Yves Netzhammer N - Zeit Kunstverlag
Yves Netzhammer N - Zeit Kunstverlag
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solche, die nie erschöpfend erfahren oder beschrieben<br />
werden können. Diese Erweiterung und Erhaltung einer<br />
Vielfalt von Weltphänomenen realisiert der Künstler<br />
durch den genauen Umgang mit der Eigenwilligkeit der<br />
Zeichenmaterialität, in den nuancierten Formfindungen,<br />
mit denen seine Bildarbeiten die Empfindungsdimensionen<br />
für die Welt entfalten. ‚Figuration‘ und ‚Form‘ meinen<br />
in <strong>Netzhammer</strong>s Schaffen somit die genaue Markierung<br />
und Wertschätzung von Wahrnehmungen – von<br />
Wahrnehmungen unbegreiflicher und fremder Umstände,<br />
denen das Versprechen zustehen soll, im Rahmen<br />
unserer Kultur einen Platz zu erhalten, um deren Grenze<br />
mit zu beeinflussen.“ 20<br />
„Ästhetik der Migration“<br />
Immer stärker zeigt es sich: Jeder Text, der die <strong>Netzhammer</strong>schen<br />
Phänomene in Sprache zu fassen versucht,<br />
droht bei aller Präzision zu scheitern 21 . Die Bilder<br />
sind stärker als die Worte – und sie sind, wie gesagt,<br />
radikal vorsprachlich. Diesem Phänomen versucht auch<br />
der Medientheoretiker Nils Röller auf die Spur zu kommen:<br />
„Subversion bedeutet hier Umkehr des Fühlens,<br />
Denkens und Handelns im Sinn einer Ästhetik der Mig-<br />
7 Gefährdete Liebschaften, 2006<br />
a–d Video- und Objektinstallation mit Sockel,<br />
Stoff, Keramik, ca. 240 Zeichnungen, Ton<br />
29‘14‘‘ min<br />
Installationsansicht Museum Rietberg, Zürich<br />
<strong>Yves</strong> <strong>Netzhammer</strong><br />
ration. Sie mutet den Betrachtern zu, sich in bodenlosen,<br />
entwurzelten Bildwelten zu sehen. Diese Bildwelten entfalten<br />
sich mit Zeichen, die keine Heimat in einer verlässlichen<br />
Ordnung finden. Sie finden keine Bleibe in einer<br />
Erzählung und keine Ruhe im Einklang mit der Welt. Es<br />
sind Zeichen, die die Wanderschaft von Bedeutung und<br />
Sinnlosigkeit auf sich nehmen und die Wahrnehmung von<br />
Singularität und Totalität umkehren.“ 22<br />
Bleibt die Frage, wie ein beinahe überbordender Kosmos<br />
solch eindeutiger Uneindeutigkeiten überhaupt entstehen<br />
kann. Kurz: Wie arbeitet <strong>Netzhammer</strong>? Zuerst ist<br />
festzuhalten, dass <strong>Netzhammer</strong> ein äusserst reflektierter<br />
Künstler ist, nichts ist da also vom Sich-Überlassen an<br />
das nackte Unbewusste. <strong>Netzhammer</strong> ist theoretisch<br />
sehr fundiert, beschäftigt sich mit Sprach- und Bildtheorien<br />
und hat sich mit der Plattform „Journal für Kunst,<br />
Sex und Mathematik“ 23 einem höchst spannenden Diskussions-<br />
und Experimentierforum angeschlossen.<br />
In vielen Arbeitsschritten geht <strong>Netzhammer</strong> vor, bis er<br />
eine neue Versuchsanordnung der Bilderfolgen, bis er<br />
die richtige Dramaturgie für seine mentalen Bühnen<br />
gefunden hat. Er selbst greift bei der Beschreibung seiner<br />
Arbeitsweise auf Heinrich von Kleists Essay „Über<br />
die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“<br />
zurück 24 . Dieser Essay erhellt nochmals auf eine andere<br />
Weise das, was sich auch in der Rezeption des Werks von<br />
<strong>Netzhammer</strong> abspielt: „Aber weil ich doch irgendeine<br />
dunkle Vorstellung habe, die mit dem, was ich suche, von<br />
fern her in einiger Verbindung steht, so prägt, wenn ich<br />
nur dreist damit den Anfang mache, das Gemüt, während<br />
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