Hänicher Bote | Januar-Ausgabe 2024
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16 ALTES HANDWERK<br />
(Gräfenhainichen/HäBo). Knöpfe<br />
waren bereits in der Antike bekannt,<br />
dienten aber mehr zur Zierde, denn<br />
als Kleiderverschluss. Zu dieser<br />
Zeit verwendete man Fibeln, verzierte<br />
Spangen ähnlich den heutigen<br />
Sicherheitsnadeln, zum Zusammenheften<br />
der Kleider. Die Älteste<br />
stammt aus dem dritten Jahrtausend<br />
vor Christus. Der Fibel folgte der<br />
Knebel, eine längliche Form eines<br />
Knopfes. Aus Knochen, Steinen oder<br />
Tierzähnen wurde dieser unmittelbare<br />
Knopfvorgänger kreiert, um<br />
den man eine Schlaufe legte.<br />
Um 1200 vollzog sich der Wandel zu<br />
geknöpfter Kleidung. Die bis dahin<br />
weiten Gewänder, umgehängt oder<br />
geschnürt, trug man nun enger am<br />
Körper. Befördert durch das neu<br />
aufgekommene Knopfloch und die<br />
wachsende Nachfrage nach dem<br />
neuen Kleiderverschluss entstand<br />
der Knopfmacher-Beruf. 1363 wurden<br />
die ersten Knopfschmiede im<br />
Nürnberger Handwerksverzeichnis<br />
genannt. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts<br />
gründeten Angehörige dieses<br />
Handwerks im deutschsprachigen<br />
Raum eigene Zünfte und bald entstanden<br />
erste Manufakturen.<br />
Bis dahin hatten verschiedene Handwerker,<br />
je nach verwendetem Material,<br />
Knöpfe hergestellt: Gürtler,<br />
Nadler und Zinnknopfmacher die<br />
aus Messing, Tombak, Zinn, Eisen<br />
oder Stahl. Solche aus Holz, Bein,<br />
Elfenbein oder Perlmutt fertigten<br />
vorrangig die Drechsler. Gold- und<br />
Silberschmiede verarbeiteten edle<br />
Metalle. Hingegen verwendeten<br />
Knopfmacher und Posamentierer<br />
meist Garn, Wolle, Seide oder Goldund<br />
Silbergespinste.<br />
Knöpfe wurden aber beispielsweise<br />
auch aus Knochen gestanzt oder,<br />
indem gebrauchte Zinngegenstände<br />
umgeschmolzen wurden, aus Zinn<br />
gegossen und verziert.<br />
<strong>Hänicher</strong> <strong>Bote</strong><br />
<strong>Bote</strong><br />
24. <strong>Januar</strong> <strong>2024</strong><br />
Historische Bauschlosserei und Schmiedewerkstatt<br />
August Reinhard stellt alte Berufe vor – Teil 44: Der Knopfmacher<br />
Ein Knopfmacher aus den Nürnberger<br />
Hausbüchern<br />
Knopfmacher produzierten aber auch<br />
verschiedene Gürtel aus Schnüren,<br />
Quasten, Säbelgehänge, Schleifen,<br />
Banderolen, Kniegürtel etc. Da dies<br />
überwiegend in Handarbeit geschah,<br />
war auch die Ausstattung der Werkstätten<br />
mit Maschinen und Werkzeugen<br />
bescheiden. Noch 1744 hatte die<br />
Landesregierung einem Leipziger<br />
Zinnknopfmacher die Verwendung<br />
einer Knopf-Presse untersagt und<br />
diese durch den Münz-Guardein<br />
Johann Gottfriedt Junge überprüfen<br />
und versiegeln lassen – aus Angst,<br />
der Inhaber der Knopf-Maschine<br />
könnte auch Münzen pressen. Lediglich<br />
ein kleines Drehrad kam zum<br />
Einsatz, auf dem das Grund-material<br />
(Seide, Wolle, Kamel-, Ziegen- oder<br />
Rosshaar) zu einem meist vierfachen<br />
Faden verarbeitet wurde. Die Seide<br />
und Garne wurden vom Meister<br />
Das Zunftzeichen der Knopfmacher aus<br />
dem Jahr 1895<br />
Die Musterknöpfe sind unter anderem in August Reinhards Schmiedewerkstatt zu<br />
besichtigen.<br />
Fotos: Netzfunde/privat<br />
meist persönlich eingefärbt.<br />
In freier Handarbeit wurden dann<br />
die Kordeln auf von Drechslern gedrehten<br />
hölzernen Knopfformen in<br />
mehreren Lagen mit Nähnadeln so<br />
angebracht, dass unterschiedliche<br />
Muster entstanden. Zusätzlich konnten<br />
solche Knöpfe noch mit Verzierungen<br />
geschmückt werden. Für<br />
besonders wertvolle Knöpfe verwendete<br />
man mit Gold- oder Silberdraht<br />
übersponnene Seidenfäden.<br />
Bis in das 20. Jahrhundert wurden<br />
unter anderem Perlmutterknöpfe<br />
maßgeblich in Heimarbeit hergestellt.<br />
Die Wohnstube war häufig<br />
gleichzeitig Arbeitsraum, alle Arbeitsgänge<br />
erfolgten auf der Drehbank<br />
„auf Tritt“, dem Funktionieren<br />
einer Nähmaschine mit Fußantrieb<br />
ähnlich. Vom Knopffabrikanten kamen<br />
die Perlmutterschalen als Rohware<br />
und wurden zu Knopfrohlingen<br />
verarbeitet. Gelocht wurden die<br />
Knöpfe in der Fabrik.<br />
In die Arbeit war die gesamte Familie<br />
eingebunden: Der Vater bediente<br />
die Knopfdrehbank, die Mutter nähte<br />
die Knöpfe auf Karten, die Kinder<br />
arbeiteten vor und nach der Schule<br />
sechs bis sieben Stunden am Tag als<br />
Löcherbohrer oder Sortierer in der<br />
Knopffabrik, die jüngeren Kinder<br />
halfen beim Aufnähen der Knöpfe.<br />
Änderungen der Mode, die Verbreitung<br />
der Metallknöpfe, aber auch<br />
die Entstehung von Manufakturen<br />
Auch diese Leinen-Kranzknöpfe sind bei August Reinhard in der Historischen<br />
Bauschlosserei zu finden.<br />
führten bereits im 18. Jahrhunderrt<br />
zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen<br />
Lage. Das Handwerk<br />
reagierte mit einer Verlängerung der<br />
Lehrzeit (bis zu sechs Jahren ohne<br />
Lehrgeld) und der Verlagerung des<br />
Produktionsschwergewichts auf die<br />
Galanteriewaren, und letztlich auch<br />
zu einer Wiedervereinigung mit den<br />
Posamentierern.<br />
Knopf-Trends setzten allerdings<br />
nicht nur die Modemacher, sondern<br />
im großen Maße auch die Knopfproduzenten<br />
selbst, die industrielle<br />
Knopfindustrie, die wirtschaftliche<br />
Situation und der jeweilige Zeitgeist:<br />
Während der 1920er und 1930er<br />
Jahre wurden duroplastische Kunststoffe,<br />
wie Bakelit und Gallalith,<br />
eingeführt und neue Herstellungsverfahren<br />
unter anderem für Pressstoff<br />
entwickelt. In der Zeit des Zweiten<br />
Weltkrieges wurden Knöpfe sogar<br />
aus Kasein (ein Milchprotein in Pulverform)<br />
und Geweberesten gepresst.<br />
In der Nachkriegszeit produzierte<br />
man nierenförmige Knöpfe mit dem<br />
typischen Pepita-Muster der 1950er<br />
Jahre; gefolgt von den schwülstigen<br />
tortenähnlichen Modellen aus den<br />
1960ern. Mitte der 1970er Jahre<br />
werden mit der ersten Alternativ-<br />
Mode auch wieder Kirschkerne und<br />
andere Naturmaterialien populär.<br />
Die 1980er Jahre standen im Zeichen<br />
des Punks und New Waves:<br />
Plastik, Kunststoffe und Metall bilden<br />
das Material für vielerlei Nonsens-Knöpfe,<br />
wie Abflussstöpsel,<br />
Schnuller, Kronkorken-Knöpfe bis<br />
zu Platinen-Knöpfen für High-Tech<br />
Freaks der 1990er.<br />
Unsere Schneiderwerkstatt präsentiert<br />
Besuchern eine Fülle an Knöpfen<br />
aus dem 19. und 20. Jahrhundert<br />
auf Musterbögen, in einem Knopfmosaik<br />
und in zahlreichen Kästchen,<br />
in denen sie nach Verwendung, Größe,<br />
Art etc. sortiert wurden.