dem der Wahrnehmung der gewohnte Boden unter den Füssen weggezogen wird – und in dem so die Wahrnehmung selbst als möglicher Stereotyp in Frage gestellt wird, fraglich wird. Es ist das Feld, in dem Deutungen und Bedeutungen ihre Eindeutigkeit verlieren, Begriffe oder besser: Bilder zu fließen beginnen. Die Hintergehbarkeit der Sprache So können <strong>Netzhammer</strong>s Arbeiten als bildhafte und analytische Beiträge zu einer Sprachtheorie betrachtet werden, die aber jenseits (oder diesseits) der Sprache angesiedelt ist. Es ist eine Theorie, die sich stark auf das Phänomen der Vorstellungen bezieht, die in der sprachlichen Konvention eindeutig erscheinen, als Bild sich aber verflüchtigen – ganz im Sinne von Ludwig Wittgenstein: „Eine Vorstellung ist kein Bild, aber ein Bild kann ihr entsprechen.“ 14 Die Bilder von <strong>Netzhammer</strong> rufen starke Vorstellungen hervor 15 , weil sie aber fließend sind, sich ständig metamorphotisch verwandeln, ziehen sie sich immer wieder in das Unaussprechliche, ja in das Vorsprachliche zurück. Dieses ist zwar, so vermuten und beobachten wir, der Vorstellung bekannt, berührt aber Bereiche, die in der Sprache unbekannt sind. Dazu <strong>Netzhammer</strong>: „Bild ist für mich der Übergang der Wahrnehmung zur anschaulichen Vorstellung. Ich fasse es als ein medial unspezifisches Gegenüber, das der Ablagerung von Erfahrungen und Werten dient und darüber hinaus die Generierung von offenen und imaginativen Verhältnissen ermöglicht.“ 16 Diese offenen und imaginativen Verhältnisse entstehen durch eine bestimmte Rhetorik der Bilder. Es ist die Rhetorik der Metonymie, wie sie beispielsweise, wiederum, Kleist in einem Brief aufs Schönste vorführt: „Ich weiss nicht, was ich dir über mir unaussprechliche Menschen sagen soll. – Ich wollte, ich könnte mir das Herz aus dem Leibe reißen, in diesen Brief packen, und dir zuschicken. 6 Ohne Titel, 2003 a–d Mappe mit 6 Siebdrucken je 68 x 48 cm <strong>Yves</strong> <strong>Netzhammer</strong> – Dummer Gedanke!“ 17 So dumm ist das nicht, entwickelt sich doch die Metonymie als offenes Bild zu weiteren Bildern, weiteren Strängen der Vorstellung. Denn in der Metonymie, in der ein Teil für das Ganze steht, ist dieser Teil selbst nicht unbedingt und unauflösbar an dieses Ganze angebunden, lässt sich also auch wieder als Teil eines ganz anderen Ganzen sehen; Übergänge, Zwischenräume und -bilder der Vorstellung sind derart durchaus vorprogrammiert. In vielerlei Hinsicht folgen die Videos von <strong>Netzhammer</strong> der „Logik des Traums“ 18 . Im Unbewussten, so Sigmund Freud, haben die entscheidenden Regeln der Logik keine Haltlosigkeit, wesenhafte Eigenschaften, Namen finden – das sind Stichwörter, die tief in den <strong>Netzhammer</strong>schen Kosmos führen.« Geltung, „man kann sagen, es ist das Reich der Unlogik.“ 19 Dass <strong>Netzhammer</strong>s Bilder dieser Logik folgen, ist jedoch nur als Metapher zu verstehen; falsch wäre es, sie auf ein psychoanalytisches Substrat zu reduzieren. Eher müsste davon gesprochen werden, dass in dieser Welt surrealistische Anteile vorhanden sind, aber auch hier gilt: <strong>Netzhammer</strong> ist kein Surrealist der späten Stunde. Seine Bilder bauen Realitäten auf, die zugleich wieder fraglich erscheinen und stets von Neuem wieder zum Nichtidentischen werden. So kann es beispielsweise durchaus sein, dass sich das in den virtuellen Raum eindringende Licht zu gelber Farbe materialisiert und zu einem Ding wird – ohne dass es dafür andere, rationale oder nachvollziehbare Gründe geben müsste als die Weiterentwicklung, die Metamorphose der Formen, die zugleich neue Inhalte und Assoziationen hervorruft. Die Formen werden, wiederum wie im Traum, als durchaus körperhaft erlebt. Und wie im Traum versucht man, die Dinge, die man sieht, sogleich zu erklären, während sie sich schon wieder verändert und entzogen haben. Tim Zulauf: „Mit dem Bilderlebnis überträgt sich die Empfindung für ein der Möglichkeit nach vorhandenes Material, eine erweiterte Sensibilität für dessen Bedeutsamkeit. Indem <strong>Netzhammer</strong>s Werke die paradoxe ‚Möglichkeit eines unmöglichen Berührens‘ empfinden lassen, schärfen sie die Sicht auf die Phänomene der materiellen Welt und respektieren sie gleichzeitig als unfassliche – als 5
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