21.11.2023 Aufrufe

Hänicher Bote | November-Ausgabe 2023

Hänicher Bote | November-Ausgabe 2023 mit dem gewerblichen Sonderthema "Gesundheit & Freizeit"

Hänicher Bote | November-Ausgabe 2023
mit dem gewerblichen Sonderthema "Gesundheit & Freizeit"

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

20 HEIMATGESCHICHTE<br />

(Gräfenhainichen/HäBo). Flößer<br />

treiben Baumstämme oder -teile<br />

entweder als Floß auf Flüssen oder<br />

einzeln auf Bächen beziehungsweise<br />

über hierfür angelegte Floßgräben<br />

(Trift) kontrolliert bis zu den Brettmühlen,<br />

Köhlereien, Glasfabriken,<br />

Werften oder Holzplätzen.<br />

Bereits das Alte Testament erwähnt,<br />

dass Hiram, der König von Tyros,<br />

im 10. Jahrhundert vor Christus Zedern-<br />

und Tannenholz mit Flößen<br />

über das Mittelmeer an König Salomo<br />

geliefert haben soll. Und berichtet<br />

wird, dass die Römer mittels Floß von<br />

Korsika Bauholz heranbrachten. Von<br />

Julius Cäsar stammt die Aussage, die<br />

Kelten hätten den Rhein mit Flößen<br />

überquert. Andere Schriften berichten,<br />

dass die Magyaren bei ihren Einfällen<br />

im Jahre 926 im Schwarzwald<br />

Holz für Flöße und Fähren schlugen.<br />

Seit dem 12. Jahrhundert geben Dokumente<br />

Auskunft über die Höhe der<br />

Abgaben, die Flößer zu leisten hatten.<br />

Auch wird die Flößerei auf der Saale<br />

erwähnt.<br />

Die Flößerei im Tölzer Land hat<br />

eine langjährige Tradition und kann<br />

bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgt<br />

werden. Auf der Zunftfahne der<br />

Wolfratshauser Flößer aus dem Jahre<br />

1159 war bereits der Heilige Nikolaus,<br />

Schutzpatron der Flößer, dargestellt.<br />

Die älteste erhaltene Floßordnung<br />

stammt aus dem Jahr 1310. Für<br />

die Isar vom Münchner Rat erlassen,<br />

wird darin der Handel mit Holz geregelt.<br />

Die wachsende Bevölkerung<br />

und der aufkommende Schiffbau<br />

hatten zum Ende des Mittelalters eine<br />

Holznot zur Folge. So musste neben<br />

Bauholz massenweise Brennholz von<br />

weit her transportiert werden.<br />

Mit der Industrialisierung erhielt die<br />

Flößerei einen weiteren Aufschwung:<br />

Das unzureichende Wegenetz war<br />

zunächst dem hohen Transportbedarf<br />

nicht gewachsen. Das änderte<br />

sich, als Bahn und Lkw einen schnelleren<br />

Holztransport auch an Orte<br />

ermöglich ten, die nicht am Fluss<br />

<strong>Hänicher</strong> <strong>Bote</strong><br />

<strong>Bote</strong><br />

Historische Bauschlosserei und Schmiedewerkstatt<br />

August Reinhard stellt alte Berufe vor – Teil 42: Der Flößer<br />

Stadtwappen vom als Flößerort bekannten<br />

Elvershausen in Niedersachsen. Von<br />

hier gingen die Holztransporte einst auf<br />

dem Wasser nach Hannover.<br />

lagen. Die Flößerei verschwand zunächst<br />

und war bald nur noch von<br />

regionaler Bedeutung, so auf dem Finowkanal,<br />

verschwand aber bis Ende<br />

der 60er fast vollständig. Eine kurze<br />

Renaissance gab es in den 80ern,<br />

als es in der DDR-Planwirtschaft zu<br />

Lieferengpässen kam. Bis 1990 wurde<br />

das Sägewerk Werbellinsee ausschließlich<br />

durch geflößtes Langholz<br />

beschickt.<br />

Um von Wetter und Jahreszeiten unabhängig<br />

zu sein, baute man Wasserwege<br />

um: Flüsse wurden begradigt,<br />

Ufer befestigt, Stauanlagen<br />

und Floßrutschen oder Floßgassen<br />

errichtet. Sie ermöglicht es, den Höhenunterschied<br />

an Stauwehren oder<br />

Wasserfällen zu umgehen, ohne das<br />

Holz zu beschädigen. Um genügend<br />

Strömung zu erzeugen, wurden am<br />

Boden der Floßrutsche Lamellen<br />

angebracht, die von der Mitte aus in<br />

Fließrichtung nach außen zeigten.<br />

Dadurch wurde das in Richtung Unterwasser<br />

vorbeischießende Wasser<br />

am Boden in Richtung der Wände<br />

gedrückt, steigt an den Wänden auf<br />

und fließt an der Oberfläche von beiden<br />

Seiten auf die Mitte zu. Dadurch<br />

wird eine oft an der Wasseroberfläche<br />

sichtbare Rinne in der Mitte der<br />

Gasse erzeugt. Diese künstliche Strömung<br />

hält das Floß automatisch in<br />

der Mitte der Gasse.<br />

Besonders im Schwarzwald war<br />

Flößer ein weitverbreiteter Beruf, in<br />

manchen Städten sogar der Haupterwerbszweig,<br />

eigneten sich doch die<br />

hohen gerade gewachsenen Schwarzwaldtannen<br />

besonders gut zum<br />

Schiffbau oder als Rammpfähle.<br />

Beim Flößen wurden Salze aus dem<br />

Holz gewaschen, sodass es sich bei<br />

der späteren Trocknung weniger verwarf.<br />

Die Fahrt durch Wehre war<br />

allerdings gefährlich, die Höhenunterschiede<br />

zwischen einzelnen Holzstämmen<br />

betrugen manchmal über<br />

einen Meter, und der Flößer geriet<br />

tief ins Wasser. Hinter dem Wehr befanden<br />

sich oft Strudel und Untiefen.<br />

Wollte man schweres, nicht flößbares<br />

Holz, wie Eiche und Buche, transportieren,<br />

wurde es auf das leichtere<br />

Nadelholz lose aufgelegt. Mitunter<br />

wurden auch Schutzhütten oder Zelte<br />

auf den Flößen für die Flößer errichtet.<br />

Um nicht auf den durch ständiges<br />

Spritzwasser schlüpfrigen Stammen<br />

ihren Halt zu verlieren, trugen sie<br />

an den Stiefeln Steigeisen. Der Tod<br />

durch Ertrinken war ein gar nicht so<br />

seltener Arbeitsunfall.<br />

Lief ein Floß doch einmal unerwartet<br />

auf einen Felsen, sodass die Stämme<br />

verkanteten, bedurfte es der ganzen<br />

Kraft und Geschicklichkeit des Flößergespanns,<br />

das Floß wieder flott<br />

zu bekommen, Das gefürchtete Verkanten<br />

hieß in der Sprache der Flößer<br />

„Ellenbogen“.<br />

Das von den Flößern flussabwärts geführte<br />

Lang- oder Schnittholz wurde<br />

mit „Wieden“ (jungen Tannenbäumchen),<br />

hölzernen Nägeln und Keilen<br />

zu einem Floß zusammengebunden.<br />

Man unterschied diese unter anderem<br />

nach der Ladung: Scheiter-, Kohl-,<br />

Stein- oder Eisenflöße. Mit Flößen<br />

war es möglich, Flüsse zu befahren,<br />

die mit Ruderbooten nicht schiffbar<br />

waren. Für sie reichte eine Flußtiefe<br />

von 35 bis 60 Zentimetern aus. Weil<br />

Links: Eine gesellige Floßfahrt auf der Isar im 19. Jahrhundert – im Übrigen bis heute eine beliebte bayerische „Mordsgaudi“.<br />

Rechts: Fränkische Flößer im Einsatz für Touristen. Der Holztransport auf der Wilden Rodach hat eine 700-jährige<br />

Geschichte. Jetzt ist diese Tradition vom Wassermangel bedroht.<br />

Fotos & Repros: Netzfunde<br />

22. <strong>November</strong> <strong>2023</strong><br />

Flößerdenkmal in der internationalen<br />

Flößerstadt Wolfratshausen<br />

Flöße sehr schwerfällig waren, konnten<br />

sie nur unter Mühen gelenkt werden.<br />

Daher waren vorn und hinten<br />

am Floß Ruder angebracht. Gebremst<br />

wurden die Flöße mit „Sperren“. Das<br />

waren Stämme, die man durch Öffnungen<br />

im Floß in den Boden stoßen<br />

konnte.<br />

Bauart, Größe und Beladung der Flöße<br />

wurde durch die Beschaffenheit<br />

des jeweiligen Flusslaufs beeinflusst,<br />

durch Wehre und Schifffahrtshindernisse,<br />

wie Stromschnellen. Flöße<br />

konnten drei bis zehn Meter breit und<br />

15 bis 25 Meter, aber maximal 60<br />

Meter lang sein.<br />

Eine Ausnahme bildeten die Flöße<br />

auf der Ybbs (Donau-Nebenfluss):<br />

Sagenumwoben die erste Floßfahrt<br />

der Schiltacher Flößer (stammten aus<br />

dem Schwarzwald) am 1. März 1866.<br />

Diese steuerten mehr als 25 Kilometer<br />

32 Gestöre (Gestör = Verbund<br />

von rund 20 Baumstämmen mit einer<br />

Länge von bis zu 40 Metern) mit über<br />

600 Stämmen. Über das Floß waren<br />

14 Flößer verteilt, das als „Holz-Riesenschlange“<br />

ungeheures Aufsehen<br />

erregte und bei den Zuschauern „ein<br />

gewisses Gefühl des Grauens und der<br />

Bangigkeit“ hervorrief.<br />

Im Dezember 2022 erklärte die<br />

UNESCO die Flößerei zum immateriellen<br />

Kulturerbe der Menschheit.<br />

Hinweis in eigener Sache: Zum<br />

Gräfenhainicher Weihnachtsmarkt<br />

am 9. und 10. Dezember gibt es<br />

auch wieder<br />

die Hofweihnacht<br />

in<br />

der Alten<br />

S c h m i e d e<br />

und der<br />

historische<br />

Laden wird<br />

geöffnet sein. Es<br />

werden auch einige weitere Überraschungen<br />

vorbereitet.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!