Industrieanzeiger 01.2024
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TOPSTORY » FACHKRÄFTEAUSBILDUNG<br />
Die Simulation des<br />
Schooltool zeigt,<br />
ob alle Elemente des<br />
Werkzeugs – Kühl -<br />
kanäle, Auswerfer... –<br />
richtig platziert sind.<br />
Derzeit widmet sich Ritter mit seinen Mitarbeitern<br />
dem komplexen Thema der Simulation, das eine<br />
Klammer um die bisherigen Module des Lehr- und<br />
Lernkonzepts bilden soll. Die Herausforderung dabei:<br />
Die Simulation von Kunststoffprozessen ist aufgrund<br />
der Material eigenschaften extrem komplex und erfordert<br />
viel Know-how. Der Hochschullehrer sagt:<br />
„Schöne bunte Bilder zu generieren ist einfach. Die<br />
Frage ist jedoch, ob und inwieweit sie die Realität<br />
abbilden. Derzeit erarbeiten wir grundlegende Kriterien<br />
und Schulungsmaterial, wie Simulationen im<br />
Kunststoffbereich sinnvoll durchgeführt werden können.“<br />
Am Beispiel der Polymatter-Teile untersuchen<br />
die Reutlinger etwa, wo bereits einfache Systeme zu<br />
einem vernünftigen Ergebnis führen und wo deutlich<br />
aufwändigere Highend-Lösungen nötig sind, um Prozesse<br />
und Teile realitätsnah abzubilden.<br />
Dieses Know-how sei wichtig, denn Anpassungen<br />
und Änderungen gehörten im Werkzeugbau zum<br />
Tagesgeschäft, doch sie müssten rechtzeitig erfolgen<br />
und nicht erst, wenn man in der Produktion merke:<br />
So funktioniert das nicht! Wenn eine gute Simulation<br />
zeigt, dass an einer bestimmten Stelle beispielsweise<br />
ein Entlüftungsproblem auftritt, dann kann bereits<br />
die Konstruktion des Werkzeugs entsprechend angepasst<br />
und die Entlüftung optimiert werden. Dazu<br />
müssen die Verantwortlichen aber verstehen, was<br />
simuliert werden soll. Ritter erläutert: „Wir untersudanke<br />
gewachsen, derartiges für den Werkzeug- und<br />
Formenbau umzusetzen. ‚Mouldmaker – the Game‘<br />
entstand schließlich in Zusammenarbeit mit einem<br />
Studenten. Während der Pandemie saßen beide im<br />
Homeoffice und tauschten sich regelmäßig in Telekonferenzen<br />
aus. Mit dem Spiel sind gleich mehrere<br />
Ziele verbunden: Es soll zum einen die deutsche und<br />
die eng lische Nomenklatur vermitteln, es soll aber<br />
auch zeigen, wie Standard-, Schieber- oder Backenwerkzeuge<br />
aufgebaut sind und den Spieler darin<br />
schulen, trotz unterschiedlicher visueller Darstellungen<br />
zu erkennen, um welches Bauteil es sich handelt.<br />
Lebenslanges Lernen ist ein Muss<br />
Eines müsse jedem seiner Studierenden klar sein,<br />
sagt der Hochschullehrer: „Wer ein Ingenieur-Studium<br />
abgeschlossen hat, ist kein fertiger Ingenieur. Mit<br />
dem Abschluss erwirbt man die Eintrittskarte in die<br />
Ingenieurwissenschaften. Ab da heißt es – lebenslang<br />
lernen und das Wissen ständig erweitern.“<br />
Ritter ist überzeugt, dass unser Bildungssystem ein<br />
falsches Bild prägt. Die Forderung „Lern was!“ fruchte<br />
nicht. Er sagt: „Lernen findet ausschließlich beim<br />
Lernenden statt. Als Lehrer oder Dozent kann ich niemandem<br />
Wissen eintrichtern.“ Die Grund lage des<br />
Lernerfolgs sei, dass die Lernenden selbst erkennen,<br />
einen Lernbedarf zu haben, und sie diese Erkenntnis<br />
nutzen, um selbstständig das nötige Know-how und<br />
Wissen aufzubauen. Dieses Prinzip könne man schon<br />
bei Kleinkindern beobachten, die laufen lernen wollen<br />
– sie beobachten ihre Eltern und imitieren sie.<br />
Das sei die natürlichste Art des Lernens.<br />
Der Professor wünscht sich, dass die Erfahrungen<br />
mit diesem Lehrkonzept andere inspirieren und sie es<br />
für ihren Bereich adaptieren. „Ob für Stanz- oder<br />
Gussteile, für die Mikrobearbeitung oder die Elektronikentwicklung<br />
– den Verantwortlichen in Ausbildung<br />
und Lehre möchte ich sagen: Vermittelt die<br />
Faszination Eures Fachgebiets anschaulich!“ Ritter<br />
ist überzeugt, dass sich der Fachkräftemangel überwinden<br />
lässt, „wenn wir es schaffen, junge Menschen<br />
Bild: Steffen Ritter<br />
Bild: Steffen Ritter<br />
Das Schooltool<br />
sollte klein und<br />
leicht genug sein,<br />
um in einem<br />
Koffer getragen<br />
werden zu können.<br />
für die vielen faszinierenden Technik-Berufe und<br />
-Studiengänge zu begeistern“. Ein praxisorientiertes<br />
Lehr- und Lernkonzept sei dabei ein wesentlicher<br />
Baustein. Er betont, mit etwas Engagement ließen<br />
sich tolle Ideen umsetzen, die nicht nur für den<br />
Nachwuchs spannender, sondern auch für Lehrer und<br />
Dozenten befriedigender seien.<br />
Simulation erfordert viel Know-how<br />
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