30.11.2023 Aufrufe

Leben mit Übergewicht

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

8<br />

DiGA<br />

(Digitale)<br />

Unterstützung<br />

Unsere Gesellschaft wird seit Jahren immer schwerer, doch das Gewicht allein<br />

ist nicht das Hauptproblem. Im Interview spricht Prof. Dr. Matthias Blüher über<br />

die Krankheit Adipositas, die richtige Arzt-Patienten-Kommunikation und<br />

digitale Möglichkeiten zur Therapieunterstützung.<br />

Herr Prof. Dr. Blüher, etwa ein Viertel der<br />

Erwachsenen in Deutschland ist von Adipositas<br />

betroffen. Wie kommt das?<br />

Es liegt an unserem <strong>Leben</strong>sstil, bei manchen<br />

kommt auch eine genetische Veranlagung<br />

hinzu. Viele Tätigkeiten werden im Sitzen<br />

ausgeübt, wir bewegen uns zu wenig. Dann<br />

gibt es ein Überangebot an kalorienreichen<br />

<strong>Leben</strong>s<strong>mit</strong>teln und häufig auch einen ungesunden<br />

Essensrhythmus. All das fördert Adipositas,<br />

starkes <strong>Übergewicht</strong>.<br />

Was macht starkes <strong>Übergewicht</strong> so problematisch?<br />

Adipositas an sich hat für Betroffene schon<br />

einen Krankheitswert. Das Hauptproblem<br />

aber ist, dass Adipositas zu mehr als 60 Folgeerkrankungen<br />

beitragen kann, darunter<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes,<br />

Bluthochdruck, das Schlafapnoesyndrom,<br />

auch verschiedene Krebsarten und Störungen<br />

des Bewegungsapparates. Letztlich<br />

schränkt Adipositas also nicht nur die <strong>Leben</strong>squalität<br />

ein, sondern auch die <strong>Leben</strong>serwartung.<br />

Warum ist es so schwer, Gewicht zu verlieren?<br />

Unser Körper strebt zeitlebens nach Wachstum,<br />

einen Gewichtsverlust versucht er zu<br />

verhindern. Zum Beispiel, indem er als Reaktion<br />

auf Diäten den Grundumsatz senkt<br />

oder mehr Appetit entwickelt, dem Gehirn<br />

eine spätere Sättigung signalisiert. Diese<br />

Mechanismen erschweren ein langfristiges<br />

Abnehmen.<br />

Wie kann es dennoch gelingen?<br />

Hier gibt es im Wesentlichen drei Säulen:<br />

zum einen Verhaltensmaßnahmen – gesünder<br />

und kalorienbewusster essen, <strong>mit</strong><br />

viel Gemüse, weniger kohlenhydratreicher,<br />

energiedichter Kost. Hierzu gehören auch<br />

ein gesunder <strong>Leben</strong>srhythmus, die Schlafhygiene,<br />

das Vermeiden von Stress und gesteigerte<br />

bzw. gezielte körperliche Aktivität.<br />

Eine zweite Therapiesäule können Medikamente<br />

sein und eine dritte ist die chirurgische<br />

Therapie bei Adipositas.<br />

Prof. Dr. Matthias Blüher<br />

Endokrinologe, Diabetologe und<br />

Leiter der Adipositas-Ambulanz<br />

für Erwachsene der Universitätsmedizin<br />

Leipzig<br />

„Viele meiner<br />

Patienten<br />

betrachten eine<br />

App als hilfreich,<br />

auch weil sie<br />

dadurch Zeit<br />

und Wege sparen.<br />

Man muss es<br />

ausprobieren.<br />

Es ist gut, diese<br />

Möglichkeit zu<br />

haben.<br />

Welche Rolle spielt die Arzt-Patienten-<br />

Kommunikation?<br />

Menschen <strong>mit</strong> Adipositas fühlen sich häufig<br />

alleingelassen. Sie brauchen viel positive<br />

Rückkopplung, auch Erklärungen, warum<br />

bestimmte Maßnahmen weniger gut<br />

und andere besser funktionieren. Zudem<br />

ist ein Feedback zur Gewichtsentwicklung,<br />

zu Erfolgen und zu Ergebnissen von Laborkontrollen<br />

wichtig. Wie häufig dies geschehen<br />

muss, ist allerdings individuell sehr<br />

verschieden. Manche Patienten brauchen<br />

eine sehr engmaschige Rückkopplung, den<br />

meisten reicht ein Termin alle sechs bis<br />

acht Wochen aus.<br />

Können digitale Gesundheitsanwendungen<br />

die Kommunikation unterstützen?<br />

Es gibt in Deutschland zwei zugelassene<br />

Apps, die dabei helfen sollen, Verhaltensänderungen<br />

dauerhaft zu etablieren. Sie<br />

informieren, was gesunde Ernährung bedeutet<br />

und wie viel Bewegung nötig ist,<br />

sie erinnern und sie klären über mögliche<br />

Folgeprobleme durch Adipositas auf.<br />

Digitale Gesundheitsanwendungen sind<br />

natürlich nicht gleichzusetzen <strong>mit</strong> einem<br />

Termin beim Arzt. Sie sind aber als Ergänzung<br />

durchaus sinnvoll und werden seit<br />

etwa einem Jahr auch von mir in der Praxis<br />

eingesetzt.<br />

Welche Rückmeldung geben Ihre Patienten<br />

zur Nutzung der App?<br />

Wichtig ist, sich vorab bewusst zu machen,<br />

dass die Verwendung einer App nicht automatisch<br />

<strong>mit</strong> dem Verlust eines bestimmten<br />

Gewichts einhergeht. Ich habe Patienten,<br />

die sehr gut da<strong>mit</strong> zurechtkommen und<br />

gute Erfolge sehen, andere haben das Gefühl,<br />

es bringt ihnen nichts. Man kann hier<br />

nicht pauschalisieren. Viele meiner Patienten<br />

betrachten die App als hilfreich und<br />

mögen sie, auch weil sie dadurch Zeit und<br />

Wege sparen. Man muss es ausprobieren.<br />

Es ist gut, diese Möglichkeit zu haben..<br />

Redaktion Miriam Rauh

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!