audimax campus 02/03 2024
Good vibes only? Wir gehen der „Toxic Positivity“ auf die Spur +++ Stefanie Stahl im Interview +++ Assessment’s Creed? Wie du das Assessement Center überstehst +++ Food time! Komm mit auf eine Reise durch Deutschlands Mensen! +++ Female Leadership! Was tun, damit Frauen an die Spitze kommen +++ Reggae-Sänger Patrice beweist „Mut zur Lücke"
Good vibes only? Wir gehen der „Toxic Positivity“ auf die Spur +++ Stefanie Stahl im Interview +++ Assessment’s Creed? Wie du das Assessement Center überstehst +++ Food time! Komm mit auf eine Reise durch Deutschlands Mensen! +++ Female Leadership! Was tun, damit Frauen an die Spitze kommen +++ Reggae-Sänger Patrice beweist „Mut zur Lücke"
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REALITY CHECK<br />
Wo besteht konkret Handlungsbedarf?<br />
Wer sieht sich nun in der Verantwortung, das System umzukrempeln?<br />
Frauen allein schaffen das nicht. Klar, das Gleichstellungsgesetz<br />
der Bundesregierung hat Unternehmen<br />
dazu verpflichtet, dass Frauen und Männer (angeblich) eine<br />
Chancengleichheit haben, um in Führungspositionen zu gelangen.<br />
Das ist aber nach wie vor erst die halbe Miete. Vor<br />
allem weil vergleichbare Regelungen noch<br />
nicht für den Mittelstand existieren.<br />
»Oft ist es ja so, dass Frauen für Frauenrechte<br />
kämpfen, was wir aber brauchen,<br />
sind Männer, die für neue Modelle<br />
kämpfen«, betont die Geschäftsführerin<br />
des Avocadostore. »Letztendlich<br />
haben sie ja auch etwas davon, zum Beispiel<br />
könnte das ein Weg sein, dem Fachkräftemangel<br />
entgegenzuwirken.« Hierbei geht es<br />
wieder um eine positive Vorbildfunktion,<br />
die männliche Chefs einnehmen sollten.<br />
Weg von stereotypischen Rollenbildern<br />
und hin zur gleichmäßigen Chancenverteilung.<br />
Stichwort hierbei »Gender-Care-<br />
Gap«. Frauen übernehmen immer noch viel<br />
mehr unbezahlte Care-Arbeit im Haushalt<br />
als Männer und das bei einer vergleichbaren<br />
Arbeitsstelle. Ein Beispiel, das die Problematik<br />
verdeutlicht, bezieht sich auf das<br />
Thema Elternzeit. Männern wird mitgeteilt,<br />
dass sie nur wenig bis keine Elternzeit<br />
nehmen dürfen, damit sie eine Führungsposition<br />
überhaupt erst erhalten. »Deswegen<br />
bin ich dankbar für jeden Mann,<br />
der länger als ein paar Monate Elternzeit<br />
nimmt, weil das langfristig eben auch zeigt,<br />
dass nicht nur Frauen für die Care-Arbeit<br />
zuständig sind, sondern dass Eltern Eltern<br />
sind und sich Verantwortung teilen«, stellt Sewalski klar. Patriarchale<br />
Strukturen gilt es nach wie vor zu durchbrechen und<br />
da reicht es nun mal nicht, wenn nur Frauen auf das Problem<br />
aufmerksam machen. Das verdeutlichen auch die Erkenntnisse<br />
aus der neuesten Allbright Stiftung. Hier heißt es: »Dass<br />
Deutschland im internationalen Vergleich so hinterherhinkt,<br />
liegt auch an Versäumnissen in der Politik. Viele Frauen arbeiten<br />
unter ihrem Niveau oder in geringer Teilzeit, weil sie Sorge<br />
haben, dass sich eine Führungsposition nicht mit einem gelungenen<br />
Familienleben vereinbaren lässt.«<br />
Erfahrungsberichte aus erster Hand<br />
Die ooia-Entwicklerinnen sprechen ganz offen über ihre eigenen<br />
Erfahrungen: »Wir waren häufig die einzige Frau im Raum<br />
oder bei gewissen Entscheidungen – dieses hat uns sicherlich<br />
geprägt.« Deshalb möchten sie andere Frauen damit stärken.<br />
»Genau deshalb setzen wir uns ja jetzt dafür ein, präsent zu<br />
sein, zum Beispiel an Universitäten oder bei Vorträgen, damit<br />
Frauen eben sehen, wie wir den Weg gemeistert haben und vor<br />
allen Dingen das Thema Familie und Unternehmertum in Einklang<br />
bekommen.«<br />
Auch Mimi Sewalski hat schon einige Diskrepanzen erlebt, vor allem<br />
je höher die berufliche Postion wird. »Mir wurde zum Beispiel von<br />
Vorgesetzten schon gespiegelt, ich würde zu emotional sein. Heute<br />
weiß ich, dass es wichtig ist, sich als Führungskraft zu trauen, in den<br />
eigenen Stärken zu arbeiten. Gottseidank bin ich eine emotionale Chefin,<br />
ich habe Empathie für meine Kolleg:innen.«<br />
Einen Rat für die Karriereplanung – Female Edition<br />
Kati und Kristine haben gleich drei. Erstens: Such dir früh Mentoren<br />
oder Mentorinnen, die dich unterstützen. Zweitens: Such dir gleichgesinnte<br />
Menschen in ähnlichen Situationen und tauscht euch aus.<br />
Drittens: Augen auf bei der Partner- oder Partnerinnenwahl. Sucht<br />
Personen, die ähnliche Vorstellungen haben und mit denen ihr gleichberechtigt<br />
ein Leben führen könnt.<br />
Mimi rät, dass gerade persönliche Stärken in den Fokus gerückt werden<br />
sollen. Frauen orientieren sich oft defizitär und bilden sich vielseitig<br />
weiter, weil sie denken, nicht gut genug zu sein. Lieber direkt bei<br />
den Stärken ansetzen und dort, wo es einem Spaß macht. »The brain<br />
runs on fun – ich bin davon überzeugt, dass wir am besten arbeiten,<br />
wenn wir uns in der Tätigkeit wohlfühlen und das sind eben oft eher<br />
unsere Stärken als unsere Schwächen.«<br />
Kati Ernst und Kristine Zeller<br />
sind die Entwicklerinnen der<br />
nachhaltigen ooia Periodenunterwäsche,<br />
des Moms Still<br />
BH und Gründerinnen der ooshi<br />
GmbH. Kathi ist promovierte<br />
Wirtschaftswissenschaftlerin mit<br />
Schwerpunkt auf Soziales Unternehmertum.<br />
Sie hat über zehn Jahre<br />
als Beraterin in der Konsumgüterbranche<br />
gearbeitet, bis sie nach der Geburt ihres dritten Kindes<br />
zusammen mit Kristine ooia gegründet hat. Kristine<br />
hat Textilbetriebswirtschaft studiert und mehrere Jahre<br />
in der Textilindustrie verschiedene Leitungspositionen<br />
inne gehabt. Die zweifache Mama hat zuvor bei dem<br />
Versandhandel Zalando gearbeitet.<br />
Mimi Sewalski<br />
ist seit 2013 Geschäftsführerin<br />
des Avocadostore. Studiert hat<br />
sie Soziologie und Kriminologie<br />
und stieß über eine ehrenamtliche<br />
Tätigkeit in die Gründungsphase<br />
des Online-Stores<br />
dazu. Eigentlich wollte sie ursprünglich<br />
beim BKA durchstarten,<br />
merkte nach einem Auslandsaufenthalt<br />
jedoch, dass sie mit dem<br />
Bereich Markenaufbau viel mehr anfangen kann. Ein<br />
wichtiges Learning für sie war, »dass ich dann besonders<br />
gut bin, wenn meine Werte zu meiner Aufgabe passen.«<br />
Dein Hochschulmagazin // <strong>audimax</strong> // 09