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Seesicht - Das Zürichsee-Magazin Nr. 6 - 2023

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PORSCHE HERITAGE TOUR<br />

Die Vorfreude ist gross.<br />

Wann hat man schon mal<br />

die Gelegenheit, sechs 911<br />

unterschiedlicher Jahrgänge<br />

ausgiebig zu fahren?<br />

Dann auch noch auf engen,<br />

kurvigen Landstrassen in einer Ecke<br />

Deutschlands, die selbst die Deutschen<br />

kaum kennen, nämlich der Pfalz?<br />

Geladen hat Porsche zur dritten «Porsche<br />

Heritage Tour». <strong>Das</strong> ist eine Veranstaltungsreihe,<br />

die laut Alexander Klein,<br />

Leiter Fahrzeugsammlung Porsche-Museum<br />

und eben jener «Experience», folgende<br />

Aufgabe hat: «Im Fokus steht der<br />

Austausch über Traditionsarbeit – auf<br />

Augenhöhe. Hier treffen wir Menschen,<br />

die ihr Wissen sowie ihre erlernten und<br />

gelebten Traditionen von Generation zu<br />

Generation weitergeben. Wir möchten<br />

Kultur, Identität und Tradition wortwörtlich<br />

‹erfahren›.» Dazu haben die<br />

Firmenhistorienhüter ein nettes Sixpack<br />

mitgebracht – ein F-«Urmodell»<br />

als 180-PS-Targa-Ausführung von 1970,<br />

den Klassiker G-Modell als Cabrio<br />

(231 PS, 1984), ein 450-PS-Bolide namens<br />

Turbo S vom Typ 993, ein 335 PS<br />

starker Targa S aus dem Jahr 2007, einen<br />

erst zehn Jahre alten 911 50 Jahre<br />

Typ 991 und einen brandaktuellen 911 T<br />

(Typ 992) mit 385 PS.<br />

Die Pfalz wurde ausgesucht, weil viel<br />

Kultur in der Regel dort ist, wo viele<br />

Flüsse sind. Rheinland-Pfalz trägt sogar<br />

den für das Bundesland wichtigsten<br />

Fluss im Namen: den Rhein, einen der<br />

wichtigsten Transportwege Europas.<br />

Wir starten deshalb entlang der Jacobswege<br />

am Hornbacher Kloster – heute<br />

ein geschickt um die Historie eingebundenes<br />

Wellnesshotel mit sehenswerten<br />

Einblicken ins Mittelalter. Erstes Ziel<br />

ist das Hambacher Schloss. Es wurde<br />

im Mittelalter als Burg erbaut und in der<br />

Neuzeit schlossartig ausgestaltet. Wegen<br />

des 1832 dort ausgerichteten «Hambacher<br />

Festes» gilt es neben der Frankfurter<br />

Paulskirche als wichtiges Symbol<br />

der deutschen Demokratiebewegung<br />

und Pressefreiheit. Hier ist zum Beispiel<br />

die erste schwarz-rot-goldene Flagge zu<br />

sehen mit der Aufschrift «Deutschlands<br />

Wiedergeburt». Oder auch das Hambacher<br />

Fest, wunderbar nachgestellt mit<br />

Playmobil-Figuren.<br />

Überhaupt, die Pfalz: Hier gibt es den<br />

Pfälzerwald, das grösste zusammenhängende<br />

Waldgebiet Deutschlands (der<br />

übrigens nicht die Abgase der sechs 911<br />

erleiden muss – die Wagen werden befeuert<br />

von CO 2 -neutralem eFuel). Hier<br />

befindet sich auch das zweigrösste Weinanbaugebiet<br />

der Republik – die Trauben<br />

brachten die Römer im 1. Jahrhundert a.<br />

D. mit. Logisch, dass hier die Deutsche<br />

Weinstrasse quert: Sie beginnt im Winzerdorf<br />

Bockenheim und führt bis nach<br />

Bad Dürkheim, wo im September der<br />

«Dürkheimer Wurstmarkt» stattfindet,<br />

das grösste Weinfest der Welt. Die Pfälzer<br />

Fläche beträgt 5451,13 Quadratkilometer,<br />

rund 1,4 Millionen Einwohner<br />

leben hier; und einst rund 500 Burgen<br />

zeugten für kaiserliche und königliche<br />

Macht im Mittelalter.<br />

Mit ihrem unüberhörbaren Sechszylinder-Boxersound<br />

bringen uns die 911 danach<br />

zum Kalmithaus, einer Gastwirtschaft<br />

auf dem zweithöchsten Berg des<br />

Pfälzerwalds mit gigantischem Blick auf<br />

die Rheinebene. Sie ist eine von mehr als<br />

100 bewirtschafteten Wanderheimen,<br />

Gaststätten und Hütten, die sich zur<br />

«Pfälzerwaldhüttenkultur» summieren,<br />

was heute Bestandteil des Immateriellen<br />

Kulturerbes Deutschlands der deutschen<br />

UNESCO-Kommission ist. Von<br />

dort geht es zu Georg Wiedemann: Er<br />

ist Oberhaupt des kleinsten Essigherstellers<br />

Deutschlands. Er hat sich mit<br />

seinem Familienbetrieb «Weinessiggut<br />

Doktorenhof» in Venningen auf Digestiv-<br />

und edle Würzessige spezialisiert.<br />

Die heissen dann «Dancing Mocca»,<br />

«Dein ist mein ganzes Herz»» oder «Tränen<br />

der Kleopatra» und schmecken nach<br />

Kaffee, Blutorange oder Holzfass. Aber<br />

auch Himbeere und Tomate sind möglich<br />

und alles wirkt noch besser, wenn<br />

man vorher bei mystischer Kirchenmusik<br />

in einer Kutte durch die mit Kerzen<br />

beleuchteten Reifefässer im Keller wandelte<br />

und ehrfürchtig den hunderte Jahre<br />

alten Essigbakterien huldigte.<br />

Der Weg führt schliesslich nach Speyer,<br />

eine der ältesten Städte Deutschlands<br />

und seit dem 5. Jahrhundert Bischofssitz.<br />

Sein fast 1000 Jahre alter Kaiserdom<br />

steht auf der Liste des UNESCO-<br />

Weltkulturerbes. Der Dom beeindruckt<br />

nicht nur durch seine Grösse, sondern<br />

auch durch die bunten Fresken, seine<br />

vier Kaiser- und vier Königsgräber in der<br />

Krypta, durch die begehbare Dachkonstruktion<br />

und die Aussichtsplattform<br />

auf dem Südwestturm, die man nach<br />

304 Stufen in 60 Metern Höhe erreicht.<br />

Schon ist die Tour zu Ende. Was bleibt?<br />

Auf alle Fälle der Wunsch, zurückzukehren<br />

und mehr von diesem faszinierenden<br />

Fleckchen Deutschland kennenzulernen.<br />

Wenn’s geht, in einem 911 …<br />

Ikonen unter sich: sechs Porsche 911 aus verschiedenen Epochen<br />

vor dem Dom zu Speyer. Ein würdiges Ende einer aussergewöhnlichen<br />

Kultur-Tour durch die Pfalz.<br />

SEESICHT 6/23<br />

www.seesichtmagazin.ch 65

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