audimax campus 02/03 2024
Good vibes only? Wir gehen der „Toxic Positivity“ auf die Spur +++ Stefanie Stahl im Interview +++ Assessment’s Creed? Wie du das Assessement Center überstehst +++ Food time! Komm mit auf eine Reise durch Deutschlands Mensen! +++ Female Leadership! Was tun, damit Frauen an die Spitze kommen +++ Reggae-Sänger Patrice beweist „Mut zur Lücke"
Good vibes only? Wir gehen der „Toxic Positivity“ auf die Spur +++ Stefanie Stahl im Interview +++ Assessment’s Creed? Wie du das Assessement Center überstehst +++ Food time! Komm mit auf eine Reise durch Deutschlands Mensen! +++ Female Leadership! Was tun, damit Frauen an die Spitze kommen +++ Reggae-Sänger Patrice beweist „Mut zur Lücke"
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
EMOTIONS<br />
Alle Achtung!<br />
Wenn alles etwas zu viel wird, ist die Empfehlung<br />
oft: mehr Achtsamkeit. Ein Konzept, das derzeit<br />
auch häufig vermarktet wird.<br />
Worum geht es dabei eigentlich? / / Text: Florian Grobbel<br />
Meine eigene ganz persönliche Achtsamkeitsstrategie ist<br />
ein kleiner Mond. So genau hab ich ihn mir nie wirklich betrachtet,<br />
aber die Sichel deutet an, dass es sich um einen abnehmenden<br />
Mond handelt. Dieses kleine Symbol zeigt, dass<br />
sich mein Handy im »Nicht stören«-Modus befindet – und<br />
das tut es die allermeiste Zeit. Sehr bewusst habe ich mich irgendwann<br />
dazu entschieden, Benachrichtigungen Benachrichtigungen<br />
sein zu lassen und nur noch auf das Handy zu<br />
schauen, wann ich will. Zwar ist das immer noch reichlich<br />
viel, momentan bin ich mit meinem medialen Konsum aber<br />
recht zufrieden – immer unter Vorbehalt in Zukunft auch etwas<br />
daran optimieren zu können. That's the story.<br />
Doch gelegentlich komme ich ins Zweifeln. Ist das eigentlich<br />
schon »richtige« Achtsamkeit, was ich hier betreibe? Gibt es<br />
überhaupt ein richtig oder falsch? Und wie definiert sich eigentlich<br />
dieses allgegenwärtige Konzept?<br />
Das Café am Rande muss Heimat finden<br />
Ein Besuch in der Buchhandlung offenbart, wie umfangreich<br />
die Szene geworden ist und durchbricht man die Schwelle<br />
zum Internet wird man mit einem noch größeren Universum<br />
konfrontiert. Tutorials, Übungen und Kurse werden dort<br />
zahlreich von professionellen und selbsternannten Coaches<br />
angeboten. Angesichts einer immer schneller werdenden<br />
Welt mit täglichen Eilmeldungen, gefühlt apokalyptischer<br />
Nachrichtenlage und einer unendlichen Zahl an Meinungen<br />
in Kommentarspalten wirkt diese »Achtsamkeitsflut« durchaus<br />
begründet. Der daraus resultierende zunehmende Fokus<br />
auf das Individuum fällt auch in der Forschung auf. Das Zukunftsinstitut<br />
rechnet die zunehmende Individualisierung<br />
sogar einem der zwölf zukünftigen Megatrends zu und der<br />
Trendforscher Matthias Horx schreibt: »Ein entscheidender<br />
Schlüssel zum Verständnis des Achtsamkeitsbegriffs ist<br />
die Evolution des Internets. Wo Alles mit Allem verbunden<br />
ist, wird es schwer, die notwendigen Unterscheidungen zwischen<br />
Ich und Welt, Idee und Tat, Wissen und Vermuten zu<br />
bewahren.« Als Gegenbewegung zu einer Welt, die immer<br />
enger zusammenwächst, scheint es nur logisch, dass dem eigenen<br />
Selbst mehr Raum geschaffen werden soll. Allerdings<br />
kann das große Achtsamkeitsangebot auch schnell überfordernd<br />
wirken, schon allein bei der Frage: Worum geht es hier<br />
eigentlich?<br />
Von den Ursprüngen<br />
Um dem Kern der Achtsamkeit auf die Spur zu kommen,<br />
lohnt sich ein Gespräch mit Dr. Main Huong Nguyen. Die Psychotherapeuthin<br />
setzt in ihrer Arbeit einen Schwerpunkt auf<br />
achtsamkeitsbasierte Therapie und moderiert seit drei Jahren<br />
den Podcast »Achtsam« im Deutschlandfunk. »Achtsamkeit<br />
ist das Gewahrsein dessen, was in uns und um uns herum im<br />
gegenwärtigen Augenblick geschieht«, erklärt Nguyen. »Wir<br />
richten also bewusst unsere Aufmerksamkeit auf unsere Gedanken,<br />
Gefühle und Körperempfindungen und auf unsere<br />
Umwelt. Dabei üben wir uns darin, das, was wir beobachten<br />
nicht zu verurteilen. Das hört sich zunächst einfach an, doch<br />
die Meisten werden die Erfahrung kennen, dass wir im Alltag<br />
aufgrund von Sorgen und Gedanken an unsere To-Do Listen<br />
eben nicht im gegenwärtigen Augenblick sind.« Die Ursprünge<br />
des Achtsamkeitsprinzips und viele Praktiken liegen<br />
dabei im Buddhismus begründet und es gibt häufig auch<br />
Parallelen zur Esoterik. Dringt man etwas tiefer in die Materie<br />
ein, stößt man schnell auf Autoren oder Influencerinnen,<br />
die neben gängigen Atem- und Meditationsübungen auch auf<br />
Themen wie Astrologie, Naturmagie oder Spiritualität eingehen.<br />
Gelegentlich macht es sogar den Eindruck, bei Achtsamkeit<br />
handele es sich um einen neuen Ansatz von Religion.<br />
Woran liegt diese Verknüpfung zwischen dem Glauben an<br />
eine Übernatürlichkeit und dem Konzept der Achtsamkeit?<br />
Quellen: Planet Wissen; horx.com // Foto: Rawf8.com/freepik.com