KOMM 8/2023
KOMM ist das Mitgliedermagazin der Bundesfachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
KOMM ist das Mitgliedermagazin der Bundesfachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
13 <strong>KOMM</strong> 08/<strong>2023</strong><br />
BEHINDERTENPOLITIK<br />
Arbeitsmarkt endlich<br />
inklusiv gestalten<br />
ver.di setzt sich für die<br />
Gleichberechtigung und<br />
gleiche Teilhabe aller an<br />
der Gesellschaft und in<br />
der Arbeitswelt ein. Anlässlich<br />
des Tags der<br />
Menschen mit Behinderung<br />
am 3. Dezember<br />
betonte der ver.di-Bundesarbeitskreis<br />
Behindertenpolitik,<br />
was dies<br />
für ver.di bedeutet: eine<br />
Kultur der Inklusion, der Nichtdiskriminierung<br />
und der Vielfalt, die auf<br />
gleiche Chancen unabhängig von<br />
Migrationshintergrund und Religionszugehörigkeit,<br />
kultureller Identität,<br />
geschlechtlicher Zuordnung und<br />
Identität für Menschen jeden Alters<br />
wie auch auf gleichberechtigte Teilhabe<br />
von Menschen mit und ohne<br />
Behinderungen.<br />
VON CHRISTINE GLASER-RIECHEL<br />
Bei Menschen mit Behinderung ist die<br />
Zahlenlage mit Blick auf etwaige Potenziale<br />
für den Arbeitsmarkt sehr prägnant:<br />
Die Erwerbsquote von Menschen mit Behinderungen<br />
liegt bei rund 45 Prozent<br />
und damit deutlich unter der Quote von<br />
rund 80 Prozent für Menschen ohne Behinderungen.<br />
Dies zeigt, wie unerlässlich<br />
Maßnahmen für eine gleichberechtigte<br />
Teilhabe an der Arbeitswelt sind. Eine zusätzliche<br />
und verbindliche (Mindest-)Ausbildungsplatzquote<br />
von sechs Prozent für<br />
schwerbehinderte Menschen ist eine der<br />
Forderungen von ver.di.<br />
Ausbildung<br />
Der ver.di-Bundesarbeitskreis Behindertenpolitik<br />
ver.di fordert, dass die Ausbildung<br />
schwerbehinderter Menschen in Betrieben/Verwaltungen<br />
verbessert und ausgebaut<br />
wird. Alle Ausbilder:innen von Menschen<br />
mit Behinderungen müssen über<br />
entsprechende (Zusatz-)Qualifikationen<br />
verfügen. Den besonderen Bedarfen bei<br />
der Ausbildung von Menschen mit Behinderungen<br />
ist durch auskömmliche Personalausstattung<br />
und ein hohes Maß an<br />
Fachlichkeit gerecht zu werden. Die Kosten<br />
für etwaige Zusatzqualifikationen<br />
müssen von den Arbeitgeber:innen getragen<br />
werden. Grundsätzlich muss das einschlägige<br />
Förderungs-/Beratungsangebot<br />
der Bundesagentur für Arbeit deutlich<br />
ausgebaut werden. Bei einer behinderungsgerechten<br />
Ausstattung der Arbeitsplätze<br />
und einer Intensivierung personenzentrierter<br />
Förderung kann und muss es<br />
gelingen, das Potenzial der Beschäftigten<br />
mit Behinderungen in den Fokus einer<br />
Politik der Steigerung der Beschäftigungsquote<br />
zu stellen.<br />
Neues Gesetz<br />
Foto: Christine Glaser-Riechel<br />
Das Gesetz zur Förderung des inklusiven<br />
Arbeitsmarktes, das zum 1. Januar 2024<br />
in Kraft tritt, begrüßt ver.di, wenn auch<br />
nicht alle ver.di-Forderungen umgesetzt<br />
wurden. Dennoch setzt es wichtige Impulse<br />
auf dem Weg zu einem inklusiven<br />
Arbeitsmarkt. Die geforderte Höhe der<br />
sogenannten 4. Staffel der Ausgleichsabgabe<br />
in Höhe von 1000 Euro ist nicht erfüllt<br />
worden und sie muss dringend nochmals<br />
deutlich angehoben werden.<br />
Für die beschäftigten Menschen mit<br />
Behinderung in den Werkstätten (WfbM)<br />
setzt ver.di sich ebenfalls ein, damit das<br />
Wunsch- und Wahlrecht der Menschen<br />
mit Behinderungen im Kontext der Werkstätten<br />
für behinderte Menschen gestärkt<br />
und ausgebaut wird. Die Bundesregierung<br />
muss entsprechende Vorschriften<br />
wirksam für einen inklusiven, mit der<br />
UN-Behindertenrechtskonvention in Einklang<br />
stehenden Arbeitsmarkt schaffen.<br />
Sie muss verstärkt darauf hinwirken, dass<br />
der Arbeitsmarkt und das Arbeitsumfeld<br />
offen, inklusiv und auch für Menschen<br />
mit Behinderungen gleichermaßen zugänglich<br />
sind. Dies erfordert beispielsweise<br />
barrierefreie Arbeits- und Ausbildungsstätten<br />
und vergleichbare Wahlmöglichkeiten,<br />
ohne wegen einer Behinderung<br />
von vornherein auf bestimmte<br />
Optionen beschränkt zu werden. Dabei<br />
muss der Übergang auf den allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt im Mittelpunkt der Bemühungen<br />
stehen, ohne die Funktion der<br />
Werkstätten für diejenigen Menschen mit<br />
Behinderungen zu vernachlässigen, die<br />
wegen der Art oder Schwere der Behinderung<br />
nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
(in seiner derzeitigen Verfasstheit)<br />
beschäftigt werden können oder<br />
wollen.<br />
Ohne Geld geht es nicht<br />
Das Budget für Arbeit, das Budget für<br />
Ausbildung sowie das Angebot an Qualifizierungsmaßnahmen<br />
zur Vorbereitung<br />
auf den ersten Arbeitsmarkt sind auszubauen.<br />
Das bisherige Entlohnungssystem<br />
der Werkstattbeschäftigten muss reformiert<br />
und durch ein faires, angemesseneres<br />
System abgelöst werden. Die meisten<br />
Behinderungen (circa 88 Prozent) entstehen<br />
im Laufe des Lebens durch Krankheiten;<br />
hinzu kommen Unfälle oder Berufskrankheiten.<br />
Nur zwei Prozent sind angeboren<br />
oder traten im ersten Lebensjahr<br />
auf. Die Reha-Angebote der Sozialversicherungen<br />
müssen auf die Veränderungen<br />
in der Arbeitswelt umfassend reagieren<br />
und ihre Leistungen entsprechend<br />
anpassen. ver.di fordert, Leistungen zur<br />
medizinischen und beruflichen Rehabilitation<br />
auch für Bezieher:innen von Bürgergeld<br />
deutlich zu verbessern sowie die<br />
Versorgungs-Medizinverordnung (Vers-<br />
MedV) ausschließlich zum Nutzen<br />
schwerbehinderter Menschen anzupassen<br />
oder zu verändern.<br />
Fazit<br />
Wir fordern die Bundesregierung auf,<br />
jetzt und mit allen Kräften darauf hinzuwirken,<br />
allen Menschen mit Behinderungen<br />
ein selbstbestimmtes Leben in der<br />
Gemeinschaft durch die barrierefreie Gestaltung<br />
öffentlicher Infrastruktur und die<br />
Bereitstellung angemessener Vorkehrungen<br />
zu gewährleisten. Es bleibt noch viel<br />
zu tun – wir bleiben dran.<br />
Christine<br />
Glaser-Riechel<br />
Referatsleiterin<br />
Teilhabepolitik,<br />
Schwerbehindertenvertretungen,<br />
Gruppe Erwerbslose<br />
Foto: privat