13.03.2024 Aufrufe

KURT 03/2024

KURT – Dein Magazin für Gifhorn Ausgabe März/April 2024

KURT – Dein Magazin für Gifhorn
Ausgabe März/April 2024

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>KURT</strong> vor Ort<br />

<strong>KURT</strong> vor Ort<br />

So spannend ist<br />

unsere eigene<br />

Geschichte<br />

<strong>KURT</strong>-Detektivin Jule Otto schnüffelt durch die<br />

Archive der Stadt Gifhorn und der Diakonie Kästorf<br />

Ganz vorsichtig und nur mit<br />

blauen Schutzhandschuhen<br />

erkundet Jule Otto die<br />

historischen Unterlagen in<br />

Gifhorns Stadtarchiv.<br />

Foto: Michael Uhmeyer<br />

Urkunden, Zeugnisse, historische Fotografien und Dokumente –<br />

alles gespeichert in den Archiven unserer Region. Um ungewohnte<br />

Einblicke in ihre Archivalien zu gewähren, öffnen sie alle zwei Jahre<br />

ihre Türen. An diesem bundesweiten Tag der Archive dreht sich<br />

alles um ein bestimmtes Thema – in diesem Jahr: Essen und Trinken.<br />

<strong>KURT</strong>-Mitarbeiterin Jule Otto war dabei. Sie tauchte erst ins Archiv<br />

der Diakonie in Kästorf ein, danach ins Gifhorner Stadtarchiv –<br />

um mehr über uns alle und unsere Geschichte zu erfahren.<br />

Von Jule Otto<br />

Regale voller Kartons und Akten,<br />

alte Bilder, Karten, Unmengen<br />

an Papier – und alles<br />

so alt und fragil, dass man es<br />

nur mit Handschuhen berühren<br />

darf. Das ist das Bild, das<br />

mir in den Kopf kommt, wenn<br />

ich an Archive denke. Ziemlich<br />

klischeehaft vermutlich, aber<br />

wie soll ich es denn besser wissen?<br />

Ich habe schließlich noch<br />

nie eines besucht.<br />

Umso mehr habe ich mich<br />

auf den Tag der Archive Anfang<br />

März gefreut. Ich kann<br />

zwar nicht sicher sein, dass<br />

alle Informationen, die ich<br />

gesammelt habe, vollständig<br />

sind und vielleicht habe ich<br />

auch etwas nicht ganz richtig<br />

einordnen können. Dennoch<br />

ist in meinem Kopf ein Bild<br />

entstanden – eine Geschichte,<br />

wie es früher hier bei uns wohl<br />

einmal gewesen sein könnte.<br />

Mein erstes Ziel: die Dachstiftung<br />

Diakonie in Kästorf.<br />

Beim Eintreten fühle ich mich<br />

ein bisschen unsicher. Auf den<br />

Tischen entdecke ich sofort<br />

Papiere und Bilder, die unverkennbar<br />

aus einem echten Archiv<br />

stammen. Natürlich weiß<br />

ich, dass auch ältere Papiere<br />

nicht einfach so kaputt gehen –<br />

gerade die Ausstellungsstücke,<br />

denn die sind schließlich speziell<br />

ausgewählt worden. Trotzdem<br />

traue ich mich zunächst<br />

nicht, mir etwas genauer anzusehen<br />

– oder gar anzufassen.<br />

Zum Glück kommen gleich<br />

der Historiker Dr. Steffen<br />

Meyer und Katharina Gries auf<br />

mich zu. Die beiden arbeiten in<br />

der Historischen Kommunikation<br />

der Dachstiftung Diakonie<br />

und haben die Ausstellung<br />

vorbereitet. Auf das über allem<br />

stehende Thema des Tages ist<br />

hier ganz anders eingegangen<br />

worden, als ich es erwartet<br />

hätte: Statt alte Rezepte, Speisekarten<br />

oder Küchenpläne zu<br />

zeigen, wird hier die Geschichte<br />

der Einrichtung erzählt.<br />

Auf einem Tisch finde ich<br />

Originaldokumente mit dem<br />

Hinweis „Bitte nicht berühren“.<br />

Hier stoße ich auch auf<br />

das erste Bild, das von der Einrichtung<br />

existiert. Es wurde<br />

wohl in einem alten, schimmligen<br />

Bilderrahmen gefunden<br />

und zeigt das Gelände zu Beginn<br />

des Jahres 1883. Damals<br />

wurden die Fachwerkhäuser<br />

und Ländereien gerade zur<br />

Zuflucht für wohnungs- und<br />

arbeitslose Männer, die so genannten<br />

Kolonisten.<br />

Bisher hatte ich mir nie Gedanken<br />

darüber gemacht, dass<br />

es auch vor mehr als 200 Jahren<br />

schon Probleme mit Wohnungs-<br />

und Arbeitslosigkeit<br />

gegeben haben könnte. Umso<br />

wichtiger war dann die Eröffnung<br />

von Gutshöfen für diese<br />

Menschen, wie hier in Kästorf.<br />

Gerade später, um die Weltkriege<br />

herum, gab es sicherlich<br />

auch jede Menge Frauen,<br />

die auf der Suche nach einem<br />

Dach über dem Kopf waren.<br />

Die Einrichtung der Diakonie<br />

war allerdings nur für Männer.<br />

Gelebt haben sie aus reiner<br />

Selbstversorgung: Das umliegende<br />

Ackerland wurde urbar<br />

gemacht, Getreide und Kartoffeln<br />

wurden angebaut, Tiere in<br />

den Ställen gehalten und aus<br />

den Erzeugnissen Brot, Käse,<br />

Butter und alles sonst Lebensnotwendige<br />

selbst hergestellt.<br />

Als sich um 1900 das Gesetz<br />

zum Kinderschutz änderte,<br />

kamen neben den Arbeitssuchenden<br />

auch Jungen auf dem<br />

Gut unter. Zu ihrem eigenen<br />

Schutz wurden sie wohl damals<br />

aus ihren Familien genommen<br />

und fanden hier in<br />

Kästorf Unterbringung. Viele<br />

von ihnen lernten dort ebenfalls<br />

die Landwirtschaft kennen<br />

und arbeiteten später als<br />

Erwachsene auf Höfen in umliegenden<br />

Dörfern.<br />

Im Laufe der Zeit wurde außerdem<br />

eine Trinkerheilstätte<br />

auf dem Gelände eingerichtet.<br />

Diese entsprach wohl nicht<br />

den heutigen Vorstellungen<br />

einer Entzugsklinik. Die Unterschiede<br />

zu Kur- und Reha-<br />

Einrichtungen, wie man sie »<br />

10<br />

<strong>KURT</strong> <strong>KURT</strong> 11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!