KURT 03/2024
KURT – Dein Magazin für Gifhorn Ausgabe März/April 2024
KURT – Dein Magazin für Gifhorn
Ausgabe März/April 2024
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<strong>KURT</strong> vor Ort<br />
<strong>KURT</strong> vor Ort<br />
» Diese zahlten dann jede<br />
Woche drei D-Mark, was<br />
vor der Währungsreform<br />
30 Reichsmark gewesen<br />
wären. Eine Patenschaft<br />
ermöglichte die tägliche<br />
Ausgabe einer warmen<br />
Mahlzeit für ein Schulkind,<br />
erfahre ich in der Ausstellung<br />
des Stadtarchivs.<br />
Der Speiseplan war simpel,<br />
kostengünstig und<br />
trotzdem möglichst abwechslungsreich<br />
gestaltet.<br />
Oft gab es Suppe – Erbsensuppe,<br />
Reissuppe oder<br />
Nudelsuppe – mit Konservenfleisch.<br />
Viele Zutaten,<br />
darunter auch Milch<br />
und Zwiebeln, wurden nicht<br />
frisch in die Küchen geliefert,<br />
sondern in Form von Trockenpulver.<br />
Besonders auffällig<br />
finde ich die Simplizität der<br />
Rezepte. Kaum ein Gericht<br />
brauchte mehr als vier oder<br />
fünf Zutaten. Aufregende Gewürze?<br />
Fehlanzeige. Lediglich<br />
Salz fand Verwendung.<br />
Die Praktikabilität von Suppe<br />
ist mir klar: Sie lässt sich<br />
recht einfach und vor allem<br />
günstig in großen Mengen kochen.<br />
Trotzdem bin ich, und<br />
wahrscheinlich auch alle anderen<br />
Schülerinnen und Schüler,<br />
heilfroh, dass es an meiner<br />
Schule heute nicht jeden Tag<br />
Linseneintopf gibt. Der ist<br />
zwar gar nicht schlecht, aber<br />
Spaghetti mit Hackbällchen,<br />
Gemüselasagne und Reispfanne<br />
kommen da doch deutlich<br />
besser an.<br />
Um den Kindern auch Essen<br />
für die Seele zu geben, standen<br />
bei der Schulspeisung auch<br />
Die Dachstiftung Diakonie stellt in Kästorf auch alte Gerätschaften aus,<br />
welche die Bewohner bei der Selbstversorgung nutzten.<br />
Foto: Jule Otte<br />
Der nationalsozialistische<br />
„Bund zur Bekämpfung der<br />
Tabakgefahren“ nannte auf<br />
einem Flugblatt zehn Gründe<br />
gegens Rauchen. Foto: Jule Otto<br />
regelmäßig süße Speisen<br />
auf dem Plan. Neben<br />
Milchreis oder Grießbrei<br />
gab es oft Kakao-Milch<br />
mit eingetunktem Brötchen,<br />
was ich ehrlich gesagt<br />
eine ziemlich kreative<br />
Idee finde. An einigen<br />
Tagen gab es auch ein<br />
Stück Schokolade und als<br />
Geschenk zu Weihnachten<br />
holländischen Butterkäse.<br />
Durch die restliche Ausstellung<br />
streife ich eher<br />
nur durch. Die Themen und<br />
Erklärtexte klingen zwar alle<br />
wahnsinnig spannend, doch<br />
ehrlich gesagt kann ich bei<br />
vielen Archivalien gar nicht<br />
so recht sagen, was genau ich<br />
gerade vor mir habe. Die Akte<br />
zur Schulspeisung war leicht<br />
verständlich – das meiste darin<br />
sind offizielle Dokumente<br />
mit der Schreibmaschine getippt.<br />
Viele der anderen ausgestellten<br />
Rechnungen oder<br />
Beschlüsse, die teilweise sogar<br />
aus dem Mittelalter stammen,<br />
sehen zwar sehr ästhetisch<br />
aus, ich kann sie aber bei bestem<br />
Willen nicht lesen.<br />
Hier geht es mir viel mehr<br />
um die Erfahrung: Die alten<br />
Papiere und Dokumente<br />
schreien förmlich Archiv und<br />
das Gefühl, durch die alten<br />
Akten zu stöbern, ist einfach<br />
aufregend. Da fast ausschließlich<br />
Originaldokumente ausgestellt<br />
sind, müssen zum<br />
Durchschauen blaue Einweghandschuhe<br />
getragen werden.<br />
Dadurch fühle ich mich richtig<br />
wichtig – wie eine Detektivin<br />
beim Verfolgen einer Spur.<br />
Auch die anderen Besucherinnen<br />
und Besucher sind vertieft<br />
in die Ausstellungsstücke.<br />
Besonders beliebt sind die alten<br />
Fotoalben. Sie zeigen vor<br />
allem Gebäude der Gifhorner<br />
Innenstadt. Wer selbst in<br />
Gifhorn lebt, kann hier also<br />
schnell über Bilder von der eigenen<br />
Haustür stolpern.<br />
Das Archiv hat viel über<br />
Gifhorn und seine Einwohner<br />
zu erzählen. Persönliche Daten<br />
werden natürlich nicht am Tag<br />
der offenen Tür ausgestellt,<br />
doch wer sich für die eigene<br />
Familien- oder Herkunftsgeschichte<br />
interessiert, der kann<br />
auch auf eigene Faust in den<br />
Archivalien stöbern. Jeder<br />
hat das Recht, Einsicht in bestimmte<br />
Akten zu erhalten. Zu<br />
einem abgesprochenen Termin<br />
kann man dann in einem<br />
kleinen Raum durch Besitzurkunden,<br />
Zeitungsartikel und<br />
Schulabschlüsse von Familienmitgliedern<br />
stöbern – natürlich<br />
mit den blauen Handschuhen,<br />
versteht sich.<br />
Auch im Stadtarchiv darf<br />
ich mir noch das Magazin anschauen.<br />
Wie in Kästorf sind<br />
die Schränke hier bis oben hin<br />
voll mit Kartons. Lara Stiller<br />
zeigt mir, dass auch hier noch<br />
nicht alle Akten neu angelegt<br />
sind, also entsäuert und sortiert<br />
wurden. Trotzdem kann<br />
von Unordnung wirklich nicht<br />
die Rede sein. Wenn ich so an<br />
meine Mappenführung für die<br />
Schule denke, bin ich beeindruckt,<br />
wie ordentlich alles<br />
sortiert ist. Das müssen Tausende<br />
von Blättern sein – alle<br />
Im Magazin des Gifhorner Stadtarchivs sind die Akten in meterlangen<br />
Regalen sortiert – kein Vergleich zu Jules Mappenführung. Foto: Michael Uhmeyer<br />
fein säuberlich in Kisten nach<br />
Datum und Inhalt sortiert.<br />
Als ich das Stadtarchiv am<br />
Nachmittag verlasse, bin ich<br />
positiv überrascht. Niemals<br />
hätte ich gedacht, dass mich<br />
die Ausstellungen der beiden<br />
Archive so berühren. Ich lerne<br />
gerne etwas über die Vergangenheit<br />
– egal ob beim Lesen<br />
von Büchern oder in Museen.<br />
Doch selbst auf die Suche zu<br />
gehen und die Akten, Papiere<br />
und Bilder in die eigene Hand<br />
zu nehmen, erweckt die Geschichte<br />
irgendwie auf eine<br />
ganz andere Art zum Leben.<br />
Historische Kommunikation der<br />
Dachstiftung Diakonie<br />
Hauptstraße 51, Kästorf<br />
Tel. 05371-721212<br />
dachstiftung-diakonie.de<br />
Stadtarchiv Gifhorn<br />
Cardenap 1, Gifhorn<br />
Mo. & Mi. 8.30 bis 12 Uhr<br />
Di. 14 bis 17 Uhr<br />
Tel. 05371-932154<br />
stadtarchiv@stadt-gifhorn.de<br />
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