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10 BIEL BIENNE 12. MÄRZ 2024 LYSSER & AARBERGER WOCHE<br />

BIEL BIENNE 12 MARS 2024<br />

HISTORISCHE LITERATUR<br />

Als der «rote Teufel» im Seeland wütete<br />

Eine Schweizer Söldnergeschichte im<br />

ausgehenden 18. Jahrhundert führt ins<br />

Berner Seeland. Das 13. Taschenbuch<br />

von Werner Adams erscheint Ende April.<br />

MM. Werner Adams<br />

schlägt nach acht Jahren wieder<br />

zu. Damals erschien das<br />

Buch «Archivgeflüster», eine<br />

unterhaltsame Sammlung<br />

von Kurzgeschichten aus dem<br />

Berner Seeland. Der Autor<br />

hielt sich dabei an Dokumente<br />

aus dem Staatsarchiv<br />

des Kantons Bern. Genauer<br />

gesagt handelt es sich um Gerichts-<br />

und Ermittlungsakten,<br />

welche Adams als Grundlage<br />

für sein Werk beizog.<br />

Elefant und Schlägerei.<br />

Im ausgehenden 18.<br />

Jahrhundert sind die Dragoner<br />

Schori von Seedorf<br />

und Zingg aus Diessbach bei<br />

Büren mit ihren Pferden unterwegs<br />

nach Bern, um die<br />

Stadt gegen die Franzosen<br />

zu verteidigen. Wie sie den<br />

Fall des «Alten Bern» erleben<br />

und von den Zürcher<br />

Truppen im Frienisberg als<br />

Verräter verdächtigt werden,<br />

verraten die alten Akten.<br />

Und da war noch eine<br />

historische Geschichte aus<br />

dem «Stedtli»: Im Jahr 1802<br />

trifft der Schausteller Padovane<br />

mit seinem Elefanten<br />

in Aarberg ein und will<br />

über die Brücke. Zollwärter<br />

Stämpfli und sein Gehilfe<br />

Känel sind von der Situation<br />

total überfordert. Der Vorgang<br />

artet in eine Schlägerei<br />

aus, an der sich bald halb<br />

Aarberg beteiligt. Oder der<br />

Chiltgang, der 1804 für Hans<br />

Stebler und Bendicht Gehri<br />

von Seedorf bei der schönen<br />

Barbara Arn in Kosthofen<br />

blutig endet. Hans Hodler<br />

und der Mühlenkarrer Lentz<br />

von der Mühle in Suberg lassen<br />

nicht zu, dass Auswär-<br />

tige in ihrem Revier grasen.<br />

Am Tag danach wird ein<br />

Mörder gesucht.<br />

Entdeckungsreise.<br />

Adams wurde in Zürich geboren<br />

und lebt mit seiner Frau<br />

im Gürbetal. Er war Personalleiter<br />

in verschiedenen Industrieunternehmungen.<br />

Seit<br />

Jahren beschäftigt er sich mit<br />

Familiengeschichtsforschung<br />

und leitete über 25 Jahre die<br />

Genealogisch-Heraldische Gesellschaft<br />

Zürich.<br />

«Schreiben ist eine Entdeckungsreise<br />

– in sich selbst und<br />

zu Menschen, die ich mag.<br />

Einige tauchen unvermittelt<br />

während des Erzählens auf»,<br />

erklärt Adams auf seiner Webside.<br />

«Ich lerne sie kennen,<br />

gebe ihnen Gestalt. Andere<br />

sind historisch belegt, zum<br />

Beispiel aus Gerichtsakten,<br />

Tagebüchern oder anderen<br />

zeitgenössischen Dokumenten<br />

entnommen. Ihnen gebe ich<br />

eine Seele.» Diese muss in die<br />

Geschichte, aber auch zu ihm<br />

passen, «denn ich beginne<br />

während des Schreibprozesses<br />

mit meinen Figuren zu leben».<br />

Charme und Tatendrang.<br />

Adams hat sich für sein neues<br />

Buch «Seitz. Die Geschichte eines<br />

Schweizer Söldners und Bandenführers.»<br />

wiederum vom Staatsarchiv<br />

des Kantons Bern inspirieren<br />

lassen. Sein 13. Taschenbuch erscheint<br />

am 30. April.<br />

Seine roten Haare bestimmten<br />

zeitlebens, wie Joseph Seitz<br />

von seiner Umgebung wahrgenommen<br />

wurde. Aufgeweckt,<br />

mitunter mit naivem Charme<br />

und voller Tatendrang will der<br />

17-Jährige die Welt entdecken.<br />

Seine rotblonden Locken, die<br />

er mit souveräner Geste aus<br />

dem Gesicht streicht, öffnen<br />

ihm die Herzen. Mit gelegentlichem<br />

Spott lernte er umzugehen.<br />

Jahre und Erfahrungen<br />

später, als vereinzelte graue<br />

Strähnen die goldene Strahlkraft<br />

seiner Mähne verblassen<br />

lassen, ist es immer noch das<br />

rote Haar, woran er gemessen<br />

und beurteilt wird. Als «roter<br />

Teufel» wird er jetzt gefürchtet<br />

und erbarmungslos gejagt.<br />

Totgeschlagen. Seitz<br />

kämpft an vielen Fronten:<br />

im Bayerischen Erbfolgekrieg<br />

auf den Schlachtfeldern<br />

in Böhmen, Schlesien und<br />

Preussen; als Schweizergardist<br />

während der Revolution<br />

in Paris; beim Trockenlegen<br />

der Sümpfe der Charente auf<br />

Korsika; im Nahkampf bei<br />

Cossaria gegen die Truppen<br />

Bonapartes im Piemont, als<br />

PHOTOS: ZVG<br />

Zubringer junger Soldaten für<br />

Spanien über die Alpen nach<br />

Genua. Er wird mehrmals<br />

verwundet, gefangen genommen,<br />

gedemütigt und in der<br />

Seele verletzt. Und so wurde<br />

aus einem einst lebensfrohen<br />

und hoffnungsvollen jungen<br />

Mann aus Chur, ein berüchtigter<br />

Gewalttäter.<br />

Seitz war einst ausgezogen,<br />

aus der Enge der Berge,<br />

um die weite Welt zu sehen,<br />

und ging durch die sieben<br />

Vorhöfe zur Hölle. Selber<br />

bereits über 40 Jahre alt, terrorisierte<br />

er mit seiner Bande<br />

um das Jahr 1800 das Berner<br />

Seeland. Er stahl Pferde,<br />

überfiel Bauernhöfe, raubte<br />

und schreckte auch vom Gebrauch<br />

seines Messers nicht<br />

zurück. Im Jahr 1801 wurde<br />

er als gefürchteter Dieb und<br />

Mörder in Liebefeld bei Bern<br />

eingefangen und ebenso brutal<br />

totgeschlagen.<br />

Der «rote Teufel» wollte<br />

die Welt entdecken. Geblieben<br />

ist ihm nichts, ausser<br />

Erinnerungen an flüchtige<br />

Liebschaften, im Leben angekommen<br />

ist er nie. n<br />

Joseph Seitz auf einer<br />

Zeichnung nach einem<br />

Signalement der Berner<br />

Polizei vom 3. März 1800,<br />

als er zur Fahndung<br />

ausgeschrieben wurde.<br />

Werner Adams<br />

«Seitz. Die Geschichte<br />

eines Schweizer Söldners<br />

und Bandenführers».<br />

1. Auflage 2024,<br />

296 Seiten,<br />

ISBN 978-3-9525627-2-7,<br />

www.werneradams.ch<br />

BILD DER WOCHE<br />

von Joel Schweizer<br />

Marc Fahrni<br />

ist gelehrter<br />

Forstwart.<br />

Er arbeitet in der<br />

Baumschule von<br />

Dach in Lyss.<br />

Fachmännisch<br />

topft er einen<br />

japanischen Ahorn<br />

in einen grossen<br />

Kübel um,<br />

damit er bei einem<br />

Kunden ein neues<br />

Zuhause findet.

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