Anna Lea Hucht H - Weltkunst
Anna Lea Hucht H - Weltkunst
Anna Lea Hucht H - Weltkunst
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
– das Gegenständliche aus der Welt aktueller Tatsachen<br />
reißend und das Erlebnis in seinem Tempo, seinem Hitzegrad<br />
herausschleudernd. Die andere, mehr den zeitlos-gültigen<br />
Gegenstand suchend, um daran im Bereiche<br />
der Kunst ewige Daseinsgesetze zu verwirklichen“ 13 . In<br />
der Ausstellung, die mit der Begriffsprägung einherging,<br />
waren neben Künstlern wie Otto Dix und George Grosz,<br />
Georg Schrimpf oder Alexander Kanoldt auch Karl Hub-<br />
buch, Wilhelm Schnarrenberger und Georg Scholz vertreten;<br />
alle drei lehrten an der Badischen Landeskunstschule,<br />
alle drei wurden nach der Machtübernahme der<br />
Nationalsozialisten aus dem Dienst entlassen. 1947 wurden<br />
Hubbuch und Schnarrenberger wieder an die Karlsruher<br />
Hochschule berufen, Scholz, der nach Kriegsende<br />
von der französischen Militärregierung zum Bürgermeister<br />
seiner Heimatstadt Waldkirch ernannt worden war, ist<br />
zu diesem Zeitpunkt bereits tot.<br />
Magische Objektivität<br />
Einige Arbeiten von <strong>Anna</strong> <strong>Lea</strong> <strong>Hucht</strong> könnten aktuelle<br />
Adaptionen des neusachlichen Impetus sein. Es gibt von<br />
ihr Stillleben eines Porzellanservices, einer Gruppe fragil<br />
geflochtener Körbe und eines Sets funktionalistisch<br />
gestalteter Schalen; all diese Arbeiten weisen die akzentuierte,<br />
manchmal nahezu dämonische, von zeitgenössischen<br />
Autoren auch als magisch empfundene Objektivität<br />
auf, mit der neusachliche Künstler die Dinge der<br />
Alltagswelt in ihren Malereien und Zeichnungen registrierten<br />
und überhöhten. <strong>Hucht</strong>s als Grisaille angelegtes<br />
Blatt Untitled (Schalen) von 2005 (Abb. 14) ließe sich bei<br />
flüchtigem Hinsehen sogar als eine der Schwarzweißfotographien<br />
auffassen, mit denen in der Zwischenkriegsepoche<br />
banale Industrieprodukte, aber auch Pflanzen,<br />
Früchte, Stühle, Musikinstrumente in ein neues Licht<br />
gerückt wurden. Namen wie Albert Renger-Patzsch, Paul<br />
Outerbridge oder Ralf Steiner stehen für diese fotografische<br />
Richtung, die den einzelnen Gegenstand, der durch<br />
den gewöhnlichen Umgang mit ihm unscheinbar bleibt, in<br />
6<br />
Es fehlt nicht an Symbolen, Zeichen und Strukturen,<br />
die darauf verweisen, dass in diesen Blättern ein weiter<br />
Horizont ins Auge gefasst wird.«<br />
den Rang einer makellosen Kostbarkeit erhebt. Die Ausleuchtung<br />
der Objekte hat entscheidenden Anteil an der<br />
visuellen Aufwertung, und dieses fotographische Gestaltungsmittel<br />
kehrt bei den gezeichneten und aquarellierten<br />
Stillleben von <strong>Anna</strong> <strong>Lea</strong> <strong>Hucht</strong> wieder: Von ihren weißen<br />
Schalen geht ein ähnliches scheinbar schattenloses,<br />
sachlich kaltes und doch geheimnisvolles Licht aus, wie<br />
es etwa bei den Aufnahmen einer Aenne Biermann, bei<br />
einer „Tüte mit Nüssen“<br />
(1929) oder einem „Gummibaum“<br />
(1926), zu beobachten<br />
ist.<br />
<strong>Hucht</strong> ist mit dieser Ästhetik<br />
vertraut, aber sie hat<br />
sich mit ihr weder systematisch<br />
befasst, noch hat sie versucht, sie zu adaptieren.<br />
Ihre Zeichnungen resultieren nicht aus einem gesteigerten<br />
Interesse an der Neuen Sachlichkeit. Die Akademie<br />
in Karlsruhe hätte einer rein sympathetischen Adaptation<br />
ohnehin keinen Vorschub geleistet. Trotz der Wiedereinstellung<br />
einiger ehemals veristisch orientierter<br />
Hochschullehrer in den ersten Nachkriegsjahren hat sich<br />
die Einrichtung nie als Hort eines einzigen Stils, einer<br />
spezifischen Richtung oder einer singulären Tendenz<br />
begriffen. Eher schon waren die jeweiligen Kollegien<br />
bestrebt, das Haus offen zu halten für gegenwartsnahe<br />
Entwicklungen. Während <strong>Hucht</strong>s Studium unterrichteten<br />
so unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten wie<br />
Silvia Bächli oder John Bock, Harald Klingelhöller oder<br />
Gustav Kluge, Meuser oder Marijke van Warmerdam an<br />
der Kunstakademie Karlsruhe. <strong>Hucht</strong> entschied sich für<br />
Erwin Gross, der Bilder aus der niederländischen Landschaftsmalerei,<br />
aber auch eigene Natureindrücke zum<br />
Anlass oftmals großformatiger Arbeiten nimmt, wobei<br />
die malerische Gestaltung nicht selten von automatischen<br />
Prozessen der Formbildung beeinflusst ist. Eine<br />
der Techniken, die Gross anwendet, besteht darin, auf<br />
ausgedehnten Leinwandflächen Lachen wässriger Farblösungen<br />
stehen zu lassen, so dass sich während des<br />
Austrocknens Pigmentpartikel in wechselnder Dichte<br />
an vorher nicht festgelegten Stellen ablagern: Malen als<br />
Analogie zu natürlichen Prozessen.<br />
Mit dieser Methode gelingen Gross Bilder von überaus<br />
zurückhaltender, schwebender, ephemerer Farbigkeit<br />
und mit Flächen, deren Konturen teils verschwimmen,