getestet werden.<br />

Für den Pilotversuch wurde auf einer<br />

Agrarfläche in der Nähe des Bauhofs<br />

Hügelsheim ein 20“ Seecontainer<br />

und ein 10“ Seecontainer neben des<br />

eigens errichteten Bodenhaufwerks<br />

aufgestellt. Die im 20“ Seecontainer<br />

verbaute Flotations- und Dosiereinheit<br />

inkl. Steuerungstechnik dient der<br />

kontrollierten Aufgabe der Biopolymerlösung<br />

auf das Haufwerk sowie<br />

der Behandlung des Prozesswassers<br />

mittels Flotation. In dem danebenliegenden<br />

10“ Seecontainer sind die Adsorptionsmodule<br />

untergebracht. Die<br />

beiden Wasseraufbereitungsprozesse<br />

können getrennt voneinander sowie<br />

in Reihe geschaltet betrieben werden.<br />

Zusätzlich wurden mehrere Behälter<br />

(IBCs) sowie ein Aktivkohlefilter<br />

neben den Containern platziert. Es ist<br />

eine Laufzeit von ca. 8 Wochen vorgesehen.<br />

Das Verbundprojekt FABEKO<br />

(Grundwasserschutz durch flächenhafte<br />

Aufbereitung PFAS-verunreinigter<br />

Böden durch On-Site-Bodenelution<br />

und Wasseraufbereitung durch<br />

elektrostimulierte Aktivkohle) wird<br />

vom Bundesministerium für Bildung<br />

und Forschung (BMBF) unter der Initiative<br />

KMU-innovativ gefördert und<br />

fachlich unterstützt durch die PFAS-<br />

Geschäftsstelle des Landratsamtes<br />

Rastatt. KMU-innovativ ist Teil der<br />

BMBF-Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit<br />

(FONA)“.<br />

Die Forscher gehen davon aus,<br />

dass die Bodenqualität nach der Behandlung<br />

weitestgehend intakt bleibt<br />

und die Mikroorganismen und andere<br />

Lebensformen nicht negativ beeinträchtigt<br />

sind, da die Biopolymerkomponente<br />

eher eine Kohlenstoff- sprich<br />

Nahrungsquelle darstellt. Im Zuge<br />

des aktuellen Pilotversuchs werden<br />

auch landwirtschaftliche Parameter,<br />

die eine Aussage über die Qualität<br />

des Bodens treffen sollen, untersucht.<br />

Einfach zermahlen<br />

Eine weitere Möglichkeit, PFAS zu zerstören,<br />

die aktuell erforscht wird, ist<br />

das Kugelmahlen. Bei diesem Verfahren<br />

werden PFAS und Zusatzstoffe<br />

in einer Mühle mit hohen Geschwindigkeiten<br />

mit Kugeln aus Zirkon<br />

oder rostfreiem Stahl zusammen<br />

mit Bornitrid vermischt. Die Kollisionen<br />

zwischen den Kugeln und den<br />

Zusatzstoffen sollen zu Festkörperreaktionen<br />

führen, die die Kohlenstoff-Fluor-Bindungen<br />

der PFAS zerstören<br />

und sie in weniger schädliche<br />

Produkte umwandeln. Eine Schlüsselrolle<br />

scheint dabei das Bornitrid<br />

einzunehmen. Es scheint in einem<br />

Zwischenschritt Elektronen und Fluoratome<br />

aus den PFAS aufzunehmen,<br />

die im weiteren Verlauf in Fluoralkylradikale<br />

zerfallen. Diese reagieren<br />

mit Sauerstoff oder anderen Radikalen<br />

und bilden schließlich unschädliche<br />

Mineralien.<br />

„Ein universelles PFAS-Verbot ist<br />

nicht überall ein Fortschritt“<br />

Mit dem angestrebten PFAS-Verbot<br />

könnte die dringend notwendige Energiewende<br />

in akute Gefahr geraten.<br />

Ein noch nicht genau quantifizierbarer<br />

Schaden ist vermutlich bereits<br />

durch die Verunsicherung der Akteure<br />

im Markt entstanden. Es ist<br />

anzunehmen, dass Investitionsentscheidungen<br />

über den Bau von Fabriken,<br />

die Anschaffung von neuen<br />

Maschinen und die Ausweitung von<br />

Fertigungskapazitäten im Bereich<br />

der Wasserstoffbranche auf Eis gelegt<br />

wurden und werden, bis eine<br />

Entscheidung durch die ECHA ergangen<br />

ist. Im Fall eines Verbotes<br />

droht die Abwanderung einer kompletten<br />

Zukunftsbranche. Dass mit<br />

PFAS-haltigen Substanzen in der Vergangenheit<br />

bei der Anwendung und<br />

Entsorgung leider viel Schindluder getrieben<br />

wurde, darf den dringenden<br />

Umbau unserer Energiewirtschaft<br />

nicht behindern. Wie ein verantwortungsvoller<br />

und differenzierter Umgang<br />

mit PFAS aussehen könnte, hat<br />

zuletzt der nationale Wasserstoffrat<br />

(NWR) in seiner Stellungnahme vom<br />

15.September 20<strong>23</strong> aufgezeigt.<br />

In dieser Stellungnahme unterstützt<br />

der NWR grundsätzlich die<br />

Regulierung von per- und polyfluorierten<br />

Alkylverbindungen (PFAS) sowie<br />

die Bestrebungen eines verantwortungsvollen<br />

Umgangs zum Schutz<br />

von Menschen und Umwelt. Aber<br />

auch dieses Expertengremium hält<br />

PFAS jedoch für vielfältige Schlüsseltechnologien<br />

der Energiewende unabdingbar.<br />

Durch einen generellen<br />

Ausstieg aus der Nutzung von PFAS<br />

kann es zu einer faktischen Blockade,<br />

in jedem Fall zu einer drastischen Verzögerung<br />

beim Hochlauf von Wasserstofftechnologien<br />

kommen, wodurch<br />

die Energiewende sowie die Erreichung<br />

der Klimaschutzziele des European<br />

Green Deals gefährdet werden.<br />

Vor diesem Hintergrund fordert auch<br />

der NWR eine differenzierte Risikobewertung<br />

und Einstufung der relevanten<br />

Wasserstoff- und Energiewendetechnologien<br />

als „essential use“.<br />

Autor: Ottmar Holz<br />

Redakteur<br />

Die zugrundeliegenden Informationen<br />

und Aussagen wurden freundlicherweise<br />

zur Verfügung gestellt von<br />

(in alphabetischer Reihenfolge):<br />

- COG C.Otto Gehrkens<br />

GmbH & Co. KG<br />

- Fraunhofer-Institut für Grenzflächen<br />

und Bioverfahrenstechnik IGB<br />

- H-TEC Systems GmbH<br />

- ionisys GmbH<br />

- Leitstelle Wasserstoff<br />

- Sensatec GmbH<br />

- SILHORKO-EUROWATER A/S<br />

- STASSKOL GmbH<br />

- UFZ Helmholz-Zentrum für<br />

Umweltforschung GmbH<br />

- VDMA (Verband Deutscher<br />

Maschinen- und Anlagenbau e. V.)<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong> 17


Titelgeschichte<br />

Versorgungssicherheit im Fokus<br />

Schraubenverdichter von AERZEN speisen<br />

Biomethan ins Gasnetz ein<br />

Sebastian Meißler<br />

In der Energiewirtschaft zählt Versorgungssicherheit.<br />

Für die eingesetzten<br />

Systeme folgt daraus der<br />

hohe Anspruch an Verfügbarkeit<br />

und Ausfallsicherheit. Können kleinere<br />

Kraftwerke, Solarfarmen oder<br />

Windparks vergleichsweise einfach<br />

heruntergefahren oder komplett<br />

vom Netz genommen werden, gestaltet<br />

sich dieses bei Biogasanlagen<br />

deutlich schwieriger. Biologische<br />

Prozesse lassen sich nicht<br />

einfach stoppen, weshalb bei der<br />

technischen Ausrüstung maximale<br />

Ausfallsicherheit und Redundanz<br />

gefragt sind. Für die Einspeisung<br />

von Biomethan ins Erdgasnetz setzt<br />

die EWE NETZ GmbH im Bereich der<br />

Vorverdichtung des Biomethans<br />

AERZEN Schraubenverdichter ein.<br />

Biogas zu Biomethan aufbereiten<br />

und ins Erdgasnetz einspeisen: Dieser<br />

Weg stellt eine effektive Möglichkeit<br />

dar, den regenerativ erzeugten<br />

Energieträger speichern zu können.<br />

Im Gegensatz zur direkten Verstromung<br />

von Biogas vor Ort im Blockheizkraftwerk<br />

ist vor der Einspeisung<br />

ins Erdgasnetz erzeugerseitig allerdings<br />

die Aufbereitung zu Biomethan<br />

notwendig. Für die Einspeisung mit<br />

speziellen Anlagen ist wiederum der<br />

örtliche Erdgasnetzbetreiber zuständig.<br />

Ein funktionaler Bereich ist hier<br />

die Vorverdichtung, für die die EWE<br />

NETZ GmbH Schraubenverdichter<br />

von AERZEN einsetzt. Dieser Prozess<br />

ist untergliedert in zwei Druckstufen.<br />

In der ersten Druckstufe kommen<br />

Aggregate von AERZEN zum Einsatz,<br />

für den Hochdruckbereich Kolbenverdichter<br />

von Neumann und Esser.<br />

Gasqualität sicherstellen<br />

Mit einem Übergabedruck von<br />

circa 100 Millibar erreichen bis zu<br />

700 Normkubikmeter Biomethan<br />

einer Biogasaufbereitungsanlage im<br />

Landkreis Cloppenburg pro Stunde<br />

die Einspeisestation von EWE NETZ<br />

GmbH. „Die Dichte an landwirtschaftlichen<br />

Betrieben ist hoch in dieser Region“,<br />

meint Christoph Benten, zuständig<br />

für Biogaseinspeiseanlagen<br />

bei der EWE NETZ. Der Energieversorger<br />

mit Hauptsitz in Oldenburg<br />

betreibt im Landkreis Cloppenburg<br />

Abb. 1: Die Einspeisestation ist direkt neben<br />

der Gasaufbereitung mobil und platz sparend<br />

in einem Betoncontainer installiert<br />

18<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Titelgeschichte<br />

weder die Biogasanlage noch die Aufbereitung.<br />

Vielmehr stellt das Unternehmen<br />

das Gasnetz und die Infrastruktur<br />

für die Einspeisung zur<br />

Verfügung. Die EWE NETZ GmbH hat<br />

in dieser Konstellation die Verantwortung<br />

für die übergebene Biomethanqualitäten,<br />

die notwendige Druckanpassung<br />

sowie die Einstellung des<br />

Brennwertes für eine sichere Einspeisung<br />

von Biomethan ins Erdgasnetz.<br />

Einzuhalten sind dabei unter<br />

anderem die Richtlinien des DVGW<br />

(Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches).<br />

Festgelegt sind in Regelwerken<br />

unter anderem der übergebene<br />

Methangehalt, die Grenzwerte<br />

für Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff<br />

sowie der Wassertaupunkt.<br />

Bleibt das übergebene Biomethan innerhalb<br />

der Grenzwerte, wird mittels<br />

Schraubenverdichter von AERZEN der<br />

Druck von etwa 100 Millibar auf fünf<br />

bar erhöht. Das Ortsnetz selbst wird<br />

mit einem Druck von 0,8 bis 0,9 bar<br />

betrieben und versorgt die angeschlossenen<br />

Betriebe und Haushalte<br />

mit Erdgas beziehungsweise eingespeistem<br />

Biomethan.<br />

Christoph Benten: „Der Gesetzgeber<br />

legt fest, dass wir bei der Einspeisung<br />

von Biomethan ins Erdgasnetz<br />

eine technische Verfügbarkeit<br />

der Einspeiseanlage von mindestens<br />

96 Prozent erreichen müssen.“ Aus<br />

diesem Grund hält EWE NETZ GmbH<br />

einen Redundanzbetrieb von zwei<br />

baugleichen VMX 110 Aggregaten aus<br />

dem Hause AERZEN vor. Diese liefern<br />

jeweils eine Förderleistung von 700<br />

Normkubikmetern pro Stunde. „Geht<br />

eine Maschine in Störung, springt automatisch<br />

die zweite Maschine ein.“<br />

Abb. 2: Schraubenkompressoren von AERZEN verdichten das Biomethan für die Einspeisung<br />

ins örtliche Gasnetz<br />

der Maschinenrichtlinie zertifiziert.<br />

Die VMX-Reihe erfüllt die neuesten<br />

Sicher heitsnormen der EN 1012-3 sowie<br />

das Regelwerk des DVGW für den<br />

Einsatz in Deutschland.<br />

Eingebaut sind die Schraubenverdichter<br />

in der Einspeiseanlage<br />

im Landkreis Cloppenburg in einem<br />

kompakten Betongebäude, das direkt<br />

neben der Biogasaufbereitung<br />

der Biogasanlagen platziert ist. Konzipiert<br />

ist die Einheit als anschlussfertiges<br />

System, das sich entsprechend<br />

schnell in Betrieb nehmen<br />

lässt. „Vorteile der kompakten Modulbauweise<br />

sind der schnelle und<br />

unkomplizierte Aufbau vor Ort und<br />

die Möglichkeit, die Anlage für den<br />

Umzug an einen anderen Standort<br />

auch relativ einfach wieder abbauen<br />

zu können“, sagt Christoph Benten.<br />

Die beiden Schraubenverdichter hat<br />

AERZEN als Komplettsystem geliefert.<br />

Ein wichtiger Projektteilnehmer<br />

ist die Elektrotechnik GmbH<br />

Schaumburg (ELOG). In den Händen<br />

der ELOG lag die Engineering-Begleitung<br />

im Bereich EMSR Technik, der<br />

Schaltanlagenbau bis hin zur Inbetriebnahme<br />

sowie die Integration des<br />

Systems in eine übergeordnete Steuerungs-<br />

beziehungsweise Leit ebene.<br />

Die EWE NETZ GmbH gibt für seine<br />

Standorte ein Basic-Engineering sowie<br />

die Definition der Schnittstellen<br />

für den Signalaustausch mit dem<br />

Abgenommene Systemlösung<br />

Verdichtung von Biomethan, Biogas<br />

sowie anderen Kohlenwasserstoff-Mischgasen:<br />

Genau dafür sind<br />

die ölgeschmierten direktangetriebenen<br />

VMX-Schraubenverdichter-<br />

Aggregate konzipiert. Die Reihe deckt<br />

in fünf Baugrößen im Dauerbetrieb<br />

Volumenströme bis 2.500 Normkubikmeter<br />

pro Stunde ab und liefert<br />

einen Überdruck bis 16 bar. Für den<br />

Einsatz im Umfeld von Biogasanlagen<br />

sind die Aggregate entsprechend<br />

der ATEX-Richtlinie 2014/34/EU sowie<br />

Abb. 3: AERZEN lieferte für EWE eine einbaufertige Komplettlösung inklusive Verrohrung<br />

und Anbindung an die Steuerungsebene<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong> 19


Titelgeschichte<br />

Abb. 4: Die VMX-Schraubenverdichter sind auf maximale Verfügbarkeit ausgelegt. Was zählt, ist schließlich die Liefersicherheit bei der Einspeisung<br />

Leitsystem vor. Benten: „Uns geht es<br />

bei diesem schlüsselfertigen Anlagenbau<br />

darum, dass die eingesetzte<br />

Technik mit wenig Störungen hochverfügbar<br />

arbeitet.“<br />

Unterschiedliche Gasqualitäten<br />

EWE NETZ GmbH stellt mittels eichamtlicher<br />

Gasanalysen die Qualität<br />

des übergebenen Biomethans fest<br />

und verifiziert hierdurch die geforderten<br />

Grenzwerte in einer Abschaltmatrix.<br />

Erreicht das übergebene<br />

Biomethan nicht die geforderten<br />

Übergabeparameter, wird die Einspeisung<br />

ins Erdgasnetz so lange<br />

gestoppt, bis die Grenzwerte wieder<br />

eingehalten werden. Sobald Biomethan<br />

ins Erdgasnetz eingespeist<br />

wird, muss die EWE NETZ GmbH den<br />

Brennwert des übergebenen Biomethans<br />

mit dem aktuellen Brennwert<br />

innerhalb des einzuspeisenden<br />

Abb. 5: Mit der Verdichtung von Biomethan<br />

lässt sich der regenerativ erzeugte Brennstoff<br />

auf effiziente Weise in vorhandene<br />

Gasnetze einspeisen<br />

Erdgasnetzes abgleichen und das<br />

Bio methan dementsprechend anpassen.<br />

Hier unterscheiden sich<br />

zwei Arten der Anpassung (Konditionierung),<br />

welche abhängig vom örtlichen<br />

Erdgasnetz sind. Aktuell gibt es<br />

in Deutschland zwei Brennwertbänder<br />

innerhalb der Erdgasnetze. Hierbei<br />

handelt es sich um das L-Gasnetz<br />

(niederkalorischer Bereich) sowie das<br />

H-Gasnetz (hochkalorischer Bereich).<br />

Bei der Einspeisung in ein L-Gasnetz<br />

ist dem Biomethan Luft zuzumischen,<br />

um den Brennwert zu senken. Bei der<br />

Einspeisung in ein H-Gasnetz ist der<br />

Brennwert mit einer Zumischung von<br />

Flüssiggas (LPG) wiederum anzuheben.<br />

Die exakte Zudosierung von Luft<br />

oder LPG wird automatisch über Gasmischer<br />

eingestellt. Aktuell laufen in<br />

Deutschland und bei der EWE NETZ<br />

GmbH Projekte zur Umstellung von<br />

L-Gasnetze auf H-Gasnetze, da die<br />

Verfügbarkeit von L-Gas limitiert ist.<br />

Eine weitere Unterscheidung bei<br />

der Einspeisung findet sich darin, in<br />

welches Netz eingespeist wird. Das<br />

örtliche Verteilnetz arbeitet mit maximal<br />

1 bar, das Hochdrucknetz mit<br />

bis zu 70 bar. Solange Aufnahmekapazitäten<br />

innerhalb des örtlichen<br />

Verteilnetzes gegeben sind, speisen<br />

die AERZEN Schraubenverdichter<br />

ein. Kommt es zu einem Aufnahmeengpass,<br />

springt automatisch die<br />

Einspeisung ins Hochdrucknetz ein.<br />

Dann übernehmen Kolbenverdichter<br />

von Neumann und Esser die Arbeit.<br />

Die Schraubenverdichter bleiben in<br />

Betrieb und erzeugen den Vordruck<br />

für die Hochdruckverdichter. Dieser<br />

Aufbau führt dazu, dass die Kolbenverdichter<br />

aus energetischen Gründen<br />

nur dann zum Einsatz kommen,<br />

wenn das Ortsnetz nichts mehr aufnimmt<br />

und 70 bar Einspeisedruck<br />

notwendig sind.<br />

Biomethan: Erneuerbare Energie<br />

im Gasnetz<br />

Mit der Einspeisung von Biomethan<br />

in das vorhandene Erdgasnetz verbessern<br />

sich die Speichermöglichkeiten<br />

von Biogas sowie die Nutzung<br />

der erzeugten Energie unabhängig<br />

vom Standort der Biogasanlage. Zudem<br />

ist eine zeitliche Entkopplung<br />

von Erzeugung und Nutzung möglich.<br />

Die Infrastruktur des Erdgasnetzes<br />

mit den zugehörigen Kavernen gilt in<br />

Deutschland mit einer Gesamtlänge<br />

von 530.000 Kilometern als gut ausgebaut.<br />

Komplette Systemlösungen<br />

bei der Verdichtung und Einspeisung<br />

des Gases machen es den Netzbetreibern<br />

einfacher, neue Standorte zu<br />

erschließen.<br />

Autor:<br />

Sebastian Meißler, Marketing<br />

Aerzener Maschinenfabrik GmbH<br />

Reherweg 28<br />

31855 Aerzen<br />

Tel + 49 5154 81<br />

info@aerzen.com<br />

www.aerzen.com<br />

20<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energetische Infrastruktur<br />

Stromspeicher<br />

Stärkung der Lade infra struk turen für Elektrofahrzeuge<br />

durch Energiespeichersysteme<br />

Die Speicherschränke von HES L und HES XXL von Socomec sind nach IP 55 gegen Staub-und Wassereindrang geschützt und eignen sich daher<br />

für eine Aufstellung im Freien.<br />

Bild: Socomec<br />

Das Verbot des Verkaufs von Fahrzeugen<br />

mit Verbrennungsmotor in<br />

den meisten europäischen Ländern,<br />

Kanada und einigen US-Bundesstaaten<br />

bis 2035 ist ein erster Schritt<br />

in Richtung eines dekarbonisierten<br />

Straßenverkehrs. Nach einer Schätzung<br />

der Internationalen Energieagentur<br />

(IEA) werden bis 2030 350<br />

Millionen Elektrofahrzeuge auf den<br />

Straßen unterwegs sein, um das Ziel<br />

der Netto-Nullemission bis 2050 zu<br />

erreichen, was mehr als 60 % der<br />

weltweit verkauften Fahrzeuge entspricht.<br />

Um diesen Zuwachs zu unterstützen,<br />

werden bis 2030 schätzungsweise<br />

über 60 Millionen<br />

Ladepunkte installiert sein.<br />

Angesichts des rasanten Wachstums<br />

und der Entwicklung von<br />

Schnell- und Superschnellladestationen<br />

steigt der Energiebedarf für das<br />

Aufladen von E-Fahrzeugen jedoch<br />

schneller als die verfügbare Energie<br />

im Netz.<br />

Wesentliche Herausforderungen<br />

bei der Installation von Ladestationen:<br />

1. Beibehaltung der Ladegeschwindigkeit<br />

<strong>–</strong> auch zu Spitzenzeiten<br />

Vielerorts ist das Stromnetz nicht in<br />

der Lage, den wachsenden Strombedarf<br />

der Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge<br />

allein zu decken. Dafür<br />

gibt es zwei wesentliche Gründe: die<br />

Kapazität der Stromproduk tion und<br />

die verfügbare Leistung nach den<br />

Hoch-/Niederspannungstransformatoren.<br />

Diese müssen ggf. ausgetauscht<br />

werden, und auch die Leistungsfähigkeit<br />

der Stromleitungen<br />

muss erhöht werden. Aufwand und<br />

Kosten hierfür sind hoch, vor allem in<br />

Städten.<br />

Das bedeutet, dass eine mit<br />

Schnellladestationen ausgestattete<br />

Ladeinfrastruktur während der Nachfragespitzen<br />

möglicherweise nicht<br />

mit maximaler Leistung versorgt<br />

werden kann, wodurch sich die Anzahl<br />

der Ladevorgänge pro Stunde<br />

verringert.<br />

Wenn das Netz, die Transformatoren<br />

oder die Leitungen nicht in der<br />

Lage sind, die für den Betrieb der<br />

Ladestationen mit Nennleistung erforderliche<br />

Energie zu liefern, können<br />

Energiespeichersysteme zusätzliche<br />

Energie zur Netzversorgung bereitstellen.<br />

Somit kann die Betriebsleistung<br />

der Ladestationen maximiert<br />

werden, um möglichst kurze Ladezeiten<br />

zu ermöglichen.<br />

Auf diese Weise kann das Energiespeichersystem<br />

in Zeiten geringer<br />

Nachfrage aufgeladen werden,<br />

um dann entladen zu werden, wenn<br />

der Strombedarf der Ladestationen<br />

für Elektrofahrzeuge die verfügbare<br />

Kapazität des Netzes übersteigt. Dank<br />

des Energiespeichersystems ist es<br />

möglich, eine stabile Last zu gewährleisten,<br />

um die erforderliche Ladekapazität<br />

für Elektrofahrzeuge sicherzustellen<br />

und gleichzeitig die hohen<br />

Kosten und langen Wartezeiten zu<br />

vermeiden, die mit einer Aufrüstung<br />

des Netzanschlusses verbunden sind.<br />

2. Senkung der Betriebskosten<br />

In einigen Ländern, wie z. B. Deutschland,<br />

rechnen die Energieversorgungsunternehmen<br />

die Kosten nach<br />

den 15 Minuten mit dem höchsten<br />

Stromverbrauch ab. Beim Laden von<br />

Elektrofahrzeugen können die Verbrauchsspitzen<br />

erheblich variieren,<br />

da sich der Bedarf je nach Anzahl<br />

Abb. 1: Die Stromspeicher decken Lastspitzen<br />

(rot schraffiert) ab, die die maximale<br />

Netzleistung (schwarze Linie) übersteigen<br />

würden. In den Zeiten mit weniger Last lädt<br />

das System die Speicher nach.<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

21


Energetische Infrastruktur<br />

Stromspeicher<br />

der gleichzeitig ladenden Fahrzeuge<br />

leicht vervielfachen kann.<br />

Die Integration von Energiespeichersystemen<br />

kann dazu beitragen,<br />

den höchsten Strombedarf durch<br />

Laststeuerung zu kappen. Diese Technologie<br />

wird als Lastspitzenkappung<br />

oder auch Peak Shaving bezeichnet.<br />

Auf diese Weise werden die normalerweise<br />

durch das Netz abgedeckten<br />

Abb. 2: Lastspitzenkappung durch das Speichersystem<br />

Bedarfsspitzen vom System aufgefangen.<br />

Die Batterien des Speichersystems<br />

werden dann geladen, wenn<br />

der Ladebedarf für Elektrofahrzeuge<br />

sinkt, und entladen, wenn der Strombedarf<br />

zu steigen beginnt. Dies senkt<br />

die Kosten des Strombezugs.<br />

Energie-Arbitrage<br />

Auch die Stromrechnung wird von<br />

dynamischen Strompreisen bestimmt,<br />

da das verbrauchte Kilowatt<br />

teurer ist, wenn die Marktnachfrage<br />

hoch ist und billiger, wenn sie niedrig<br />

ist. Dies wird häufig angewandt, um<br />

die Senkung des Verbrauchs in Spitzenzeiten<br />

zu fördern. Für eine Ladeinfrastruktur<br />

für Elektrofahrzeuge ist es<br />

jedoch in den meisten Fällen nicht<br />

praktikabel, den Verbrauch während<br />

dieser Zeiträume zu reduzieren, da<br />

dies zu wirtschaftlichen Verlusten<br />

oder einer ungenügenden Ladeleistung<br />

führen könnte.<br />

Abb. 3: Energie-Arbitrage: In Preisspitzenzeiten kann der Speicher beispielsweise Autos mit in<br />

günstigen Zeiten billig geladenen Strom nachladen. Das senkt die Betriebskosten des Fuhrparks.<br />

Hier kann ein Energiespeichersystem<br />

zur Energie-Arbitrage eingesetzt<br />

werden. Die Energie zum Aufladen<br />

der Fahrzeuge wird zu Zeiten<br />

von Nachfragespitzen auf dem Markt<br />

aus den Batterien und nicht aus dem<br />

Netz bezogen. Auf diese Weise werden<br />

Lade-/Entladezyklen verlagert,<br />

indem die Batterien geladen bzw.<br />

entladen werden, wenn die Strompreise<br />

niedrig bzw. hoch sind. Wie bei<br />

der Lastspitzenkappung führt dies zu<br />

wirtschaftlichen Einsparungen und<br />

gewährleistet die durchgängige Verfügbarkeit<br />

der Ladeleitung.<br />

3. Optimieren Sie Ihre Anlagen für<br />

erneuerbare Energien<br />

Elektrofahrzeuge und Anlagen für<br />

erneuerbare Energien sind echte<br />

Katalysatoren für die Energiewende,<br />

insbesondere im Hinblick auf die<br />

Netto- Nullemissionsziele. Die Integration<br />

erneuerbarer Energien wie<br />

z. B. Photovoltaik (PV) ermöglicht die<br />

Nutzung einer zusätzlichen Stromquelle<br />

zur Versorgung der Ladeinfrastruktur.<br />

Allerdings sind erneuerbare<br />

Energien von Natur aus volatil, d. h.<br />

ihre Erzeugung ist von den Wetterbedingungen<br />

und der Tageszeit abhängig.<br />

Infolgedessen entspricht erneuerbare<br />

Energie nur selten dem<br />

Bedarf von Ladeinfrastrukturen, was<br />

zu Energieverlusten führt, wenn gerade<br />

keine Fahrzeuge geladen werden.<br />

Durch die Integration eines Energiespeichersystems<br />

kann diese<br />

Herausforderung bewältigt und der<br />

Eigenverbrauch optimiert werden.<br />

Das System speichert überschüssige<br />

Energie, die zu Zeiten hoher Sonneneinstrahlung<br />

mithilfe von Photovoltaikanlagen<br />

erzeugt wird, um sie<br />

wieder abzugeben, wenn die Ladeinfrastruktur<br />

einen hohen Bedarf an<br />

Strom zum Laden von Elektrofahrzeugen<br />

hat, der mit der Photovoltaik<br />

allein nicht gedeckt werden kann.<br />

Nach dem gleichen Prinzip tragen<br />

Energiespeichersysteme auch zum<br />

Funktionieren von netzunabhängigen<br />

Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge<br />

bei, die mit der Produktion erneuerbarer<br />

Energie kombiniert werden.<br />

In Gebieten, die nicht mit dem<br />

herkömmlichen Stromnetz verbunden<br />

sind, kann ein solches System<br />

dazu beitragen, eine zuverlässige<br />

Stromversorgung zu gewährleisten.<br />

4. Gewährleistung der Zuverlässigkeit<br />

bei Stromausfällen<br />

Abb. 4: EE-Optimierung<br />

Die Internationale Energieagentur<br />

(IEA) hat bereits auf die Gefahr von<br />

Stromausfällen in Europa hingewiesen.<br />

Es versteht sich von selbst,<br />

dass die dadurch erzwungenen<br />

22 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energetische Infrastruktur<br />

Stromspeicher<br />

Abb. 5: Bei einem Netzausfall kann der<br />

Speicher die Fahrbereitschaft des elektrisch<br />

angetriebenen Fuhrparks sichern.<br />

Lastabwürfe die Kontinuität der Versorgung<br />

der Ladeinfrastrukturen gefährden,<br />

was zu Unterbrechungen<br />

von Ladevorgängen führen kann.<br />

Das Energiespeichersystem kann<br />

die Versorgungskontinuität im Fall<br />

eines Ausfalls des Hauptnetzes gewährleisten,<br />

da es als Spannungsquelle<br />

fungiert. Auf diese Weise kann<br />

das System einige Verbraucher als<br />

Reservespannungsquelle versorgen;<br />

je nach Auslegung des Systems kann<br />

dies ausreichen, um die Ladestromversorgung<br />

stabil zu halten, bis wieder<br />

ausreichend Netzstrom zur Verfügung<br />

steht.<br />

Socomec-Energiespeichersysteme<br />

für EVCI<br />

Die<br />

Socomec-Energiespeichersysteme<br />

SUNSYS HES L und SUNSYS<br />

HES XXL sind die passenden<br />

Lösungen für den optimalen Betrieb<br />

von Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge.<br />

Das System SUNSYS HES L mit<br />

Kapazitäten von 100 kVA/186 kWh<br />

bis 600 kVA/1674 kWh und das System<br />

SUNSYS HES XXL mit Kapazitäten<br />

von 1 MVA/1 MWh bis 6 MVA/20 MWh<br />

sind flexibel und können an verschiedene<br />

netzgebundene und netzunabhängige<br />

Anwendungen einschließlich<br />

der Anforderungen von Ladeinfrastrukturen<br />

angepasst werden. Außerdem<br />

lassen sie sich dank ihrer Auslegung<br />

für den Außenbereich perfekt<br />

in die meisten Ladeinfrastrukturen<br />

integrieren.<br />

Die Systeme wurden unter Verwendung<br />

der besten Umwandlungsund<br />

Batterietechnologien entwickelt,<br />

um den hohen Sicherheitsstandards<br />

zu entsprechen. Sie sind nach den<br />

strengsten europäischen und amerikanischen<br />

Normen zertifiziert. Ihre<br />

Konstruktion erlaubt eine extreme<br />

Skalierbarkeit, die eine Anpassung<br />

an die Auslegung der Infrastruktur<br />

und die jeweiligen Bedürfnisse<br />

ermöglicht.<br />

Darüber hinaus garantieren die<br />

Inbetriebnahme und die Wartung<br />

durch das Socomec-Expertenteam<br />

den einwandfreien Betrieb und eine<br />

optimale Lebensdauer des Systems<br />

sowie eine kontinuierliche Unterstützung<br />

während der gesamten Projektlaufzeit.<br />

Über Socomec<br />

Seit der Gründung im Jahr 1922 hat<br />

sich SOCOMEC zu einer unabhängigen<br />

Industriegruppe mit über 3.900<br />

Beschäftigten entwickelt. Das Spezialgebiet<br />

des Konzerns: die ständige<br />

Verfügbarkeit, Überwachung und<br />

Sicherheit von Niederspannungsnetzen,<br />

mit besonderem Augenmerk auf<br />

der energetischen Effizienz. Socomec<br />

stellt als Experte für Leistungsmanagement<br />

unter anderem Speichersysteme<br />

her, die mit Lithium-Batterien<br />

von CATL ausgestattet sind.<br />

Socomec ist dabei Premiumpartner<br />

von CATL. Insgesamt zwölf Produktionsstandorte<br />

in EMEA, Nordamerika<br />

und Asien versorgen 30 Niederlassungen<br />

und Handelsstandorte mit<br />

Waren, die Marke Socomec ist damit<br />

in 80 Ländern vertreten. Mit einer<br />

Vielzahl an Technikern und Ersatzteilverfügbarkeit<br />

punktet Socomec mit<br />

kurzen Reaktionszeiten im Servicefall<br />

<strong>–</strong> beispielsweise in Deutschland<br />

beträgt die Onlinereaktionszeit höchstens<br />

sieben Stunden, und in maximal<br />

24 h ist ein Techniker mit nötigen<br />

Ersatzteilen vor Ort.<br />

Weitere Informationen:<br />

Socomec GmbH<br />

Erzbergstraße 10<br />

68165 Mannheim<br />

info.de@soscomec.com<br />

www.socomec.de<br />

SUNSYS HES L<br />

SUNSYS HES XXL<br />

Abb. 6 und 7: Die Stromspeichersysteme HES L und HES XXL sind modular aufgebaut. Je nach Bedarf kann der Anwender Schalt- und<br />

Speicherschränke kombinieren. Die Speicherschränke enthalten in beiden Varianten L und XXL eine flüssiggekühlte CATL EnerOne-Batterie<br />

mit Lithium-Eisen-Phosphat-Technologie (LFP).<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

<strong>23</strong>


Energetische Infrastruktur<br />

Stromverteilung<br />

Clever regeln statt Kupfer vergraben<br />

Klaus Behringer<br />

Ein Großteil der rund 40 eigenen Transformatorstationen im Netzgebiet der strotög GmbH wird mit der GridCal Lösung ausgestattet.<br />

<br />

Alle Bilder: PQ Plus<br />

Der stark steigende Strombedarf<br />

durch die Energiewende droht<br />

vieler orts die Verteilnetze zu überlasten.<br />

Nicht überall ist gleich ein<br />

teurer Leitungsausbau nötig <strong>–</strong> eine<br />

Digitalisierung des Verteilnetzes<br />

offenbart Flaschenhälse und hilft<br />

brachliegende Reserven zu heben.<br />

Konzentriert befestigt Christian<br />

Reiter die neuen Kabelumbaustromwandler<br />

um jeden einzelnen Niederspannungsabgang.<br />

Sie werden bald<br />

Stärke und Flussrichtung des Stroms<br />

in den jeweiligen Leitungen messen.<br />

Den zugehörigen Schaltschrank<br />

mit der vorverdrahteten Montageplatte<br />

hat Reiter bereits an die Wand<br />

der Ortsnetzstation montiert. An ihr<br />

schließt er die Messleitungen einfach<br />

per Steckverbindung an. Reiter<br />

ist Elektromonteur bei der strotög<br />

GmbH, dem Kommunalversorger<br />

von Töging am Inn, einer Stadt im<br />

oberbayerischen Landkreis Altötting.<br />

Die Anteilseigner der strotög GmbH<br />

sind zu je 50 % die Stadt Töging und<br />

die Bayernwerk AG. In dem von der<br />

strotög betriebenen Niederspannungsnetz<br />

gibt es etwa 40 eigene sowie<br />

zusätzlich drei Kundentransformatorstationen.<br />

Zu den Aufgabengebieten von<br />

Christian Reiter gehören alle Arbeiten<br />

im Niederspannungsnetz wie<br />

Kabelverlegung, Montagen von Kabelverteilerschränken<br />

und Hausanschlüssen,<br />

Instandhaltung von Straßenbeleuchtung<br />

sowie nicht zuletzt<br />

die Montage der Digitalisierungslösung<br />

GridCal.<br />

Im Augenblick arbeitet Reiter in<br />

einer der gut 40 Ortsnetzstationen im<br />

Niederspannungsnetz der Gemeinde.<br />

Er rüstet diese mit GridCal Nodes von<br />

PQ Plus aus, um die Digitalisierung<br />

des Verteilnetzes als Grundlage zur<br />

Steigerung der Effizienz zu ermöglichen.<br />

Neue Herausforderungen<br />

Andreas Vogl verantwortet als Technischer<br />

Leiter den Netzausbau, das<br />

Messwesen, EEG, die Netzdokumentation<br />

sowie die Störungsbehebung<br />

im Netz der strötog GmbH. Die zugrundliegenden<br />

Herausforderungen<br />

umreißt er wie folgt: „Aufgrund unseres<br />

gewachsenen Gebiets und der<br />

Vergangenheit verfügen wir über ein<br />

gut ausgebautes Netz. Da das Innwerk<br />

günstigen Strom lieferte, haben<br />

wir viele elektrische Heizungen.<br />

Die Freileitungen sind komplett zu<br />

Erd kabel umgestellt worden. Die politische<br />

Situation führt nun zu neuen<br />

Anforderungen. Man soll Wärmepumpen<br />

installieren, Elektroauto<br />

fahren und PV-Anlagen installieren.<br />

Früher hatten wir im Netzgebiet pro<br />

Haushalt mit 3,6 kW kalkuliert. Davon<br />

sind wir mittlerweile weit entfernt.“<br />

Gerade in gewachsenen Gebieten,<br />

in denen plötzlich PV-Anlagen,<br />

Wärmepumpen und Ladestationen<br />

zugebaut werden, entstehen Schwierigkeiten.<br />

So können zum Beispiel<br />

die Transformationen oder einzelne<br />

Niederspannungsabgänge überlastet<br />

werden. „Bevor hier immense Investitionen<br />

getätigt und die alten gegen<br />

neue Leitungen getauscht werden, ist<br />

es einfacher, mit GridCal das vorhandene<br />

Verteilnetz zu analysieren“, ist<br />

sich Vogl sicher. „Wenn zum Beispiel<br />

einige PV-Anlagen in einem Ortsnetz<br />

installiert und die Leistungen einfach<br />

zusammengerechnet werden,<br />

addiert sich das schnell auf große<br />

24 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energetische Infrastruktur<br />

Stromverteilung<br />

Summen.“ Für ihn ist es wichtiger,<br />

den Normalbetrieb zu berücksichtigen<br />

und nicht den Worst Case. Kurzzeitige<br />

Überlastungen können anders<br />

behandelt werden als dauerhafte.<br />

„Somit sind Investitionen in den Netzausbau<br />

viel zielgerichteter“, fügt er<br />

an. Somit können die begrenzten vorhandenen<br />

Mittel dort eingesetzt werden,<br />

wo Netzausbau auf Grund realer<br />

Messdaten wirklich erforderlich ist.<br />

Netzsteuerung in Echtzeit<br />

Der Kommunalversorger strotög gehört<br />

zu den GridCal-Anwendern.<br />

GridCal unterstützt Energieversorger<br />

auf ihrem Weg zur wirtschaftlichen<br />

und effizienten Digitalisierung des<br />

Verteilnetzes. Das Geheimnis liegt<br />

in der Kombination von dezentralen<br />

und zentralen Komponenten. In den<br />

Ortsnetzstationen sorgt der GridCal<br />

Node dafür, dass alle wichtigen Informationen<br />

hochauflösend erfasst,<br />

sinnvoll verarbeitet, ausgewertet und<br />

für den Abruf On-Demand vorgehalten<br />

werden. Die Netzinformationen<br />

werden individuell aufbereitet und<br />

per Webbrowser dargestellt. Somit<br />

lassen sich die Netze zeitgleich simulieren,<br />

überwachen und Teilnehmer<br />

im Netz in Echtzeit steuern.<br />

Annahmen gegen echtes Wissen auf<br />

Basis von realen Messdaten.<br />

Von der Evaluierung zur<br />

Inbetriebnahme<br />

„Wir haben uns andere Systeme angeschaut<br />

und waren auch auf einer<br />

Veranstaltung“, stellt Vogl in Bezug<br />

auf den Evaluierungsprozess heraus.<br />

„Das war wie damals beim ersten<br />

Microsoft Windows: Es schaut alles<br />

schön aus, aber ob es auch funktioniert,<br />

weiß niemand. Beim Informationsaustausch<br />

mit anderen Energieversorgern<br />

haben die Kollegen<br />

bemängelt, dass die Energieflussrichtung<br />

in ihren Systemen fehlt. Andere<br />

Systeme scheinen auf den ersten<br />

Blick zwar günstiger zu sein, aber wir<br />

wollen auch angezeigt bekommen, in<br />

welche Richtung die Energie fließt.“<br />

Vogl ist überzeugt, dass eine Systemlösung<br />

mit allem notwendigen<br />

Zubehör sowie einer einfachen und<br />

sehr schnellen Montage die geringen<br />

Mehrkosten mehr als ausgleicht. „Bei<br />

den Lösungen der Firma PQ Plus ist<br />

bereits eine gewisse Qualität im Hintergrund<br />

vorhanden. Im Gegensatz<br />

zu neuen Anbietern ist das Vertrauen<br />

zu PQ Plus groß. Hier kann man<br />

von der Erfahrung in der Messtechnik<br />

profitieren.“<br />

Überzeugend schon im Vorfeld<br />

Der Vertriebsprozess mit PQ Plus<br />

kam gut an und hat Reiter gefallen:<br />

„Bereits beim ersten Termin für die<br />

Vorstellung des Systems bei uns im<br />

Haus war ich mit dabei. Ich wusste bis<br />

dahin gar nicht, dass es solche Systeme<br />

auf dem Markt gibt. Der Regeltermin<br />

über Web mit der Netzgesellschaft<br />

Niederrhein war ebenfalls sehr<br />

informativ.“ Er schließt an: „Je tiefer<br />

wir in das ganze Thema eingestiegen<br />

sind, desto mehr Informationen<br />

über PQ Plus und PSInsight standen<br />

zur Verfügung.“ Auch ein Seminar für<br />

Netzbetreiber sowie die beiden Tage<br />

mit Montage- und Inbetriebnahmeschulung<br />

bei PSInsight waren für ihn<br />

sehr hilfreich. „Am überzeugendsten<br />

ist, dass nicht nur der Trafo, sondern<br />

Wissen statt schätzen<br />

Die hochaufgelösten Rohdaten verbleiben<br />

in der Ortsnetzstation und<br />

werden nicht in einer Cloud gespeichert.<br />

Sobald die Netzstationen mit<br />

den GridCal Nodes ausgerüstet sind,<br />

kann der GridCal-Operator in der<br />

Zentrale alle essenziellen Informationen<br />

der einzelnen Netz-Zellen direkt<br />

aus der Ortsnetzstation holen und zusammentragen,<br />

wenn er sie braucht.<br />

Andreas Vogl stellt genau das als Vorteil<br />

heraus: „Wenn wir mehr digitale<br />

Stationen im Netz haben, können wir<br />

diese über den GridCal-Operator miteinander<br />

verbinden. Außerdem hat<br />

man bei GridCal eine Gesamtlösung,<br />

bei der von vorne bis hinten alles zusammenpasst.<br />

Der Fernzugriff ist bereits<br />

Teil des Systems inklusive der<br />

VPN-Verbindung. Die Benutzeroberfläche<br />

ist sehr leicht verständlich und<br />

übersichtlich.“ Mit GridCal tauschen<br />

die Versorger Abschätzungen und<br />

Abb. 1: Genau hinsehen: Der Monteur und der Innenraum der Trafostation sind nur<br />

täuschend echt auf die Zugangstür gemalt, dahinter sieht es aber genau so aus.<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

25


Energetische Infrastruktur<br />

Stromverteilung<br />

Abb. 2: Der GridCal Node im inneren der<br />

Station erfasst alle wichtigen Informationen<br />

sinnvoll und hochauflösend, wertet sie aus<br />

und hält sie für den Abruf OnDemand vor.<br />

auch die ganzen Niederspannungsabgänge<br />

mit den Leistungsflussrichtungen<br />

gemessen werden“, berichtet<br />

Christian Reiter. Darüber hinaus<br />

betont er die hohe Flexibilität bei<br />

Änderungen oder Erweiterungen.<br />

„Außerdem lässt es sich sehr einfach<br />

mit dem System arbeiten.“ berichtet<br />

er abschließend.<br />

Erfahrungen aus der Montage<br />

Tatsächlich sind ihm auch einzelne<br />

Nachteile aufgefallen. Christian<br />

Reiter nennt hier die etwas zu kurze<br />

Länge der Leitungen der Kabelumbauwandler<br />

zu den Niederspannungsabgängen.<br />

Er begründet das<br />

folgendermaßen: „Bei uns sind die<br />

Stationen sehr strukturiert aufgebaut,<br />

was manchmal größere Leitungslängen<br />

erfordert. Ich möchte<br />

auch die Verteilerbox mit den MMI-<br />

Modulen zur Stromerfassung ungern<br />

im Kabelkeller montieren, da dies die<br />

Zugänglichkeit erschwert.“<br />

Mittlerweile wurde hierfür aber<br />

eine schnelle und einfache Lösung<br />

mit Verlängerungen für die Leitungen<br />

gefunden. Andreas Vogl hat die Dokumentation<br />

zum Lizenzierungsprozess<br />

vermisst: „Ich habe dies an PQ<br />

Plus weitergegeben und prompt wurde<br />

die Dokumentation um die notwendigen<br />

Informationen ergänzt.“<br />

Die Montage läuft laut Christian<br />

Reiter sehr gut. „Die Inbetriebnahme<br />

ist für mich ein bisschen schwieriger“,<br />

gibt er zu. Ihm fehlt die Erfahrung mit<br />

der IT, insbesondere in Bezug auf den<br />

Umgang mit Tablets. Er habe es aber<br />

trotzdem gut geschafft. Dazu hat er<br />

sich in der Zwischenzeit ein Konzept<br />

erarbeitet, wo was montiert wird, wie<br />

die Kabelwege und auch die Verlegesysteme<br />

aufgebaut werden. „Ich versuche<br />

das in jeder Station umzusetzen,<br />

damit jede Station ein gleiches<br />

Erscheinungsbild hat“, fügt er an.<br />

Die Unterstützung von PQ Plus war<br />

seiner Meinung nach „auf jeden Fall<br />

wichtig und sehr hilfreich“.<br />

Aus der Praxis lernen<br />

Andreas Vogl zeigt das an einem<br />

konkreten Beispiel auf: „Bei der ersten<br />

Station gab es ein Problem mit<br />

vertauschten Adern. Bei der 24-V-<br />

Versorgung wurden Plus und Minus<br />

verwechselt. Die Station hat erstmal<br />

nicht funktioniert. Auf der Schulung<br />

lässt sich nicht jeder Fall durchspielen.<br />

Da kann sich schnell Nervosität<br />

ausbreiten. Gemeinsam mit PQ Plus<br />

haben wir das Problem lokalisiert<br />

und behoben. Dadurch lernt man<br />

in der Praxis in der eigenen Station<br />

sehr viel und nimmt Erfahrung für die<br />

nächste Station mit.“<br />

Autor: Klaus Behringer<br />

Staatlich geprüfter Elektrotechniker<br />

Technischer Betriebswirt<br />

Vertriebsleiter Süd & Leiter Marketing<br />

PQ Plus GmbH<br />

k.behringer@pq-plus.de<br />

www.pq-plus.de<br />

Abb. 3: Die Kabelumbaustromwandler erfassen nicht nur die Stromstärke sondern auch die<br />

Flussrichtung in der Leitung. Das ist nötig, denn immer mehr Haushalte wandeln sich vom<br />

reinen Verbraucher zum Prosumer.<br />

26 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energetische Infrastruktur<br />

Fernwärme<br />

Wohlige Wärme aus alten Stollen<br />

Jahrhundertelang sorgte Kohle aus<br />

den Minen des Great North Coalfield<br />

für behagliche Wärme und nötige<br />

Energie in den Wohnhäusern und<br />

Fabriken Großbritanniens. Die Bergwerke<br />

sind schon lange erschöpft <strong>–</strong><br />

doch das CO 2 blieb. Jetzt strömt in<br />

Gateshead erneut Wärme aus den<br />

mittlerweile mit Grundwasser vollgelaufenen<br />

Stollen <strong>–</strong> doch diesmal<br />

ohne Umweltschäden, dafür sorgen<br />

Wärmepumpen von GEA.<br />

Wärmeenergie aus der Kohlemine:<br />

Das „Gateshead Mine Water<br />

Scheme“ ist das derzeit größte<br />

Projekt zur Wärmerückgewinnung<br />

aus Grubenwasser in Großbritannien.<br />

Der Rückgriff auf die Energie<br />

des Grubenwassers in den vollgelaufenen<br />

Bergwerksschächten ist<br />

eine vergleichsweise kostengünstige<br />

Variante der Geothermie. Nur wenige<br />

Bohrungen in die alten Flötze sind<br />

nötig, um das Wärmepotenzial zu erschließen.<br />

GEA lieferte als Projektpartner<br />

zwei zweistufige Hochleistungswärmepumpen<br />

mit insgesamt<br />

6.000 kW Wärmeleistung. Sie nutzen<br />

die Energie des natürlich erwärmten<br />

Grubenwassers, um den Wärmebedarf<br />

weiterer Gebäude zu decken,<br />

die an das bereits bestehende lokale<br />

Nahwärmenetz der eigens gegründeten<br />

Gateshead Energy Company<br />

angeschlossen werden sollen. Das<br />

städtische Wärmenetz versorgt seit<br />

2018 bereits 18 öffentliche und private<br />

Gebäude, darunter das Gateshead<br />

College und das Baltic Arts<br />

Zentrum, einige Bürogebäude und<br />

350 Wohnungen. Bisher wurde die<br />

Heizenergie allerdings ausschließlich<br />

durch das seinerzeit errichtete Heizwerk<br />

aus Erdgas per Kraft-Wärme-<br />

Kopplung erzeugt. Die neue Erweiterung<br />

durch die GEA-Wärmepumpen<br />

stellt eine zusätzliche Wärmeleistung<br />

von zwölf GWh pro Jahr bereit. In naher<br />

Zukunft sollen weitere 270 Privathaushalte,<br />

ein Konferenzzentrum<br />

und ein Hotel an das Fernwärmenetz<br />

angeschlossen werden. Das Projekt<br />

soll während seiner angepeil-<br />

Mit seiner markanten Form- und Farbgebung setzt das Heizkraftwerk auch bei schlechtem<br />

Wetter starke optische Akzente in der klimabewussten Stadt Gateshead. Bild: Coal Authority<br />

ten Lebensdauer von 40 Jahren etwa<br />

72.000 Tonnen CO 2 einsparen.<br />

Ein Pilotprojekt mit Vorbildcharakter<br />

Gateshead befindet sich im Nordosten<br />

Englands in der Nähe von<br />

Newcastle. Sowohl der Stadtrat als<br />

auch das hundertprozentige Tochterunternehmen<br />

Gateshead Energy<br />

Company (GEC) als Betreiber des<br />

Gateshead District Energy Network<br />

(<strong>DE</strong>N) haben sich verpflichtet, bis<br />

2030 den Status der Kohlenstofffreiheit<br />

zu erreichen. Das Grubenwasser-<br />

Wärmeauskopplungssystem ist Teil<br />

der kohlenstofffreien Wärmestrategie<br />

des Gateshead Council. Das erste<br />

Ziel bestand darin, allen Einwohnern<br />

des Bezirks billigere Wärmeenergie<br />

zur Verfügung zu stellen. Das zweite<br />

Ziel bestand darin, eine Ergänzung<br />

zur ursprünglich installierten Kraft-<br />

Wärme-Kopplungsanlage (KWK) zu<br />

finden, die eine geringere Kohlenstoffbilanz<br />

aufweist.<br />

Zufriedene Politiker, Netzbetreiber<br />

und Behörden<br />

Stadtrat Martin Gannon, Vorsitzender<br />

des Stadtrats von Gateshead, ist<br />

vom Erfolg des Projekts begeistert. Er<br />

sagt: „Was hier geschieht, ist wirklich<br />

erstaunlich. Was wir in Gateshead erleben,<br />

ist ein Erbe aus den Tagen der<br />

Kohleminen. Wo wir vor 200 Jahren<br />

führend in der industriellen Revolution<br />

waren, sind wir heute führend<br />

in der Revolution der sauberen Energie.<br />

In Zusammenarbeit mit unseren<br />

Partnern können wir das natürlich erwärmte<br />

Grubenwasser nutzen und<br />

wertvolle, kohlenstoffarme Energie<br />

erzeugen. Wir sind stolz darauf,<br />

das größte Grubenwasserprojekt in<br />

Großbritannien erfolgreich durchgeführt<br />

zu haben.“<br />

Richard Bond, Direktor für Innovation<br />

und Engagement bei der<br />

Coal Authority, ergänzt: „Es ist fantastisch<br />

zu sehen, wie fortschrittlich<br />

denkende lokale Behörden wie der<br />

Gateshead Council warmes Grubenwasser<br />

zur kohlenstoffarmen Beheizung<br />

von Gebäuden nutzen.<br />

Wir haben mit dem Gruben wasser<br />

in Gateshead eine kohlenstoffarme<br />

und sichere Wärmequelle in<br />

britischem Besitz, die auch für viele<br />

andere Gemeinden im Kohlerevier<br />

eine hervorragende Option darstellt.<br />

Wir freuen uns, dass unsere Unterstützung<br />

dazu beigetragen hat, dieses<br />

Projekt zu verwirklichen.“<br />

Grubenwasser: nach „schwarzem<br />

Gold“ jetzt „warmes Gold“<br />

In der Vergangenheit haben die Bergleute<br />

in der Kohlemine den fossilen<br />

Brennstoff aus der Erde geholt, um<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

27


Energetische Infrastruktur<br />

Fernwärme<br />

Abb. 1: GEA ist führend bei technologischen Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels<br />

und bei der Versorgung von Fernwärmeprojekten wie diesem im Nordosten Englands. GEA-<br />

Wärmepumpen stehen im Mittelpunkt des Gateshead Mine Water Scheme, des landesweit<br />

größten Systems zur Wärmerückgewinnung aus Grubenwasser.<br />

Foto: GEA<br />

jede Einheit Strom, die von der Wärmepumpe<br />

verbraucht wird, werden<br />

3 Einheiten erneuerbare Wärme erzeugt<br />

Das entspricht einem COP von<br />

3. Der Betreiber GEC wird für den Betrieb<br />

der Wärmepumpen Strom aus<br />

dem Netz importieren, der Jahr für<br />

Jahr kohlenstoffärmer und bis Mitte<br />

des nächsten Jahrzehnts sogar kohlenstoffneutral<br />

erzeugt werden soll.<br />

An sonnigen Tagen, wenn die GEC<br />

überschüssigen Strom aus den Solarparks<br />

hat, werden diese grüne<br />

Energie für den Betrieb der Wärmepumpen<br />

liefern. Das bedeutet, dass<br />

die GEC schon jetzt für bestimmte<br />

Zeiträume 100 Prozent kohlenstofffreie<br />

Wärme produzieren kann.<br />

Hochöfen zu befeuern, aber auch<br />

um Häuser zu heizen. Gateshead<br />

war einst der größte Kohlelieferant<br />

der Welt, und lieferte schon im Jahr<br />

1625 mehr als 400.000 Tonnen Kohle<br />

zur Beheizung von Häusern. Eine<br />

Viertelmillion Bergleute förderten<br />

in Spitzenzeiten bis zu 56 Millionen<br />

Tonnen Kohle jährlich aus den Stollen.<br />

Mit dem daraus resultierenden<br />

CO 2 legten sie unbewusst einen Teil<br />

des Grundstocks der heutigen Klimaerwärmung.<br />

Die letzten Kohleminen<br />

in der Region wurden jedoch in den<br />

1960er Jahren geschlossen. Seitdem<br />

haben sich die Stollen mit Wasser gefüllt,<br />

das nun die Energiequelle für die<br />

Wärmepumpen darstellt. So liefert<br />

der Untergrund von Gateshead wieder<br />

einmal lebenswichtige Energie für<br />

die Beheizung der Häuser und der Industrie.<br />

Doch diesmal geschieht dies<br />

auf umweltfreundliche Weise und<br />

trägt zur Verringerung der CO 2 - und<br />

NOx-Emissionen bei.<br />

Wärme aus Grubenwasser<br />

Das Wasser wird aus einer Tiefe von<br />

150 Metern aus dem alten Bergwerk<br />

in den ebenerdigen Betriebsraum gepumpt,<br />

wo die 2 x 3-MW-Ammoniak-<br />

Wärmepumpen von GEA dem 15<br />

Grad Celsius warmen Grubenwasser<br />

die Energie entziehen. Um die Leistung<br />

des Wärmepumpensystems zu<br />

optimieren, verwendet GEA einen<br />

zweistufigen Kompressionszyklus<br />

mit Schraubenkompressoren. Das<br />

Grundwasser wird gefiltert und durch<br />

Platten- und Rahmenwärmetauscher<br />

aus Titan gepumpt. Für die Verdampferplatten<br />

wurde Titan gewählt, um<br />

der Qualität des Grundwassers zu<br />

entsprechen. Auf der Heizungsseite<br />

werden mehrere Wärmetauscher in<br />

Reihe geschaltet, um die Effizienz der<br />

Wärmepumpenlösung zu optimieren.<br />

Die Wärmepumpen erhöhen die<br />

Temperatur des Betriebsmediums<br />

und erzeugen damit Warmwasser mit<br />

bis zu 80 Grad Celsius. Das Nahwärmenetz<br />

versorgt dann die angeschlossenen<br />

Häuser und Gebäude in<br />

Gateshead mit der gewonnenen Energie.<br />

Wenn die Wärmepumpen dem<br />

Grubenwasser die Wärme entzogen<br />

haben, wird das Wasser mit einer<br />

Temperatur von acht Grad in die Grube<br />

zurückgeführt. Dieses Verfahren<br />

sorgt nach Angaben der britischen<br />

Coal Authority im Fall von Gateshead<br />

für einen gleichbleibenden Wasserstand<br />

und dadurch für eine lange<br />

Nutzungsdauer. Weiterhin erspart<br />

es die Reinigung des Grubenwassers,<br />

die bei oberirdischer Ableitung nötig<br />

wäre.<br />

Solarstrom treibt die Pumpen an<br />

Teil des Konzepts sind auch Solarparks,<br />

die dazu beitragen, einen Teil<br />

des Stroms für den Betrieb der Wärmepumpen<br />

bereitzustellen <strong>–</strong> diese<br />

wurden auf einem Feld neben den<br />

Minenwasserbohrungen und der<br />

Wärmepumpe neu errichtet. Für<br />

GEA Ammoniak-Wärmepumpen<br />

bieten optimale Leistung<br />

Großwärmepumpen werden üblicherweise<br />

für das jeweilige Projekt<br />

maßgeschneidert. Die Entwickler bei<br />

GEA wählten Ammoniak als natürliches<br />

Kältemittel für diese Anwendung<br />

aus. Es bietet die beste Effizienz<br />

und hat kein Erderwärmungspotential.<br />

Unter den gegebenen Bedingungen<br />

in Gateshead sind Ammoniak-Wärmepumpen<br />

10 bis 20 Prozent<br />

effizienter als F-Gas-Lösungen (HFC/<br />

HFO).<br />

Umfassender Erfahrung bei Wärmepumpen<br />

und Fernwärmeprojekten<br />

GEA war in der Vergangenheit an weiteren<br />

innovativen Wärmepumpenprojekten<br />

für Fernwärme in Großbritannien<br />

beteiligt, darunter die<br />

Installation einer Wärmepumpe,<br />

die der Lüftungsluft der Londoner<br />

U-Bahn Wärme entzieht und so ein<br />

Hochhaus im Stadtteil Islington mit<br />

Wärme versorgt.<br />

John Burden, Director Project<br />

Sales Heating & Refrigeration<br />

Solutions bei GEA UK, sagt: „Die hochinnovative<br />

Wärmepumpentechnologie<br />

von GEA wurde bereits in anderen<br />

Fernwärmeprojekten in Großbritannien<br />

und auf der ganzen Welt eingesetzt,<br />

da wir die schrecklichen Folgen<br />

der globalen Erwärmung erkannt haben.<br />

Angesichts der ehrgeizigen Ziele<br />

der britischen Regierung, den Anteil<br />

der Fernwärme in Großbritannien<br />

28 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energetische Infrastruktur<br />

Fernwärme<br />

deutlich zu erhöhen, erwarten wir in<br />

den kommenden Jahren viele weitere<br />

neue und ehrgeizige Projekte.“<br />

Zahlreiche weitere<br />

Standorte möglich<br />

Eines davon wird nach Angaben der<br />

britischen Coal Authority die Grubenwasseraufbereitungsanlage<br />

in Dawdon<br />

werden. Sie soll bis zu 1,5 Megawatt<br />

Wärme an ein neues Wärmenetz<br />

liefern, das derzeit bis zu 1.250 Haushalte<br />

in einem Projekt unter der<br />

Leitung des Durham County Council<br />

umfasst.<br />

Die Coal Authority verfügt über<br />

rund 70 Standorte in ganz Großbritannien,<br />

an denen Grubenwasser an<br />

die Oberfläche gepumpt wird oder<br />

auf natürliche Weise abfließt. Sie behandelt<br />

diese im Rahmen ihrer gesetzlichen<br />

Verpflichtung bei der Umweltprojektion<br />

von Wasserläufen<br />

und Grundwasserleitern für die öffentliche<br />

Wasserversorgung (ähnlich<br />

wie im Ruhrgebiet in Deutschland).<br />

Im letzten Geschäftsjahr hat die Coal<br />

Authority nach eigenen Angaben die<br />

Kapazität geschaffen, 220 Milliarden<br />

Liter Grubenwasser zu behandeln.<br />

Diese Abwässer werden auch als<br />

Wärmequellen in Betracht gezogen.<br />

In Deutschland führt die RAG<br />

Aktiengesellschaft nach eigenen Angaben<br />

Machbarkeitsstudien an allen<br />

Abb. 2: Aus zwei Bohrungen (JC5 +1a) entnimmt das Heizkraftwerk warmes Grubenwasser<br />

aus dem „Hutton“-Flöz in 147 Meter Tiefe. Das abgekühlte Wasser wird per Bohrung JC3 in<br />

den 35 Meter tief gelegenen „High Main“<strong>–</strong>Flöz zurückgeführt. Im Entlastungsschacht JC12<br />

sinkt es wieder in die Tiefe.<br />

Grubenwasserstandorten der RAG<br />

durch. Die RAG darf jedoch aus subventionsrechtlichen<br />

Gründen das<br />

Grubenwasser nicht für den Markt<br />

thermisch nutzen. Hier sind die RAG<br />

auf Kooperationen mit Anderen angewiesen,<br />

denen die RAG das Grubenwasser<br />

dann zur Nutzung zur Verfügung<br />

stellen wird. Dazu ist die RAG<br />

mit einigen Kommunen im Gespräch,<br />

die bereits über die nötigen Fernwärmeleitungen<br />

verfügen. Eine zusätzliche<br />

Komplikation ist auch die hydrologische<br />

Situation im nördlichen<br />

Ruhrgebiet: Im Gebiet der Halterner<br />

Sande wird aus Grund- und Versickerungswasser<br />

das Trinkwasser für<br />

etwa eine Million Menschen gewonnen.<br />

Hier muss die RAG eine Verunreinigung<br />

des Grundwasserkörpers<br />

durch steigendes Grubenwasser mit<br />

stetigem Abpumpen verhindern.<br />

Autor: Ottmar Holz<br />

Quellen:<br />

"Fachpresseinformation Gateshead"<br />

GEA Group Aktiengesellschaft<br />

RAG Aktiengesellschaft<br />

Coal Authority<br />

GEA Großwärmepumpen<br />

GEA liefert Wärmepumpenlösungen für<br />

ein breites Spektrum von Branchen, darunter<br />

die Lebensmittel-, Molkerei- und<br />

Getränkeindustrie sowie die Fernwärmeversorgung.<br />

Die energieeffizienten Systeme<br />

von GEA nutzen als Basis natürliche<br />

Kältemittel. Sie bieten im Vergleich<br />

zu synthetischen Kältemitteln eine um<br />

zweistellige Prozentpunkte bessere Leistung.<br />

Das schlägt sich auch in deutlich<br />

niedrigeren Energierechnungen nieder <strong>–</strong><br />

einer der größten Kostentreiber für industrielle<br />

Wärmepumpen.<br />

Neben jahrzehntelanger Erfahrung<br />

in der Kältetechnik und mit dem Kältemittel<br />

Ammoniak beschäftigt sich GEA<br />

seit rund 15 Jahren intensiv mit Wärmepumpenanwendungen.<br />

Die GEA Division<br />

Wärme- und Kältetechnik bietet Kompressionswärmepumpen<br />

mit dem völlig<br />

natürlichen, klimaneutralen und hocheffizienten<br />

Kältemittel Ammoniak bis zu<br />

einer Zieltemperatur von 95 °C an. Nach<br />

Firmenangaben hat das Unternehmen<br />

bereits mehr als 160 Systeme (Stand<br />

September 2022) weltweit ausgeliefert.<br />

Die durchschnittliche installierte Heizleistung<br />

pro Anlage liegt bei ca. 1,5 MW.<br />

Bis zum Juni 20<strong>23</strong> hat sich die Zahl der<br />

verkauften Anlagen bereits auf 185 Einheiten<br />

erhöht. Das Wärmepumpenportfolio<br />

von GEA umfasst Lösungen im industriellen<br />

Maßstab im Leistungsbereich<br />

von einigen hundert Kilowatt bis etwa<br />

zehn Megawatt pro Gerät. Es gehört damit<br />

zu den effizientesten auf dem Markt<br />

und wird kontinuierlich weiterentwickelt.<br />

Aktuell installiert GEA in der estnischen<br />

Hauptstatt Tallinn für den<br />

Kunden AS Utilitas Tallinn vier großen<br />

Schraubenverdichter-Wärmepumpen,<br />

darunter ein neuer Hocheffizienz-<br />

Schrauben verdichter LXHP70 bar. Die<br />

Anlage wird eine Heizleistung von 24 MW<br />

erreichen, Utilitas wird damit mehrere<br />

hundert Haushalte mit nachhaltig produzierter<br />

Fernwärme versorgen.<br />

GEA ist weltweit einer der größten<br />

Systemanbieter für die Nahrungsmittel-,<br />

Getränke- und Pharmaindustrie.<br />

Der 1881 gegründete und international<br />

tätige Technologiekonzern fokussiert<br />

sich dabei auf Maschinen und Anlagen<br />

sowie auf anspruchsvolle Prozesstechnik,<br />

Komponenten und umfassende<br />

Servicedienstleistungen.<br />

GEA Group Aktiengesellschaft<br />

Peter-Müller-Str. 12<br />

40468 Düsseldorf<br />

Telefon +49 (0)211-9136-0<br />

www.gea.com<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

29


Wasserstoffwirtschaft<br />

Transportlogistik<br />

Dimethylether: neues Transportmedium<br />

für effizienten Wasserstofftransport<br />

Eine mögliche Lösung für das Transportproblem<br />

der zukünftigen Wasserstoffwirtschaft<br />

befindet sich in<br />

vielen Deodorant- oder Lackspraydosen.<br />

Dimethylether (DME) kommt<br />

hier schon lange als Treibgas zum<br />

Einsatz. Nach neuen Forschungen<br />

besitzt DME auch großes Potential<br />

für den Transport von Wasserstoff<br />

über sehr große Entfernungen.<br />

Wissenschaftler des Forschungszentrums<br />

Jülich, der Friedrich-Alexander-<br />

Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg<br />

und des Fraunhofer-Instituts für<br />

Solare Energiesysteme ISE haben in<br />

der renommierten Zeitschrift Energy<br />

& Environmental Science einen Artikel<br />

zu Dimethylether als Wasserstoffspeicher<br />

veröffentlicht. Darin<br />

bezeichnen sie den geschlossenen<br />

DME/CO 2 Kreislauf als einen „bisher<br />

unterschätzten Wasserstoffspeicher“<br />

und zeigen das Potential von DME<br />

für Wasserstofftransporte über sehr<br />

große Entfernungen auf. Die Technologie<br />

sei demnach geeignet, einen<br />

„signifikanten Einfluss auf die zukünftige<br />

weltweite Wasserstoffwirtschaft“<br />

auszuüben.<br />

Bekannte Eigenschaften, neue<br />

Anwendung<br />

DME verflüssigt sich bei geringem<br />

Druck. Es ist leicht entzündlich und<br />

bildet Kohlendioxid (CO 2 ) und Wasserstoff<br />

(H 2 ), wenn es während der<br />

so genannten Dampfreformierung<br />

mit Hilfe von Wasserdampf reagiert.<br />

Das Verflüssigen bei geringem Druck<br />

ist relevant für die Verwendung in<br />

Deodorantsprays. Unter Druck in der<br />

Dose ist DME flüssig, wird es freigesetzt,<br />

geht es in den gasförmigen<br />

Zustand über und eignet sich deswegen<br />

als Träger für die Duft- und<br />

Wirkstoffe des Deos. DME ist damit<br />

eines der Treibgase, die das für die<br />

Ozonschicht schädliche FCKW abgelöst<br />

haben.<br />

„Die Eigenschaften von DME sind<br />

alle bekannt“, sagt Autor Dr. Michael<br />

Alders vom Institut für nachhaltige<br />

Wasserstoffwirtschaft (INW) am Forschungszentrum<br />

Jülich. Neben dem<br />

INW war seitens des Forschungszentrums<br />

auch das Helmholtz-<br />

Institut Erlangen-Nürnberg für erneuerbare<br />

Energien (HI-ERN) an der Arbeit<br />

beteiligt.<br />

Die Vorteile von DME nutzen<br />

Pro Masse transportiertem DME wird<br />

deutlich mehr nutzbarer Wasserstoff<br />

30 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Wasserstoffwirtschaft<br />

Transportlogistik<br />

freigesetzt als im Fall von Ammoniak<br />

oder Methanol. Außerdem ist<br />

DME im Gegensatz zu Ammoniak und<br />

Methanol ungiftig und deshalb einfacher<br />

zu handhaben. „Man kann das<br />

Handling von DME mit einem Gas wie<br />

Butan vergleichen, das in einer Campinggasflasche<br />

aufbewahrt werden<br />

kann“, erklärt Alders.<br />

Ammoniak (5,9 kWh/kg). Die angegebenen<br />

Energiedichten beziehen sich<br />

auf den Heizwert des freigesetzten<br />

Wasserstoffs. Der Energieaufwand<br />

für die Dampfreformierung bzw. die<br />

Ammoniakspaltung ist nicht mit eingerechnet.<br />

„Zwar sind die wesentlichen Teilschritte<br />

einer auf DME basierten<br />

Zur Speicherung von Wasserstoff<br />

Wasserstoffspeicherung bekannt.<br />

in Form von DME, wird CO 2 in Bisher sind sie aber noch nicht zu<br />

einem Syntheseprozess bei erhöhten<br />

einer Wasserstoffspeichertechnologie<br />

Temperaturen(T=200<strong>–</strong>300°C) und<br />

hohen Drücken (p=30<strong>–</strong>100 bar) hydriert.<br />

Die Synthese erfolgt dabei in<br />

einem zweistufigen Prozess durch die<br />

Hydrierung von CO 2 zu Methanol und<br />

die Dehydratisierung des Methanols<br />

zu DME. Die Nettoreaktionsgleichung<br />

ist entsprechend umgekehrt zu der<br />

verknüpft worden“, sagt der<br />

INW- Gründungsdirektor Prof. Peter<br />

Wasserscheid, der zu den Autoren<br />

gehört. „Das werden wir am INW in<br />

Zusammenarbeit mit unseren Partnern<br />

vorantreiben. Das Interesse am<br />

DME-CO 2 -Wasserstoffspeichersystem<br />

ist in der Industrie sehr groß.“<br />

Reaktionsgleichung der Wasserstofffreisetzung<br />

in der Dampfreformierung:<br />

Pfandflaschen-Prinzip<br />

Die Autoren kommen unter anderem<br />

2 CO 2 + 6 H 2 C 2 H 6 O + 3 H 2 O zu der Schlussfolgerung, dass DME<br />

gut geeignet ist, um Wasserstoff über<br />

Demnach werden pro Molekül DME<br />

in der Synthese, 3 Moleküle Wasser<br />

gebildet, welche in den oftmals trockenen<br />

Regionen mit hoher Verfügbarkeit<br />

erneuerbarer Energie (z. B.<br />

Australien) wieder der Wasserelektrolyse<br />

zugeführt<br />

lange Seewegstrecken zu transportieren.<br />

Beispielsweise von Südamerika<br />

oder Australien <strong>–</strong> wo es großes Potential<br />

für die Produktion von grünem<br />

Wasserstoff gibt <strong>–</strong> nach Europa.<br />

Denkbar sei laut Autor Sebastian Thill<br />

(INW), den Was-<br />

werden können.<br />

Die benötigte<br />

Temperatur für<br />

die Wasserstofffreisetzung<br />

ist<br />

bei DME (250°C-<br />

400°C) vergleichbar<br />

mit Methanol<br />

(250°C-300°C)<br />

und geringer als<br />

„Bei der Dampfreformierung<br />

von DME<br />

entsteht Wasserstoff<br />

mit einem Brennwert<br />

von 8,7 kW/h“<br />

serstoff dann an<br />

den Nordseehäfen<br />

mittels der<br />

Dampfreformierung<br />

freizusetzen.<br />

Das zweite<br />

Spaltprodukt<br />

nach der Reaktion,<br />

CO 2 , kann<br />

anschließend<br />

bei Ammoniak (400°C-600°C). Die<br />

volumetrische Energiedichte ist mit<br />

sechs Kilowattstunden pro Liter höher<br />

ähnlich dem Prinzip der wiederverwertbaren<br />

Pfandflasche mit demselben<br />

Schiff zurück an die Standorte<br />

als bei Methanol (4,9 kWh/L) und der Wasserstoff produktion trans-<br />

Ammoniak (4,0 kWh/L). Auch auf das<br />

Gewicht umgerechnet enthält DME<br />

pro Kilogramm am meisten Energie,<br />

nämlich 8,7 Kilowattstunden, im Vergleich<br />

zu Methanol (6,2 kWh/kg) und<br />

portiert und dort erneut mit Wasserstoff<br />

beladen werden. „Wir reden<br />

über einen emissionsfreien Kreislauf,<br />

bei dem das eingesetzte CO 2 vielfach<br />

zum Wasserstoff-Transport genutzt<br />

wird und nicht in die Atmosphäre gelangt“,<br />

sagt Thill.<br />

Auf Nachfrage präzisierte das Forschungszentrum<br />

Jülich den höheren<br />

Wirkungsgrad des Transportprozesses.<br />

Er liegt für den gesamten<br />

DME/CO 2 Kreislauf inklusive CO 2<br />

Rücktransport bei ca. 54,5 Prozent.<br />

Diese Zahl spiegelt das Verhältnis des<br />

Energiegehalts des gelieferten Wasserstoffes<br />

bezogen auf die aufgewendeten<br />

Energien entlang der Prozesskette<br />

wider. Folgende Energiebedarfe<br />

werden hierbei betrachtet: Wasserentsalzung,<br />

Elektrolyse, Synthese des<br />

Wasserstoffträgers (DME, Methanol<br />

bzw. Ammoniak), Transport, Wasserstofffreisetzung,<br />

Direct Air Capture<br />

und Verflüssigung des CO 2 . Der Wirkungsgrad<br />

für entsprechende Transportverfahren<br />

basierend auf Methanol<br />

oder Ammoniak beträgt etwa<br />

46.1 Prozent beziehungsweise circa<br />

49.8 Prozent.<br />

Der Rücktransport des CO 2 soll im<br />

selben Schiff wie der Transport des<br />

DME erfolgen. Dabei liegt das CO 2 als<br />

Flüssiggas bei ca. -50°C und einem<br />

Druck von circa 7 bar vor. Der Energieaufwand<br />

zur Abtrennung des CO 2<br />

nach der Dampfreformierung wurde<br />

in unseren bisherigen Berechnungen<br />

noch nicht betrachtet, wird aber im<br />

weiteren Verlauf der Techno-Ökonischen<br />

Analyse mit einbezogen. Der<br />

Energieaufwand für die CO 2 Verflüssigung<br />

beläuft sich auf ca. 1.68 MWh<br />

pro Tonne freigesetztem Wasserstoff.<br />

Kontakt:<br />

Forschungszentrum Jülich GmbH<br />

Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft<br />

(INW)<br />

Infrastruktur und wissenschaftliche<br />

Koordination (INW-I)<br />

www.fz-juelich.de;<br />

www.hch2.de<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

31


Wasserstoffwirtschaft<br />

Transportlogistik<br />

Mittelstand sollte beim Thema Wasserstoff<br />

auf Partnering-Projekte und Start-ups setzen<br />

Dimitrios Charisiadis<br />

Bereits seit Jahrzehnten gilt Wasserstoff<br />

als Energieträger der Zukunft.<br />

Er lässt sich mit Hilfe erneuerbarer<br />

Energien aus Wind und Sonne nicht<br />

nur CO 2 -frei gewinnen, sondern<br />

auch gut speichern und vielseitig<br />

verwenden. Die Bundesregierung<br />

möchte Wasserstoff zu einer weiteren<br />

Säule der Energiewende ausbauen<br />

<strong>–</strong> neben den erneuerbaren<br />

Energien und der Energieeffizienz.<br />

Dazu werden in den nächsten Jahren<br />

im Rahmen der nationalen Wasserstoffinitiative<br />

Milliardensumme<br />

investiert. Dies bietet auch enorme<br />

Chancen für den deutschen Mittelstand.<br />

Wasserstoff ist also ein wahrer Alleskönner.<br />

Doch mangelt es noch an der<br />

nötigen Infrastruktur, um all die ehrgeizigen<br />

Ziele realisieren zu können.<br />

Es müssen deshalb jetzt und in Zukunft<br />

viele neue Technologien und<br />

Systeme rund um das Medium Wasserstoff<br />

entwickelt werden. Das beginnt<br />

bei Elektrolyse-Systemen und<br />

hört bei Brennstoffzellen noch lange<br />

nicht auf. Auch Technologien zum Ersatz<br />

von Erdgas-Systemen oder zur<br />

CO 2 -freien Synthese von Methan und<br />

E-Fuels werden benötigt.<br />

Der deutsche Mittelstand spielt<br />

eine entscheidende Rolle bei der Förderung<br />

und Entwicklung von Wasserstoffanwendungen.<br />

Während staatliche<br />

Fördermittel die Energiewende<br />

vorantreiben, haben sich viele Projekte<br />

im Bereich des „grünen Wasserstoffs“,<br />

der als eine der wesentlichen<br />

Zukunftstechnologien gilt, aus<br />

Hochschulen und Instituten heraus<br />

entwickelt. Start-ups haben daraus<br />

konkrete Lösungen und Produkte<br />

entwickelt, benötigen jedoch eine industrielle<br />

Fertigungsgrundlage, um<br />

den gewünschten breiten Einfluss auf<br />

bestehende Energie- und Mobilitätsbereiche<br />

zu erzielen.<br />

Abb. 1: Der Druckmessumformer JUMO SIRAS P21 misst zuverlässig und präzise in Wasserstoff<br />

und anderen Flüssigkeiten, Dämpfen und Gasen. Er ist für den Einsatz in sicherheitstechnischen<br />

Anlagen mit Safety Integrity Level (SIL) entwickelt und besitzt die erforderlichen<br />

Zulassungen für Prozessindustrie und Maschinenbau.<br />

Eine große Herausforderung für<br />

Start -ups ist es, die Produktion von<br />

Wasserstofftechnologien in größeren<br />

Stückzahlen zu realisieren. Insbesondere<br />

im Umgang mit explosiven<br />

Gasen sind zertifizierte Produktionsstätten<br />

erforderlich, die nicht einfach<br />

aus dem Boden gestampft werden<br />

können. Große (börsennotierte) Unternehmen<br />

sind an grünen Technologien<br />

brennend interessiert, suchen<br />

aber nach fertigen Lösungen und<br />

möchten sich nicht mit dem aufwendigen<br />

Aufbau der Produktionstechnologie<br />

befassen. Hier kommt der<br />

Mittelstand ins Spiel, der als flexibler<br />

und agiler Akteur mit seiner vorhandenen<br />

Expertise und schnell anpassbaren<br />

Produktionskapazitäten die<br />

Lücke zwischen Forschung, Start-ups<br />

und Konzernen schließen kann.<br />

Bundesweite Expertise<br />

bei Verbänden<br />

Die Stärken des deutschen Mittelstands<br />

ermöglichen eine schnelle Reaktion<br />

auf technologische Veränderungen.<br />

Während die Aktienkurse von Unternehmen<br />

im „neuen Energie sektor“<br />

deutliche Kurssprünge in den vergangenen<br />

Jahren verzeichneten, erlebt<br />

der deutsche Mittelstand als stiller<br />

Hersteller wichtiger Kompo nenten<br />

für den Energiewandel ebenfalls<br />

einen Boom.<br />

Dabei kann der Mittelstand auf<br />

ein engmaschiges Netzwerk von<br />

Ko operationen,<br />

Partnerschaften<br />

und Verbänden vertrauen, das<br />

mit Expertise und Beratung den<br />

Unternehmen zur Seite steht, wie<br />

32 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Wasserstoffwirtschaft<br />

Transportlogistik<br />

Abb. 2: Mit dem Sicherheitstemperaturbegrenzer<br />

JUMO safetyM werden komplette<br />

Sicherheitsmessketten realisiert, wie z.B.<br />

für die Überwachung der Temperatur von<br />

Wasserstoff in Wasserstofftankstellen. Damit<br />

werden Gefahrenpotenziale auf das technische<br />

Minimum reduziert.<br />

beispielweise VDMA, ZVEI oder NOW<br />

(Nationale Organisation Wasserstoffund<br />

Brennstoffzellentechnologie). In<br />

den einzelnen Bundesländern gibt es<br />

gleich mehrere Anlaufstationen zur<br />

Umsetzung von Wasserstofftechnologien<br />

und -projekten. Insgesamt<br />

sollte der Mittstand noch stärker als<br />

bisher auf Partnering-Projekte und<br />

Start-ups setzen.<br />

Deutliche Wachstumschancen für<br />

Zulieferer im Bereich Wasserstoff<br />

Auch unser Unternehmen verspürt<br />

eine deutliche Belebung des<br />

Geschäfts und wir sehen enorme<br />

Wachstumschancen im Bereich Wasserstoff.<br />

JUMO passt seine Produkte<br />

für den Einsatz im Wasserstoff an<br />

und zertifiziert diese, wo notwendig.<br />

Die vorhandenen Fertigungsanlagen<br />

sind lediglich geringfügig modifiziert<br />

worden, und die notwendigen Stückzahlsteigerungen<br />

können oft aus der<br />

Produktionsreserve erreicht werden.<br />

Der Umgang mit Wasserstoff erfordert<br />

umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen<br />

und messtechnische<br />

Expertise, sei es bei der Herstellung<br />

von Reinstwasser für die Speisung<br />

des Elektrolyseurs oder bei der Überwachung<br />

der elektrolytischen Leitfähigkeit.<br />

Digitale Druck- und Temperatursensoren<br />

von JUMO gewährleisten<br />

die Überwachung der thermodynamischen<br />

Prozesse und bieten eine<br />

sichere und zuverlässige Technik, die<br />

darüber hinaus explosionsgeschützt<br />

ist. Wir beliefern zahlreiche Dax-<br />

notierte Flaggschiffe der deutschen<br />

Industrie, die unsere Applikationen<br />

wiederum in ihren Anlagen verbauen.<br />

Die Chancen, die sich aus der Anwendung<br />

von Wasserstofftechnologien<br />

ergeben, liegen auf der Straße <strong>–</strong><br />

der deutsche Mittelstand muss nur<br />

zugreifen.<br />

Autor: Dimitrios Charisiadis<br />

Geschäftsführer der<br />

JUMO GmbH & Co. KG, Fulda<br />

PROZESSTECHNIK &KOMPONENTEN<br />

Die branchenumfassende Medien plattform für Anbieter<br />

und Anwender in deutscher und englischer Sprache<br />

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Exklusive Informationen rund um die Pumpen-,<br />

Kompressorenindustrie, Systeme und Komponenten<br />

Entwicklungen und Trends<br />

Zukunftstechnologien aus erster Hand<br />

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Neu seit 2022: „Green Efficient Technologies“<br />

erscheint 4x im Jahr<br />

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Wasserstoffwirtschaft<br />

Transportlogistik<br />

Echtzeiteinblicke in die Methanol-Synthese<br />

Faseroptische Temperaturmessung für die<br />

chemische Verfahrenstechnik<br />

Faseroptische Systeme werden in<br />

den verschiedensten Disziplinen für<br />

die Messung von Temperaturen eingesetzt.<br />

Ihre Stärke spielen sie vor<br />

allem dort aus, wo eine große Anzahl<br />

von Messstellen benötigt wird<br />

und gleichzeitig kompakte Bauform<br />

und geringe thermische Masse<br />

wichtig sind. Eine einzige, wenige<br />

Gramm schwere Faser mit einem<br />

Durchmesser von nur 150 µm kann<br />

hunderte von Sensoren ersetzen<br />

und gleichzeitig als Signalweg dienen.<br />

Für viele verfahrenstechnische<br />

Anwendungen rund um die aktuellen<br />

Power-to-X-Technologien sind<br />

sie deshalb eine gute Lösung, da sie<br />

ein lückenloses Temperaturprofil<br />

liefern. Oft sind sie die einzige Möglichkeit,<br />

die hohe Messdaten-Dichte<br />

zu realisieren, die erforderlich ist,<br />

um Prozesse zu bewerten und zu<br />

optimieren.<br />

Im Prinzip bestehen faseroptische<br />

Messsysteme aus zwei Komponenten:<br />

einer Ausleseeinheit und der daran<br />

angeschlossenen, passiven Sensorfaser.<br />

Die Ausleseeinheit sendet<br />

Licht in die Faser und analysiert die<br />

reflektierten oder zurückgestreuten<br />

Anteile. Dabei wird zwischen punktförmig<br />

und verteilt messenden Systemen<br />

unterschieden. Punktförmige<br />

Sensorlösungen messen wie<br />

ihre elektrischen Pendants jeweils<br />

an einer definierten Messstelle. Für<br />

die chemische Verfahrenstechnik<br />

und artverwandte Disziplinen dagegen<br />

sind verteilt messenden Systeme<br />

interessanter, mit denen komplette<br />

Temperaturprofile mit dichter<br />

Messpunktfolge erfasst werden können.<br />

Dazu müssen keine speziellen<br />

Sensoren in die Faser eingebracht<br />

werden. Vielmehr wird das vom Fasermaterial<br />

selbst zurückgestreute<br />

Licht ausgewertet, um die gewünschte<br />

Information über die Temperatur<br />

zu erhalten. Die gesamte Faser wird<br />

damit zum Sensor. Dabei lassen sich<br />

zwei Arten unterscheiden: Systeme,<br />

die auf dem Raman-Effekt basieren,<br />

eignen sich für Messstrecken bis zu<br />

einigen 10 Kilometern bei Messpunktabständen<br />

auf der Faser von bis zu<br />

25 Zentimetern.<br />

Temperaturprofile mit „unendlich“<br />

vielen Messstellen<br />

Die zweite Art bilden Systeme, die<br />

auf der Auswertung der Rayleigh-<br />

Abb. 1: Bei verteilt messenden faseroptischen Systemen müssen keine Sensoren in die Faser<br />

eingebracht werden. Vielmehr wird vom Fasermaterial selbst zurückgestreutes Licht ausgewertet,<br />

um die gewünschte Temperaturinformation zu erhalten.<br />

Urheber: Polytec<br />

Streuung basieren (vgl. Technikkasten)<br />

und Auflösungen im Millimeterbereich<br />

erlauben. Damit ist praktisch<br />

jeder Punkt der Glasfaser ein Sensor.<br />

Herkömmliche Verfahren würden dafür<br />

Hunderte oder Tausende konventioneller<br />

Punktsensoren mit zugehörigen<br />

Leitungen benötigen, ein<br />

oft nicht akzeptabler Installations-<br />

und Kostenaufwand. Im Bereich der<br />

chemischen Verfahrenstechnik finden<br />

faseroptische Systeme, die auf<br />

der Rayleigh-Streuung basieren, deshalb<br />

regen Anklang (Abb. 1). Das<br />

Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme<br />

ISE in Freiburg setzt sie<br />

beispielsweise in einer Miniplant-Anlage<br />

ein, die der Methanol-Synthese<br />

dient (Abb. 2).<br />

Mini-Plant für die Weiterentwicklung<br />

der Methanol-Synthese<br />

Bei der Methanol-Synthese wird als<br />

Teil eines Power-to-Liquid-Prozesses<br />

Methanol aus Wasserstoff und CO 2<br />

hergestellt. Die Fraunhofer-Anlage<br />

dient dabei zur Erforschung der Synthese<br />

im industrienahen Maßstab.<br />

Schwerpunkte der Untersuchungen<br />

sind der dynamische Reaktorbetrieb<br />

sowie unkonventionelle Gaszusammensetzungen<br />

aus der Kopplung<br />

von elektrolytischem Wasserstoff mit<br />

CO 2 -haltigen Gasströmen.<br />

Die Miniplant-Anlage setzt Wasserstoff<br />

und CO 2 in einem kontinuierlichen<br />

Prozess zu Methanol um. Dabei<br />

wird Wärme frei und es entsteht Wasser<br />

als Nebenprodukt. Zur fundierten<br />

großtechnischen Umsetzung dieses<br />

Verfahrens in Kombination mit einer<br />

Bioraffinerie sind auf dem aktuellen<br />

Stand der Wissenschaft jedoch noch<br />

einige Fragestellungen offen. So führen<br />

beispielsweise hohe CO 2 -Anteile<br />

im Synthesegas zu einer beschleunigten<br />

Alterung des eingesetzten Katalysators<br />

und zu verringerten chemischen<br />

Umsätzen. Zudem können<br />

eventuelle Schwankungen in der Produktion<br />

des Wasserstoffs aus volatilen<br />

erneuerbaren Energien ebenso<br />

34 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


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PROZESSTECHNIK<br />

In vielen Produktionsprozessen der chemischen und petrochemischen Industrie stellen Hammelmann<br />

Hochdruckpumpen das Fundament für eine effektive und zuverlässige Produktion dar.<br />

Die Hochdruckpumpen der HAMPRO® Serie zeichnen sich gleichermaßen durch eine robuste Bauweise,<br />

einen hohen Sicherheitsstandard und einen schonenden Umgang mit den Ressourcen aus.<br />

Unser erfahrenes Expertenteam hilft Ihnen gerne bei der Konfiguration der passenden<br />

Hochdrucklösung für Ihren Prozess.<br />

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Lagerstättenwasser<br />

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Wasserstoffwirtschaft<br />

Transportlogistik<br />

Konzentration der Synthesegase dynamisch<br />

messen. Für die ortsaufgelöste<br />

Temperaturmessung (Abb. 3)<br />

im Inneren des Reaktors sorgt ein faseroptisches<br />

Messsystem (ODiSI 6000<br />

Serie) von Polytec (vgl. Firmenkasten).<br />

Es arbeitet mit einer Auflösung von<br />

0,1 °C und wurde bereits in vielen verfahrenstechnischen<br />

Prozessen zur<br />

Temperaturerfassung außerhalb des<br />

Fraunhofer ISE eingesetzt.<br />

Echtzeitaussagen über die<br />

Vorgänge im Reaktor<br />

Abb. 2: Scale-Down-Miniplant zur Erforschung der Methanol-Synthese Urheber: Fraunhofer ISE<br />

wie Schwankungen im gekoppelten<br />

Prozess zur Bereitstellung von CO 2<br />

einen dynamischen Synthese betrieb<br />

erfordern. Eine solche Dynamik ist<br />

bei heutigen Prozessen, die überwiegend<br />

auf herkömmlich gewonnenen<br />

Grundstoffen basieren, jedoch noch<br />

nicht vorgesehen.<br />

der Literatur mithilfe dieser Anlage<br />

validieren und erweitern. Die Daten<br />

dafür liefert ein zeitlich und räumlich<br />

hochauflösendes Analytik system, das<br />

in der Miniplant integriert ist: Mithilfe<br />

der Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie<br />

(FT-IR) lässt sich die<br />

Werden die Daten von Temperaturmessung<br />

und FT-IR kombiniert, sind<br />

Echtzeit-Aussagen im Sekundentakt<br />

über die Vorgänge im Reaktor möglich.<br />

Die Messdaten des Analytiksystems<br />

lassen sich dann zur Anpassung<br />

der Modellparameter sowohl<br />

für die stationäre als auch für die dynamische<br />

Simulation nutzen. Zukünftig<br />

sind so neben Aussagen zur Reaktionskinetik<br />

auch Erkenntnisse über<br />

die Desaktivierung des Katalysators in<br />

Langzeitmessungen möglich. Unterschiedliche<br />

Betriebspunkte können<br />

sehr schnell charakterisiert werden,<br />

wodurch sich selbst umfangreiche<br />

Messdaten für einen dynamischem<br />

Reaktorbetrieb<br />

Das Fraunhofer ISE untersucht deshalb<br />

diese Randbedingungen für die<br />

Methanol-Synthese experimentell<br />

und mittels Simulationen. Der Fokus<br />

liegt dabei auf den katalytischen Vorgängen<br />

im Synthesereaktor. Dazu<br />

wurde eine dynamische Simulationsplattform<br />

entwickelt, die stationäre<br />

und dynamische Wärmeübergänge,<br />

das Reaktionsverhalten und zeitliche<br />

sowie räumliche Temperaturkurven<br />

berechnen kann. Um die Ergebnisse<br />

mit möglichst geringem Aufwand und<br />

in kurzer Zeit auf eine Industrieanlage<br />

zu übertragen, ist der Synthesereaktor<br />

als Kernstück der Miniplant ein<br />

Scale-Down, also eine Maßstabsverkleinerung,<br />

einer industriellen Ausführung.<br />

Durch ein speziell angepasstes<br />

Kühlsystem kann im Betrieb der Anlage<br />

ein ähnliches thermisches und<br />

reaktionskinetisches Verhalten wie<br />

in einer großskaligen Anlage erreicht<br />

werden. Dadurch lassen sich Modellierungs-<br />

und Simulationsansätze aus<br />

Abb. 3: Wärmeverteilung über die Reaktorlänge im zeitlichen Verlauf nach einem Lastwechsel.<br />

Das Ergebnis der faseroptischen Messung (links) im Vergleich zur Simulation (rechts).<br />

(Urheber: Nestler, Florian (2022): Dynamic Operation of Power-to-X Processes Demonstrated<br />

by Methanol Synthesis. Dissertation. DOI: 10.5445/IR/1000150267)<br />

36 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Wasserstoffwirtschaft<br />

Transportlogistik<br />

Parameterräume zügig abarbeiten<br />

lassen. Die gewonnenen Erkenntnisse<br />

werden mit der bestehenden<br />

dynamischen Simulationsplattform<br />

des Fraunhofer ISE verknüpft. Dies<br />

erlaubt die Untersuchung von Lastwechseln,<br />

wie sie zukünftig in realen<br />

Industrieanlagen auftreten würden.<br />

Daraus lassen sich wiederum wertvolle<br />

Auslegungsdaten generieren,<br />

die dazu beitragen, dass Methanol<br />

aus nachhaltigen Rohstoffen und erneuerbarem<br />

Strom gewonnen und<br />

somit zukünftig in verschiedenen<br />

Anwendungen als Energiespeicher,<br />

Chemikalie, sowie Kraftstoff(additiv)<br />

genutzt werden kann.<br />

Faseroptische Sensorik nutzt<br />

die Rayleigh-Strahlung<br />

Bei der Rayleigh-Sensorik wird Laserlicht<br />

in die Glasfaser eingekoppelt<br />

und das vom Fasermaterial<br />

rückgestreute Licht mit hoher Auflösung<br />

über ein optisches Messverfahren<br />

räumlich abgetastet. Im<br />

Ergebnis erhält man ein charakteristisches<br />

Muster entlang der Faser,<br />

den sogenannten Fingerprint,<br />

der für jeden Abschnitt unterschiedlich,<br />

aber äußerst stabil und<br />

reproduzierbar ist. Ursache hierfür<br />

sind lokale Brechzahlschwankungen<br />

und Defekte, die sich statistisch<br />

über die Faser verteilen. Bei<br />

äußeren Dehnungs- oder Temperaturänderungen<br />

wird dieser<br />

Fingerprint in eindeutiger Weise<br />

auseinander- oder zusammengeschoben,<br />

sodass die Änderung<br />

des lokalen Rayleigh-Musters in<br />

Temperatur oder Dehnung umgerechnet<br />

werden kann. Da jeder<br />

Punkt der Faser für diesen Effekt<br />

empfindlich ist, stellt die gesamte<br />

Faser in voller Länge einen verteilt<br />

messenden Sensor dar. Die<br />

erreichbare räumliche Auflösung<br />

beträgt 1 Millimeter. Bei einer<br />

Messlänge von beispielsweise 10<br />

Metern entspricht dies einer Anzahl<br />

von 10.000 Sensoren. Bei Verwendung<br />

spezieller Fasern ergibt<br />

sich ein Temperaturmessbereich<br />

von ca. -200 °C bis zu +640 °C.<br />

Über das Fraunhofer-Institut<br />

für Solare Energiesysteme ISE<br />

Das Fraunhofer-Institut für Solare<br />

Energiesysteme ISE in Freiburg ist<br />

mit rund 1.400 Mitarbeitenden<br />

das größte Solarforschungsinstitut<br />

Europas. Die Forschungsschwerpunkte<br />

sind Energiebereitstellung,<br />

Energieverteilung,<br />

Energiespeicherung<br />

und Energienutzung. In<br />

den Geschäftsfeldern Photovoltaik,<br />

energieeffiziente Gebäude,<br />

solarthermische Kraftwerke und<br />

Industrieprozesse,<br />

Wasserstofftechnologien<br />

und elektrische Energiespeicher<br />

sowie Leistungselektronik,<br />

Netze und intelligente<br />

Systeme entwickelt das Institut<br />

Materialien, Komponenten, Systeme<br />

und Verfahren. Zudem<br />

werden Analysen, Studien und<br />

Beratungen durchgeführt und<br />

Prüf- und Zertifizierungsverfahren<br />

angeboten.<br />

Autoren:<br />

Jörg Schwarz<br />

Vertrieb faseroptische Sensorik<br />

(j.schwarz@polytec.de)<br />

Ellen-Christine Reiff, M.A.<br />

Redaktionsbüro Stutensee,<br />

(www.rbsonline.de )<br />

Über Polytec<br />

Seit über 50 Jahren und mit fast<br />

500 Mitarbeitern weltweit entwickelt,<br />

produziert und vertreibt das<br />

Hochtechnologie-Unternehmen<br />

Polytec optische Messtechnik für<br />

Forschung und Industrie. Dies<br />

umfasst Systeme für die Schwingungsmessung,<br />

Oberflächencharakterisierung,<br />

Längen- und<br />

Geschwindigkeitsmessung<br />

und<br />

Prozessanalytik. Darüber hinaus<br />

bietet Polytec als Distributor eine<br />

breite Palette an optischen Quellen<br />

und Messtechnik-Systemen<br />

wie zum Beispiel für die faseroptische<br />

Sensorik. Das Unternehmen<br />

betreibt Niederlassungen in<br />

Europa, Nordamerika und Asien<br />

und verfügt über ein weltweites<br />

Servicenetz.<br />

Weitere Informationen zum Thema<br />

finden Sie unter:<br />

- www.polytec.com/faseroptische-temperaturmessung<br />

- www.ise.fraunhofer.de/de/presse-undmedien/<br />

presseinformationen/2020/<br />

echtzeit-einblicke-in-diemethanolsynthese-dynamischer-betrieb-einer-miniplant-anlage-amfraunhofer-ise.html<br />

Ihr Mediakontakt<br />

D-A-CH<br />

Thomas Mlynarik<br />

Tel.: +49 (0) 911 2018 165<br />

Mobil: +49 (0) 151 5481 8181<br />

mlynarik@harnisch.com<br />

INTERNATIONAL<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong><br />

Benno Keller<br />

Tel.: +49 (0) 911 2018 200<br />

keller@harnisch.com<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

37


Wasserstoffwirtschaft<br />

Regelungstechnik<br />

Bereit für grünen Wasserstoff<br />

Stellbare Fluidik-Komponenten<br />

machen Prüfstände flexibel<br />

Wasserstoff gilt als umweltfreundlicher<br />

Energieträger der Zukunft,<br />

weil er sehr flexibel einsetzbar ist,<br />

mit regenerativen Techno logien<br />

hergestellt werden kann und sich<br />

gut transportieren sowie speichern<br />

lässt. Bei der Verwendung von Wasserstoff<br />

in Brennstoff zellen entstehen<br />

zudem keine umweltrelevanten<br />

Abgase, sondern nur Wasser. Vor<br />

dem Serieneinsatz müssen die<br />

Brennstoffzellen-Systeme aber unter<br />

unterschiedlichsten Bedingungen<br />

und mit einer Vielzahl an<br />

Parametern getestet werden. Anhand<br />

der Prüfergebnisse lassen sich<br />

dann beispielsweise Leistung, Reichweite<br />

oder Lebensdauer der Brennstoffzellen-Stacks<br />

evaluieren und<br />

optimieren. Die Testeinrichtungen<br />

sollen für diese Aufgaben sehr flexibel<br />

sein. Zahlreiche fluidische Komponenten<br />

wie Durchflussregler oder<br />

Ventile tragen dazu bei. Sie müssen<br />

allerdings nicht nur präzise und zuverlässig<br />

arbeiten, sondern auch auf<br />

den speziellen Einsatzbereich abgestimmt<br />

sein. Bei Wasserstoff beispielsweise<br />

dürfen die eingesetzten<br />

Werkstoffe nicht verspröden und<br />

beim Einsatz mit deionisiertem Wasser<br />

nicht korrodieren.<br />

In Rüsselsheim hat die SEGULA<br />

Technologies GmbH nach der Übernahme<br />

großer Teile des ehemaligen<br />

Opel-Entwicklungszentrums<br />

beste Voraussetzungen geschaffen,<br />

um die Mobilität von morgen entscheidend<br />

mitzugestalten. Die Ingenieure<br />

und Fachkräfte können hier<br />

als Dienst leister mit OEM-DNA komplette<br />

Fahrzeuge inklusive Antriebsstrang<br />

entwickeln, testen und zur<br />

Serienreife bringen. Für Hersteller<br />

von Brennstoffzellen sind sie heute<br />

ein kompetenter Ansprechpartner,<br />

da es in Rüsselsheim mittlerweile<br />

auch für Stacks maßgeschneiderte<br />

Prüf einrichtungen gibt. Das Verhalten<br />

dieser Brennstoffzellen-Stacks<br />

lässt sich hier sehr flexibel bei unterschiedlichen<br />

testen und evaluieren.<br />

Rahmenbedingungen<br />

Flexible Testmöglichkeiten<br />

für die Stacks<br />

Dr. Stephan Wagner, Lead Hydrogen<br />

Systems bei SEGULA Technologies,<br />

berichtet: „Da wir am Markt keine<br />

passende Lösung gefunden haben,<br />

konstruieren wir unsere Prüfstände<br />

für die Stacks selbst. So können<br />

wir sie hinsichtlich Leistung, Grö-<br />

Abb. 1: Mit den leistungsfähigen Brennstoffzellen-Prüfständen lassen sich die Stacks und<br />

Systeme auf Herz und Nieren testen.<br />

alle Bilder: Bürkert Fluid Control Systems<br />

ße und Skalierbarkeit perfekt auf<br />

die Erfordernisse unserer Kunden<br />

betreiben und bei den Testabläufen<br />

flexibel auf deren Wünsche reagieren.<br />

Außer dem lassen sie sich gut in<br />

unsere vorhandene Betriebsstruktur<br />

einbinden, zu der insgesamt mehr als<br />

50 Prüf stände gehören.“ Das Resultat<br />

der Eigen entwicklung sind leistungsfähige<br />

Brennstoffzellen-Prüfstände,<br />

mit denen sich die Stacks und Systeme<br />

auf Herz und Nieren testen lassen<br />

(Abb. 1). Die Anstrengungen für<br />

die Anpassung der Prüfstandstechnik<br />

sind derzeit groß, um den aktuellen<br />

Entwicklungen in der Wasserstofftechnik<br />

folgen zu können. Möglich<br />

sind beispielsweise Dauerläufe etwa<br />

für Degradationsuntersuchungen,<br />

Funktionstests sowie die Charakterisierung<br />

und Auslegung des Brennstoffzellensystems<br />

inklusive unterschiedlicher<br />

Betriebsarten.<br />

Der Regelaufwand, der dahintersteckt,<br />

ist beachtlich: Sauerstoff,<br />

Stickstoff, Wasserstoff und Spurengase,<br />

die zur Simulation von Umwelteinflüssen<br />

dienen, müssen zunächst<br />

konditioniert werden. Die jeweiligen<br />

Durchflussmengen auf den einzelnen<br />

Gasstrecken gilt es feinfühlig zu<br />

regeln. Dabei sind bestimmte Temperaturen<br />

und Feuchtegrade einzuhalten.<br />

Hinzu kommen Sicherheitsanforderungen.<br />

Bei einem Fehler<br />

beispielsweise lässt sich das komplette<br />

System mit Stickstoff fluten.<br />

„Als wir hierfür passende Komponenten<br />

suchten, stießen wir schnell<br />

auf das breitgefächerte Produktportfolio<br />

von Bürkert“, erinnert sich<br />

Dr. Wagner. „Allerdings haben uns<br />

nicht nur Qualität und Leistungsfähigkeit<br />

der Produkte überzeugt, sondern<br />

auch die schnelle Spezifizierung<br />

und Lieferung sowie die kompetente<br />

Beratung. Bürkert konnte uns<br />

sehr schnell gute Lösungsvorschläge<br />

machen.“ Insgesamt sind im Prüfstand<br />

acht elektromagnetische Proportionalventile,<br />

acht elektromotorische<br />

Prozessregelventile, vier<br />

38 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Wasserstoffwirtschaft<br />

Regelungstechnik<br />

Abb. 2: Acht elektromotorische Prozessregelventile regeln die Gaszufuhr vor den Befeuchtereinheiten präzise und reaktionsschnell.<br />

Massendurchflussregler (MFC) sowie<br />

zehn Füllstand-Schwimmer schalter<br />

in Betrieb. Durch den Einsatz von<br />

positionier baren Stellventilen mit jeweils<br />

integrierter Absperr funktion<br />

wird die Anlage flexibel für jeden<br />

Kundenwunsch. Dichtungen und Materialien<br />

der Ventilkörper sind auf<br />

die Betriebsbedingungen im Brennstoffzellen-Prüfstand<br />

ausgelegt, haben<br />

alle notwendigen Konformitäten<br />

und bei Bedarf auch Zulassungen. Bei<br />

den Ventilen für Wasserstoff ist die<br />

Eignung genauso nachgewiesen wie<br />

bei Ventilen für Sauerstoff.<br />

nicht auf die Ventilstellung und werden<br />

automatisch ausgeregelt. Hohe<br />

Lebensdauer und Dichtheit werden<br />

durch die bewährte selbstnachstellende<br />

Spindelpackung mit austauschbaren<br />

Dachmanschetten<br />

erreicht. Zudem bietet das Regelventil<br />

dem Betreiber viele hilfreiche Funktionen<br />

zur Prozess überwachung, Ventildiagnose<br />

und vorbeugenden Wartung.<br />

Vor Ort informiert ein LED-Ring<br />

über den jewei ligen Betriebszustand.<br />

„So sehen auch unsere Kunden auf<br />

den ersten Blick, dass der Prüfstand<br />

arbeitet“, schmunzelt Dr. Wagner.<br />

Die direktwirkenden Proportionalventile<br />

(Abb. 3), die praktisch überall<br />

im Prüfstand zu finden sind, arbeiten<br />

als elektromagnetisch angetriebene<br />

Stellventile. Sie sind stromlos schließend.<br />

Durch ihre Elastomer-Sitzdichtung<br />

sind die Ventile im Bereich des<br />

Ventiltechnik: schnell,<br />

präzise und zuverlässig<br />

Auf stellbare Ventile legten die<br />

Konstruk teure Wert, weil die Prüfstände<br />

flexibel betreib- und skalierbar<br />

sind, damit sich Stacks von<br />

10 bis 150 kW prüfen lassen. Dabei<br />

regeln zwei elektromotorisch<br />

betätigte Prozessregelventile vom<br />

Typ 3361 (Abb. 2) die Gaszufuhr der<br />

Befeuchter einheiten. Der Antrieb mit<br />

Kugel umlaufspindel positioniert dabei<br />

den Regelkegel sehr präzise und<br />

mit hoher Stellgeschwindigkeit von<br />

6 mm/s bei einem maximalen Hub<br />

von bis zu 27 mm, kann also quasi<br />

verzögerungsfrei auf Prozesssignale<br />

reagieren. Druckschwankungen oder<br />

-stöße im Medium übertragen sich<br />

Abb. 3: Insgesamt acht dieser elektromagnetischen Proportionalventile des Typs 2875 sind<br />

am Brennstoffzellen-Prüfstand im Einsatz.<br />

40 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Wasserstoffwirtschaft<br />

Regelungstechnik<br />

Abb. 4: Fluidische Herzstücke der Brennstoffzellen-Prüfstände sind die Massendurchflussregler (MFC) der Typen 8742 und 8746. Sie übernehmen<br />

die „intelligente“ Regelung und Dosierung der Luft- und Wasserstoffmenge.<br />

auf die Nennweite bezogenen Nenndruckes<br />

dichtschließend, haben also<br />

eine integrierte Absperrfunktion.<br />

Der Betätigungsanker des Ventils ist<br />

reibungs arm gelagert, was zu einem<br />

optimierten Stell verhalten führt.<br />

Durch das gute Ansprechverhalten<br />

sind die Ventile für die anspruchsvollen<br />

Prüfstand anwendungen also<br />

bestens geeignet, insbesondere auch<br />

für die präzise Regelung des Stackdruckes,<br />

sowohl auf Anoden- als<br />

auch auf Kathodenseite. Während<br />

typischerweise der Drucktransmitter<br />

auf der Eingangsseite platziert wird,<br />

erzeugt das Proportional ventil einen<br />

Rückdruck auf der Ausgangsseite des<br />

Stacks, um so den Stackinnendruck<br />

zu regeln. Alternativ zu elektromagnetischen<br />

Proportionalventilen der<br />

Typen 2875 kommen bei größeren<br />

erforderlichen Nennweiten kompakte<br />

elektro motorische Ventile der<br />

Typen 3280 oder 3285 zum Einsatz.<br />

Durchfluss regeln und<br />

Füllstand erfassen<br />

Fluidische Herzstücke der Brennstoffzellen-Prüfstände<br />

sind die Massendurchflussregler<br />

der Typen 8742<br />

und 8746 (Abb. 4). Sie übernehmen<br />

die „intelligente“ Regelung und Dosierung<br />

der Luft- und Wasserstoffmenge.<br />

Der direkt im Gasstrom<br />

befindliche, thermische Durchflusssensor<br />

in MEMS-Ausführung<br />

(mikroelektro mechanisches System)<br />

erreicht sehr kurze Reaktionszeiten<br />

und eine hohe Messgenauigkeit bei<br />

langzeitstabiler Kalibrierung. Hochauflösende,<br />

direktwirkende Proportionalventile<br />

als Stellglieder und der<br />

integrierte Regler sorgen für hervorragende<br />

Regeleigenschaften. Damit<br />

gewährleisten die Geräte eine<br />

feinfühlige und präzise Regelung<br />

unabhängig von Störgrößen wie<br />

Druckschwankungen oder temporär<br />

auftretenden Strömungs widerständen.<br />

Die magnetischen Füllstand-<br />

Schwimmerschalter (Typ 8181)<br />

unterstützen an beiden Back Pressure<br />

Units des Prüfstands die<br />

Kondensat -Ausleitung. „Einer davon<br />

arbeitet als Sicherheitsschalter, um<br />

bei der automatischen Entleerung ein<br />

Ausgasen über die Abwasserleitung<br />

zu verhindern“, ergänzt Dr. Wagner.<br />

Die weiteren Schwimmer sind in den<br />

Befeuchter einheiten integriert und<br />

regeln die automatische Befüllung.<br />

Die Füllstand-Schwimmerschalter<br />

haben im feststehenden Schalterteil<br />

hermetisch gekapselte, als Wechsler<br />

oder Öffner/Schließer ausgelegte<br />

Reed-Kontakte. Im beweglichen<br />

Schalterteil wird der Schaltvorgang<br />

über Magnete ausgelöst. Ein zylindrisches<br />

Gewinde erleichtert den Einbau<br />

im Behälter.<br />

Da sich die fluidischen Komponenten<br />

mittlerweile im praktischen<br />

Einsatz bewährt haben, werden<br />

SEGULA Technologies und Bürkert<br />

auch in Zukunft weiter zusammenarbeiten.<br />

„Bei Prüfaufbauten für<br />

Elektro lyseure werden wir ebenfalls<br />

auf die wasserstofferprobten Komponenten<br />

setzen und vom Know-how<br />

der Fluidik experten profitieren“, so<br />

Dr. Wagner abschließend.<br />

Autor: Dominik Fröhlich<br />

Industrie-Applikationsexperte<br />

Energie & Transport bei<br />

Bürkert Fluid Control Systems<br />

Weitere Informationen zum Thema<br />

finden Sie unter:<br />

www.buerkert.de/wasserstoff<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

41


Produktionsorganisation<br />

Fertigungslogistik<br />

Fahrerlose Transportfahrzeuge<br />

für die Batteriezellproduktion im Reinraum<br />

Materialfluss in Reinkultur<br />

Gunthart Mau<br />

Die Elektromobilität boomt und die<br />

Nachfrage nach Batterien ist größer<br />

denn je. Um diesen Markt bedienen<br />

zu können, werden aktuell<br />

immer mehr Batteriewerke in<br />

Europa gebaut. Im neuen Werk<br />

eines nord europäischen Batterieherstellers<br />

sind mobile Systeme<br />

von SEW-Eurodrive im Einsatz. Die<br />

Besonderheit dieser fahrerlosen<br />

Transportfahrzeuge ist ihr Edelstahl-Aufbau.<br />

Diese spezielle Entwicklung<br />

ermöglicht den Einsatz in<br />

Reinraumapplikationen der Klasse<br />

ISO 6, z. B. beim kontrollierten Ein-<br />

und Ausschleuseprozessen.<br />

Seit langem haben sich in der Batteriezellenproduktion<br />

vor allem<br />

asiatische Firmen einen Vorsprung<br />

erarbeitet. Die steigende Nachfrage<br />

nach Lithium-Ionen-Batterien im<br />

Mobilitätssektor und bei stationären<br />

Applikationen führte in den letzten<br />

Jahren zu einem schnellen Wachstum<br />

dieses Marktsegments, in dem europäische<br />

Anbieter dringend aufschließen<br />

müssen. Die Batterieherstellung<br />

erfordert eine Anlagentechnik, die<br />

den hohen Anforderungen an Prozessqualität<br />

und Durchsatz gerecht<br />

wird. Der Schlüssel hierfür ist die<br />

Automatisierung.<br />

Spezialist auf diesem Gebiet<br />

ist die norwegische Firma Tronrud<br />

Engineering AS. Das Maschinenbauunternehmen<br />

entwickelt, produziert<br />

und liefert seit mehr als 40 Jahren<br />

Automatisierungslösungen. An den<br />

Standorten Eggemoen und Moss im<br />

Umkreis Oslos arbeiten rund 200 Mitarbeiter.<br />

In Moss, am Ostufer des<br />

Oslofjords, ist auch die norwegische<br />

Landesgesellschaft SEW-Eurodrive AS<br />

beheimatet.<br />

Besondere Reinraumanforderungen<br />

Der Auftraggeber, ein Produzent<br />

von<br />

Lithium-Ionen-Batteriezellen,<br />

wünschte sich die Automatisierung<br />

von Transportaufgaben durch<br />

fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF).<br />

Dabei müssen die Fahrzeuge und<br />

weitere Systeme so konzipiert sein,<br />

Abb. 1: Für Transportaufgaben in Reinräumen und Hygienebereichen, z. B. bei der<br />

Batteriezellenfertigung, entwickelte SEW-Eurodrive mobile Systeme aus dem Maxolution-<br />

Technologie baukasten. <br />

Foto: SEW<br />

dass Reinraumanforderungen erfüllt<br />

werden. Hierfür realisierte Tronrud<br />

gemeinsam mit SEW-Eurodrive<br />

einen vollautomatisierten Paletten-<br />

und Behältertransport mit<br />

fahrerlosen Transportfahrzeugen<br />

aus dem Maxolution-Portfolio von<br />

SEW-Eurodrive.<br />

Der Einsatz mobiler Systeme in<br />

einer Produktionsumgebung mit<br />

hohen Reinraumanforderungen und<br />

zahlreichen Schnittstellen wie Aufzügen,<br />

Stetigförderern und Sondermaschinen<br />

ist eine komplexe<br />

Herausforderung. Die Fahrzeugzu-Fahrzeug-Übergabe<br />

in den Luftschleusen<br />

stellt hohe Anforderungen<br />

an die Positioniergenauigkeit und<br />

Sicher heitstechnik. Außerdem müssen<br />

verschiedene Ebenen (Erd- und<br />

Zwischengeschoss) überwunden werden.<br />

Dazu werden die FTF samt Last<br />

in Aufzügen transportiert.<br />

Vom Testsystem zur<br />

Serienproduktion<br />

Zunächst wurde ein Testsystem<br />

in einer Pilotfabrik des Endkunden<br />

als Machbarkeitsstudie installiert.<br />

„Der Transfer von einem Fahrzeug<br />

zu einem anderen Fahrzeug<br />

mit über 1.000 kg Last war eine Herausforderung“,<br />

erinnert sich Cato<br />

Horten, Senior Project Manager bei<br />

Tronrud Engineering: „Durch mehrere<br />

Tests und die gute Zusammenarbeit<br />

konnte eine Lösung gefunden<br />

werden.“ Nach dem erfolgreichen<br />

Test realisierten beide Firmen gemeinsam<br />

den Materi alfluss mittels<br />

eines fahrerlosen Transportsystems<br />

in der Serienproduktion eines<br />

neuen Werks „auf der grünen Wiese“.<br />

Tronrud- Geschäftsführer Skule<br />

Edvard Smørgrav unterstreicht: „Ich<br />

möchte die Bedeutung von SEW-<br />

Eurodrive AS in Norwegen hervorheben.<br />

Als Schlüsselpartner sorgte sie<br />

dafür, dass die richtigen Informati-<br />

42 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


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Produktionsorganisation<br />

Fertigungslogistik<br />

Abb. 2: Das Plattformfahrzeug mit aufgesetztem Rollenförderer <strong>–</strong> hier im „grauen Bereich“ <strong>–</strong><br />

kann eine Traglast bis über 1.000 kg bewegen. Sein bidirektionales Fahrwerk erreicht 1,5 m/s<br />

Maximalgeschwindigkeit sowie eine Positioniergenauigkeit von ±2 bis 10 mm. Foto: SEW<br />

onen die richtigen Leute sowohl bei<br />

SEW-Eurodrive Deutschland als auch<br />

bei Tronrud Engineering erreichten.“<br />

Zwei strikt getrennte FTS-Bereiche<br />

Verschiedene, über das Werk verteilte,<br />

Routen sorgen dafür, den<br />

spezifizierten Materialfluss aufrechtzuerhalten.<br />

Dabei gibt es<br />

grundsätzlich zwei getrennte FTF-<br />

Bereiche: Im so genannten „grauen<br />

Bereich“ müssen die Fahrzeuge keine<br />

besonderen Reinheitsanforderungen<br />

erfüllen. Dagegen gilt für<br />

den so genannten „weißen Bereich“<br />

die Reinraum anforderung nach<br />

ISO 14644-1 Klasse 6. Mit der Übergabe<br />

der Last an die Reinraumausführung<br />

der mobilen Systeme<br />

wird eine saubere Trennung zwischen<br />

beiden Bereichen ermög licht. Zur<br />

Vermeidung einer Kreuzkontamination<br />

findet diese Lastübergabe in speziellen<br />

Luftschleusen statt.<br />

Eine Hauptroute ist die Verbindung<br />

des zentralen Lagers mit den<br />

Fertigungsbereichen, um sie mit den<br />

benötigten Materialien zu versorgen.<br />

Sie umfassen die Prozessschritte Beschichten,<br />

Kalendern, Slitten, Stapeln,<br />

und Zellassemblierung. Darüber<br />

hinaus wird weiteres Material<br />

aus dem Umfeld des Zentrallagers<br />

zur Fertigung transportiert. Innerhalb<br />

des „weißen“ Reinraumbereichs<br />

werden die Materialien bis an den jeweiligen<br />

Verwendungsort transportiert.<br />

Entweder wird das Material direkt<br />

angeliefert oder es durchläuft<br />

vor der Anlieferung weitere Prozesse,<br />

z. B. Kommissionierung/Vereinzelung<br />

und Zwischenlagerung von Paletten<br />

auf einzelnen Kleinladungsträgern<br />

(KLT). Dabei findet auch ein Transfer<br />

von einem auf ein anderes Fahrzeug<br />

statt. Darüber hinaus werden FTF<br />

zum Palettentransport vom Lager in<br />

den „Supermarkt“ (Bereitstellung von<br />

Bauteilen für die Produktion in der<br />

Nähe des Einbauortes) und von dort<br />

zur Zellassemblierung eingesetzt.<br />

Zwischen Flottenmanager und<br />

Fahrzeugen kommt die standardisierte,<br />

interoperable Kommunikationsschnittstelle<br />

VDA 5050 zum Einsatz.<br />

Dadurch ist es in diesem Projekt<br />

problemlos möglich, eine FTS-Leitsteuerung<br />

eines Drittanbieters einzusetzen.<br />

Insgesamt kommen in der<br />

ersten Ausbaustufe 42 FTF zum Einsatz<br />

<strong>–</strong> 31 Fahrzeuge zum Palettentransport<br />

und 11 zum KLT-Transport.<br />

Die längste zurückzulegende Strecke<br />

beträgt 345 Meter, einschließlich<br />

mehrerer Aufzugsfahrten.<br />

Geteilte Verantwortung <strong>–</strong><br />

doppelter Kundennutzen<br />

Tronrud Engineering übernimmt die<br />

Gesamtverantwortung für die stationäre<br />

und mobile Handlingssysteme<br />

für Paletten und Behälter und hat<br />

SEW-Eurodrive die Verantwortung für<br />

das gesamte fahrerlose Transportsystem<br />

übergeben. SEW realisiert<br />

auch die Integration des Tronrud-<br />

Lastaufnahmemittels auf dem Fahrzeug,<br />

stellt die kompletten Fahrzeuge<br />

einschließlich der Konformitätserklärung<br />

zur Verfügung und integriert<br />

die Fahrzeuge in das Gesamtsystem<br />

einschließlich Planung,<br />

Parametrierung und Inbetriebnahme.<br />

Beide Partner unterstützten sich<br />

vor Ort bei der Inbetriebnahme beim<br />

Endkunden. Auch in Zukunft sichert<br />

die europa- und weltweite Präsenz<br />

von SEW-Eurodrive und von Tronrud<br />

Engineering eine schnelle, lokale<br />

Unterstützung.<br />

Hardware und Dienstleistungen<br />

Abb. 3: Zuverlässige, präzise und prozesssichere Lastübergabe in den Luftschleusen ist dank<br />

innovativer Navigations- und Sicherheitstechnologie von SEW-Eurodrive möglich. Foto: SEW<br />

Im Bereich der mobilen und schienengeführten<br />

Fördertechnik bietet<br />

SEW-Eurodrive innovative,<br />

skalierbare und zukunftsfähige<br />

44 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Produktionsorganisation<br />

Fertigungslogistik<br />

Abb. 4: Das Maschinenbauunternehmen Tronrud Engineering AS entwickelt und produziert Automatisierungslösungen. Sein Hauptsitz befindet<br />

sich in Eggemoen, anderthalb Autostunden nordwestlich von Oslo. <br />

Foto: Tronrud<br />

Systemlösungen an. Hierbei liegt der<br />

Fokus nicht nur auf den Fahrzeugen<br />

selbst, sondern auch auf dazugehörigen<br />

Dienstleistungen <strong>–</strong> von der<br />

Systemplanung und Simulation bis<br />

zur Inbetriebnahme und der Wartung<br />

und Reparatur.<br />

Nach dem Beispiel des weltweit<br />

eingesetzten Baukastensystems für<br />

Getriebemotoren und Elektronikprodukte<br />

erfolgt auch das Engineering<br />

des fahrerlosen Transportsystems<br />

auf Basis eines innovativen Technologie-<br />

und Softwarebaukastens. Er<br />

ermöglicht, individuelle Fahrzeuge<br />

zu konfigurieren und dabei die Komplexität<br />

gering zu halten.<br />

Kontaktlose Energieversorgung<br />

Die fahrerlosen Transportfahrzeuge<br />

lassen sich mithilfe des Energieversorgungssystems<br />

Movitrans von<br />

SEW-Eurodrive kontaktlos und wartungsfrei<br />

laden. Daher ist es besonders<br />

für sensible Bereiche wie die<br />

Lebensmittelproduktion oder Reinräume<br />

geeignet. Für die Movitrans-<br />

Komponenten gibt es verschiedene<br />

Einbauoptionen, die eine einfache<br />

und dezentrale Installation ermöglichen.<br />

Die Energieaufnahme erfolgt<br />

verschleißfrei, entweder punktuell<br />

im Stillstand oder während<br />

der Fahrt über Linienleiter, die im<br />

oder auf dem Boden verlegt werden.<br />

Durch das Laden während der<br />

Fahrt oder bei Lastübergabe lassen<br />

sich Stillstandszeiten vermeiden.<br />

So ist es möglich, die optimale Anzahl<br />

von Fahrzeugen für den innerbetrieblichen<br />

Materialfluss einzusetzen.<br />

Ferner hat das System einen<br />

automatischen Energiesparmodus,<br />

der zum effektiven Energieeinsatz<br />

beiträgt.<br />

Sicherheitstechnik und Navigation<br />

Umfangreiche Sicherheitstechnik<br />

schützt das gesamte Fahrzeug <strong>–</strong> und<br />

vor allem die Menschen, die in seiner<br />

Umgebung arbeiten. Die integrierte<br />

Sicherheitssteuerung sorgt für die geschwindigkeitsabhängige<br />

Schutzfeldumschaltung,<br />

sicher abgeschaltetes<br />

Drehmoment, sichere Geschwindigkeit<br />

und weitere Funktionen. Auch<br />

das Lastaufnahmemittel wurde vollständig<br />

in die Fahrzeugsicherheit integriert.<br />

Zur Navigation in den Produktionshallen<br />

kommt Laser-SLAM zum<br />

Einsatz (Simultane Lokalisierung und<br />

Kartierung der Umgebung). In Kombination<br />

mit Laserparking und Feinpositionierung<br />

mittels Data- Matrix-<br />

Code ermöglicht dies eine präzise<br />

und prozesssichere Fahrzeugpositionierung.<br />

Das ist vor allem für sicherheitsrelevante<br />

Bereiche wichtig. Dazu<br />

gehört auch die Last übergabe von<br />

Fahrzeug zu Fahrzeug.<br />

Mobile Systeme in der<br />

Batteriezellenfertigung<br />

SEW-Eurodrive liefert mobile Systeme,<br />

Antriebs- und Steuerungskomponenten<br />

sowie Software aus einer<br />

Hand. Mit dem modularen und innovativen<br />

Technologiebaukasten sowie<br />

jahrzehntelanger Erfahrung in<br />

vielen Industriebranchen bietet der<br />

Bruchsaler Antriebsautomatisierer<br />

innovative, erweiterbare Hard- und<br />

Softwarelösungen mit weltweiter<br />

Verfügbarkeit. Gemeinsam mit dem<br />

Maschinenbauer Tronrud Engineering<br />

installierte SEW-Eurodrive ein<br />

fahrerloses Transportsystem aus<br />

dem Maxolution-Portfolio mobiler<br />

Transport- und Assistenzsysteme<br />

in einer europäischen Fabrik zur<br />

Batteriezellen fertigung.<br />

Die Verwendung der VDA5050-<br />

Schnittstelle ermöglichte es in diesem<br />

Fall, problemlos einen Flottenmanager<br />

eines Drittanbieters zu einzusetzen.<br />

Die Anlage befindet sich derzeit<br />

in der letzten Inbetriebnahmephase.<br />

Eine Erweiterung der FTS-Flotte ist<br />

bereits geplant und steht kurz vor der<br />

Umsetzung. Für den Endkunden ist<br />

die regionale Nähe des Maschinenbauers<br />

Tronrud Engineering von Vorteil,<br />

für beide Unternehmen die Unterstützung<br />

durch die norwegische<br />

Marktorganisation SEW-Eurodrive AS<br />

in Moss sowie die Firmenzentrale in<br />

Bruchsal.<br />

Autor: Gunthart Mau<br />

Referent Fachpresse, SEW-Eurodrive,<br />

Bruchsal<br />

Weitere Informationen:<br />

www.sew-eurodrive.de/<br />

referenz-tronrud<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

45


Produktionsorganisation<br />

Kreislaufwirtschaft<br />

Reparatur statt Neuteil<br />

Ein im RemanLab frisch überholter Motor steht laut Fraunhofer einem Neuteil in nichts nach.<br />

<br />

Bild: Fraunhofer IPA<br />

Pedelecs sind die boomende Cashcow<br />

des Fahrradhandels. Doch die<br />

unterstützenden E-Motoren stellen<br />

im Reparaturfall die eher traditionell<br />

ausgerichteten Werkstätten vor<br />

große logistische Probleme. Für die<br />

Besitzer der ehemals hochpreisigen<br />

Räder wird das sehr teuer. Einen<br />

Lösungsansatz zeigt das Projekt<br />

Reman Lab am Fraunhofer-Institut<br />

in Bayreuth.<br />

Dieses Jahr ist es nach Schätzungen<br />

des ZIV (Zweirad-Industrie-Verband<br />

e.V.) erstmals so weit: Die<br />

Absatzzahlen von Pedelecs (umgangssprachlich<br />

meist als E-Bikes<br />

bezeichnet) übersteigen die der unmotorisierten<br />

herkömmlichen Fahrräder.<br />

Wertmäßig ist das schon<br />

längst passiert. 2022 lag der durchschnittliche<br />

Bruttoverkaufspreis von<br />

E-Bikes über alle Bauformen bei<br />

2.800 Euro, während normale Fahrräder<br />

im Schnitt für schlanke 500<br />

Euro aus dem Fahrradladen rollten.<br />

Maßgeblichen Anteil an den hohen<br />

Kosten der Pedelecs hat unter anderem<br />

auch der um fast 40 Prozent<br />

gegenüber dem Vorjahr gewachsene<br />

Anteil hochpreisiger Lastenfahrräder.<br />

Aber auch 90 Prozent der verkauften<br />

sportiven Mountainbikes<br />

schieben ihre Fahrer und Fahrerinnen<br />

mehr oder weniger wadenschonend<br />

elektrisch die steilen Bergtrails<br />

hinauf.<br />

Besonders erwähnenswert laut ZIV:<br />

Mittlerweile fahren gut 10 Millionen<br />

E-Bikes auf deutschen Straßen <strong>–</strong> und<br />

sie fahren erheblich öfter und mit<br />

etwa 1.500 bis 2.000 Kilometer pro<br />

Jahr auch deutlich weiter als nor male<br />

Fahrräder.<br />

Viel Reparaturpotential <strong>–</strong><br />

wenig Ersatzteile<br />

Unterm Strich zeichnet sich hier ein<br />

großes Potential für Reparaturen<br />

an den Antriebsmotoren der existierenden<br />

und kommenden E-Bike-<br />

Generationen ab.<br />

Ein herkömmlicher<br />

Drahtesel findet bei einem<br />

Schaden am Tretlager oder kaputten<br />

Felgen viel schneller den Weg in die<br />

Schrotttonne als ein urbanes Lifestyleprodukt<br />

von Schindelhauer, Cowboy<br />

oder Babboe. Umso lästiger entpuppt<br />

sich das Problem, einen defekten<br />

Motor zu reparieren. Die Fahrradhersteller<br />

haben naturgemäß eher wenig<br />

Interesse an einer Reparatur ihrer<br />

Produkte. Dies zeigt sich laut Jan<br />

Koller, an oft nur schwer oder gar<br />

nicht erhältlichen Ersatzteilen für Akkus<br />

und vor allem für die Motoren<br />

der Pedelecs.<br />

Koller ist der Gruppenleiter<br />

Effiziente Wertschöpfungssysteme<br />

beim Fraunhofer-Institut<br />

für Produktionstechnik und Automatisierung<br />

IPA in Bayreuth. Er leitet<br />

das Projekt RemanLab, dessen Ziel<br />

die Etablierung eines industriellen<br />

Wieder aufbereitungsprozesses für<br />

Kleinserien von 50 bis 100 Motoren ist.<br />

Das RemanLab ist Teil des übergeordneten<br />

Projekts »AddRE-Mo«.<br />

Gemeinsam mit den Partnern cirp<br />

GmbH, Electric Bike Solutions GmbH<br />

(EBS), dem Trägerverein Umwelttechnologie-Cluster<br />

Bayern e. V. und dem<br />

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt,<br />

Energie gGmbH untersuchten<br />

die Forschenden des Fraunhofer IPA<br />

zunächst die technische Machbarkeit<br />

der Refabrikation von Elektrofahrradmotoren.<br />

Hierbei prüften die<br />

Forschenden den Einsatz additiver<br />

Fertigungsverfahren und geeignete<br />

Kombinationen aus Verfahren und<br />

Werkstoff zur Herstellung langlebiger<br />

und belastbarer Ersatzteile. Laut<br />

Koller stellte sich dabei heraus, dass<br />

gerade bei Zahnrädern das Nachkonstruieren<br />

oftmals einfacher ist als ein<br />

defektes Teil mühsam zu scannen<br />

und die erhaltene Punktewolke für<br />

den Drucker aufzubereiten. Nachgedruckte<br />

Teile wiederum verhalten<br />

sich im Betrieb hinsichtlich der Standfestigkeit<br />

anders als aus dem Vollen<br />

gefrästes oder gegossenes Material.<br />

Laut Koller lösten die die Projektpartner<br />

wie EBS dieses Problem im Zweifelsfall<br />

durch viele Prüfstandläufe,<br />

ergänzt mit ausführlichen Fahrversuchen.<br />

Insgesamt wurden im Rahmen<br />

des Projekts über 120 unterschiedliche<br />

Bauteile aus 20 verschiedenen<br />

Werkstoffen im 3D-Druck hergestellt.<br />

Als besonders vielversprechend erwies<br />

sich das Highspeed-Sintering,<br />

ein spezielles Verfahren zur Herstellung<br />

oder Veränderung von Werkstoffen,<br />

in Kombination mit dem<br />

Kunststoff Polyamid 12.<br />

Doch auch an den sich immer<br />

stärker abzeichnenden Fachkräftemangel<br />

haben die Forschenden<br />

im Visier: Derzeit wird eine KI mit<br />

einer Vielzahl von Fotos der verschiedensten<br />

Motoren aus allen Blickwinkeln<br />

gefüttert. Die KI ist das Kernstück<br />

der ersten Arbeitsstation. In einem<br />

an eine Vitrine erinnernden Schränkchen<br />

wird der aufzubereitende Motor<br />

fotografiert. Die KI erkennt den<br />

genauen Typ des Motors <strong>–</strong> das fehleranfällige<br />

manuelle Einlesen des<br />

46 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Produktionsorganisation<br />

Kreislaufwirtschaft<br />

<strong>GET</strong>: Sind bei Ihren Untersuchungen<br />

der Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

besondere Häufungen gleichartiger<br />

Mängel bei bestimmten Baugruppen<br />

oder bestimmten Herstellern<br />

aufgefallen? Fanden Sie Anzeichen<br />

von geplanter Obsoleszenz?<br />

Abb. 1: 2294: Projektleiter Jan Koller demonstriert den Eingangsscanner der Reparaturstraße.<br />

Eine KI erkennt den eingelegten Motor und bestimmt die zugehörigen Ersatzteilnummern<br />

und Zerlegeschritte.<br />

Bilder 1-6: Holz, <strong>GET</strong><br />

Typschilds durch ungelernte Kräfte<br />

entfällt. Als Fernziel nennt Koller eine<br />

Voraussage der KI anhand des vorliegenden<br />

Verschleiß- und Schadensbildes,<br />

ob sich ein Öffnen und eine<br />

Reparatur überhaupt lohnt.<br />

Neueröffnung der Lernfabrik<br />

RemanLab in Bayreuth<br />

Seit Ende Mai verstetigt jetzt das<br />

RemanLab die gewonnenen Erkenntnisse<br />

des Projektes und macht die<br />

Prozesskette der Wiederaufbereitung<br />

Welche dieser Hersteller haben sie<br />

im Vorfeld geprüft/untersucht? Wie<br />

weit sind diese Motoren proprietär,<br />

also modellspezifisch geformt und<br />

nicht untereinander austauschbar?<br />

Jan Koller: Wir haben Motoren verschiedener<br />

Hersteller untersucht, unter<br />

anderem Bosch, Brose, Yamaha,<br />

Bafang und AEG. Im Forschungsprojekt<br />

haben wir insbesondere den<br />

SGI Climber V2 Nabenmotor und<br />

den BBS01B Mittelmotor betrachtet.<br />

Die Prozesskette im RemanLab ist<br />

Jan Koller: Es hat sich als schwierig<br />

erwiesen, die Ausfallwahrscheinlichkeiten<br />

zu bestimmen, da diese nicht<br />

nur vom Motor selbst, sondern vielen<br />

weiteren Faktoren (Fahrer, Fahrstil,<br />

Laufleistung, Umgebungsbedingungen,<br />

etc.) abhängig sind.<br />

Teilweise haben Motoren gewissermaßen<br />

typische Fehlerbilder, auf<br />

deren Behebung sich zum Teil auch<br />

unabhängige Fahrradwerkstätten<br />

spezialisiert haben. Von geplanter<br />

Obsoleszenz würde ich aber nicht<br />

sprechen. Insgesamt lässt sich sagen,<br />

dass die Elektrofahrradmotoren sich<br />

gut für eine Aufarbeitung anbieten,<br />

da insbesondere Verschleißteile, wie<br />

z. B. Lager oder die Zahnräder getauscht<br />

werden müssen, viele andere<br />

Komponenten jedoch wiederverwendet<br />

werden können (falls kein Wasserschaden<br />

oder ähnliches Problem<br />

bestand).<br />

<strong>GET</strong>: Bieten die Hersteller allgemein<br />

keine Ersatzteile an, oder sind diese<br />

nur aufgrund von einschlägigen<br />

Lieferkettenproblemen der letzten<br />

Jahre schlecht zu bekommen?<br />

Jan Koller: Die meisten Hersteller bieten<br />

Privatpersonen nicht die Möglichkeit,<br />

Ersatzteile zu beziehen. In der<br />

Regel ist nur eine Reparatur bei zertifizierten<br />

Fachwerkstätten möglich.<br />

Abb. 2: Blick auf die Zerlegestation. Hier demontiert ein Mitarbeiter die defekten Motoren<br />

und separiert die Altteile für die Weiterbearbeitung.<br />

direkt erlebbar. Jan Koller begleitete<br />

die Redaktion der <strong>GET</strong> bei einem<br />

Rundgang durch die einzelnen Arbeitsstationen<br />

und stellte sich dabei unseren<br />

zum Teil auch kritischen Fragen.<br />

<strong>GET</strong>: Ein schneller Blick auf die Website<br />

eines großen Fahrradhändlers<br />

offenbart eine Vielzahl von Herstellern<br />

mit jeweils mehreren Produktfamilien<br />

und Baujahrvarianten.<br />

aktuell auf den Bosch Active/Perfomance<br />

Line der zweiten Genera tion<br />

ausgelegt.<br />

Die Aufnahmen der Mittelmotoren<br />

im Rahmen sind in der Regel<br />

abhängig vom jeweiligen Mittelmotor,<br />

daher können Motoren in der Regel<br />

nicht ohne weiteres untereinander<br />

ausgetauscht werden. Das ist ein<br />

großes Problem, dass wir auch in unserer<br />

Studie adressieren.<br />

<strong>GET</strong>: Sie haben zusammen mit Ihren<br />

Projektpartnern cirp und Electric<br />

Bike Solutions (EBS) selbstproduzierte<br />

Ersatzteile in eigens entwickelten<br />

Prüfständen und unter<br />

realen Belastungen auf Lebensdauer,<br />

Geräuschentwicklung und<br />

Temperaturbeständigkeit geprüft.<br />

Warum fertigen Sie nicht erhältliche<br />

Ersatzteile per Highspeed-Sintering<br />

aus Polyamid 12 und nicht aus den<br />

originalen Werkstoffen an?<br />

Jan Koller: Ziel im Forschungsprojekt<br />

war die additive Fertigung der<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

47


Produktionsorganisation<br />

Kreislaufwirtschaft<br />

Abb. 3: Die Zahnräder aus Fraunhofer-<br />

Eigenfertigung sind mindestens so haltbar<br />

wie die oft nicht erhältlichen Originalteile <strong>–</strong><br />

das mussten die Teile in vielen Tests und<br />

Fahrversuchen beweisen.<br />

Ersatzteile für den Aufarbeitungsprozess.<br />

Aufgrund der unterschiedlichen<br />

Geometrien der Zahnräder haben<br />

sich dies besonders gut geeignet. Die<br />

originalen Werkstoffe sind nicht immer<br />

für die additiven Fertigungsanlagen<br />

verfügbar und für diese ggf.<br />

auch nicht geeignet. Letztlich haben<br />

wir verschiedene Kombinationen untersucht,<br />

um die geeignetste zu identifizieren.<br />

<strong>GET</strong>: Erneuern sie nur die sichtbar<br />

defekten Teile, oder auch prophylaktisch<br />

andere Bauelemente, die<br />

Ihnen bei dem jeweiligen Motormodell<br />

auch als häufiger Ausfallgrund<br />

bekannt sind?<br />

Jan Koller: Es werden auch vorsorglich<br />

weitere Bauteile getauscht, wie<br />

z. B. die verbauten Lager, Dichtungen<br />

und andere Kleinteile. Schäden an<br />

den elektronischen Platinen beheben<br />

Abb. 4: Das Wiederaufbereiten ist in der<br />

Automobilindustrie schon seit langem gängig<br />

und schont die finanziellen Ressourcen<br />

der Autofahrer und Rohstoffe der Umwelt.<br />

wir nicht, der betreffende Motor wird<br />

aussortiert.<br />

<strong>GET</strong>: Die verbesserten Garantieverpflichtungen<br />

seitens der EU<br />

hatten zur Folge, dass Werkstätten<br />

lieber komplette Baugruppen durch<br />

Neuteile ersetzen, anstatt sie zu<br />

reparieren. So gehen sie eventuellen<br />

Reklamationsklagen von<br />

Endkunden vor Gericht aus dem<br />

Weg. Wie sichern Sie Sich und die<br />

einbauenden Werkstätten gegen<br />

Klagen dieser Art ab?<br />

Jan Koller: Zunächst bieten wir keine<br />

aufgearbeiteten Elektrofahrradmotoren<br />

zum Kauf an. Darüber hinaus<br />

unterscheidet sich hier die Aufarbeitung<br />

von der klassischen Reparatur.<br />

Statt einen einzelnen Defekt<br />

eines individuellen Motors zu<br />

beheben, werden die Motoren komplett<br />

demontiert, gereinigt, die Bauteile<br />

auf ihre Eignung für eine Wiederverwendbarkeit<br />

untersucht und ggf.<br />

Neuteile verwendet und schließlich<br />

aus den gewonnenen Komponenten<br />

neue Motoren aufgebaut. Anschließend<br />

erfolgen entsprechende Qualitätsprüfungen.<br />

Dadurch entsteht ein<br />

Neuprodukt, dass mindestens die<br />

Funktionalität und Leistungs fähigkeit<br />

des ursprünglichen Produkts aufweist<br />

und mit einer marktüblichen<br />

Gewährleistung versehen wird.<br />

<strong>GET</strong>: Wie kommen sie an die für<br />

einen wirtschaftlichen Betrieb nötigen<br />

Stückzahlen? Wie viele wären<br />

das pro Reparaturserie? Reparieren<br />

Sie auf Vorrat, oder liegt ein<br />

Reparaturauftrag erst mal so lange,<br />

bis eine bestimmte Menge zusammengekommen<br />

ist? Im ersten Fall<br />

können Sie einen Kunden sofort mit<br />

einem Tauschteil helfen, im zweiten<br />

Fall bekommt er seinen eigenen<br />

Motor, aber unter Umständen<br />

erst nach Wochen oder Monaten<br />

zurück? Glauben Sie, dass ein<br />

potenzieller Kunde länger als eine<br />

Woche auf sein Ersatzteil warten<br />

will/kann?<br />

Jan Koller: In unserem RemanLab zeigen<br />

wir aktuell die technische Machbarkeit.<br />

Zukünftig gehe ich davon aus,<br />

dass die Motorenhersteller selbst in<br />

das Remanufacturing der Motoren<br />

einsteigen werden und dabei die gebrauchten<br />

Motoren einsammeln und<br />

aufgearbeitete/neue Motoren zur<br />

Verfügung stellen, um die Wartezeit<br />

auf ein Minimum zu reduzieren. Ich<br />

kann mir auch vorstellen, dass zukünftig<br />

Fahrräder bewusst mit aufgearbeitetem<br />

Motor zu einem günstigeren<br />

Preis verkauft werden.<br />

<strong>GET</strong>: Reparieren Sie auch weitere<br />

Baugruppen wie Akkus und Leistungselektroniken<br />

bzw. Bedienelemente?<br />

Jan Koller: Akkumulatoren betrachten<br />

wir im RemanLab nicht, allerdings<br />

betrachtet der ebenfalls in unserem<br />

Gebäude ansässige Lehrstuhl<br />

Umweltgerechte<br />

Produktionstechnik<br />

der Universität Bayreuth die Aufarbeitung<br />

von Batteriesystemen aus<br />

Elektro fahrzeugen im eigens dafür<br />

vorgesehenen Hochvoltlabor.<br />

Abb. 5: Das charakteristische Fraunhofergrün<br />

verrät die Herkunft des aufgearbeiteten<br />

Motors. Bis auf die Pulverlackierung<br />

erledigt das RemanLab alle Arbeitsschritte<br />

inklusive Sandstrahlen der Gehäuse selbst.<br />

Weiterführende Links:<br />

- www.addre-mo.de/<br />

- www.prozessinnovation.fraunhofer.<br />

de/de/effizientewertschoepfungssysteme/<br />

geschaeftsfeldentwicklungremanufacturing.html<br />

48 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energieversorgung<br />

Haustechnik<br />

Kaltgestellt<br />

Luft- und Sole-Wasser-Wärmepumpen eignen sich auch<br />

zum Kühlen: Eine Kühllastberechnung ist dabei Grundlage<br />

für einen effizienten Betrieb<br />

Hans-Jörg Risse<br />

Sole-Wasser-Wärmepumpen oder<br />

reversible Luft-Wasser-Wärmepumpen<br />

haben vielen anderen Wärmeerzeugern<br />

eines voraus: Sie liefern<br />

nicht nur Wärme, sondern lassen<br />

sich an heißen Tagen auch zum<br />

Kühlen nutzen. Angesichts weltweit<br />

steigender Temperaturen ist das<br />

in vielen Gegenden ein Vorteil <strong>–</strong> im<br />

gut gedämmten Neubau mit Fußbodenheizung<br />

kann die Wärmepumpe<br />

eine Alternative zur Klimaanlage<br />

sein und den Wohnkomfort im Sommer<br />

erhöhen. Nicht jede Wärmepumpe<br />

eignet sich zum Kühlen, das<br />

ist in der Endkunden beratung zu berücksichtigen:<br />

Geeignet sind reversible<br />

Luft-Wasser-Wärmepumpen<br />

oder Sole-Wasser-Wärmepumpen<br />

mit einer passiven Kühlstation.<br />

Der Wärmepumpen-Prozess, der im<br />

Normalbetrieb für Wärme im Haus<br />

sorgt, läuft im Kühlbetrieb in umgekehrter<br />

Richtung und ermöglicht so<br />

die Kühlung der Immobilie <strong>–</strong> Ausnahme:<br />

beim Betrieb mit einer passiven<br />

Kühlstation läuft der Kompressor der<br />

Wärmepumpe nicht, hier wird die<br />

Kälte aus der Erdsonde an das Heizwasser<br />

übergeben. Planer und Fachhandwerker<br />

sollten den Kühlbetrieb<br />

bereits bei der Auslegung berücksichtigen,<br />

damit dieser später effizient<br />

und zur Zufriedenheit der Bewohner<br />

abläuft. Die Berechnung der Kühllast<br />

ist hierfür wesentlich <strong>–</strong> dabei handelt<br />

es sich um die aus einem Raum abzuführende<br />

Wärmelast, mit dem Ziel,<br />

eine vorgegebene Raumlufttemperatur<br />

zu erreichen. Aufgeteilt wird die<br />

Kühllast wiederum in äußere und innere<br />

Kühllasten. Äußere Kühllasten<br />

bringen durch Sonneneinstrahlung<br />

und warme Außenluft Energie ins<br />

Gebäude und heizen es dadurch auf<br />

<strong>–</strong> etwa über Außenwände, Dächer,<br />

Fenster und Fugen. Innere Kühllasten<br />

entstehen im Raum oder Gebäude<br />

und führen ebenfalls zu dessen Erwärmung.<br />

Dazu tragen beispielweise<br />

die Wärmeabgabe durch Personen,<br />

Beleuchtung, Technik oder Nachbarräume<br />

bei.<br />

Welche Wärmepumpe wie kühlt<br />

Grundsätzlich gibt es mehrere Kühlbetriebsarten.<br />

Um diese zu beschreiben,<br />

werden die Wärmepumpenseite,<br />

die Abnehmerseite und der<br />

Taupunkt betrachtet. Die Begriffe<br />

„aktive“ und „passive“ Kühlung geben<br />

an, ob der Wärmepumpenkompressor<br />

zur Kühlung ein- oder ausgeschaltet<br />

ist. Die Begriffe „dynamische“<br />

und „stille“ Kühlung legen fest, ob<br />

mit Gebläseunterstützung und Taupunktunterschreitung<br />

(beispielsweise<br />

Gebläse konvektoren) oder über<br />

ein Flächensystem oberhalb des<br />

Taupunkts (zum Beispiel Fußbodenheizung)<br />

gekühlt wird.<br />

Aktive Kühlung vorrangig mit<br />

Luft-Wasser-Wärmepumpen<br />

Reversible Wärmepumpen eignen<br />

sich für die aktive Kühlung, in der Regel<br />

werden Luft-Wasser-Wärmepumpen<br />

dafür eingesetzt. Beim aktiven Kühlen<br />

wird über ein internes 4-Wege-Ventil<br />

und ein zusätzliches Expansionsventil<br />

der Kältekreis umgekehrt, der Verflüssiger<br />

wird zum Ver dampfer, das<br />

heißt, das Kältemittel verdampft im<br />

Verflüssiger. Der Kompressor arbeitet<br />

also aktiv, um das Heizwasser abzukühlen.<br />

Auf diese Weise wird dem<br />

Raum Wärme entzogen, diese wird<br />

auf das Kältemittel übertragen und<br />

schließlich in die Außenluft abgegeben.<br />

Bei hohen Temperaturen ist die<br />

aktive Kühlung gegenüber der passiven<br />

Kühlung im Vorteil, sie kühlt<br />

schneller und spürbarer <strong>–</strong> das braucht<br />

jedoch Strom und kann die Betriebskosten<br />

erhöhen. Von Vorteil ist dann<br />

eine Photo voltaikanlage: Sie liefert<br />

gerade im Sommer viel Strom, wenn<br />

auch die Kühlung gewünscht ist, was<br />

die Kosten wiederum deutlich senken<br />

kann.<br />

Passive Kühlung bei Sole-Wasser-<br />

Wärmepumpen<br />

Die passive Kühlung kommt in der<br />

Regel bei Sole-Wasser- oder Wasser-<br />

Wasser-Wärmepumpen zum Einsatz.<br />

Abb. 1: Eine reversible Luft- oder Sole-Wasser-Wärmepumpe sorgt ganzjährig für angenehme<br />

Raumtemperaturen <strong>–</strong> im Winter und auch im Sommer.<br />

Alle Bilder: Buderus<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

49


Energieversorgung<br />

Haustechnik<br />

Abb. 2: Beispiel für eine passive Kühlung über die Fußbodenheizung mit Sole-Wasser-<br />

Wärmepumpe und einer passiven Kühlstation.<br />

[1] Wärmepumpe<br />

[2] Passive Kühlstation<br />

[3] Verteiler Fußbodenheizung<br />

[4] Reglerverteiler<br />

Über einen Wärmetauscher wird<br />

die Wärme über Erdsonden ins Erdreich<br />

transportiert, das im Sommer<br />

kühler ist als die Außentemperatur.<br />

In den Solekreis der Wärmepumpe<br />

wird eine passive Kühlstation wie<br />

die Logatherm PKSt-1 oder PKS9 von<br />

Buderus installiert. Sie besteht aus<br />

einem Wärme tauscher, einer Pumpe<br />

und einem Mischer (PSK9 mit zwei<br />

Mischern, ohne Pumpe). Ein Vorteil:<br />

Weil der Verdichter der Wärmepumpe<br />

bei der passiven Kühlung nicht<br />

arbeiten muss, sinken die Stromkosten.<br />

Lediglich die Umwälz pumpen<br />

im Quellen- und Heizkreis sind in Betrieb.<br />

Der Kompressor lässt sich somit<br />

während des Kühlbetriebs zur<br />

Warmwasserbereitung nutzen. Als<br />

Senke dient das Erdreich oder das<br />

Grundwasser, die Erdbohrung liefert<br />

die benötigten tiefen Temperaturen.<br />

Flächenkollektoren dagegen<br />

sind als Erdwärmetauscher für diese<br />

Kühl betriebsart nicht geeignet: Sie<br />

liegen so nah an der Erdoberfläche,<br />

dass ihre Temperaturen im Sommer<br />

für eine Kühlung zu hoch sind. Der<br />

zusätzliche Wärmeeintrag würde zudem<br />

das Erdreich um den Kollektor<br />

austrocknen und zu einem verminderten<br />

Wärmeübergang zwischen<br />

Erdreich und Kollektor führen.<br />

Die Raumtemperaturen lassen<br />

sich mit der passiven Kühlung über<br />

[5] Bedieneinheit RC100.2H<br />

[6] Einzelraumregler<br />

[7] Fußbodenheizung<br />

Fußbodenheizung oder andere Heizflächen,<br />

beispielsweise Wand- oder<br />

Deckenheizsysteme, etwa um drei bis<br />

fünf Grad Celsius senken. Bei kühlen<br />

Wänden ist allerdings zu bedenken,<br />

dass diese die Behaglichkeit auch<br />

mindern können. Klassische Radiatoren<br />

eignen sich nicht, weil ihre Oberfläche<br />

zu gering ist, um die Raumluft<br />

darüber merkbar abzukühlen. Hinzu<br />

kommt: Herkömmliche Radiatoren<br />

sind für Kühlzwecke ungeeignet,<br />

weil die Luftfeuchtigkeit an der kühlen<br />

Radiatoroberfläche kondensieren<br />

könnte. Die Feuchtigkeit führt zu Korrosion<br />

der Metallober fläche, zudem<br />

kann sie abtropfen und so Feuchteschäden<br />

am Bodenbelag verursachen.<br />

Die passive Kühlung über Sole<br />

ist nicht so leistungsfähig wie die Kühlung<br />

über eine Klima anlage oder über<br />

Kaltwassersätze, es findet auch keine<br />

(beziehungsweise nur eine geringe)<br />

Luftentfeuchtung statt.<br />

Dynamische Kühlung<br />

Bei der dynamischen Kühlung wird<br />

bewusst der Taupunkt unterschritten,<br />

um hohe Kälteleistungen zu erreichen.<br />

Dabei wird die Raumluft<br />

über einen Wärmetauscher geführt,<br />

etwa über einen Gebläsekonvektor.<br />

Gleichzeitig kann die Raumluft entfeuchtet<br />

werden. Für die Entfeuchtung<br />

benötigen die Gebläsekonvektoren<br />

einen Kondensatablauf. Für<br />

die dynamische Kühlung sind nur<br />

Pufferspeicher mit einer dampfdiffusionsdichten<br />

Isolierung geeignet.<br />

Alle Rohrleitungen, Umwälzpumpen,<br />

Ventilkörper und Isolierungen, die für<br />

diese Kühlbetriebsart genutzt werden,<br />

müssen zum Schutz vor Korrosion<br />

ebenfalls mit einer dampfdiffusionsdichten<br />

Isolierung gedämmt sein.<br />

Dabei ist grundsätzlich wichtig, dass<br />

die Oberfläche des Bauteils, das mit<br />

kühlem Wasser durchströmt wird,<br />

nicht an der Oberfläche kondensiert.<br />

Als Richtwert haben sich Mediumtemperaturen<br />

zwischen 17 °C und<br />

18 °C etabliert, bei denen keine Kondensation<br />

an der Oberfläche stattfindet.<br />

Die Kühltemperatur liegt somit<br />

oberhalb des Taupunktes und<br />

es sind keine Feuchteschäden zu befürchten.<br />

Kühlt man unterhalb von<br />

17 °C oder die Luft hat bereits einen<br />

hohen relativen Feuchtegehalt, findet<br />

Kondensation statt. Außerdem<br />

ist darauf zu achten, dass Sole-Wasser-Wärmepumpen<br />

nur bedingt für<br />

die dynamische Kühlung geeignet<br />

sind, weil sich die Quellentemperatur<br />

während des Kühlbetriebs verändert.<br />

Für diese Kühlart empfiehlt sich<br />

deshalb eine reversible Luft-Wasser-<br />

Wärmepumpe.<br />

Stille Kühlung<br />

Bei der stillen Kühlung liegt die Kühlmitteltemperatur<br />

oberhalb des Taupunkts.<br />

Boden-, Decken- oder Wandflächen<br />

nehmen die Wärme des<br />

Raumes auf und übertragen sie auf<br />

das Heizwasser. Um den Taupunkt<br />

nicht zu unterschreiten, wird die Vorlauftemperatur<br />

höher angesetzt als<br />

bei der dynamischen Kühlung. Der<br />

Taupunkt muss dabei von der Regelung<br />

der Wärmepumpe überwacht<br />

werden: Wird er unterschritten, kondensiert<br />

die Feuchtigkeit der Raumluft<br />

auf dem Fußboden, wenn eine<br />

Fußbodenheizung zur Kühlung genutzt<br />

wird. Überwachen lässt er sich<br />

beispielsweise über eine im Referenzraum<br />

installierte Fernbedienung oder<br />

Raumklimastation. Die Raumklimastation<br />

hält die Vorlauftemperatur<br />

auf einer Stufe, bei der sich keine Kondensation<br />

bildet. Feuchte- und Tem-<br />

50 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energieversorgung<br />

Haustechnik<br />

Schritt 1:<br />

Sonneneinstrahlung berechnen<br />

Im ersten Schritt bestimmt der Anwender die Ausrichtung der einzelnen<br />

Fenster und Türen. Aus der Tabelle lässt sich, abhängig von<br />

der Verglasung, die durch Sonneneinstrahlung eingebrachte zugehörige<br />

Leistung in W/m² ablesen. Bei Bedarf wird mit einem Minderungsfaktor<br />

Sonnenschutz multipliziert, es ergibt sich die spezifische<br />

Kühllast. Diese wird im letzten Schritt mit der jeweiligen Fensterfläche<br />

in Quadrat metern multipliziert. Die einzelnen Beträge werden zur<br />

Summe addiert.<br />

Abb. 4: Bestimmung der Sonneneinstrahlung durch Fenster und Außentüren in W/m².<br />

Abb. 3: Hydraulikbeispiel: Übersicht der Komponenten zur Kühlung bei einer<br />

Sole-Wasser-Wärmepumpenanlage.<br />

peraturfühler melden problematische Werte an die Wärmepumpenregelung,<br />

so dass das System die Kühlung rechtzeitig reduziert oder<br />

deaktiviert, bevor der Taupunkt unterschritten wird. Die übertragbare<br />

Kühlleistung ist bei der stillen Kühlung geringer als bei der aktiven<br />

Kühlung über Gebläsekonvektoren.<br />

Schritt 2:<br />

Wände, Boden und Decke berücksichtigen<br />

Die Kühllast der Außenwände wird vergleichbar zu Schritt 1 bestimmt,<br />

für Innenwände und Fußboden zu nicht klimatisierten Räumen ist<br />

ebenfalls ein Faktor angegeben. Für die Decke stehen auch Auswahlmöglichkeiten<br />

bereit, berücksichtigt wird darin unter anderem eine<br />

mögliche Dämmung und die Form des Daches. Die bereits erfassten<br />

Fenster- und Türöffnungen bleiben in diesem Schritt außen vor.<br />

Kühlung über die Fußbodenheizung<br />

Beim Kühlbetrieb mit einer Fußbodenheizung sollte die Oberflächentemperatur<br />

der Fußbodenheizung 20 °C nicht unterschreiten. Um die<br />

Tauwasserbildung zu vermeiden, müssen die Grenzwerte der Oberflächentemperatur<br />

beachtet werden. Um den Taupunkt zu erfassen,<br />

können Fachhandwerker beispielsweise in den Vorlauf der Fußbodenheizung<br />

einen Taupunktfühler einbauen. Dadurch lässt sich die<br />

Kondensatbildung, auch bei kurzfristig auftretenden Wetterschwankungen,<br />

verhindern. Die Mindestvorlauftemperatur für die Kühlung<br />

mit Fußbodenheizung und die Mindestoberflächentemperatur sind<br />

abhängig von den jeweiligen klimatischen Verhältnissen im Raum<br />

(Lufttemperatur und relative Luftfeuchte).<br />

Kühllast ermitteln<br />

SHK-Fachhandwerker und Planer können die Kühllast gemäß VDI 2078<br />

genau berechnen <strong>–</strong> alternativ bieten manche Hersteller Formblätter<br />

zur überschlägigen Berechnung an: Buderus liefert in den Planungsunterlagen<br />

für seine Luft- und Sole-Wasser-Wärmepumpen einen Vordruck<br />

mit, der sich einfach ausfüllen lässt. Angelehnt an VDI 2078 berücksichtigt<br />

die Berechnung Sonneneinstrahlung durch Fenster und<br />

Außentüren; Wände, Boden und Decke; in Betrieb befindliche elektrische<br />

Geräte sowie die Wärmeabgabe durch Personen. Aus den einzelnen<br />

Kühllasten ergibt sich die gesamte Kühllast in Watt.<br />

Abb. 5: Im zweiten Schritt werden die Kühllasten von Wänden,<br />

Boden und Decke berechnet.<br />

Schritt 3:<br />

Elektrische Geräte einbeziehen<br />

Mit einem pauschalen Minderungsfaktor von 0,75 lassen sich in Betrieb<br />

befindliche elektrische Geräte in der Berechnung berücksichtigen.<br />

Abb. 6: Elektrische Geräte erzeugen Wärme, wenn sie in Betrieb sind.<br />

Auch das beeinflusst die Kühllast.<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong> 51


Energieversorgung<br />

Haustechnik<br />

Schritt 4:<br />

Wärmeabgabe durch Personen erfassen<br />

Halten sich regelmäßig Personen im zu kühlenden Raum auf, beeinflusst<br />

das ebenfalls die Raumtemperatur. Nach VDI-Richtlinie 2078 gibt<br />

eine Person bei einer Umgebungstemperatur von 20 bis <strong>23</strong>°C etwa 120<br />

Watt Wärme ab. Angenommen wird hier eine körperlich nicht tätige bis<br />

leichte Arbeit. In großen Büros kann der Einfluss durch viele Personen<br />

entsprechend höher sein.<br />

Ebenfalls zu berücksichtigen sind Sperrzeiten des Energieversorgers<br />

und die Betriebsweise (monoenergetisch oder bivalent). Für eine<br />

erste Einschätzung und als Hilfsmittel bei der Auslegung können sowohl<br />

Fach- als auch Endkunden ein Wärmepumpen-Planungstool verwenden,<br />

Buderus bietet dies an unter www.buderus-logatherm.de.<br />

Hier werden anhand von Heizlast, Energiebedarf für Warmwasser,<br />

Norm außentemperatur und weiteren Angaben geeignete Wärmepumpen<br />

ermittelt. Ein Expertenmodus bietet zudem die Möglichkeit,<br />

als erfahrener Anwender eine Anlage mit aufeinander abgestimmten<br />

Komponenten zu konfigurieren. Die Kühllast ist ergänzend zu berücksichtigen.<br />

Abb. 7: Menschen geben Wärme ab, bei leichten Tätigkeiten lässt sich mit einem<br />

Pauschalwert von 120 Watt pro Person rechnen.<br />

Schritt 5:<br />

Summe Kühllast in der Auslegung berücksichtigen<br />

Zu guter Letzt werden die ermittelten einzelnen Kühllasten summiert,<br />

das Ergebnis ist die gesamte Kühllast in Watt. Dieser Wert ist einer von<br />

mehreren, die für die Auslegung einer Wärmepumpe relevant sind, die<br />

außer der Wärmeerzeugung auch kühlen soll.<br />

Fazit<br />

Kühlen mit der Wärmepumpe erhöht den Wohnkomfort an heißen<br />

Tagen. Technische Voraussetzungen dafür sind außer der geeigneten<br />

Wärmepumpe und einer Fußbodenheizung <strong>–</strong> oder Gebläsekonvektoren<br />

<strong>–</strong> zusätzliche Systemkomponenten zur Kühlung. Investieren<br />

Planer oder Fachhandwerker bei der Wärmepumpenauslegung<br />

etwas Zeit in eine sorgfältige Kühllastberechnung und wird der Taupunkt<br />

durch die Wärmepumpenregelung überwacht, steht einer effizienten<br />

Kühl funktion und Temperierung nichts mehr im Wege.<br />

Abb. 8: Die ermittelten Summen der Positionen Sonneneinstrahlung, Wände/Boden/Decke,<br />

elektrische Geräte und Personen ergeben die gesamte Kühllast.<br />

Um die optimale Leistungsgröße der Wärmepumpe zu ermitteln, wird<br />

der Energiebedarf berechnet für<br />

• Heizung <strong>–</strong> per Faustformel (m 2 x W/m 2 ) oder DIN EN 12831<br />

• Warmwasser <strong>–</strong> per Faustformel (Anzahl Personen x 0,2 kW =<br />

Aufschlag auf die Gebäudeheizlast) oder DIN 4708<br />

• Kühlung <strong>–</strong> per Formblatt oder VDI 2078<br />

Autor: Hans-Jörg Risse<br />

Produktmanager Sales Technical Support Wärme- und Kälteerzeuger,<br />

Buderus Deutschland<br />

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Energieversorgung<br />

Haustechnik<br />

Eine Photovoltaikanlage mit 98 kWp liefert grünen Strom für die Elektrolyseure der Multi-Picea-Anlage der Firma Küpper. Der erzeugte Wasserstoff<br />

lagert bis zum Winter im Flaschenlager (links) direkt neben dem Gebäude. <br />

Bild: Küpper<br />

Langzeit-Stromspeicher mit<br />

grünem Wasserstoff<br />

Effiziente und CO 2<br />

-freie Eigenversorgung per Sonnenenergie<br />

Der Kampf um die Energiewende<br />

ist und bleibt ein knappes Rennen.<br />

Umso stärker schlug die Nachricht<br />

im vergangenen Jahr ein: Der deutsche<br />

Gebäudesektor verfehlte die<br />

gesetzten Klimaschutzziele erneut.<br />

Und das trotz einer vergleichsweise<br />

milden Witterung und einem rückläufigen<br />

Erdgasverbrauch. Dabei<br />

hängt der Erfolg der Energiewende<br />

maßgeblich von der Entwicklung in<br />

diesem Sektor ab. Mit einem Anteil<br />

von etwa 40 Prozent sind Gebäude<br />

der Bereich mit den meisten CO 2 -<br />

Emissionen in Deutschland. Energieeinsparungen<br />

im Gebäudesektor<br />

rücken somit noch stärker in den Fokus.<br />

Die Ziele sind ambitioniert: Die<br />

Klimaschutzgesetz-Novelle sieht für<br />

die Jahre zwischen 2021 und 2030<br />

eine Minderung der jährlichen CO 2 -<br />

Emissionen von knapp 120 Mio. Tonnen<br />

auf 67 Mio. Tonnen vor. Zugleich<br />

haben der Überfall auf die Ukraine<br />

und die Abhängigkeit Deutschlands<br />

von russischem Erdgas gezeigt, wie<br />

verletzlich das Energiesystem hierzulande<br />

ist. An einer noch effizienteren<br />

Nutzung von Ener gien gerade<br />

in Gebäuden führt somit kein<br />

Weg vorbei. Auf dem Spiel steht<br />

nicht nur die Klimaneutralität, sondern<br />

auch eine sichere Energieversorgung<br />

in Deutschland. Dieser Weg<br />

jedoch lässt sich nur durch Innovationen<br />

gehen. Bestes Beispiel hierfür<br />

sind Langzeit-Strom speicher.<br />

Mit ihnen erhält jeder Einzelne die<br />

Chance, seinen ganz persönlichen Beitrag<br />

zu leisten, um die Energiewende<br />

dezentral voranzutreiben. Privatpersonen<br />

wie Unternehmen haben gleichermaßen<br />

die Wahl, in die CO 2 -freie<br />

Eigenversorgung zu investieren und<br />

gezielt die Kraft der Sonne sowie das<br />

Potential aus grünem Wasserstoff zu<br />

nutzen. Mit picea etwa, dem weltweit<br />

ersten Ganzjahres-Stromspeicher für<br />

Gebäude, lässt sich in Kombination<br />

mit einer Photovoltaik-Anlage eine<br />

größtmögliche Unabhängig keit vom<br />

Stromnetz erreichen und CO 2 -Emissionen<br />

vermeiden. Zudem ermöglicht<br />

der Ganzjahres-Stromspeicher die<br />

Speicherung überschüssigen Solarstroms<br />

aus dem Sommer und dessen<br />

Nutzung im Winter.<br />

Saisonale Stromspeicherung<br />

schafft den Durchbruch<br />

Doch wie funktioniert diese saisonale<br />

Stromspeicherung eigentlich?<br />

Der Ganzjahres-Stromspeicher picea<br />

verfügt über zwei Speicherkomponenten:<br />

einen Langzeit-Wasserstoffspeicher<br />

und einen klassischen<br />

Batteriespeicher für die kurzfristige<br />

Speicherung von Sonnenenergie.<br />

Mit der Kombination dieser beiden<br />

Speicher macht picea den Ertrag<br />

der Photo voltaik-Anlage ganzjährig<br />

verfügbar. An sonnenreichen Tagen<br />

erfolgt zunächst die Speicherung<br />

überschüssigen Solarstroms im<br />

Batterie speicher. Das picea-System<br />

wandelt den Gleichstrom vom Dach<br />

oder Batterie in gängigen Wechselstrom.<br />

Mit dieser Energie lässt sich<br />

der Strombedarf eines Hauses für<br />

wenige Tage decken. In der dunklen<br />

Winterzeit hingegen reicht die in der<br />

Batterie gespeicherte und von der<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

53


Energieversorgung<br />

Haustechnik<br />

Abb. 1: Die kompakte Energiezentrale picea enthält Speicherbatterie, Wechselrichter, Brennstoffzelle<br />

und Elektrolyseur.<br />

Bild: HPS/PhillipBoegl<br />

picea bietet eine hundertfach höhere<br />

Speicherkapazität <strong>–</strong> und das ohne<br />

große Speicherverluste über den gesamten<br />

saisonalen Speicherzyklus.<br />

Das System ist durch die Nutzung von<br />

Strom und Wärme hocheffizient und<br />

erreicht durch die Nutzung der Abwärme<br />

einen Gesamtnutzungsgrad<br />

von rund 90 Prozent.<br />

picea besteht aus zwei Einheiten,<br />

der Energiezentrale und dem Wasserstoffspeicher.<br />

Die Energiezentrale<br />

kommt mit einer Fläche von gerade<br />

einmal rund 1,5 m 2 im Haus aus.<br />

Sie enthält eine Batterie als Kurzzeitspeicher<br />

inklusive Laderegler,<br />

eine Brennstoffzelle, einen Elektrolyseur,<br />

ein Lüftungsgerät, einen Wechselrichter<br />

und das Energiemanagement.<br />

Der Wasserstoffspeicher mit<br />

integrier tem Verdichter, der den grünen<br />

Wasserstoff auf 300 bar komprimiert,<br />

steht als zweite Einheit außerhalb<br />

des Hauses und benötigt rund<br />

3 m 2 Platz. Er dient der saisonalen<br />

Langzeitspeicherung der Solarenergie<br />

mit einer Kapazität von mindestens<br />

300 Kilowattstunden elektrisch<br />

(kWh el). Die Speichereinheiten lassen<br />

sich auf eine elektrische Gesamtkapazität<br />

bis zu 1.500 kWh el modular<br />

erweitern. Durch den Einsatz von<br />

picea vermeidet ein Haushalt jährlich<br />

etwa drei Tonnen CO 2 -Emissionen.<br />

Das entspricht einer Menge des<br />

Treib hausgases, die jährlich von rund<br />

130 Fichten gebunden wird.<br />

PV-Anlage erzeugte Energie nicht für<br />

die Stromversorgung eines Hauses<br />

aus.<br />

Für das Schließen dieser „Winterstromlücke“<br />

ist das Herzstück von<br />

picea zuständig: der Langzeit-<br />

Wasserstoffspeicher. Sobald die Batterie<br />

vollständig geladen ist, erfolgt<br />

durch einen Elektrolyseur die Umwandlung<br />

weiterer überschüssiger<br />

Energie in grünen Wasserstoff und<br />

dessen Speicherung. Diese Energie ist<br />

dann in der dunkleren Jahreszeit wieder<br />

abrufbar. Die integrierte Brennstoffzelle<br />

wandelt die in Wasserstoff<br />

gespeicherte Energie bei Bedarf wieder<br />

in Strom und Wärme um. Der Vorteil<br />

von Wasserstoffspeicherung im<br />

Vergleich zu marktgängigen Batterien:<br />

Modularität vereinfacht<br />

Service und Wartung<br />

Das Design der picea basiert auf<br />

einem modularen Aufbau. Der Vorteil:<br />

Die einzelnen Komponenten passen<br />

durch jede Kellertür und finden<br />

in der Regel Platz auf allen Fluren im<br />

Haus. Dies ermöglicht die Installation<br />

in fast jedem Neu- und Bestandsbau.<br />

Mit dem modularen Prinzip lassen<br />

sich Service und Wartung einfach<br />

und schnell gestalten. Rohre, Leitungen<br />

und Schnittstellen sind größtenteils<br />

standardisiert. Die Anschlüsse<br />

für die Photovoltaik, Ab-, Außen-,<br />

Fort- sowie Zuluft und hydrau lische<br />

Anschlüsse befinden sie sich auf der<br />

Oberseite. Dadurch ist kein Zugang<br />

von den Seiten notwendig. picea besitzt,<br />

ähnlich wie bei einer Wärmepumpe,<br />

Schnittstellen für die Medien<br />

Luft, Wasser und Strom. Betriebe mit<br />

Erfahrungen bei der Installation und<br />

Wartung von Wärmepumpen sind<br />

zugleich auch für die Installation und<br />

Wartung einer picea prädestiniert.<br />

Die Wartung findet in regelmäßigen<br />

Abständen statt.<br />

Einfacher Überblick in der App<br />

Abb.2: Die Kompaktverdichtereinheit (Bildmitte) erzeugt bis zu 300 bar Druck und pumpt<br />

den erzeugten Wasserstoff in die modularen Druckgasflaschenbündel. Hier hat der Anlagenbesitzer<br />

noch zusätzlich in ein zweites Flaschenbündel investiert, um die Lagermenge zu steigern.<br />

Der Platzbedarf ist dennoch gering.<br />

Bild: HPS/PhillipBoegl<br />

Zusätzlich ermöglicht eine App den<br />

Kunden, sich einen einfachen Überblick<br />

über die jeweiligen Systemdaten<br />

von picea zu verschaffen. Nutzer<br />

haben somit die jeweils aktuelle<br />

Energie produktion sowie Speicherstände<br />

und die Funktionalität der<br />

Komponenten kontinuierlich im Blick.<br />

54 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energieversorgung<br />

Haustechnik<br />

Abb. 3: Fünf Picea wurden zu einer Multipicea zusammengeschaltet. <br />

Bild: Küpper<br />

Emissionsfreie Wärme durch<br />

Kombination von Wärmepumpe<br />

und picea<br />

picea dient allerdings nicht nur der<br />

Stromspeicherung, sondern bildet<br />

in Kombination mit einer Wärmepumpe<br />

und Photovoltaik-Anlage ein<br />

„Dreamteam“ der Energiewende. Damit<br />

lässt sich in modernen Gebäuden<br />

zugleich auch der vollständige<br />

Wärmebedarf decken. Aktuelle Neubauten<br />

sind GEG-entsprechend meist<br />

gut gedämmt und haben damit einen<br />

niedrigen Energieverbrauch. Somit<br />

ist eine komplette CO 2 -freie Vollversorgung<br />

für Wärme mit einer picea<br />

möglich. Viele Bestandsbauten haben<br />

zwar einen höheren Energieverbrauch.<br />

In solchen Fällen ermöglicht<br />

jedoch die Kombination aus picea,<br />

Wärmepumpe und Photovoltaik-<br />

Anlage die Deckung des größtmöglichen<br />

Anteils des regenerativen Wärmebedarfs.<br />

Der Restwärmebedarf wird über<br />

die Wärmepumpe mit Netzstrom gedeckt.<br />

Picea ist 3-phasig und interagiert<br />

mit dem Netz in beide Richtungen.<br />

Bei Spitzenlasten über<br />

15 Kilowatt elektrisch (kWel) erfolgt<br />

der Strombezug aus dem Netz. Darüber<br />

hinaus ist picea schwarzstartfähig.<br />

Das bedeutet, dass sich das<br />

System im Falle eines Stromausfalls<br />

auch ohne Netz eigenständig wieder<br />

hochfährt und das Gebäude zuverlässig<br />

mit Strom versorgt. Eine weitere<br />

Optimierung lässt sich durch die<br />

Verknüpfung des Energiemanagements<br />

der picea mit der Wärmepumpe<br />

erreichen.<br />

Die SG Ready Schnittstelle ermöglicht<br />

dem picea-System zudem<br />

die intelligente Steuerung der Wärmepumpe<br />

sowie die Optimierung<br />

des Betriebs anhand von Wetterund<br />

Verbrauchsdaten. Dabei lässt<br />

sich der Wärmepumpenbetrieb mittels<br />

unterschiedlicher Schaltbefehle<br />

via SG Ready, soweit möglich, in die<br />

Sonnen stunden verlegen. Die intelligente<br />

Kopplung erhöht somit den<br />

Photo voltaik-Direktverbrauch, verringert<br />

die Wärmepumpenzyklen,<br />

minimiert den Netzbezug und stellt<br />

zudem eine höhere Wasserstoffproduktion<br />

sicher.<br />

Anwendung in Wohn- und<br />

Gewerbeimmobilien<br />

Der Ganzjahres-Stromspeicher<br />

picea ist so aufgebaut, dass sich das<br />

System sowohl für den Privatgebrauch<br />

in Einfamilien- und Doppelhäusern<br />

als in Gewerbeimmobilien<br />

einsetzen lässt. Zugleich ermöglicht<br />

der modulare Aufbau den Zusammenschluss<br />

mehrerer picea-Systeme<br />

zu einer sogenannten multi-picea.<br />

Dies erhöht nicht nur die<br />

Speicherkapazität, sondern auch<br />

die Leistungsfähigkeit. Zudem ist<br />

die Kombination mit größeren PV-<br />

Anlagen möglich.<br />

Die Einweihung der ersten multipicea<br />

in einem Gebäude mit mehreren<br />

Wohneinheiten erfolgte mit<br />

dem Einbau neun kaskadierter picea-<br />

Systeme im Herbst 2022 in Bad Kissingen.<br />

Diese versorgen ein insgesamt<br />

2.800 Quadratmeter großes Gebäude<br />

mit sechs Wohneinheiten ganzjährig<br />

mit Solarstrom vom eigenen Dach.<br />

Eine 180 Kilowattpeak Photovoltaik-<br />

Anlage erzeugt den Solarstrom. Mit<br />

der multi-picea in Bad Kissingen lassen<br />

sich 13.500 Kilowattstunden elektrische<br />

Energie in 45 Wasserstoffbündeln<br />

speichern und damit das<br />

Gebäude ganzjährig mit selbst produzierten<br />

und CO 2 -freien Solarstrom<br />

versorgen. Das System multi-picea<br />

nutzt die anfallende Prozesswärme<br />

und stellt sie dem Gebäude zur Verfügung.<br />

Zusätzlich versorgt multi-picea<br />

die fünf Wärmepumpen der Immobilie<br />

im Sommer und Winter mit Solarstrom<br />

vom eigenen Dach.<br />

Bereits Ende 2021 erfolgte die Installation<br />

eines picea-Systems in einer<br />

Gewerbeimmobilie in Meckenheim.<br />

Das Unternehmen Josef<br />

Küpper Söhne GmbH hat damit die<br />

bundesweit erste Gewerbeimmobilie<br />

mit einer multi-picea realisiert.<br />

Dort speichern fünf picea- Systeme<br />

den überschüssigen Solarstrom der<br />

auf dem Dach und in der Fassade installierten<br />

98 Kilowattpeak-Solaranla-<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

55


Energieversorgung<br />

Haustechnik<br />

ge und decken somit den Strom- und<br />

Wärmebedarf auch im Winter. Dabei<br />

stellt eine übergeordnete Steuerungsund<br />

Energie managementeinheit, genannt<br />

Förster, die Kommunikation<br />

zwischen den einzelnen picea her,<br />

verteilt die Energie gleichmäßig und<br />

erfasst die Energieflüsse des Gebäudes.<br />

Auf diese Weise ermöglicht der<br />

Förster das gemeinsame Zusammenwirken<br />

der einzelnen picea in<br />

einer Anwendung, der multi-picea-<br />

Lösung. Mit dem Förster lassen sich<br />

bis zu zehn picea steuern. Das intelligente<br />

und übergeordnete Energiemanagement<br />

ermöglicht die Speicherung<br />

der Solarenergie im Sommer,<br />

die Stromabgabe im Winter sowie die<br />

optimale Verteilung auf die einzelnen<br />

An lagen <strong>–</strong> und garantiert somit zugleich<br />

die Langlebigkeit der einzelnen<br />

Module.<br />

Vielfältige Förderung<br />

picea-Käufer haben die Wahl zwischen<br />

verschiedenen Fördermöglichkeiten.<br />

Zur Schaffung von Anreizen<br />

für eine grüne Energieversorgung<br />

im Eigenheim fällt seit dem 1. Januar<br />

20<strong>23</strong> der picea-Kauf unter die Regelung<br />

des Nullsteuersatzes. Somit<br />

ist die Anschaffung einer picea<br />

komplett umsatzsteuerfrei. Darüber<br />

hinaus steht Kaufinteressierten der<br />

Fördermittelzuschuss im Bestandsbau<br />

durch die „Bundesförderung<br />

für effiziente Gebäude“ (BEG) von<br />

bis zu 15.050 Euro offen. Zusätzlich<br />

bieten einige Bundesländer wie etwa<br />

Nordrhein-Westfalen oder Berlin für<br />

picea-Käufer interessante Förderprogramme.<br />

Wichtiges Puzzleteil<br />

der Energiewende<br />

Vor dem Hintergrund der bestehenden<br />

energetischen Herausforderungen<br />

im Gebäudesektor bietet<br />

der Ganzjahres-Stromspeicher<br />

einen interessanten Lösungsansatz.<br />

So lässt sich mit diesem der Anteil<br />

der grünen Energieversorgung in<br />

Gebäuden erheblich steigern. Das<br />

geschieht nicht nur durch die Speicherung<br />

des tagsüber erzeugten<br />

Solarstroms für die Nacht wie bei<br />

herkömmlichen Batteriespeichern.<br />

Zusätzlich wird hiermit eine saisonale<br />

Speicherung des überschüssigen<br />

Stroms für den Winter möglich.<br />

Schlägt doch gerade in dieser<br />

dunklen Jahreszeit ein Unterangebot<br />

an erneuerbaren Energien negativ<br />

zu Buche <strong>–</strong> und betrifft besonders<br />

Gebäude mit PV-Anlagen ohne<br />

Stromspeichersysteme. Denn insbesondere<br />

in einer Phase eines stark<br />

sinkenden Anteils an erneuerbaren<br />

Energien weisen diese einen deutlich<br />

erhöhten Strombedarf auf. So<br />

lag im Winter 2020 der Anteil fossiler<br />

Energien am Strommix bei mehr als<br />

60 Prozent. Dieses Missverhältnis<br />

während der „Winterstromlücke“<br />

verdeutlicht den hohen Stellenwert<br />

von saisonalen Stromspeichersystemen<br />

für eine ganzjährig grüne<br />

Stromversorgung.<br />

Im Vergleich hierzu fällt die<br />

Solar stromerzeugung im Sommer<br />

naturgemäß erheblich höher aus.<br />

Die Investitionen in Photo voltaik haben<br />

in den letzten Jahren zugleich<br />

deutlich zugelegt. Im Jahr 2022<br />

wurden etwa 383.000 PV-Anlagen<br />

in Deutschland installiert. Im Vorjahr<br />

2021 waren es etwa 240.000<br />

PV-Systeme und im Jahr 2020 etwa<br />

184.000 PV-Systeme <strong>–</strong> und somit<br />

gewaltige Steigerungen. Der Anteil<br />

von PV-Anlagen am Strommix lag<br />

im Jahr 2022 bei rund zwölf Prozent.<br />

Viele Haushalte mit PV-Anlagen erzeugen<br />

im Sommer jedoch mehr<br />

Solar strom als zur Eigenversorgung<br />

benötigt. Mit marktgängigen Heimspeicherbatterien<br />

lässt sich nur<br />

ein kleiner Teil des überschüssigen<br />

Stroms speichern, während ein<br />

Großteil des Solarstroms zur Einspeisung<br />

ins Stromnetz geht. Dies<br />

führt mitunter zu negativen Preisen<br />

am Strommarkt und gegebenenfalls<br />

zu Netzengpässen. Auch die CO 2 -<br />

Vermeidung durch die Einspeisung<br />

ist dann gering, da sich ein Teil des<br />

Solarstroms nicht nutzen lässt.<br />

Genau hier setzt das Prinzip der<br />

saisonalen Stromspeicherung an. Sie<br />

ermöglicht es picea-Besitzern, weniger<br />

überschüssigen Strom im Sommer<br />

einzuspeisen und zugleich weniger<br />

Strom im Winter aus dem Netz<br />

zu beziehen. Somit erlaubt der Ganzjahres-Stromspeicher<br />

picea zugleich<br />

eine Entlastung des Stromnetzes.<br />

Zudem bietet er eine größtmögliche<br />

Planbarkeit der Energiebereitstellung<br />

und -kosten.<br />

Autarke Stromversorgung zu jeder<br />

Tages-und Jahreszeit<br />

Diese vielfältigen Möglichkeiten eröffnen<br />

ein gewaltiges Potential für<br />

Grafik 1: Die Picea lädt mit Photovoltaikstrom<br />

die integrierte Speicherbatterie der<br />

Picea für den nächtlichen Verbrauch. Aus<br />

darüber hinaus überschüssigem Strom erzeugt<br />

der Elektrolyseur Wasserstoff für das<br />

Flaschenlager.<br />

Grafik 2: Bei bewölktem Himmel oder<br />

nachts versorgt die Picea das Haus aus der<br />

Speicherbatterie<br />

Grafik 3: Wenn im Winter der PV-Strom<br />

nicht mehr ausreicht erzeugt die Brennstoffzelle<br />

aus dem im Sommer gespeicherten<br />

Wasserstoff Strom und Wärme.<br />

Grafik 4: Bei der Elektrolyse im Sommer entsteht<br />

auch zusätzlich Wärme. Damit kann<br />

man das nötige Warmwasser erzeugen und<br />

die reguläre Hausheizanlage früher ausschalten.<br />

56 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energieversorgung<br />

Haustechnik<br />

den Einsatz von wasserstoffbasierten<br />

Heimspeichersystemen. Immerhin<br />

gibt es in Deutschland rund 16 Millionen<br />

Ein- und Zweifamilienhäuser.<br />

Das Statistische Bundesamt beziffert<br />

den jährlichen Zubau auf mehr als<br />

100.000 Eigenheime. Zusätzlich erfolgen<br />

in rund 160.000 Häusern pro<br />

Jahr umfangreiche Sanierungsmaßnahmen<br />

(Stand 2021).<br />

Mit dem „Dreamteam“ der<br />

Energie wende aus der Kombination<br />

von PV-Anlagen mit Wärmepumpen<br />

und einem Ganzjahres-Stromspeicher<br />

erreichen Verbraucher vor<br />

diesem Hintergrund ein hohes Maß<br />

an Eigenversorgung. Ganzjahres-<br />

Stromspeichersysteme auf Basis von<br />

grünem Wasserstoff werden somit<br />

in den nächsten Jahren stark an Bedeutung<br />

gewinnen. Leisten sie doch<br />

einen gewichtigen Beitrag für die<br />

Energie wende: Verbraucher nehmen<br />

ihre sichere, unabhängige und klimaneutrale<br />

Energieversorgung selbst in<br />

die Hand und tragen außerdem aktiv<br />

zum Erreichen der Klimaziele bei. Zugleich<br />

ist dies ein wichtiges Signal mit<br />

Blick auf die angestrebte Energiewende:<br />

So ehrgeizig das Ziel der Bundesregierung<br />

auch ist, bis zum Jahr 2030<br />

80 Prozent des verbrauchten Stroms<br />

in Deutschland aus erneuerbaren<br />

Energien zu erzeugen, so wichtig sind<br />

gleichzeitig Innovationen, um dieses<br />

knappe Rennen tatsächlich auch zu<br />

gewinnen.<br />

So heizt der Profi<br />

Das Sanitär- und Heizungsbauunternehmen<br />

Josef Küpper Söhne GmbH<br />

hat einen neuen, größeren Standort in<br />

Mecken heim gebaut. Firmen inhaber<br />

und Geschäftsführer Peter Küpper<br />

hat sich schon lange vor den Energiepreistechnischen<br />

Verwerfungen durch<br />

den Ukrainekrieg entschlossen, seinen<br />

Betrieb energieautark und umweltschonend<br />

zu betreiben. Wesentliche<br />

Grundlage ist das weitgehend aus<br />

Holz errichtete Gebäude in Passivhausstandard,<br />

um die nötige Heizleistung<br />

von vornherein so gering wie möglich<br />

zu halten. Herzstück der Haustechnik<br />

ist eine Multi-Picea-Anlage von HPS aus<br />

insgesamt fünf Einzelmodulen. „Solarstrom<br />

für die Wasserstoffproduktion<br />

muss man im Überfluss haben, sonst<br />

funktioniert das Ganze nicht“, war Peter<br />

Küppers Prämisse. Die Module der<br />

PV-Anlage haben folgerichtig eine Leistung<br />

von 98 kWp <strong>–</strong> und belegen nicht<br />

nur wie üblich das Dach, sondern auch<br />

Teile der Ost-, Süd- und Westfassade.<br />

Hier wärmt und kühlt die Sonne<br />

Der Strom lädt zunächst eine Speicherbatterie<br />

mit 125 kWh, was im Sommer<br />

darüber hinaus erzeugt wird wandelt die<br />

Picea-Anlage in Wasserstoff um. 440 kg<br />

H 2 fassen die Flaschenbündel hinterm<br />

Haus <strong>–</strong> die Brennstoffzellen erzeugen im<br />

Winter daraus ca. 7500 kWh Strom und<br />

ebenso viel Wärme. Der (gespeicherte)<br />

Sonnenstrom treibt nicht nur die firmeneigenen<br />

E-Fahrzeuge und alle anderen<br />

Verbraucher des Hauses an, eine Erdwärmepumpe<br />

sorgt im Winter für behagliche<br />

Wärme und im Sommer für produktivitätssteigernde,<br />

angenehme Kühle<br />

im Gebäude. Die Firma Küpper hat den<br />

enormen Invest aus einer Position der<br />

Stärke heraus bewusst getätigt <strong>–</strong> Wasserstoffanlage,<br />

PV-Anlage und Wärmepumpe<br />

schlugen mit gut einer dreiviertel<br />

Million Euro zu Buche. Eine Sonderförderung<br />

des Landes NRW von 55 Prozent<br />

für die Wasserstoff anlage war hilfreich.<br />

Über einen möglichen ROI (Return<br />

on Invest) oder Amortisation machte<br />

sich Peter Küpper trotzdem keine Illusionen:<br />

„Das muss man schon wollen!“,<br />

gibt er unumwunden zu. Die tatsächliche<br />

100%-Autarkie hat er im ersten Winter<br />

nicht ganz erreicht, da es einige kleine,<br />

inzwischen behobene Anlaufschwierigkeiten<br />

gab. Das ist aber praktisch bei jeder<br />

neuen Technik so, gibt er auf Nachfrage<br />

ganz entspannt zu bedenken. Im<br />

aktuellen Jahr hat er jedenfalls seinen<br />

H 2 Speicher schon Ende September fast<br />

vollständig gefüllt.<br />

Mutiges Engagement wurde belohnt<br />

Das Projekt der Firma Küpper leistet einen<br />

besonderen Beitrag zur Energiewende<br />

und zum Klimaschutz. Die Deutsche<br />

Energie-Agentur GmbH (dena)<br />

hat es daher mit dem Energy Efficiency<br />

Award 2022 in der Kategorie „Think big!<br />

Komplexe Energiewendeprojekte“ für<br />

kleine und mittelständische Unternehmen<br />

ausgezeichnet.<br />

<br />

Ottmar Holz<br />

HPS Home Power Solutions AG<br />

Carl-Scheele-Str. 16<br />

12489 Berlin, Deutschland<br />

Tel.: +49 30<strong>23</strong>5914-600<br />

sales@homepowersolutions.de<br />

www.homepowersolutions.de<br />

Josef Küpper Söhne GmbH<br />

Hauptsitz Bonn - Bad Godesberg<br />

Godesberger Straße 55<br />

53175 Bonn<br />

Tel: 0228 9510 7-0<br />

info@kuepper-bonn.de<br />

www.kuepper.de<br />

Bei der Rückverstromung der im Sommer erzeugten 440 Kg Wasserstoff erzeugt die<br />

Multi-Picea-Anlage der Firma Küpper im Winter je 7.500 kW/h Strom und direkte Abwärme.<br />

<br />

Bild: Küpper<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

57


Energieversorgung<br />

Steuerungstechnik<br />

Der entscheidende Dreh für den Klimaschutz<br />

Wie Encoder von Hengstler den Ertrag<br />

Erneuerbarer Energieträger steigern können<br />

Photovoltaik-Anlagen lassen sich mithilfe von Drehgebern exakt zur Sonne ausrichten und in Windenergieanlagen erfassen Drehgeber unter<br />

anderem die Blattwinkelstellung der Rotorblätter<br />

Photo: Adobe Stock/jamesteohart<br />

Ohne einen massiven Ausbau von<br />

Windenergie und Photovoltaik ist<br />

die Energiewende nicht zu erreichen.<br />

Einen wichtigen Beitrag zur<br />

Leistungsfähigkeit der Anlagen<br />

leisten Drehgeber: Sie sorgen für<br />

die präzise Ausrichtung von Rotorblättern<br />

und Photovoltaik-Modulen.<br />

Namhafte Hersteller setzen für diese<br />

Aufgabe seit vielen Jahren Encoder<br />

von Hengstler ein.<br />

Wieviel Ertrag eine Windenergieanlage<br />

(WEA) erzielt, hängt maßgeblich<br />

von der Stellung der Rotorblätter<br />

zum Wind ab. Der Anstellwinkel der<br />

Rotoren muss fortlaufend den sich<br />

ändernden Windverhältnissen angepasst<br />

werden, um die kinetische<br />

Energie des Windes optimal nutzen<br />

zu können. Damit die Rotoren präzise<br />

ausgerichtet werden können,<br />

muss allerdings ihre genaue Position<br />

bekannt sein. Sie wird durch Drehgeber<br />

ermittelt und an die Anlagensteuerung<br />

übertragen, die dann über<br />

Aktuatoren eine Veränderung des<br />

Anstellwinkels veranlasst.<br />

Encoder müssen robust<br />

und präzise zugleich sein<br />

Die Drehgeber können zum einen<br />

direkt am Getriebemotor angebaut<br />

werden, der das Rotorblatt bewegt.<br />

Eine andere Möglichkeit ist die Installation<br />

am Drehkranz des Rotorblattes<br />

mittels eines auf der Geberwelle<br />

montierten Zahnrads. Hier sind die<br />

mechanischen Belastungen für den<br />

Sensor allerdings wesentlich größer<br />

als beim Anbau am Motor.<br />

Unabhängig vom Einbauort müssen<br />

Drehgeber für Windenergieanlagen<br />

sehr robust sein und zugleich<br />

hochgenau arbeiten. Große<br />

Erfahrung auf diesem Gebiet hat die<br />

Hengstler GmbH aus dem schwäbischen<br />

Aldingen. Das Unternehmen<br />

stattet seit mehr als zwei Jahrzehnten<br />

die Anlagen namhafter Hersteller mit<br />

Encodern für die Erfassung der Blattwinkelstellung<br />

aus. Zum Einsatz kommen<br />

in erster Linie die Absolutwertgeber<br />

ACURO AC58: Sie ermitteln<br />

die Position der Rotorblätter über<br />

ein optisches Durchlichtverfahren<br />

und erreichen dadurch eine absolute<br />

Genauigkeit von 35‘‘ und eine Wiederholgenauigkeit<br />

von 10‘‘.<br />

Optische Abtastung sorgt für<br />

höchste Genauigkeit<br />

Das Funktionsprinzip dieser Geber<br />

hat Hengstler in den 1990er Jahren<br />

entwickelt und in den Folgejahren<br />

gemeinsam mit Partnern kontinuierlich<br />

optimiert: Es basiert auf einem<br />

monolithisch integrierten Opto-ASIC,<br />

bei dem alle optischen und elektronischen<br />

Bauteile auf einem Siliziumchip<br />

angeordnet sind. Zur Ermittlung<br />

des Positionswertes sendet eine<br />

LED Licht aus, das von einem Codemuster<br />

moduliert wird, welches auf<br />

einer rotierenden Scheibe angebracht<br />

ist. Das Opto-ASIC tastet dann<br />

das Muster ab, wobei jeder Position<br />

ein eindeutiges Bit-Muster zugeordnet<br />

ist. Wird die Welle im spannungslosen<br />

Zustand des Gebers bewegt, erfasst<br />

der Encoder sie direkt nach dem<br />

Einschalten, sodass die korrekte Position<br />

der Welle sofort bekannt ist.<br />

58 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energieversorgung<br />

Steuerungstechnik<br />

Abb. 1: Illustration eines Antriebs<br />

<br />

Photo: Hengstler GmbH<br />

Aus diesem Grund eignen sich die<br />

ACURO AC58-Absolutwertgeber ideal<br />

für ausfallsichere Anwendungen.<br />

Windnachführung der Gondel ist<br />

ein weiteres Einsatzgebiet<br />

Die Encoder der Baureihe ACURO<br />

AC58 verfügen über eine Auflösung<br />

von bis zu 32 Bit (22 Bit Singleturn<br />

und 12 Bit Multiturn) und halten<br />

Schocks bis zu einer Stärke von<br />

min. 400 g sowie Vibrationen von<br />

min. 30 g stand. Da die Geber je nach<br />

verwendeter Schnittstelle in einem<br />

Temperaturbereich von <strong>–</strong> 40 bis<br />

+85 °C verwendet werden können,<br />

funktionieren sie auch in Regionen<br />

mit rauen Umgebungs bedingungen<br />

einwand frei.<br />

Die Absolutwertgeber von<br />

Hengstler sind aber nicht nur an<br />

den Rotorblättern von Windenergieanlagen<br />

zu finden, sondern auch<br />

an der Gondel. Damit die Windnachführung<br />

hier sanft und ohne<br />

Ruckeln verläuft, geben die Encoder<br />

zusätzlich zum Absolutwert ein<br />

sinus förmiges Inkrementalsignal zur<br />

Geschwindigkeits regelung aus.<br />

einem Aluminiumgehäuse gefertigt.<br />

„Für den Einsatz in rauen Umgebungen<br />

entwickeln wir aber auch<br />

gerne beson ders robuste Gehäusevlösungen“,<br />

berichtet Peter Elbel,<br />

Manager Application Management<br />

bei Hengstler.<br />

So war es beispielsweise bei<br />

einem Strömungskraftwerk an der<br />

Küste Schottlands. Die Anlage nutzt<br />

die starke Oberflächenströmung und<br />

die bis zu 20 m hohe Wellen zur Stromerzeugung:<br />

Riesige Rotoren mit<br />

Durchmessern von bis zu 18 Metern<br />

sind in 35 bis 100 Metern Tiefe mit<br />

einem Stahl-Fundament am Meeresboden<br />

verankert. Die Strömung setzt<br />

die Rotoren in Bewegung, ihre mechanische<br />

Energie wird von einem<br />

Gene rator in elektrische Energie umgewandelt.<br />

Strömungskraftwerke können<br />

Beitrag zur Energiewende leisten<br />

Wie bei Windenergieanlagen kommt<br />

es auch bei Strömungskraftwerken<br />

auf eine optimale Ausrichtung<br />

der Rotoren an, um den größtmöglichen<br />

Energieertrag zu erzielen.<br />

Bei der Ausstattung des Kraftwerks<br />

mit Drehgebern entschied sich der<br />

Betrei ber für den ACURO AC58 von<br />

Hengstler, denn er benötigte sowohl<br />

einen genauen als auch einen extrem<br />

robusten Encoder. Peter Elbel und<br />

seine Kollegen statteten den Geber<br />

mit einem salzwasserbeständigen<br />

Gehäuse aus, das den rauen Bedingungen<br />

deutlich besser standhält als<br />

ein Standardgehäuse mit Beschichtung.<br />

Die Geber erfüllten damit die<br />

Anforderungen für Unterwasseranwendungen<br />

(DNV/Det Norske Veritas)<br />

und wurden auf Kundenwunsch zudem<br />

redundant ausgeführt (2 Geber<br />

in einem Gehäuse). Da beide Encoder<br />

parallel die Position des Rotorblattes<br />

an die Steuerung übertragen, ist der<br />

Betrieb selbst dann sichergestellt,<br />

wenn einer von ihnen ausfällt.<br />

Experten schätzen, dass sich mithilfe<br />

von Strömungs- und Gezeitenkraftwerken<br />

bis zu 1200 Terawatt<br />

Strom erzeugen ließen. Noch sind die<br />

Kosten für eine Stromerzeugung auf<br />

diesem Wege zwar relativ hoch <strong>–</strong> aber<br />

das könnte sich mit Blick auf die stark<br />

steigenden Preise für fossile Energieträger<br />

schon bald ändern.<br />

Agri-Photovoltaik: Landwirtschaft<br />

und Energieerzeugung in einem<br />

Agri-Photovoltaik-Anlagen werden<br />

bei der Energiewende ebenfalls eine<br />

wichtige Rolle spielen <strong>–</strong> und auch<br />

hier übernehmen Drehgeber von<br />

Hengstler wichtige Aufgaben. Mit<br />

Agri-Photovoltaik sind PV-Module gemeint,<br />

die auf landwirtschaftlichen<br />

Flächen installiert sind <strong>–</strong> und zwar in<br />

einigen Metern Höhe, so dass darunter<br />

z. B. noch Getreide angebaut werden<br />

kann. Encoder können bei den<br />

Agri-PV-Modulen im Rahmen des so<br />

genannten Lichtmanagements eingesetzt<br />

werden. Die Drehgeber richten<br />

dann die PV-Module so zur Sonne<br />

aus, dass einerseits ein gesundes<br />

Wachstum der Pflanzen gewährleistet<br />

ist und andererseits der größtmögliche<br />

Energieertrag erzielt wird.<br />

Encoder sorgen für optimale<br />

Licht- und Stromausbeute<br />

Das Lichtmanagement kann auf<br />

unter schiedliche Art und Weise<br />

geschehen <strong>–</strong> eine Option ist die ge-<br />

Drehgeber halten auch<br />

Meerwasser stand<br />

Standardmäßig werden die Encoder<br />

der Baureihe ACURO AC58 mit<br />

Abb. 2: Anbaualternativen für Gebersysteme bei Pitch Control<br />

Photo: Hengstler GmbH<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

59


Energieversorgung<br />

Steuerungstechnik<br />

Abb. 3: Der Absolutwertgeber ACURO AC58<br />

von Hengstler ermöglicht die präzise Ausrichtung<br />

der Rotorblätter von Windenergieanlagen<br />

Photo: Hengstler GmbH<br />

zielte Nachführung der PV-Module<br />

nach dem Stand der Sonne. Hier gibt<br />

es Ausführungen mit astronomischer<br />

Steuerung, die auch bei Bewölkung<br />

immer zur Sonne ausgerichtet sind.<br />

Daneben existieren nachgeführte<br />

Systeme mit einer Sensorsteuerung,<br />

die auf die jeweiligen Lichtverhältnisse<br />

reagiert. Alle Ausführungen verfügen<br />

über Getriebemotoren, in die<br />

jeweils ein Drehgeber integriert ist.<br />

Dieser ist unerlässlich, denn er erfasst<br />

zu jedem Zeitpunkt den Anstellwinkel<br />

der Module und meldet ihn an<br />

die zentrale Steuerung. Anhand dieser<br />

Positionswerte und des vorher<br />

einprogrammierten Sonnenverlaufs<br />

(astronomische Steuerung) oder der<br />

vom Sensor ermittelten Lichtverhältnisse<br />

werden die Module dann optimal<br />

zur Sonne ausgerichtet.<br />

Nachführung hat gleich<br />

zwei Vorteile<br />

Die Drehgeber der ACURO AR-Serie<br />

von Hengstler sind prädestiniert für<br />

den Einsatz in Stellantrieben für Photovoltaik-Module,<br />

da sie nach dem<br />

magnetischen Abtastprinzip arbeiten<br />

und daher verschleißfrei sind. Darüber<br />

hinaus bieten die Geber Auflösungen<br />

von bis zu 28 Bit (12 Bit Singleturn/16<br />

Bit Multiturn), einen weiten<br />

Temperaturbereich (<strong>–</strong>40 bis +100 °C)<br />

und können energieautark betrieben<br />

werden. Bei Agri PV-Anlagen, die<br />

meist weitab von Stromnetzen liegen,<br />

ist das ein großer Vorteil. Hengstler<br />

bietet die Encoder in verschiedenen<br />

Varianten an, die mit einer Bautiefe<br />

von lediglich 32 mm alle samt sehr<br />

kompakt sind. Sie haben sich bereits<br />

in der Vergangenheit in konventionellen<br />

Flächen-Photo voltaik-Anlagen<br />

bewährt, die dann vielfach von statischen<br />

Anlagen mit einem höheren<br />

Wirkungsgrad abgelöst wurden.<br />

Mit der Agri-Photovoltaik wird das<br />

Thema Nachführung bzw. Tracking<br />

wieder aktuell, denn mit seiner Hilfe<br />

kann nicht nur der Ertrag der Anlagen<br />

deutlich gesteigert werden. Die<br />

präzise Verstellung der PV-Module<br />

lässt sich auch gut nutzen, um z. B.<br />

die Farbbildung der Früchte im Apfelanbau<br />

gezielt zu steuern.<br />

Hengstler GmbH<br />

Abb. 4: Dank ihrer magnetischen Abtasttechnologie sind die Drehgeber der ACURO AR-Serie von Hengstler im Notfall auch unempfindlich<br />

gegen mechanische Überlastung. Sie eignen sich deshalb besonders für den Einsatz in abgelegenen Agri-Photovoltaikanlagen<br />

<br />

Photo: Hengstler GmbH<br />

60 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Energieeffizienz<br />

Produktionstechnik<br />

Unternehmen, die ihren Betriebsdruck von 6 auf 4 Bar senken, können die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit ihrer Anlagen grundlegend<br />

verbessern.<br />

Photo: GettyImages/YouraPechkin<br />

Steuerluftdruck senken<br />

GEA 4-Bar-Ventilantriebe ebnen den Weg<br />

zu 16 Prozent Energieeinsparung<br />

Für Lebensmittel- und Getränkehersteller,<br />

die einen strikten Nachhaltigkeitsfahrplan<br />

verfolgen, ist die<br />

Reduzierung des Energieverbrauchs<br />

und des CO 2 -Fußabdrucks Priorität<br />

geworden. Ein erheblicher Teil<br />

des Stromverbrauchs in der Fertigung<br />

entfällt auf Druckluft. Durch<br />

die Umstellung von dem vorherrschenden<br />

6-bar-Standard auf den<br />

effizienteren 4-bar-Druck könnten<br />

rund 16 Prozent dieses Strombedarfs<br />

eingespart werden. GEA ist<br />

der erste Anbieter, der diese Agenda<br />

mit einer kompletten Palette<br />

von 4-Bar-Antrieben für alle relevanten<br />

Ventiltypen und Aufgaben<br />

unterstützt und den Betreibern diesen<br />

kosteneffizienten, klimafreundlichen<br />

Wechsel ermöglicht.<br />

Luft zum Atmen kostet zwar nichts,<br />

doch die Druckluft in Prozessanlagen<br />

ist alles andere als gratis.<br />

In früheren Jahren ließ sich darüber<br />

leicht hinwegsehen, aber mit<br />

der zunehmenden Bedeutung des<br />

Kosten- und Klimafaktors Energie<br />

rückt auch die niedrige Effizienz der<br />

Drucklufterzeugung in den Fokus.<br />

Der prozentuale Anteil der Druckluft<br />

an den betrieblichen Energiekosten<br />

variiert von Branche zu Branche:<br />

Kunden von GEA schätzen ihn in<br />

der Lebensmittel- und Getränkeindustrie<br />

auf etwa zehn Prozent bis<br />

15 Prozent. Dies entspricht nicht selten<br />

einer finanziellen Belastung von<br />

mehreren 100.000 Euro pro Jahr für<br />

die Druckluftversorgung in einem<br />

einzigen Betrieb.<br />

Luftdruck senken: die 1-8er-Regel<br />

Technik- und Umweltorganisationen<br />

wie das Fraunhofer-Institut für<br />

Abb. 1: GEA startete die Initiative „4 ist das neue 6“: Sie macht auf den oft unnötig hohen<br />

Betriebsdruck in der Getränke- und Lebensmittelherstellung aufmerksam. Faustregel: Jedes eingesparte<br />

Bar führt zu etwa acht Prozent weniger Energieverbrauch in der Kompressorstation.<br />

<br />

Photo: GEA<br />

System- und Innovationsforschung<br />

sowie das Deutsche Umweltbundesamt<br />

haben die mangelnde Wirtschaftlichkeit<br />

von Druckluftanlagen<br />

ins Visier genommen und empfehlen<br />

Modernisierungen, mit denen<br />

signi fikante Einsparungen möglich<br />

sind <strong>–</strong> von der Installation energieeffizienterer<br />

Kompressoren über die<br />

Rückgewinnung von Kompressorwärme<br />

bis hin zu aufwendigen Programmen<br />

zur Detektion und Minimierung<br />

von Leckageverlusten. Besonders<br />

vielversprechend, da vergleichsweise<br />

einfach und dennoch effektiv, ist<br />

eine allgemeine Absenkung des Betriebsdrucks<br />

in der Druckluftanlage.<br />

Diese Maßnahme kann sowohl bei<br />

bestehenden als auch bei neu geplanten<br />

Anlagen durchgeführt werden.<br />

Laut einer Studie des Umweltbundesamtes<br />

führt jede Senkung um<br />

1 bar zu erzielbaren Einsparungen<br />

von etwa acht Prozent des Energieverbrauchs<br />

in der Kompressorstation.<br />

Das ergibt ein Einsparpotential<br />

von 16 Prozent der Kompressorenergie,<br />

wenn der Systemdruck von 6 bar<br />

auf 4 bar reduziert wird.<br />

Ein Faktor bei diesen Einsparungen<br />

ist, dass unvermeidliche<br />

Reibungs- und Leckageverluste im<br />

Leitungs system bei abgesenktem<br />

Druck geringer ausfallen. In Anlagen<br />

mittlerer Größe machen allein<br />

die Leckage verluste durchschnittlich<br />

etwa zehn Prozent des gesamten<br />

Druckluftvolumens aus. Diese<br />

Verluste verringern sich um etwa<br />

ein Achtel, wenn der Druck um 1 Bar<br />

gesenkt wird, sogar ohne jegliche<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

61


Energieeffizienz<br />

Produktionstechnik<br />

Abb 2: Ein Wechsel lohnt: Moderne 4-Bar-<br />

Ventilantriebe sind mittlerweile ebenso zuverlässig<br />

und leitstungsstark wie die gängige<br />

6-Bar-Konfiguration.<br />

Optimierung an den Leitungen selbst.<br />

Weniger Druck und minimierte Verluste<br />

bedeuten auch ein geringeres<br />

Volumen an Luft, die vor der möglichen<br />

Berührung mit Lebensmittel-<br />

und Getränkeprodukten hygienisch<br />

aufbereitet werden muss.<br />

Faktencheck Getränkeanlage<br />

minus 2 Bar<br />

Was für Kosteneffekte ergeben sich<br />

aus einer Energieeinsparung von<br />

16 Prozent im Kompressorbetrieb?<br />

Ein praktisches Beispiel: Für eine Getränkeanlage<br />

in Deutschland, die<br />

jährlich 864.000 kWh für die Druckluftbereitstellung<br />

verbraucht, ergibt<br />

sich bei einer Senkung des Betriebsdrucks<br />

um 2 Bar eine mögliche Einsparung<br />

von 42.000 EUR.<br />

Pneumatische Prozessventile:<br />

Wieviel Steuerdruck ist notwendig?<br />

Pneumatisch angetriebene Prozessventile<br />

sind zentrale Bausteine automatisierter<br />

Verarbeitungsanlagen<br />

und ein Einsatzschwerpunkt<br />

für Druckluft im Lebensmittel- und<br />

Getränkebereich. Viele Hersteller haben<br />

ihre Anlagen mit einem hohen<br />

Sicherheits puffer auf 6 Bar ausgelegt.<br />

Dementsprechend sind auch die<br />

installierten Ventile mehrheitlich mit<br />

6-Bar-Antrieben konfiguriert, damit<br />

sie jederzeit verlässlich öffnen und<br />

schließen. In puncto Prozesssicherheit<br />

stehen allerdings 4-Bar-Anlagen<br />

den 6 Bar in nichts nach. Der hohe<br />

Druck ist heute weder energetisch<br />

noch technisch zu rechtfertigen. Moderne<br />

Ventiltechnik gewährleistet die<br />

sichere Funktion auch bei niedrigeren<br />

Werten, 4-Bar-Ventilantriebe bieten<br />

mittlerweile uneingeschränkte Leistung<br />

und Zuverlässigkeit. Sie erlaubt<br />

Unternehmen, optimale Effizienz und<br />

Energieeinsparungen erzielen, ohne<br />

die Effektivität ihrer automatisierten<br />

Prozesse zu beeinträchtigen.<br />

Wegbereiter für den Umstieg:<br />

4-Bar-Antriebe für sämtliche<br />

Einsatzpunkte<br />

Voraussetzung für die Einrichtung<br />

eines energieeffizienten 4-Bar-Druckluftsystems<br />

oder die entsprechende<br />

Modernisierung einer bestehenden<br />

Anlage ist, dass alle angeschlossenen<br />

Geräte mit entsprechenden 4-Bar-Antrieben<br />

ausgestattet werden können.<br />

Als erster Ventil anbieter bietet GEA<br />

diese Option für das gesamte modulare<br />

GEA VARIVENT ® -Ventilsystem mit<br />

Einsitz- und Doppelsitzventilen zur<br />

Abdeckung aller Absperr-, Umschalt-<br />

und Sonderfunktionen in hygienischen<br />

Prozessen sowie für sämtliche<br />

Scheibenventile im eigenen Portfolio<br />

an. Die 4-Bar-Ventil antriebe können<br />

je nach Situation an bestehenden<br />

Ventilen nachgerüstet oder in<br />

Beispielkalkulation Getränkeverarbeitender Betrieb (Deutschland)<br />

Energieverbrauch gesamt p. a.:<br />

7.200.000 kWh<br />

12% anteiliger Stromverbrauch für Drucklufterzeugung: 864.000 kWh<br />

Strompreis (Industrietarif Q3/20<strong>23</strong>):<br />

Anteilige Energiekosten p. a. für Drucklufterzeugung (ca.):<br />

Absenkung des Systemdrucks von 6 bar auf 4 bar<br />

16% eingesparte Kompressorenergie<br />

durch die Absenkung um 2 bar (ca.)<br />

Gesparte Energiekosten p. a. (ca.):<br />

0,30 EUR/kWh<br />

259.200 EUR<br />

140.000 kWh<br />

42.000 EUR<br />

neu geplante Ventile und Ventilknoten<br />

integriert werden. Sollte besondere<br />

Druckluftanwendungen im<br />

Prozess ablauf auf doch auf einen höheren<br />

Betriebsdruck von 5 Bar angewiesen<br />

sind, sind diese Betriebsdrücke<br />

zwischen 6 Bar and 4 Bar mit den<br />

Antriebs optionen von GEA weiterhin<br />

problemlos realisierbar.<br />

Für Hersteller aus der Lebensmittel-<br />

und Getränkeindustrie ist es mit<br />

der passenden Ventilkonfigurationen<br />

ein Leichtes, auf einen niedrigeren<br />

Betriebsdruck umzusteigen. Weil die<br />

weitere Druckluftsysteme wie zum<br />

Fördern oder Belüften von Zutaten,<br />

zum Befüllen und Entleeren von<br />

Tanks oder zur Druckluftstrahlreinigung<br />

erfordern meist Drücke sogar<br />

noch unter 4 Bar liegen, ergibt sich<br />

ein interessanter Nebeneffekt: Nach<br />

der Umstellung auf 4 Bar können diese<br />

Systeme wie zuvor von Kompressorstation<br />

versorgt werden, die auch<br />

die Ventilsteuerung übernimmt.<br />

Unternehmen, die ihren Betriebsdruck<br />

von 6 auf 4 Bar senken, können<br />

die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit<br />

ihrer Anlagen grundlegend<br />

verbessern.<br />

Referenzen<br />

I <strong>DE</strong>UTSCHE ENERGIE-AGENTUR,<br />

FRAUNHOFER ISI, VDMA, Druckluft<br />

effizient, Fakten zur Druckluft, Karlsruhe,<br />

2003 (PDF), S. 4. Ein Hauptgrund<br />

für die geringe Effizienz von<br />

Druckluftanlagen ist, dass der überwiegende<br />

Energieanteil als Wärme<br />

bei der Kompression verlorengeht.<br />

II Lebensmittel- und Getränkebetriebe<br />

in den USA wenden für die<br />

Drucklufterzeugung etwa 10 % der<br />

betrieblichen Elektrizitätskosten<br />

auf, laut BREWERS ASSOCIATION,<br />

Energy Usage, GHG Reduction, Efficiency<br />

and Load Management Manual,<br />

Boulder, Colorado/USA 2007<br />

(PDF), S. 6.<br />

III Vgl. UMWELTBUN<strong>DE</strong>SAMT, Potenzialstudie<br />

Energie-/Kosteneinsparung<br />

in der Fluidtechnik, Abschlussbericht,<br />

Dessau-Roßlau, 2021 (PDF),<br />

and <strong>DE</strong>UTSCHE ENERGIE-AGENTUR<br />

(2003).<br />

IV UMWELTBUN<strong>DE</strong>SAMT (2021),<br />

S. 64<strong>–</strong>65.<br />

V H.-J. MANGER, H. EVERS, Druckluft<br />

in der Brauerei, Berlin/Germany,<br />

2008, S. 13.<br />

62 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Dekarbonisierung<br />

Regelungstechnik<br />

Revolutionäre Sauerstoffimpulstechnologie für die Stahlerzeugung<br />

Vom Versuch zum großindustriellen Einsatz<br />

Abb. 1: Schwelgern 1 gehört zu den modernsten Hochöfen der Welt mit einer potentiellen Leistung von 10.000 t pro Tag. An den Blasformen<br />

wurden im Laufe des Projekts 40 SIP- Boxen (grau-blau im Bild) installiert, welche starke, diskontinuierliche Impulse mit technischem<br />

Sauerstoff in das Koksbett injizieren, um eine bestmögliche Tiefenwirkung zu erzielen. Photos 1-5: thyssenkrupp AT.PRO tec GmbH<br />

Die thyssenkrupp AT.PRO tec GmbH<br />

ist bekannt für die Entwicklung des<br />

Sequenz-Impuls-Prozesses. Zur Anwendung<br />

gekommen an Kupol öfen<br />

konnte er deren Wirtschaftlichkeit<br />

in der Vergangenheit deutlich steigern.<br />

In über 10 Jahren Entwicklungsarbeit<br />

mit Schubert & Salzer<br />

Control Systems als Partner gelang<br />

es Dr. Rainer Klock und dem Team<br />

der AT.PRO tec, die SIP-Technologie<br />

mithilfe von Gleitschieberventilen<br />

auch an Hochöfen zum Einsatz zu<br />

bringen <strong>–</strong> im Ergebnis werden so<br />

bis zu 100 kg CO 2 pro produzierter<br />

Tonne Roheisen eingespart.<br />

Die Geschichte des Hochofenprozesses<br />

ist eine lange Geschichte<br />

großer Innovationen und technischer<br />

Verbesserungen. Immer wieder gab<br />

es mutige Innovatoren die bereit<br />

waren, gängige Verfahren in Frage<br />

zu stellen, um den Herstellungsprozess<br />

von Roheisen weiter zu optimieren.<br />

So schaffte es Abraham Darby<br />

z. B. im 18. Jahrhundert Koks anstelle<br />

von Holzkohle einzusetzen, wodurch<br />

die Hochöfen deutlich größer und<br />

effizienter wurden. Im 19. Jahrhundert<br />

gelang Edward Alfred Cowper<br />

ein Innovationssprung bei den neu<br />

aufkommenden Winderhitzern. Die<br />

so genannten „Cowper“ sind heute<br />

Bestandteil jeder Hochofenanlage.<br />

Mit dem „Sequenz-Impuls-<br />

Prozess mit induzierten Stoßwellen“<br />

erreicht der Hochofen nun die<br />

nächste Stufe der Evolution. Hinter<br />

dem SIP-Verfahren stehen die<br />

thyssenkrupp AT.PRO tec GmbH<br />

und der heutige Geschäftsführer Dr.<br />

Rainer Klock. Als Team entwickelten<br />

sie die Technologie über einen Zeitraum<br />

von mehr als 10 Jahren so weiter,<br />

dass ihr Einsatz am Hochofen<br />

überhaupt erst möglich wurde. Die<br />

Mitarbeiter von AT.PRO tec bündeln<br />

heute hoch spezialisiertes Expertenwissen<br />

aus Wissenschaft und<br />

Industrie zum Einsatz von Gasen in<br />

Schmelzprozessen.<br />

Der zugrundeliegende Gedanke<br />

des neuen Verfahrens ist es, die tiefer<br />

im Ofeninneren gelegenen Bereiche<br />

zu aktivieren. Bei der derzeitigen Verfahrenstechnik<br />

blockieren nicht vollständig<br />

reagierte Feinpartikel das<br />

Koksbett, wodurch die Gasströmung<br />

und die Hitze nicht tief genug in den<br />

Ofen eindringen können. Es entsteht<br />

ein Kegel aus Koks, der so genannte<br />

„Tote Mann“.<br />

Die Lösung: Starke, diskontinuierliche<br />

Impulse ermöglichen die<br />

notwendige Tiefenwirkung des technischen<br />

Sauerstoffs. Das kurzzeitige,<br />

lokale Überangebot an Sauerstoff<br />

ermöglicht eine vollständigere<br />

chemische Umsetzung der Feinpartikel<br />

<strong>–</strong> auch tief im Koksbett. Die<br />

mit den Impulsen einhergehenden<br />

Stoßwellen brechen Verkrustungen<br />

an dieser Stelle auf und vermischen<br />

den Inhalt durch starke Turbulenzen.<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

63


Dekarbonisierung<br />

Regelungstechnik<br />

Sie sorgen dadurch für eine gleichmäßigere<br />

Durchgasung und einen besseren<br />

Abfluss des flüssigen Metalls<br />

und der Schlacke.<br />

Phase 1: ASIPGO <strong>–</strong><br />

Das Verbund-Forschungsprojekt<br />

von thyssenkrupp und der RWTH<br />

Aachen (2007<strong>–</strong>2011)<br />

Im kleineren Maßstab, an Kupolöfen,<br />

funktioniert die Technologie schon<br />

seit Jahren erfolgreich und ermöglicht<br />

eine deutliche Steigerung der<br />

Wirtschaftlichkeit. Der Einsatz an den<br />

erheblich größeren Hochöfen war jedoch<br />

noch vollkommen unerforscht.<br />

Als AT.PRO tec sich damit an<br />

die RWTH Aachen und das dort situierte<br />

Institut für Eisenhüttenkunde<br />

(IEHK) wandte, hatte Rainer Klock<br />

soeben seine Diplomarbeit fertiggestellt.<br />

Für das neue Forschungsprojekt,<br />

welches durch thyssenkrupp als<br />

Industriepartner unterstützt wurde,<br />

suchte die RWTH einen wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter. „Das war für mich<br />

die perfekte Gelegenheit. Nicht nur<br />

konnte ich sofort im Anschluss an<br />

mein Diplom die Doktorarbeit schreiben,<br />

das Projekt bot auch die Möglichkeit<br />

direkt an einem der größten<br />

Hoch öfen Europas zu arbeiten“, berichtet<br />

Dr. Klock später. „Das Projekt<br />

ASIPGO sollte über drei Jahre hinweg<br />

zwei Ziele verfolgen: erstens, den Einsatz<br />

des SIP-Verfahrens an Kupolöfen<br />

durch Automatisierung zu verbessern<br />

und zweitens den Einsatz des<br />

SIP-Verfahrens an Hochöfen zu ermöglichen.“<br />

Abb. 3: Das SIP-Verfahren hat eine deutliche Effizienzsteigerung bei der Roheisenherstellung<br />

zur Folge, spart am Hochofen Schwelgern 1 jährlich mehrere Millionen Euro an Kosten und<br />

hat sich dadurch in weniger als 2 Betriebsjahren amortisiert. Die jährlichen CO 2 -Einsparungen<br />

belaufen sich auf weit über 100.000 t.<br />

Rainer Klock fokussierte sich im Rahmen<br />

seiner Doktorarbeit auf die Forschung<br />

für den Einsatz am Hochofen.<br />

Dabei wurden zunächst die physikalischen<br />

und chemischen Prozesse<br />

untersucht, die dem SIP-Verfahren<br />

an Kupolöfen zum Erfolg verhalfen.<br />

Die Forschergruppe, bestehend<br />

aus Mitarbeitern von thyssenkrupp<br />

AT.PRO tec, thyssenkrupp Steel<br />

Europe und der RWTH Aachen,<br />

wollte die Prozesse in der Wirbelzone<br />

eines Hochofens und wie diese<br />

durch Sauer stoffimpulse wahrscheinlich<br />

beeinflusst würden, genau verstehen,<br />

um die Technologie mit dem<br />

gesammelten Wissen vom Kupolofen<br />

auf den Hochofen übertragen<br />

zu können.<br />

Auf Basis dieser Erkenntnisse am<br />

IEHK wurde schließlich eine SIP-Versuchsanlage<br />

für Hochöfen konstruiert.<br />

Im Vergleich zur SIP-Anlage für<br />

Kupolöfen arbeitete man nun mit<br />

deutlich größeren Nennweiten und<br />

Drücken. Die Anlage musste daher<br />

angepasst und mit geeigneten Komponenten<br />

ausgestattet werden. Ein<br />

Hauptaugenmerk lag dabei auf den<br />

so genannten Pulsventilen. Diese<br />

mussten in der Lage sein, eine möglichst<br />

starke Stoßwelle zu erzeugen.<br />

Nach einer langen Untersuchungsreihe<br />

mit unterschiedlichen Ventiltypen<br />

konnte sich das Gleitschieberventil<br />

von Schubert & Salzer durchsetzen.<br />

Das Prinzip dieses Ventils ist faszinierend<br />

einfach: zwei aufeinander<br />

gleitende und gegeneinander dichtende<br />

Schlitzscheiben. Eine senkrecht<br />

zur Strömungsrichtung fixierte<br />

Dichtscheibe, auf der eine weitere,<br />

bewegliche Scheibe mit der gleichen<br />

Schlitzanordnung verschoben wird,<br />

wodurch sich der Durchflussquerschnitt<br />

verändert. Die anliegende<br />

Druckdifferenz presst die bewegliche<br />

Scheibe auf die feststehende Scheibe<br />

und trägt dadurch zur Dichtigkeit<br />

bei. Die durch dieses Prinzip erreichbaren,<br />

kurzen Öffnungszeiten und<br />

die Druckbeständigkeit bei großen<br />

Nennweiten waren letztendlich ausschlaggebend.<br />

Abb. 2: Die SIP-Boxen sind das Ergebnis jahrelanger Forschung und Entwicklung: Von den<br />

ersten Versuchen am Institut für Eisenhüttenkunde der RWTH Aachen, über den Aufbau und<br />

die Optimierung eines Prototyps am Hochofen Schwelgern bis zur Errichtung der vollständigen<br />

SIP-Anlage während des laufenden Betriebs.<br />

Phase 2: Vom Versuch zum großindustriellen<br />

Einsatz (2011<strong>–</strong>2020)<br />

Die ersten Tests mit der SIP-<br />

Versuchsanlage am Hochofen<br />

64 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Dekarbonisierung<br />

Regelungstechnik<br />

Abb. 4: In enger Zusammenarbeit wurden verschiedene konstruktive Änderungen vorgenommen<br />

und anschließend in der Praxis erprobt, um das Gleitschieberventil 8040 an die Anforderungen<br />

der Anwendung anzupassen.<br />

Schwelgern 1 in Duisburg lieferten<br />

so vielversprechende Ergebnisse,<br />

dass thyssenkrupp Steel Europe sich<br />

entschloss, das Verfahren auch über<br />

das Forschungsprojekt hinaus weiterzuentwickeln.<br />

Mit seinen 13,6 m<br />

Gestell durchmesser, einer Gesamthöhe<br />

von ca. 110 m und einem inneren<br />

Volumen von 4.416 m 3 hat der<br />

Hochofen Schwelgern 1 eine potentielle<br />

Leistung von 10.000 t pro Tag. Die<br />

geschweißte Stahlkonstruktion, die<br />

im Inneren mit feuerfestem Material<br />

ausgekleidet ist und über einen geschlossenen<br />

Kühlwasserkreislauf verfügt,<br />

zählt zu den modernsten Hochöfen<br />

der Welt. Hier sollte Rainer Klock<br />

die Weiterentwicklung des SIP-Verfahrens<br />

als Betriebsingenieur leiten<br />

und wurde gen Sommer 2010 von<br />

thyssenkrupp Steel Europe unter Vertrag<br />

genommen.<br />

Einerseits musste auf Basis der<br />

SIP-Versuchsanlage nun ein industriell<br />

einsatzfähiger Prototyp entstehen.<br />

Andererseits ging es darum, diesen<br />

Prototypen weiter für den Prozess<br />

zu optimieren. „Um die Wirkung unseres<br />

Verfahrens weiter zu verbessern,<br />

begannen wir, uns den Stoßwellen<br />

zu widmen, die mit jedem Impuls<br />

einhergingen.“, erklärt Dr. Rainer<br />

Klock, inzwischen promoviert zum<br />

Doktor der Metallurgie. „Wir waren<br />

überzeugt, dass sie als Teil des SIP-<br />

Verfahrens einen wichtigen Beitrag<br />

zu dessen positiver Wirkung auf den<br />

Prozess leisteten. Mit stärkeren Stoßwellen<br />

wollten wir die Wirbelzone<br />

vergrößern und Verkrustungen im<br />

Koksbett aufbrechen, dadurch die<br />

Permeabilität erhöhen und in Folge<br />

dessen mit größeren Reaktionsoberflächen<br />

die Effizienz des Hochofenprozesses<br />

steigern.“<br />

„Das Projektteam der AT.PRO tec<br />

setzte sich damals mit uns in Verbindung<br />

und erklärte uns, was<br />

sie vorhatten“, erzählt Marcel<br />

Mokosch, Technischer Vertrieb bei<br />

Schubert & Salzer Control Systems.<br />

„Zur Erzeugung von Impulsen mit<br />

noch stärkeren Stoßwellen, mussten<br />

die hohen Öffnungsgeschwindigkeiten<br />

noch weiter optimiert werden,<br />

um extrem kurze Öffnungszeiten zu<br />

erreichen. Grundsätzlich waren Gleitschieberventile<br />

für diese Anwendung<br />

die perfekte Wahl. Der typische Hub<br />

zwischen „offen“ und „geschlossen“<br />

beträgt nur ca. 8 mm. Dieser kurze<br />

Hub geht mit sehr geringen bewegten<br />

Massen einher. Deshalb werden<br />

auch nur geringe Antriebskräfte<br />

benötigt, wodurch das Ventil letztlich<br />

sogar kompakter ist als die meisten<br />

anderen Ventiltypen.“<br />

Nach diesem Gespräch lief die<br />

erste „SIP-Box“, der Prototyp der<br />

neuen Anlage, für einen Zeitraum<br />

von vier bis fünf Jahren im Dauerbetrieb<br />

und wurde dabei permanent<br />

weiter optimiert. Schritt für Schritt<br />

ist das eingesetzte Gleitschieberventil<br />

dabei über Jahre hinweg mit der<br />

Anlage und dem Prozess gereift. In<br />

enger Zusammenarbeit wurden verschiedene<br />

kons truktive Änderungen<br />

vorge nommen und anschließend in<br />

der Praxis erprobt, um das Ventil an<br />

die Anforderungen der Anwendung<br />

anzupassen.<br />

„Schließlich hatten wir es geschafft,<br />

das Ventil auf Rekord-<br />

Öffnungsgeschwindigkeiten von nur<br />

2 ms hin zu optimieren. Dadurch war<br />

es möglich, Impulse, die tief in das<br />

Koksbett reichen, mit wirklich starken<br />

Stoßwellen freizusetzen“, führt<br />

Marcel Mokosch aus. „Die extremen<br />

Schaltgeschwindigkeiten bei gleichzeitig<br />

hohen Drücken und hoher<br />

Schalthäufigkeit brachten das Ventil<br />

nun aber an seine Belastungsgrenzen.<br />

Diese Kombination an Anforderungen<br />

war damals wirklich eine<br />

Herausforderung für uns. Wir sahen<br />

darin aber auch eine große Chance<br />

für die Gleitschiebertechnologie, sich<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong><br />

65


Dekarbonisierung<br />

Regelungstechnik<br />

zu beweisen. Um unter den extremen<br />

Betriebsbedingungen für den Betreiber<br />

akzeptable Ventilstandzeiten<br />

zu erreichen, mussten die mechanischen<br />

Grenzen des Ventils durch<br />

konstruktive Änderungen erweitert<br />

werden. Ein Jahr Standzeit, also mehrere<br />

Millionen Schaltungen, war das<br />

erklärte Ziel.“<br />

2015 war es schließlich so weit:<br />

thyssenkrupp Steel Europe und<br />

thyssenkrupp AT.PRO tec GmbH begannen<br />

mit der Entwicklung, Errichtung<br />

und dem Betrieb einer vollstän-<br />

Abb. 5: Einblick ins Innere einer SIP-<br />

Box: Zwei Gleitschieberventile vom Typ<br />

8040 wurden im Laufe der Jahre so<br />

weiterentwickelt, dass sie in der Lage sind,<br />

die benötigten Impulse mit starken Stoßwellen<br />

freizusetzen und eine Mindest-<br />

Standzeit von einem Jahr, also mehreren<br />

Millionen Schaltungen, aufweisen.<br />

digen Sauerstoffimpulsanlage am<br />

Hochofen 1 in Duisburg-Schwelgern.<br />

In den kommenden Jahren wurde<br />

die Optimierung der SIP-Boxen finalisiert.<br />

Im laufenden Betrieb wurden<br />

an den 40 Blasformen des Hochofens<br />

SIP-Vorrichtungen installiert.<br />

Erfolgreicher Projektabschluss<br />

Im Herbst 2020 wurde die SIP-Anlage<br />

schließlich fertig gestellt. 40 SIP-<br />

Boxen warteten auf ihren Einsatz.<br />

Über einen Zeitraum von mehreren<br />

Wochen wurden die Boxen Schritt für<br />

Schritt aktiviert. Die Auswirkungen<br />

auf den Prozess wurden dabei mit<br />

Spannung beobachtet.<br />

Das SIP-Verfahren hat sich am<br />

Hochofen Schwelgern 1 in weniger<br />

als 2 Betriebsjahren amortisiert und<br />

spart nun jährlich mehrere Millionen<br />

Euro an Kosten. Der Gesamtverbrauch<br />

an Reduktionsmitteln (Koks<br />

und Einblaskohle) konnte durch die<br />

Effizienzsteigerung signifikant gesenkt<br />

werden. Dies spiegeln auch<br />

die CO 2 -Einsparungen zwischen 50<br />

und 100 kg pro produzierter Tonne<br />

Roh eisen wider. Die jährlichen<br />

CO 2 -Einsparungen belaufen sich auf<br />

weit über 100.000 t.<br />

Für thyssenkrupp AT.PRO tec<br />

ist das ganze Projekt ein großer Erfolg:<br />

„Nach einjährigem Dauerbetrieb<br />

hat sich gezeigt, dass die Gleitschieberventile<br />

den extremen Einsatzbedingungen<br />

unserer Anwendung<br />

hervorragend gewachsen sind. Die<br />

langjährige, gemeinsame Entwicklungsarbeit<br />

mit Schubert & Salzer<br />

hat sich mehr als gelohnt. Einen so<br />

ausdauernden und zuverlässigen<br />

Entwicklungspartner zu finden, ist<br />

keine Selbstverständlichkeit“, erklärt<br />

Dr. Rainer Klock, heute Geschäftsführer<br />

der thyssenkrupp AT.PRO tec<br />

GmbH. „Eines unserer Zukunftsprojekte<br />

ist es nun, mit Hilfe eines<br />

Level 2 Automatisierungssystems,<br />

die SIP-Technologie und den Hochofenprozess<br />

direkt zu verlinken, um<br />

weiter führende und automatisierte<br />

Prozessoptimierungen zu ermöglichen.<br />

Zunächst wird es aber unser<br />

Ziel sein, der SIP-Technologie zum<br />

weltweiten Erfolg zu verhelfen.“<br />

Als die Technologie zum ersten<br />

Mal voll einsatzfähig war, entschied<br />

Abb. 6: In über 10 Jahren Entwicklungsarbeit<br />

mit Schubert & Salzer als Partner<br />

gelang es Dr. Rainer Klock und dem Team<br />

der AT.PRO tec, die SIP-Technologie mithilfe<br />

von Gleitschieberventilen auch an Hochöfen<br />

zum Einsatz zu bringen.<br />

Photo: Schubert & Salzer Control Systems<br />

thyssenkrupp AT.PRO tec, dass die<br />

Partnerschaft mit einem der führenden<br />

Anbieter von Hochofenanlagen und<br />

-ausrüstungen hilfreich dabei wäre,<br />

dieses Ziel zu erreichen. Nach mehrmonatigen<br />

Verhandlungen wurde im<br />

August 2021 eine exklusive weltweite<br />

Marketing- und Vertriebsvereinbarung<br />

mit Primetals Technologies Ltd. unterzeichnet.<br />

„ Unser zuverlässiger Partner<br />

Primetals Technologies soll diese Technik<br />

weltweit vermarkten und auch anderen<br />

Stahlherstellern zugänglich<br />

machen“, schließt Dr. Rainer Klock.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.controlsystems.schubert-salzer.com<br />

66 <strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Unternehmen <strong>–</strong> Innovationen <strong>–</strong> Produkte<br />

Messereigen im September 20<strong>23</strong><br />

Die diesjährige IAA wurde zwar in den einschlägigen automotiven<br />

Fachmedien als Erfolg gefeiert, bei genauer Betrachtung bot sie ein<br />

eher zwiespältiges Bild. Die Taktgeber der Automobilentwicklung<br />

kommen mit der Ausnahme Tesla inzwischen ausschließlich aus<br />

Asien, die deutsche Automobilindustrie zeigt nur wenig Konkretes<br />

und wirkt abgehängt. Die rollenden Blechberge offenbaren einen<br />

gewissen Hang zum hochpreisigen Gigantismus <strong>–</strong> und tragen somit<br />

zur Lösung innerstädtischer Mobilitätsprobleme nur wenig bei.<br />

Einige wenige Ausnahmen gab es dennoch. Immerhin zeigt sich die<br />

deutsche Forschung und Zulieferindustrie noch als weltweite Benchmark<br />

bei der Entwicklung effizienter Hochleistungselektromotoren,<br />

das beweist der Stuttgarter Hersteller Mahle.<br />

Der Traktionsmotor kann unbegrenzt lange mit hoher Leistung arbeiten.<br />

Möglich wurde dieser Technologiesprung durch ein neues Kühlkonzept.<br />

Erstaunlich die Preisentwicklung bei Pedelecs und den kennzeichenpflichtigen<br />

S-Pedelecs. Hier rissen einige Anbieter problemlos die<br />

10.000 Euro Grenze. Dafür gab es unlängst noch ganze Autos und<br />

richtige Motorräder.<br />

In Stuttgart zeigten die Aussteller auf Fachmesse hy-fcell den<br />

State-of-the-Art bei Brennstoffzellen. 3.059 Teilnehmer aus 35 Ländern<br />

und 171 Aussteller: Die starken Zahlen der am 14.9. zu Ende gegangenen<br />

hy-fcell Stuttgart zeigen die hohe Relevanz von Wasserstoffund<br />

Brennstoffzellen-Technologien im sich wandelnden Energiesektor.<br />

Die deutlich gestiegene Zahl der Aussteller schlug sich in einer Verdoppelung<br />

der Ausstellungsfläche und dem Umzug in die Mahle-Halle<br />

(Halle 4) nieder. Auch das umfassende Rahmenprogramm wurde sehr<br />

gut angenommen. Im Rahmen der mit mehr als 80 hochkarätigen Referenten<br />

besetzten Konferenz luden verschiedene Formate und Plattformen<br />

zum Wissenstransfer ein. In der Expo-Halle teilten Branchenkenner<br />

auf der hy-fcell Speaker‘s Corner ihre Expertise und boten<br />

Einblicke in innovative Anwendungen sowie Kooperationsmöglichkeiten.<br />

Den Abschluss machte die Hydrogen Technology Expo Europe<br />

zusammen mit der angeschlossenen Carbon Capture Technology<br />

Expo Europe in Bremen. Weit über 600 Aussteller zeigten sich auf<br />

der kurzfristig auf insgesamt vier Hallen ausgedehnten Ausstellungsfläche.<br />

Beherrschende Themen waren neben CO 2 -Speicher- und Abscheidetechnologien<br />

auch die Gewinnung, Transport und Speicherung<br />

von Wasserstoff. Einmal mehr war der Elefant im Raum jedoch<br />

das drohende PFAS-Verbot in der EU. Hier war mit einer einzigen Ausnahme<br />

vor allem bei den Trennmembran- und Dichtungsherstellern<br />

kein Plan B zu erkennen.<br />

Mit dem neuen Technologie-Baukasten für E-Motoren kombiniert MAHLE erstmals<br />

die Vorzüge seiner Benchmark-Produkte SCT- und MCT-E-Motor<br />

Die innovative integrierte Ölkühlung macht den E-Motor nicht nur<br />

robust, sondern ermöglicht gleichzeitig auch die Nutzung der entstehenden<br />

Abwärme im Gesamtsystem des Fahrzeugs. Der neue E-Motor<br />

ist unerreicht klein, leicht und effizient. Durch die extrem kompakte<br />

Bauweise ergibt sich gleichzeitig ein Materialkosten- und Gewichtsvorteil<br />

<strong>–</strong> ein leichterer Motor erfordert weniger Material bei der Herstellung<br />

und erhöht bei Nutzfahrzeugen gleichzeitig die mögliche Nutzlast.<br />

MAHLE Aftermarket GmbH<br />

Pragstraße 26 - 46<br />

70376 Stuttgart<br />

Tel +49 711 501-0<br />

www.mahle-aftermarket.com<br />

Leere Akkus einfach tauschen<br />

XEV präsentierte auf der IAA Mobility mit dem YOYO ein weiteres L7e<br />

Leichtelektromobil. Während ein deutscher Hersteller ein frappierend<br />

ähnliches Design unlängst zugunsten eines weiteren SUV einstellte,<br />

setzt der italienisch-chinesische Hersteller auf kompakte Abmessungen<br />

und wenig Gewicht. Ein Alleinstellungsmerkmal besitzt der YOYO<br />

Standfest dank Ölkühlung im Rotor<br />

MAHLE stellte auf der IAA den neuentwickelten Technologiebaukasten<br />

für E-Motoren vor, der die Vorteile seiner als Benchmark geltenden<br />

SCT- und MCT-E-Motoren kombiniert. Der „perfekte Motor“<br />

vereint dauerhaft hohe Spitzenleistung, kontaktlose und damit verschleißfreie<br />

Leistungsübertragung, den Verzicht auf Seltene Erden in<br />

Form von Permanent magneten im Rotor sowie höchste Effizienz. Der<br />

MCT-E-Motor zeichnet sich durch eine hohe Haltbarkeit aus, denn die<br />

notwendige Übertragung der elektrischen Ströme zwischen den rotierenden<br />

und stationären Teilen im Inneren des Motors erfolgt kontaktlos<br />

und somit verschleißfrei. Deshalb ist der Motor wartungsfrei und<br />

für eine Vielzahl von Anwendungen geeignet. Mit dem SCT-E-Motor<br />

hat MAHLE den derzeit ausdauerstärksten E-Motor im Programm.<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong> 67


Unternehmen <strong>–</strong> Innovationen <strong>–</strong> Produkte<br />

jedoch in seinem Tauschbatteriesystem, das der Hersteller aktuell in<br />

Italien mit Partner ENI ausrollt. An speziellen Stationen kann man die<br />

drei Akkupacks binnen drei Minuten durch frisch aufgeladene Exemplare<br />

ersetzen <strong>–</strong> normales Laden per Steckdose oder Wallbox ist in 3-4<br />

Stunden aber auch erledigt. Die Reichweite gibt XEV mit 150 Km an.<br />

Der Besitzer kann den YOYO mit individuell im 3D-Druck hergestellten<br />

Türpaneelen schnell individualisieren. Der E-Motor leistet bis zu 11 kW,<br />

damit erreicht das Auto bis zu 80 Km/h. Für Komfort und Sicherheit auf<br />

2,53 m Länge sorgen eine Klimaanlage, ein 10,25 Zoll großer Touchscreen<br />

mit Smartphone-Einbindung und eine Sicherheitszelle aus Stahl<br />

sowie das ABS mit Hillholderfunktion.<br />

XEV Trade Srl<br />

Via Martiri della Libertà, 414<br />

30173 Venezia, Italien<br />

www.xevcars.it<br />

Ländern in Europa, Lateinamerika und Südostasien aktiv. Das Unternehmen<br />

vertritt insgesamt 30 Automarken.<br />

Astara Mobility Deutschland GmbH<br />

Ferdinand-Porsche-Str. 1<br />

51149 Köln<br />

Tel +49 (0)8001003751<br />

info@microlino-mobility.de<br />

www.microlino-car.com<br />

H 2<br />

-Themen gewinnen weiter<br />

an Bedeutung: Die hy-fcell in<br />

Stuttgart wächst<br />

Bewährtes Konzept<br />

2015 startete die Entwicklung des Microlino, einem elektrischen Stadtauto,<br />

das die Vorzüge eines Motorrads mit denen eines Autos kombinieren<br />

soll. Inspiriert von den Kabinenrollern aus den 50er Jahren<br />

3.059 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 35 Ländern und 171 Aussteller:<br />

Die stark gestiegenen Besucherzahlen der soeben zu Ende<br />

gegangenen hy-fcell Stuttgart (13.-14.09.) zeigen die hohe Relevanz<br />

von Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologien im sich wandelnden<br />

Energiesektor. „Klima- und Energiethemen sind in der öffentlichen<br />

Wahrnehmung stark in den Fokus gerückt, das wirkt sich auch positiv<br />

auf die hy-fcell aus“, sagt Roland Bleinroth, Geschäftsführer der Messe<br />

Stuttgart. „Deshalb war es uns wichtig, unser Kongress- und Rahmenprogramm<br />

konsequent weiter auszubauen und noch mehr relevante<br />

Themen zu ergänzen, die die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-<br />

Community bewegen.“ Sichtbar wurde die Vergrößerung in der Verdoppelung<br />

der Ausstellungsfläche und dem Umzug in die Mahle-Halle<br />

(Halle 4).<br />

vereint der Microlino den Retrocharme der Wirtschaftswunderjahre<br />

mit urbaner Mobilität der Energiewendezeit. Mit bis zu 200 km Reichweite<br />

und modernem Design soll das Fahrzeug ideal für die tägliche<br />

Alltagsstrecke sein. Dabei ist er ein Kind der Moderne: Mit Infinity-<br />

Led-Lichtleisten, Tastschaltern für die elektrische Türe bis hin zu einem<br />

mit veganem Leder überzogenen Lenkrad will das 12,5 KW starke L7e<br />

Leichtmobil bei Kaufinteressenten punkten. Im Gegensatz zu vielen<br />

Sparmobilen verfügt der bis zu 90 Km/h schnelle Microlino auch über<br />

eine Heizung. Die breite Spur der Hinterachse soll entsprechende<br />

Fahrsicherheit auch in Kurven bieten. Für den Vertrieb und Service in<br />

Deutschland der inzwischen angelaufenen Serienfertigung konnte die<br />

Microlino AG die spanische Astara-Gruppe gewinnen. Astara ist in 19<br />

Politik unterstreicht bedeutende Rolle der hy-fcell<br />

Die Menge und der Facettenreichtum der Themen zeigten, wie sehr<br />

die Branche in Bewegung ist, und welche entscheidende Rolle Wasserstoff-<br />

und Brennstoffzellen-Technologien bei der Energiewende spielen.<br />

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg,<br />

hat aus diesem Grund die Schirmherrschaft für die hy-fcell 20<strong>23</strong><br />

übernommen. „Grüne Technologien wie Wasserstoff und Brennstoffzellen<br />

sind ein wichtiger Schlüssel, um unsere Wirtschaft in Zukunft<br />

ökologisch und nachhaltig zu gestalten und den fortschreitenden<br />

68<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong>


Unternehmen <strong>–</strong> Innovationen <strong>–</strong> Produkte<br />

Klimawandel auf diesem Weg zu bremsen“, sagte er in seinem Grußwort<br />

an die Besucher. „Als einer der wichtigsten Branchentreffpunkte<br />

trägt die Fachmesse hy-fcell maßgeblich dazu bei, Baden-Württemberg<br />

als internationalen Standort für nachhaltige Technologien zu stärken<br />

und Zukunftsprojekte auf den Weg zu bringen.“<br />

Dr. Patrick Rapp, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft,<br />

Arbeit und Tourismus, sagte im Rahmen seines Besuchs auf der<br />

hy-fcell: „Die hy-fcell ist eine hervorragende Plattform für Diskussionen<br />

und die Vernetzung der Akteure der Wasserstoff- und Brennstoffzellenbranche.<br />

Die immensen Wirtschaftspotentiale, die sich aus dem<br />

Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft ergeben, gilt es zu nutzen <strong>–</strong> unsere<br />

hoch innovativen Unternehmen und wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen<br />

sind darauf vorbereitet. Das verdeutlicht die heutige<br />

Messe auf besondere Weise.“<br />

Die Smart H2 Energy Plattform<br />

Eine Revolution in der Gebäudeenergieversorgung<br />

Mit einer CO 2 -freien und autarken Energieversorgung auf Wasserstoffbasis<br />

stellt Cosber die Energieversorgung von Gebäuden auf<br />

den Kopf.<br />

Die SMART H 2 Energy Platform ist ein komplettes System, das die<br />

Energie versorgung von Gebäuden radikal transformiert. Sie versorgt<br />

Wohn- und Gewerbeimmobilien sicher und dezentral rund um die<br />

Uhr, 365 Tage im Jahr, mit CO 2 -freier Energie. Dies wird durch die intelligente<br />

Kombination von erneuerbaren Energien als Energiequelle<br />

und grünem Wasserstoff als Energiespeicher ermöglicht. Überschüssige<br />

Energie, die an sonnigen Sommertagen von Photovoltaikanlagen<br />

erzeugt wird, wird als grüner Wasserstoff gespeichert und in den dunklen<br />

Wintermonaten zur Strom- und Wärmeversorgung genutzt.<br />

Großes Interesse an Networking und fachlichem Austausch<br />

Nicht nur die Fachausstellung der hy-fcell stieß auf reges Interesse, auch<br />

das umfassende Rahmenprogramm wurde sehr gut angenommen.<br />

Während beider Messetage boten die ganztägig parallel laufenden<br />

Vorträge Wissenswertes rund um den Wasserstoff, von der optimalen<br />

Ausformung von Bipolarplatten bis zur Diskussion über PFAS-Kunststoffe<br />

als unverzichtbare Dichtmittel. Den Auftakt bildete der Kickoff<br />

im Wirtshaus Garbe, das bereits am Vortag die Chance für Networking<br />

und den Austausch mit Branchenkollegen bot. Während der Messetage<br />

unterstützten das B2B-Matchmaking und die Networking-Night<br />

das Knüpfen neuer Kontakte sowie das Vertiefen von Gesprächen. Die<br />

Förderung von Nachwuchsunternehmen war ein Schwerpunkt, dem<br />

mit einer erweiterten Start-up-Area und dem Innovations preis hy-fcell<br />

Award Rechnung getragen wurde. Darüber hinaus brachte der Career<br />

Compass Stellenanbieter und Jobsuchende zusammen.<br />

Im Rahmen der mit mehr als 80 hochkarätigen Referenten besetzten<br />

Konferenz luden verschiedene Formate und Plattformen zum Wissenstransfer<br />

ein. In der Expo-Halle teilten Branchenkenner auf der<br />

hy-fcell Speaker‘s Corner ihre Expertise und boten Einblicke in innovative<br />

Anwendungen sowie Kooperationsmöglichkeiten. Ein neues Highlight<br />

in diesem Jahr waren die im Anschluss durchgeführten hy-fcell<br />

Technical Tours. Sie ermöglichen einen exklusiven Blick hinter die Kulissen<br />

namhafter Unternehmen in der Region Stuttgart.<br />

Die nächste hy-fcell in Stuttgart findet vom 8. bis 9. Oktober 2024<br />

statt. Die hy-fcell bringt weltweit die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Community<br />

zusammen <strong>–</strong> hy-fcell China (26. bis 28. Oktober 20<strong>23</strong><br />

in Shanghai), hy-fcell Saudi Arabia (16. bis 17. Januar 2024) und hy-fcell<br />

Canada (17. bis 19. Juni 2024).<br />

Weitere Informationen unter www.hy-fcell.com/worldwide<br />

Dieses Gesamtsystem basiert auf den neuesten Technologien zur<br />

Wasserstoffproduktion, Speicherung und Umwandlung in Strom. Es<br />

wird ergänzt durch Lösungen zur möglichst effizienten und CO 2 -freien<br />

Gewinnung und Nutzung von Strom, darunter Photovoltaikanlagen,<br />

Wärmepumpen und Lithium-Ionen-Batteriespeicher. Das Herzstück<br />

dieses Systems ist der Cosber Hydrogen Power Cube (HPC). Der<br />

HPC wandelt überschüssigen Strom der Photovoltaikanlage oder einer<br />

anderen regenerativen Energiequelle durch Elektrolyse in Wasserstoff<br />

um, komprimiert und speichert ihn, um ihn dann bei Bedarf über<br />

Brennstoffzellen in Strom und Wärme zurückzuwandeln.<br />

Der modulare Aufbau des HPC spiegelt sich in seiner Aufteilung<br />

in drei weitgehend autonome Einheiten wider: Die ESS-Einheit, die<br />

Wasserstoffproduktions- und Umwandlungseinheit sowie die Wasserstoffspeichereinheit.<br />

Die Stärke des HPC liegt in der optimierten und<br />

koordinierten Kombination dieser drei Einheiten. Ein integriertes Steuerungssystem<br />

ermöglicht die Kommunikation zwischen allen Einheiten<br />

und koordiniert ihren Betrieb optimal.<br />

Die ESS-Einheit des HPC besteht aus einem Hybrid-Wechselrichter<br />

mit zwei MPP-Trackern und einem Lithium-Batteriespeicher mit einer<br />

Kapazität von bis zu 30 kWh, der einfach erweitert oder reduziert werden<br />

kann. Sie deckt den täglichen und kurzfristigen Strombedarf des<br />

Hauses. Die Wasserstoffproduktions- und Umwandlungseinheit ent-<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong> 69


Unternehmen <strong>–</strong> Innovationen <strong>–</strong> Produkte<br />

hält einen AEM-Elektrolyseur mit integrierter Wasseraufbereitungsanlage<br />

und eine wassergekühlte PEM-Brennstoffzelle mit einer Leistung<br />

von 11 kW und Bipolarplatten. Die Wasserstoffspeichereinheit<br />

umfasst einen Kompressor zur Verdichtung des Wasserstoffs auf<br />

350 bar, eine Puffereinheit und mehrere Wasserstofftanks mit einer<br />

Kapazität von jeweils 110 Litern.<br />

Eine weitere Stärke der Smart H 2 Energy Plattform besteht darin,<br />

dass Synergien zwischen den einzelnen Teilen genutzt werden können,<br />

um die Effizienz des Gesamtsystems zu steigern. Insbesondere<br />

die Integration von Erd- oder Wasserwärmepumpen ist äußerst vorteilhaft.<br />

Das von der wassergekühlten Brennstoffzelle erzeugte heiße<br />

Wasser während der Umwandlung von Wasserstoff in Elektrizität kann<br />

verwendet werden, um die Effizienz der Wärmepumpe zu steigern. Da<br />

der Großteil der Umwandlung von Wasserstoff in Elektrizität in den<br />

kälteren Monaten des Jahres stattfindet, ergänzen sich das HPC und<br />

eine Erd- oder Wasserwärmepumpe perfekt.<br />

Die Smart H 2 Energy Platform erweist sich als die ideale Wahl für<br />

Immobilienbesitzer, die ihr Gebäude nicht nur effizienter, sondern<br />

auch umweltfreundlicher und autonomer betreiben möchten. Ihr<br />

modularer Aufbau und ihre ganzheitliche Ausrichtung machen sie zur<br />

perfekten Lösung für eine breite Palette von Gebäuden, angefangen<br />

bei Einfamilienhäusern bis hin zu Gewerbeimmobilien unterschiedlichster<br />

Art und Größe.<br />

Diese innovative Plattform bietet Gebäudebesitzern die Möglichkeit,<br />

ihre Energieversorgung grundlegend zu überdenken und auf eine<br />

nachhaltige, CO 2 -freie und unabhängige Basis zu stellen. Dank ihres<br />

modularen Aufbaus kann Cosber Gebäudeeigentümern maßgeschneiderte<br />

Lösungen erstellen, die genau auf das Anforderungsprofil ihres<br />

Gebäudes zugeschnitten sind. Kurz gesagt, mit der Smart H 2 Energy<br />

Platform können Gebäudebesitzer eine nachhaltige Energiezukunft für<br />

ihre Immobilien gestalten, unabhängig von deren Art oder Größe.<br />

COSBER Technology Co., Ltd. ist ein renommierter Hersteller von<br />

Fahrzeugprüftechnik und ganzheitlichen Wasserstofflösungen. Seit<br />

der Gründung im Jahr 1999 hat sich die Firma zu einem innovativen<br />

High-Tech-Unternehmen mit globaler Präsenz entwickelt. Mit über<br />

zwei Jahrzehnten Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung hochwertiger<br />

und präziser Messtechnik bietet Cosber den Kunden innovative<br />

Spitzenprodukte. Die internationalen Aktivitäten erstrecken sich<br />

auf mehr als 50 Länder, mit Niederlassungen und Produktionsstätten<br />

in China und Deutschland. Das 300-köpfige Team bei COSBER arbeitet<br />

täglich daran, die Kunden mit effizienten und innovativen Lösungen im<br />

Bereich Fahrzeugprüftechnik und Wasserstoff zu bedienen.<br />

Cosber GmbH<br />

Lise-Meitner-Str. 3<br />

82152 Krailling bei München<br />

Tel +49 89 2620766-00<br />

www.cosber.de<br />

Leise und effiziente Vakuumpumpen<br />

Die Scrollpumpen der Serie HiScroll Pfeiffer Vacuum sparen mehr<br />

als 50 % Energie im Vergleich zu herkömmlichen Vakuumpumpen<br />

Die HiScroll Serie von Pfeiffer Vacuum besteht aus drei trockenen<br />

Scrollpumpen mit einem nominellen Saugvermögen von 6<strong>–</strong>20 m 3 /h.<br />

Die Pumpen zeichnen sich durch ihre hohe Leistung beim Evakuieren<br />

gegen Atmosphäre aus. Ihre leistungsstarken IPM)-Synchronmotoren<br />

mit sensorloser INFORM ® -Steuerung) erzielen einen bis zu 15%<br />

höheren Wirkungsgrad im Vergleich zu konventionellen Antrieben.<br />

Dies ermöglicht höchste Leistung bei geringer Betriebs temperatur und<br />

hilft Stromkosten zu sparen.<br />

Geringste Geräuschemission auf dem Markt<br />

Die HiScroll-Pumpen sind mit


Unternehmen <strong>–</strong> Innovationen <strong>–</strong> Produkte<br />

in der Pumpe, verlängert die Wartungszyklen und reduziert den Stromverbrauch<br />

sowie den CO 2 -Fußabdruck der HiScroll.<br />

Pfeiffer Vacuum GmbH<br />

Berliner Straße 43<br />

35614 Asslar<br />

Tel +49 6441 802-0<br />

info@pfeiffer-vacuum.de<br />

www.pfeiffer-vacuum.com<br />

Umweltfreundlicher LKW-Antrieb<br />

Auf der hy-fcell präsentierte cellcentric, das 50:50 Brennstoff zellen Joint<br />

Venture der Daimler Truck AG und der Volvo Group, seine jüngste Innovation<br />

auf dem Weg zur Brennstoffzellenserienproduktion. Zahlreiche<br />

Fachbesucher informierten sich am Messestand über das Brennstoffzellensystem<br />

BZA150 im verbessertem Design. Die neue Generation<br />

soll vorrangig in schweren Nutzfahrzeugen zum Einsatz kommen und<br />

so emissionsfreien Langstreckentransport ermöglichen. In den Langstrecken-LKW<br />

werden künftig jeweils zwei der neu entwickelten Aggregate<br />

mit in Summe 300 kW Nettoleistung zum Einsatz kommen<br />

(Twin-System). Sie werden anstelle des konventionellen Antriebstrangs<br />

verbaut. Jede Einheit verfügt über eine Nettoleistung von 150 kW, die<br />

Spannungslage beträgt zwischen 650-850 VDC und wiegt rund <strong>23</strong>0 kg.<br />

Die Lebensdauer liegt nach Firmenangaben bei zirka 25.000 Betriebsstunden.<br />

„Unsere Neuentwicklung belegt eindrucksvoll, welches Potential in<br />

der Brennstoffzellen-Technologie steckt“, so Dr. Matthias Jurytko, CEO<br />

bei der cellcentric GmbH & Co. KG. “Schließlich haben wir innerhalb nur<br />

einer Generation die Nettoleistung um 36 Prozent erhöhen und das<br />

Gewicht gleichzeitig um acht Prozent reduzieren können. Noch entscheidender<br />

ist jedoch die verbesserte Lebensdauer, die nun der eines<br />

konventionellen Dieselaggregats im Langstrecken-Einsatz entspricht.“<br />

Cellcentric unterstreicht damit seine Industrialisierungskompetenz.<br />

Bei entscheidenden Technologiekomponenten entwickelt das<br />

Unternehmen eine völlig neue Generation von Brennstoffzellen-<br />

Jeweils zwei dieser Brennstoffzellen-Aggregate sollen bei LKW für den nötigen Vortrieb<br />

auf langen Strecken sorgen.<br />

systemen, die den komplexen und speziellen Anforderungen der Nutzfahrzeuge<br />

im schweren Langstrecken- und Schwerlastbereich gerecht<br />

werden. Die Brennstoffzellensysteme ermöglichen hohe Ladevolumina<br />

und Nutzlasten sowie die erforderliche Langstreckenfähigkeit und<br />

Flexibilität. Sie halten LKW in Bewegung, wenn keine Zeit zum Aufladen<br />

bleibt. Das prädestiniert sie perfekt für lange Strecken und schwere<br />

Lasten, besonders für entlegene Teile der Welt, in denen die Lademöglichkeiten<br />

oft begrenzt sind.<br />

cellcentric GmbH & Co. KG<br />

Neue Str. 95<br />

Industriepark Nabern<br />

73<strong>23</strong>0 Kirchheim/Teck-Nabern<br />

contact@cellcentric.net<br />

www.cellcentric.net<br />

Inserentenverzeichnis<br />

Aerzener Maschinenfabrik GmbH<br />

Easyfairs Deutschland GmbH<br />

Titelseite<br />

2. Umschlagseite<br />

Hammelmann GmbH Seite 33<br />

Deutsche Messe AG<br />

3. Umschlagseite<br />

IVS <strong>–</strong> Industrial Valve Summit Seite 37<br />

NETSCH Pumpen & Systeme GmbH Seite 11<br />

SEW-EURODRIVE GmbH & Co. KG Seite 5<br />

sps mesago Messe Frankfurt GmbH Seite 41<br />

<strong>GREEN</strong> <strong>EFFICIENT</strong> <strong>TECHNOLOGIES</strong> 20<strong>23</strong> 71


Markenzeichenregister<br />

Aerzener Maschinenfabrik GmbH<br />

Reherweg 28<br />

31855 Aerzen<br />

Tel.: +49 (0)5154 81-0<br />

Fax: +49 (0)5154 81-9191<br />

info@aerzen.com<br />

www.aerzen.com<br />

Drehkolbengebläse<br />

Drehkolbenverdichter<br />

Schraubenkompressoren<br />

Turbogebläse<br />

Drehkolbengaszähler<br />

Messebeteiligungen finden<br />

Sie auf unserer Homepage<br />

www.aerzen.com<br />

Hammelmann GmbH<br />

Carl-Zeiss-Str. 6-8<br />

59302 Oelde<br />

Tel.: +49 (0)2522 76-0<br />

Fax: +49 (0)2522 76-140<br />

mail@hammelmann.de<br />

www.hammelmann.de<br />

Hochdruck-Plungerpumpen<br />

Prozesspumpen<br />

Kanalspülpumpen<br />

Bergbaupumpen<br />

Heißwassergeräte<br />

Betriebsdrücke: bis 4000 bar<br />

Fördermengen: bis 3000 l/min<br />

Anwendungssysteme zum Reinigen, Abtragen,<br />

Schneiden, Entschichten, Entkernen, Entgraten mit<br />

Hochdruckwasser<br />

Weltweite Messebeteiligungen,<br />

aktuelle Termine unter:<br />

www.hammelmann.de<br />

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!<br />

Lutz Pumpen GmbH<br />

Erlenstr. 5-7<br />

97877 Wertheim<br />

Tel.: +49 (0)9342 879-0<br />

info@lutz-pumpen.de<br />

www.lutz-pumpen.de<br />

Lutz Pumpen GmbH ist ein führender Hersteller<br />

für Industriepumpen mit dem Fokus auf<br />

Arbeitssicherheit und höchsten Ansprüchen.<br />

Das Sortiment umfasst Fasspumpen,<br />

Containerpumpen, Druckluft-Membranpumpen,<br />

Durchflussmesser, Kreiselpumpen sowie<br />

Systemlösungen.<br />

Aktuelle Messetermine finden Sie auf<br />

unserer Webseite:<br />

www.lutz-pumpen.de<br />

NETZSCH Pumpen & Systeme GmbH<br />

Geretsrieder Str. 1<br />

D-84478 Waldkraiburg<br />

Tel.: +49 (0)8638 63-0<br />

info.nps@netzsch.com<br />

www.pumps-systems.netzsch.com/de<br />

NETZSCH vertreibt rotierende Verdrängerpumpen<br />

weltweit. Das Produktspektrum rangiert<br />

von kleinsten Industrie-Dosierpumpen<br />

bis hin zu Großpumpen für den Öl- und<br />

Gas-Bereich oder den Bergbau. NETZSCH<br />

bietet NEMO ® Exzenterschneckenpumpen,<br />

TORNADO ® Drehkolbenpumpen, NOTOS ®<br />

Schraubenspindelpumpen, PERIPRO ®<br />

Schlauchpumpen, Zerkleinerer, Dosiertechnik und<br />

Behälterentleerungen, Zubehör und Service.<br />

Aktuelle Messetermine unter:<br />

https://pumps-systems.netzsch.com/<br />

de/veranstaltungen<br />

SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG<br />

Ernst-Blickle-Str. 42<br />

D-76646 Bruchsal<br />

Tel.: +49 (0)7251 75-0<br />

Fax: +49 (0)7251 75-1970<br />

sew@sew-eurodrive.de<br />

www.sew-eurodrive.de<br />

SEW-EURODRIVE ist ein internationaler Marktführer<br />

der Antriebstechnik und -automatisierung. Das<br />

inhabergeführte Unternehmen wurde 1931 in<br />

Bruchsal gegründet. Mit über 19.000 Beschäftigten in<br />

52 Ländern erwirtschaftete es im Geschäftsjahr 2021<br />

3,1 Milliarden Euro Umsatz.<br />

SEW-EURODRIVE bewegt unzählige Prozesse,<br />

Anlagen und Maschinen in vielen Branchen<br />

der Produktions- und Prozessindustrie. Das<br />

Antriebsspektrum erstreckt sich von schnell,<br />

dynamisch und hochpräzise bis zu sehr groß<br />

und drehmomentstark.<br />

Aktuelle Messehinweise finden Sie<br />

auf unserer Website:<br />

www.sew-eurodrive.de/messen<br />

URACA GmbH & Co. KG<br />

Sirchinger Str. 15<br />

72574 Bad Urach<br />

Tel.: +49 (0)7125 133-0<br />

Fax: +49 (0)7125 133-202<br />

info@uraca.de<br />

www.uraca.de<br />

URACA konstruiert und fertigt Hochdruck-<br />

Plungerpumpen und -Pumpenaggregate sowie<br />

komplexe Reinigungsanlagen für zufriedene Kunden<br />

in aller Welt.<br />

• Hochdruck-Plungerpumpen bis 3.500 kW/3.000 bar<br />

• Kanalspülpumpen<br />

• Hochdruck-Pumpenaggregate für Industrie und<br />

Reinigung, für heiße und kalten Medien<br />

• Werkzeuge und Zubehör<br />

• Hochdruck-Wasserstrahl-Anlagen<br />

• Druckprüfpumpen<br />

Aktuelle Messehinweise finden Sie<br />

auf unserer Website:<br />

www.uraca.de<br />

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HANNOVER MESSE 2024<br />

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Dr. Harnisch Verlags GmbH<br />

Eschenstraße 25<br />

90441 Nürnberg<br />

Telefon +49 (0) 911 2018-0<br />

Fax +49 (0) 911 2018-100<br />

E-Mail get@harnisch.com<br />

Internet www.harnisch.com<br />

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