Leben mit Übergewicht
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Wie erleben Sie Ihre Erkrankung im Alltag<br />
und <strong>mit</strong> welchen Herausforderungen haben<br />
Sie zu kämpfen?<br />
Seit meiner Operation bin ich nicht mehr auf<br />
den ersten Blick als Adipositas-Patientin zu<br />
identifizieren, daher habe ich zum Glück keine<br />
Herausforderungen mehr zu bewältigen, wie<br />
sie viele andere Betroffene jeden Tag erleben.<br />
Aber ich erinnere mich genau, wie es mal war.<br />
Das sind keine schönen Erinnerungen. Aus<br />
diesem Grund setze ich mich nach wie vor für<br />
Adipositas-Erkrankte ein. Als Mensch, der <strong>mit</strong><br />
Adipositas lebt, ist man extrem sichtbar und<br />
unsichtbar zugleich. Das soziale Stigma wiegt<br />
ebenso schwer wie die Extrakilos, die man<br />
durch den Alltag bewegen muss – ein Umstand,<br />
der an Körper und Seele gleichermaßen zerrt.<br />
Menschen <strong>mit</strong> Adipositas wird oft unterstellt,<br />
faul und unfähig zu sein. Bitte äußern Sie<br />
sich dazu.<br />
Als Nichtbetroffener ist es immer einfach zu urteilen,<br />
und viele können sich nicht vorstellen,<br />
dass die Patienten keine Schuld trifft. Die Annahme,<br />
dass Adipositas eine selbst gemachte<br />
Krankheit ist, die man einfach abstellen könnte,<br />
wenn man nur genug Disziplin aufbringt, ist<br />
einfach falsch. Die Wahrheit ist viel komplexer<br />
und ich würde mir wünschen, dass sich Menschen,<br />
bevor sie urteilen, informieren. Adipositas<br />
ist eine chronische Erkrankung wie COPD<br />
oder Diabetes. Und wie bei diesen Erkrankungen<br />
muss auch Adipositas behandelt werden.<br />
„Bewegung fördert<br />
das physische<br />
und psychische<br />
Wohlbefinden auf<br />
unzählige Arten und ist<br />
für fast alle einfach zu<br />
integrieren.“<br />
Sie zeigen, dass man Adipositas in keine<br />
Schublade stecken kann, denn Sport<br />
und Bewegung spielten schon immer eine<br />
wichtige Rolle in Ihrem <strong>Leben</strong>.<br />
Ja, schon als Kind habe ich viel Sport gemacht.<br />
Besonders mochte ich Tennis, Ballett<br />
und Gymnastik. Später habe ich den Rudersport<br />
für mich entdeckt und diesen sogar bis<br />
zum Leistungssport hin verfolgt – und auch<br />
einige Erfolge eingefahren. Meine Erkrankung<br />
ließ mich dennoch nie los. Ich machte<br />
Diäten, um weiter dabei sein zu können, und<br />
diese wurden immer radikaler. Das brachte<br />
meinen Stoffwechsel und Hormonhaushalt<br />
gewaltig durcheinander – ich nahm immer<br />
weiter zu. Es wurde immer schwieriger. Dennoch:<br />
Der Sport gibt mir viel und es war eines<br />
meiner größten Ziele, diesen wieder richtig<br />
ausüben zu können. Beim Sport kann ich<br />
abschalten, meinen Körper spüren und sehe<br />
nicht mehr die Defizite, sondern das, was ich<br />
alles noch leisten kann. Das macht glücklich<br />
und motiviert. Ich bin wahnsinnig froh,<br />
so viel von meiner <strong>Leben</strong>squalität nicht zuletzt<br />
durch Sport zurückgewonnen zu haben<br />
– nicht als Mittel zur Abnahme, sondern als<br />
Belohnung dafür –, und möchte ihn keinen<br />
Tag missen.<br />
Wie kann jeder Betroffene <strong>mit</strong> <strong>Übergewicht</strong><br />
Sport in seinen Alltag integrieren?<br />
Sport sollte man immer treiben, aber nicht<br />
nur zum Abnehmen. Ich wünschte, diese ungünstige<br />
Verkettung ließe sich wieder lösen.<br />
Bewegung fördert das physische und psychische<br />
Wohlbefinden auf unzählige Arten<br />
und ist für fast alle einfach zu integrieren. Es<br />
muss nicht immer Leistungssport sein. Spaziergänge,<br />
Radfahren, Schwimmen, Tai-Chi<br />
– Hauptsache, irgendeine Art von Bewegung,<br />
für mindestens 30 Minuten am Tag. Das würde<br />
vielen Menschen schon enorm helfen.<br />
Was wünschen Sie sich bezüglich Ihrer Erkrankung<br />
von der Gesellschaft?<br />
Ich wünsche mir, dass Adipositas als extrem<br />
komplexe und schwer zu behandelnde<br />
Krankheit anerkannt wird und Betroffene<br />
<strong>mit</strong> dem Respekt und der Fürsorge behandelt<br />
werden, die anderweitig Erkrankten auch<br />
entgegengebracht werden. Das wäre ein guter<br />
Start. .<br />
KINDER UND JUGENDLICHE<br />
Das Bewegungsdreieck<br />
Bewegung tut gut. Dem Körper und der Seele! Für Kinder, Jugendliche und<br />
Erwachsene wird regelmäßige Bewegung empfohlen.<br />
ALLTAGSBEWEGUNG<br />
• 0–3 Jahre: so viel Bewegung wie<br />
möglich in sicherer Umgebung<br />
• 4–6 Jahre: 3 Std. und mehr pro Tag in<br />
Bewegung sein, z. B. laufen, klettern, springen<br />
• 7–18 Jahre: 1 Std. und mehr pro Tag, z. B.<br />
Rad fahren, gehen, laufen, schwimmen<br />
ERWACHSENE<br />
ALLTAGSBEWEGUNG<br />
• im Alltag so viel wie möglich bewegen,<br />
z. B. Treppen steigen, zu Fuß gehen,<br />
Radf ahren statt das Auto benutzen<br />
BEWEGUNGSSPIELE UND SPORT<br />
• 4–6 Jahre: angeleitete Bewegung – z. B. Sport<br />
im Verein – nach Lust und Laune in Alltagsbewegung<br />
integrieren<br />
• 7–18 Jahre: 0,5 Std. und mehr pro Tag moderate<br />
oder intensivere Bewegung zusätzlich zur Alltagsbewegung<br />
und sportliche Betätigung an 2–3 Tagen pro<br />
Woche zur Stärkung von Ausdauer und Kraft<br />
SITZEN<br />
• langes Sitzen vermeiden<br />
Private Bildschirmzeiten<br />
Für alle Altersgruppen gilt: so wenig wie möglich<br />
• 0–3 Jahre: keine Bildschirmmedien, 4–6 Jahre: maximal<br />
0,5 Std. pro Tag, 7–11 Jahre: maximal 1 Std. pro Tag,<br />
12–18 Jahre: maximal 2 Std. pro Tag<br />
AUSDAUER<br />
• 2,5 Std. und mehr pro Woche moderate<br />
Ausdauerbewegung (z. B. 5 × 30 Min.)<br />
• oder mindestens 1,25 Std. pro Woche intensivere<br />
Ausdauerbewegung – oder beides in Kombination<br />
KRAFT<br />
• an 2 oder mehr Tagen pro Woche Kräftigung der<br />
Muskeln, z. B. funktionsgymnastische Übungen<br />
SITZEN<br />
• lange Sitzphasen vermeiden und regelmäßig durch<br />
körperliche Aktivität unterbrechen, z. B. kleine Spaziergänge,<br />
Arbeit im Stehen<br />
Quelle: Abbildung in Anlehnung an „Nationale Empfehlungen<br />
für Bewegung und Bewegungsförderung“(BzgA)