Titel-Thema Und jetzt ein kleiner Test: Löschen Sie einmal das Logo o<strong>der</strong> die Wort-Bild-Marke Ihres Unternehmens aus Ihrem Kopf. Dann nehmen Sie sich ein weißes Blatt Papier und skizzieren Sie, wie sich das Leistungsspektrum Ihrer Firma in nur einer symbolhaften Darstellung ausdrücken lässt. Haben Sie eine Idee? Kommt Ihnen ein Gedanke, <strong>der</strong> wirklich nichts mit dem bekannten Signet zu tun hat? Falls ja, bereiten Sie das neue Element doch einmal druckreif auf und gestalten Sie darauf aufbauend Briefpapier, Firmenbroschüre und den Web-Auftritt. Wie lange dauert das wohl? Falls nein, und das dürfte den allermeisten so gehen, überlegen Sie einmal, woran Sie scheitern, an wen Sie sich wenden können und wie viel Ihnen die Lösung dieses Problems wert ist. An dieser Stelle gab es schon immer Spezialisten, die mit kreativen Dienstleistungen weiterhelfen konnten. Das sichtbare Ergebnis ihrer Arbeit ist schnell verinnerlicht, wirkt bald für den Auftraggeber so, dass man ja selber darauf hätte kommen können. Aber <strong>der</strong> Weg zu einem neuen Logo, zur neuen Außenhülle eines Produktes, zum neuen Warenkatalog o<strong>der</strong> zum Werbespot ist immer ein aufwendiger Entwicklungsprozess. Kundenvorstellungen erfassen, Ideen entwickeln, visualisieren, konkretisieren o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> verwerfen und neu ansetzen, in Varianten durchspielen, an verschiedene Medien anpassen und dann präsentieren – greifbar sind diese Leistungen nur selten, aber es sind Posten, die bei <strong>der</strong> Rechnung gern hinterfragt werden. Muss man für Kreativität so viel Geld ausgeben? Und hat man es in den richtigen Kreativen investiert? Lässt sich <strong>der</strong> Gegenwert an <strong>der</strong> Umsatzentwicklung ablesen? Diese Fragen lassen sich leicht beantworten, wenn ein erfolgreiches Produktdesign den Absatz ankurbelt, wenn Werbung und Erscheinungsbild im Zusammenspiel mit <strong>der</strong> Produktqualität eine Marke entstehen lassen, wenn ein Logo, eine Wort-Bild-Marke aus dem Markt nicht mehr wegzudenken ist. Kreative Leistungen waren schon immer ein treiben<strong>der</strong> Faktor und werden heute in den zunehmend individualisierten medienlastigen Märkten immer stärker benötigt. Kreative Dienstleistungen tragen relevant zur Wertschöpfung bei, sind die Basis für Unternehmensgründungen, schaffen Arbeitsplätze. Kreative sind häufig Einzelkämpfer, arbeiten dennoch oft in Netzwerken, packen so auch großvolumige Projekte an. Kreativität ist vielfältig, manchmal versponnen, umfasst viele Disziplinen, reicht bis in Kunst- und Kulturszenen, bringt ungewöhnliche Typen hervor, ist wenig in Verbänden organisiert – und wurde so lange nicht als eigener Wirtschaftssektor wahrgenommen. Heute ist „Kreativwirtschaft“ in strukturpolitischen und Wirtschaftsför<strong>der</strong>ungskreisen ein häufig verwendeter Begriff. Dahinter vereinigen sich elf Teilbranchen: Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Markt für darstellende Künste, Designwirtschaft, Architekturmarkt, Pressemarkt, Werbemarkt und Software-/Games-Industrie. 2009 haben 50.000 Unternehmen und Selbstständige aus diesen Bereichen in Deutschland rund 36 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. 28 kreation | Nr. 27 | www.wfg-krefeld.de Wir sprechen über einen starken Wirtschaftszweig, <strong>der</strong> aber an<strong>der</strong>s, kleinteiliger und oftmals unkonventioneller strukturiert ist als <strong>der</strong> produzierende Sektor, als an<strong>der</strong>e produktionsorientierte Dienstleistungen. Gerade in einer Stadt mit dem Samt-und-Seide-Image, <strong>der</strong> Werkkunstschule-Tradition, dem „Mies van <strong>der</strong> Rohe“-Erbe und dem weithin bekannten Fachbereich Design an <strong>der</strong> Hochschule Nie<strong>der</strong>rhein bietet sich hier ein interessanter Branchen - ansatz. So haben sich die Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung <strong>Krefeld</strong>, das Krefel<strong>der</strong> Kulturbüro und die Hochschule Nie<strong>der</strong>rhein zu einem Arbeitskreis zusammengeschlossen, um den Dialog zu för<strong>der</strong>n und Möglichkeiten auszuloten, wie Kreative, Wirtschaft, Quartiere und Bürger stärker von diesen Potenzialen vor Ort profitieren können. Kreativwirtschaft braucht unterstützende Rahmenbedingungen, braucht unbedingt geeignete Räume zur Entfaltung und eine „Politik des Möglichmachens“. Ungewöhnliche Projekte entstehen in ungewöhnlichen räumlichen Umgebungen, oft in früher gänzlich an<strong>der</strong>s genutzten Gebäuden, die sich allmählich zu Szenequartieren wandeln. Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklung haben die Kreativwirtschaft vielerorts beson<strong>der</strong>s im Blick. Gentrification o<strong>der</strong> Gentrifizierung bezeichnet aus Sicht <strong>der</strong> Stadtentwickler die Aufwertung von „heruntergekommenen Vierteln“ durch den Zuzug von Künstlern und Kreativschaffenden. Sie kommen wegen <strong>der</strong> günstigen Mieten und beginnen, die zur Verfügung stehenden Flächen, die Gebäude, die Quartiere zu gestalten und locken allmählich gastronomische Einrichtungen an. Existenzgrün<strong>der</strong>, an<strong>der</strong>e Kreative, neue Handelsangebote beleben das Umfeld, die Nachfrage nach Wohnungen steigt. Das Quartier findet Investoreninteresse, bestehende Bausubstanz wird entsprechend aufgewertet und das Mietniveau explodiert. Etablierte Kreative bleiben, die an<strong>der</strong>en suchen neue Startquartiere. Eine solche Entwicklung ist wohl idealtypisch und braucht Zeit. Aber auch für <strong>Krefeld</strong> ist das ein interessanter Ansatz. Die Entwicklung <strong>der</strong> Kreativwirtschaft ist zukunftsorientiert, sie schafft Arbeitsplätze, belebt das Image und steigert die Standortqualität. Gründe gibt es genug, sich intensiv mit <strong>der</strong> Kreativwirtschaft und ihren Akteuren zu beschäftigen. Pia Lülsdorf Andreas Struwe
Nicht zu übersehen war die „Stimme <strong>der</strong> Gestalter“ am 5. März 2012 beim 3. Deutschen Designerkongress auf <strong>der</strong> Zeche Zollverein in Essen. Kreativwirtschaft