Automationspraxis 01.2024
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_Trend des Monats<br />
Tipps für die Planung der Mensch-Roboter-Kollaboration<br />
MRK richtig planen: So wird<br />
der Cobot zum Erfolg<br />
Immer mehr Hersteller bieten immer mehr Cobots an. Allerdings: Applikationen,<br />
die die Vorteile der Mensch-Roboter-Kollaboration vollständig nutzen, sind immer<br />
noch rar. Woran liegt das? Und was muss sich ändern?<br />
Autor: Dr. Johannes Kurth<br />
Neue Produktionstechnologien müssen in<br />
der Regel ihre technische Reife zunächst in<br />
Bestandsanlagen nachweisen, da das Risiko<br />
zu hoch wäre, Neuanlagen ohne Erfahrungen<br />
zur richtigen Anwendung der Technologie und der<br />
technischen Verfügbarkeit zu bauen. Das gilt auch<br />
für die Mensch-Roboter-Kollaboration. Deshalb<br />
wurden in den letzten Jahren MRK-Anlagen meistens<br />
in Bestandsanlagen realisiert.<br />
Die große Herausforderung hierbei ist, passende<br />
Arbeitsplätze zu finden. Das liegt daran, dass Bestandsanlagen<br />
nie für den späteren Einsatz von<br />
MRK geplant wurden. Im Gegenteil: Bei der Planung<br />
von verketteten Arbeitsplätzen wurde darauf<br />
geachtet, dass alle Werker optimal ausgelastet<br />
werden. Durch die Integration eines Roboters ist<br />
es zwar möglich, einen Werker zu entlasten, aber<br />
die gewonnene Arbeitszeit des Werkers kann nicht<br />
genutzt werden, da der vorherige oder der nachfolgende<br />
Arbeitsplatz optimal ausgetaktet sind.<br />
Damit ist die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben.<br />
Mehr Koexistenz als Kollaboration<br />
Das Fraunhofer IAO hat 2016 in einer Studie festgestellt,<br />
dass die meisten MRK-Applikationen in die<br />
Zum Autor<br />
Dr.-Ing. Johannes Kurth war seit 1995 in verschiedenen<br />
leitenden Funktionen für Kuka tätig.<br />
Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt er sich mit dem<br />
Thema Mensch-Roboter-Kollaboration. Seit 2021 unterstützt<br />
er Hersteller und Anwender mit seiner Beratung<br />
Robuen beim Thema MRK.<br />
Klasse Koexistenz fallen. Das ist auch nicht verwunderlich,<br />
da die Koexistenz noch am besten in Bestandsanlagen<br />
passt. Bei der Koexistenz arbeitet<br />
nämlich der Roboter ohne trennende Schutzeinrichtung<br />
in einem Arbeitsraum neben dem Werker. Die<br />
Nutzung eines gemeinsamen Arbeitsraums – also eine<br />
echte Kollaboration – ist jedoch nicht vorgesehen.<br />
Bei der Koexistenz werden allerdings wichtige<br />
Vorteile der Mensch-Roboter-Kollaboration nicht<br />
genutzt, beispielsweise ein geringerer Flächenbedarf<br />
oder Verbesserungen der Ergonomie am Arbeitsplatz<br />
und der Prozessqualität. Ziel einer<br />
MRK-gerechten Arbeitsplatzplanung ist es aber,<br />
möglichst viele Vorteile zu nutzen – dies gelingt<br />
nur bei Neuanlagen.<br />
Vorteile von Mensch und Roboter<br />
Wenn man sich dem Thema MRK nähert, sollte<br />
man sich zunächst die jeweiligen Vorteile des Roboters<br />
und des Menschen vergegenwärtigen.<br />
Wenn man den Menschen in einem Gedankenexperiment<br />
technisch nachbildet (siehe Bild), dann<br />
erhält man einen Roboter mit mehr als 50 Achsen<br />
(darunter zwei 7-Achs-Arme) sowie einer omnidirektionalen<br />
Bewegungsplattform (Beine) mit<br />
Höhenausgleich (Knie) samt haptischer Sensoren<br />
(Fingerspitzen) und 3D-Visionsystem (Augen).<br />
Ein MRK-Roboter dagegen stellt davon nur ein<br />
kleines Teil dar. Kann ein MRK-Roboter also<br />
überhaupt im Wettbewerb mit dem Menschen bestehen?<br />
Die Antwort: ja und nein – weil die Antwort<br />
maßgeblich von der Aufgabe abhängt, die<br />
der Mensch oder der Roboter übernehmen soll.<br />
Beim manuellen Verschrauben mit einem Handschrauber<br />
haben wir grob geschätzt einen Nutzungsgrad<br />
der menschlichen Fähigkeiten von rund<br />
20 Prozent. In diesem Fall ist ein Roboter absolut<br />
konkurrenzfähig.<br />
26 März 2024