#ticinomoments 2024
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KOLUMNE<br />
Wahrhaftig schön<br />
Tessiner Künstler haben in ganz Europa Bauten<br />
von zeitloser Schönheit geschaffen.<br />
«Schönheit wird die Welt retten.» - Der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski wird auch an die<br />
prachtvollen Paläste und Plätze von St. Petersburg gedacht haben, als er Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
seinen berühmten Satz zu Papier brachte. Tatsächlich war die Hauptstadt des Zarenreiches innert<br />
kürzester Zeit zu einer der elegantesten Metropolen Europas herangewachsen. 1703 hatte Zar Peter der<br />
Grosse den Auftrag erteilt, an den Sümpfen der Newa-Mündung aus dem Nichts eine neue Hauptstadt<br />
für sein Reich zu bauen. Zu einem seiner profiliertesten Baumeister avancierte Domenico Trezzini aus<br />
Astano im Malcantone. 65 Gebäude gehen auf sein Konto, darunter die Peter-und-Paul-Kathedrale,<br />
das Newski-Kloster und der Sommerpalast des Zaren.<br />
So einzigartig das Erbe von Trezzini ist: es handelt sich bei weitem nicht um einen Einzelfall. Tausende<br />
von Tessiner Baumeistern ersannen über Jahrhunderte im Auftrag von Päpsten und Bischöfen, von<br />
Königen, Fürsten und Adelsfamilien staunenswerte Bauten. Die Not machte sie erfinderisch respektive<br />
zwang sie zur Emigration. Denn in ihren mausarmen Dörfern gab es oft nicht einmal das sprichwörtliche<br />
Hungertuch, an dem sie hätten nagen können. Geschweige denn Auftraggeber für prunkvolle<br />
Bauten. Diese fanden sie in Rom, Neapel und Venedig, in Wien, Prag, Moskau und St. Petersburg. Dort<br />
hinterliessen sie Bauwerke, die Besucher bis heute entzücken.<br />
Beispiele gefällig? Die Sternstunde von Domenico Fontana aus Melide schlug 1585, als er einen 320<br />
Tonnen schweren antiken Obelisken auf den Petersplatz in Rom transportierte und dort aufrichtete<br />
- eine Herkulesaufgabe, die man für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten hatte. Der smarte Carlo<br />
Maderno aus Capolago vollendete das Werk von Michelangelo und gab dem Petersdom seine heutige<br />
Gestalt, während Francesco Borromini aus Bissone im barocken Rom mit Bauten wie der Kirche San<br />
Carlino alle Quattro Fontane die Architektur revolutionierte (und in den Ruch geriet, ein Ketzer zu sein).<br />
Andere Baumeister sind in Vergessenheit geraten, obwohl sie ebenfalls Grossartiges schufen. Oder<br />
hätten Sie gewusst, dass die Seufzerbrücke in Venedig von Antonio Contin aus Lugano und der Leopoldinische<br />
Trakt der Hofburg von Filiberto Lucchese aus Melide erbaut wurden? Der tschechische<br />
Aussenminister residiert heute in Prag in einem Palast, den Francesco Caratti aus Bissone konzipierte.<br />
Die Moskauer Universität basiert auf Plänen von Domenico Gilardi aus Montagnola. Und dank Gaspare<br />
Fossati aus Morcote kann eines der bedeutendsten Bauwerke der Menschheit immer noch in voller<br />
Pracht bewundert werden: Er bewahrte die antike Hagia Sophia in Istanbul, das achte Weltwunder,<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer Totalsanierung vor dem Einsturz.<br />
In der Summe sind diese Leistungen derart überragend, dass es einem schwerfällt zu glauben, dass<br />
aus einem Dreieck mit den Eckpunkten Lugano, Malcantone und Mendrisio während Jahrhunderten<br />
derart viele geniale Künstler hervorgingen. Zitieren wir dazu nochmals Dostojewski: «Nichts ist so<br />
unglaubwürdig wie die Wirklichkeit.»<br />
Omar Gisler<br />
Omar Gisler, 1976 in Altdorf /<br />
UR geboren, arbeitete jahrelang<br />
als Korrespondent für<br />
die SDA und die NZZ sowie<br />
als Kommunikationschef von<br />
Ticino Turismo im Tessin.<br />
Er ist Autor mehrerer Bücher<br />
über Fussball, Reisen und<br />
Geschichte. Unter anderem<br />
verfasste er das Werk<br />
«Terra d’artisti – Wie Tessiner<br />
Baumeister europäische<br />
Kunstgeschichte schrieben».<br />
Heute leitet er die Abteilung<br />
Marketing und Kommunikation<br />
am Kantonsspital Baden.<br />
Vom Schweizerischen<br />
Verband für interne und<br />
integrierte Kommunikation<br />
(SVIK) wurde er im Herbst<br />
2023 als «Kommunikator des<br />
Jahres» ausgezeichnet.<br />
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info@ticino.ch Text und Redaktion: Catherina Sitar; Veronica Pingue (Ticino Turismo) Illustration: Variante Agenzia Creativa Art Direction und Grafik:<br />
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