Leben mit Übergewicht
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DiGA<br />
(Digitale)<br />
Unterstützung<br />
Unsere Gesellschaft wird seit Jahren immer schwerer, doch das Gewicht allein<br />
ist nicht das Hauptproblem. Im Interview spricht Prof. Dr. Matthias Blüher über<br />
die Krankheit Adipositas, die richtige Arzt-Patienten-Kommunikation und<br />
digitale Möglichkeiten zur Therapieunterstützung.<br />
Herr Prof. Dr. Blüher, etwa ein Viertel der<br />
Erwachsenen in Deutschland ist von Adipositas<br />
betroffen. Wie kommt das?<br />
Es liegt an unserem <strong>Leben</strong>sstil, bei manchen<br />
kommt auch eine genetische Veranlagung<br />
hinzu. Viele Tätigkeiten werden im Sitzen<br />
ausgeübt, wir bewegen uns zu wenig. Dann<br />
gibt es ein Überangebot an kalorienreichen<br />
<strong>Leben</strong>s<strong>mit</strong>teln und häufig auch einen ungesunden<br />
Essensrhythmus. All das fördert Adipositas,<br />
starkes <strong>Übergewicht</strong>.<br />
Was macht starkes <strong>Übergewicht</strong> so problematisch?<br />
Adipositas an sich hat für Betroffene schon<br />
einen Krankheitswert. Das Hauptproblem<br />
aber ist, dass Adipositas zu mehr als 60 Folgeerkrankungen<br />
beitragen kann, darunter<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes,<br />
Bluthochdruck, das Schlafapnoesyndrom,<br />
auch verschiedene Krebsarten und Störungen<br />
des Bewegungsapparates. Letztlich<br />
schränkt Adipositas also nicht nur die <strong>Leben</strong>squalität<br />
ein, sondern auch die <strong>Leben</strong>serwartung.<br />
Warum ist es so schwer, Gewicht zu verlieren?<br />
Unser Körper strebt zeitlebens nach Wachstum,<br />
einen Gewichtsverlust versucht er zu<br />
verhindern. Zum Beispiel, indem er als Reaktion<br />
auf Diäten den Grundumsatz senkt<br />
oder mehr Appetit entwickelt, dem Gehirn<br />
eine spätere Sättigung signalisiert. Diese<br />
Mechanismen erschweren ein langfristiges<br />
Abnehmen.<br />
Wie kann es dennoch gelingen?<br />
Hier gibt es im Wesentlichen drei Säulen:<br />
zum einen Verhaltensmaßnahmen – gesünder<br />
und kalorienbewusster essen, <strong>mit</strong><br />
viel Gemüse, weniger kohlenhydratreicher,<br />
energiedichter Kost. Hierzu gehören auch<br />
ein gesunder <strong>Leben</strong>srhythmus, die Schlafhygiene,<br />
das Vermeiden von Stress und gesteigerte<br />
bzw. gezielte körperliche Aktivität.<br />
Eine zweite Therapiesäule können Medikamente<br />
sein und eine dritte ist die chirurgische<br />
Therapie bei Adipositas.<br />
Prof. Dr. Matthias Blüher<br />
Endokrinologe, Diabetologe und<br />
Leiter der Adipositas-Ambulanz<br />
für Erwachsene der Universitätsmedizin<br />
Leipzig<br />
„Viele meiner<br />
Patienten<br />
betrachten eine<br />
App als hilfreich,<br />
auch weil sie<br />
dadurch Zeit<br />
und Wege sparen.<br />
Man muss es<br />
ausprobieren.<br />
Es ist gut, diese<br />
Möglichkeit zu<br />
haben.<br />
Welche Rolle spielt die Arzt-Patienten-<br />
Kommunikation?<br />
Menschen <strong>mit</strong> Adipositas fühlen sich häufig<br />
alleingelassen. Sie brauchen viel positive<br />
Rückkopplung, auch Erklärungen, warum<br />
bestimmte Maßnahmen weniger gut<br />
und andere besser funktionieren. Zudem<br />
ist ein Feedback zur Gewichtsentwicklung,<br />
zu Erfolgen und zu Ergebnissen von Laborkontrollen<br />
wichtig. Wie häufig dies geschehen<br />
muss, ist allerdings individuell sehr<br />
verschieden. Manche Patienten brauchen<br />
eine sehr engmaschige Rückkopplung, den<br />
meisten reicht ein Termin alle sechs bis<br />
acht Wochen aus.<br />
Können digitale Gesundheitsanwendungen<br />
die Kommunikation unterstützen?<br />
Es gibt in Deutschland zwei zugelassene<br />
Apps, die dabei helfen sollen, Verhaltensänderungen<br />
dauerhaft zu etablieren. Sie<br />
informieren, was gesunde Ernährung bedeutet<br />
und wie viel Bewegung nötig ist,<br />
sie erinnern und sie klären über mögliche<br />
Folgeprobleme durch Adipositas auf.<br />
Digitale Gesundheitsanwendungen sind<br />
natürlich nicht gleichzusetzen <strong>mit</strong> einem<br />
Termin beim Arzt. Sie sind aber als Ergänzung<br />
durchaus sinnvoll und werden seit<br />
etwa einem Jahr auch von mir in der Praxis<br />
eingesetzt.<br />
Welche Rückmeldung geben Ihre Patienten<br />
zur Nutzung der App?<br />
Wichtig ist, sich vorab bewusst zu machen,<br />
dass die Verwendung einer App nicht automatisch<br />
<strong>mit</strong> dem Verlust eines bestimmten<br />
Gewichts einhergeht. Ich habe Patienten,<br />
die sehr gut da<strong>mit</strong> zurechtkommen und<br />
gute Erfolge sehen, andere haben das Gefühl,<br />
es bringt ihnen nichts. Man kann hier<br />
nicht pauschalisieren. Viele meiner Patienten<br />
betrachten die App als hilfreich und<br />
mögen sie, auch weil sie dadurch Zeit und<br />
Wege sparen. Man muss es ausprobieren.<br />
Es ist gut, diese Möglichkeit zu haben..<br />
Redaktion Miriam Rauh