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RENNSPORT REUNION<br />
Wenn der schnellste<br />
Mann der Welt<br />
auf eine Allgaier-Zugmaschine<br />
mit Porsche-Dieselmotor<br />
steigt<br />
und das Rennen<br />
gegen andere Traktoren haushoch und<br />
trotzdem gutgelaunt verliert, muss das<br />
Umfeld stimmen. <strong>Das</strong> tat es – schliesslich<br />
war nach vier Jahren Pause wieder<br />
«Rennsport Reunion», das grösste<br />
Markentreffen der Welt. Vier Tage<br />
lang donnerten mehr als 300 Porsche-<br />
Rennwagen über die Piste von Laguna<br />
Seca in Kalifornien, rund 50 aktuelle<br />
und ehemalige Rennfahrer gaben sich<br />
ein Stelldichein, gut 90 000 Besucher<br />
strömten an vier Tagen in die knochentrockenen<br />
Hügel zwischen Salinas und<br />
Monterey. Die R-Group und die 356er<br />
Outlaws kamen in Armeestärke, um<br />
ihre reichlich personalisierten Lieblinge<br />
zu zeigen (die Clubmitglieder müssen<br />
nach drei Prämissen leben. Erstens:<br />
Ohne Hot-Rod-Gesinnung haben<br />
du und dein Auto in der Gruppe keine<br />
Chance. Zweitens: Dein Porsche ist ein<br />
Sport-Wagen. Vergiss das nie. Drittens:<br />
Wenn du und dein Auto nicht irgendwie<br />
an Steve McQueen erinnern, mach dir<br />
keine Hoffnungen …). Wer als Tuner einen<br />
Namen hat, stellte seine überzüchteten<br />
911 an prominenter Stelle aus und<br />
liess sich für so viel Mut, 911 zu «ver»-<br />
formen, bewundern.<br />
Trotz aller Grösse: Rennsport Reunion<br />
ist Familie. Der US-Porsche-Club ist<br />
der grösste von allen, und wenn die namensgebende<br />
Firma schon das 75. Jubiläum<br />
und das kultigste Produkt den<br />
60. Geburtstag feiert, will sich das niemand<br />
entgehen lassen. Wie zum Beispiel<br />
Abends präsentiert, tagsüber gefahren:<br />
neues millionenschweres Trackspielzeug<br />
Porsche 911 GT3 R rennsport.<br />
Bernhard Riedel (79). Der Münchner<br />
Automechaniker wanderte 1963 in die<br />
USA aus und kümmert sich noch heute<br />
im Porsche Club of America um die Getriebe<br />
der Vereinsbrüder und -schwestern.<br />
Seinen 356, Baujahr 1956, kaufte<br />
er 1974. «Nach der Rennschule 1975 in<br />
Sears Point warf ich mich ins Renngeschehen<br />
und noch im selben Jahr wäre<br />
ich fast Meister der nordkalifornischen<br />
A-Production-Meisterschaft geworden»,<br />
erinnert er sich. Er führte bereits<br />
nach Punkten und hätte nur noch beim<br />
letzten Rennen der Saison teilnehmen<br />
müssen – allerdings war das auch der<br />
Tag seiner Hochzeit. Er entschied sich<br />
für seine Frau – «das erzähle ich ihr<br />
aber auch heute noch jeden Tag», grinst<br />
er. Ganz so schlimm war die Wahl aber<br />
dann doch nicht: Er gewann die Meisterschaft<br />
ein Jahr später.<br />
Oder Cameron Healy. Der Amerikaner<br />
besitzt zum Beispiel den heute vollrestaurierten<br />
ersten Porsche-Le Mans-<br />
Siegerwagen, den 356 SL Gmünd Typ<br />
514 mit der Chassisnummer 063. <strong>Das</strong><br />
Auto errang 1951 als erster Porsche<br />
einen Klassensieg bei den 24 Stunden<br />
von Le Mans. Ist schon interessant, zu<br />
erfahren, wie ein Mann wie Healy überhaupt<br />
zu Porsche kam: «Der Vater meiner<br />
ersten Freundin kaufte 1966 eine<br />
neuen 912,» erzählt er. «Ich hatte so<br />
einen Wagen vorher noch nie gesehen.<br />
Als ich 16 Jahre alt war, kaufte ich einen<br />
Käfer und dann versuchte ich, den<br />
in einen Porsche umzuwandeln. Aber<br />
vor 1980 war ich nicht in der Lage, mir<br />
einen echten Porsche zu leisten: Ich erstand<br />
einen 356 für 2000 Dollar. In meinen<br />
40ern habe ich dann begonnen, an<br />
historischen Rennen teilzunehmen.»<br />
Als ihn jemand dabei zweimal überrundete,<br />
kaufte er gleich dessen kompletten<br />
Wagen: Den «Pooper», mit dem er auch<br />
hier in Laguna Seca die Konkurrenz<br />
verbläst. Die Startnummer 55 ist ein<br />
ultraleichter Mix aus MK7-Cooper-F3<br />
und Porsche-Motor aus dem Jahr 1953.<br />
Er gilt als einer der ersten Mittelmotorrennwagen<br />
in den USA und war vor allem<br />
dank seiner 500 Kilo Wagengewicht<br />
den anderen überlegen. Mit 1720 Kubik<br />
Hubraum soll der Vierzylinder- Boxer<br />
heute rund 170 PS leisten – und vier<br />
Trommelbremsen versuchen, die Kraft<br />
im Zaum zu halten.<br />
SEESICHT 6/23<br />
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