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2011 (pdf) - rotkreuzmagazin

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drk helfen<br />

Niemand bleibt allein<br />

Der Anblick von Unfallopfern, Leid und Zerstörung ist für Einsatzkräfte oft nur schwer zu ertragen. Dann brauchen<br />

auch die Helfer manchmal Hilfe. Um psychische Erkrankungen bei ihnen zu verhindern, werden sie gezielt betreut.<br />

TexT: frED wAgnEr // fOTOS: MoritZ VEnnEMAnn<br />

Wenn Martin Jost an diesen Tag zurückdenkt, senkt sich seine<br />

Stimme. Eine Fahranfängerin hatte die Bremse mit dem Gaspedal<br />

verwechselt. Sie raste mit ihrem Pkw in eine Gruppe Radfahrer.<br />

Ein kleines Mädchen wurde lebensgefährlich am Kopf verletzt.<br />

„Ich kam wenige Minuten später zur Unfallstelle und hatte die<br />

Aufgabe, die Eltern zu betreuen“, sagt Jost. Neben seinem Studium<br />

arbeitet der 26-Jährige ehrenamtlich als Kriseninterventionshelfer<br />

für den Notfallnachsorgedienst des DRK in Freiburg.<br />

Das Kind wurde sofort operiert. Martin Jost blieb bei den Eltern<br />

im Krankenhaus und wartete mit ihnen auf eine Nachricht – ob<br />

ihr Kind überleben würde, ob es jemals wieder gesund werden<br />

würde oder ob es mit einer Behinderung leben müsse. Die Aufgaben<br />

eines Notfallnachsorgehelfers in solchen Situationen: Er muss<br />

die Gefühle der anderen wahrnehmen und teilen, ohne selbst zu<br />

leiden. Er muss Ruhe ausstrahlen und für die Angehörigen da sein.<br />

Kein leichter Auftrag: „Die Gefühle der Eltern auszuhalten, erforderte<br />

meine ganze Kraft. Ich spürte förmlich, wie sich meine innere<br />

Batterie entlud und ich in den roten Bereich rutschte.“<br />

So wie Martin Jost geht es vielen Helfern des DRK. Die Einsätze<br />

sind mit seelischen Belastungen verbunden. Auf den Anblick<br />

von menschlichem Leid, Verletzten oder Toten reagieren manche<br />

Helfer mit akuten Belastungssymptomen. Rettungskräfte werden<br />

ä<br />

14 <strong>rotkreuzmagazin</strong> 1_11<br />

täglich mit solchen Ereignissen konfrontiert. Doch auch sie sind<br />

zuweilen Situationen ausgesetzt, die sie nur schlecht wegstecken.<br />

Besonders tragisch ist es, wenn die Rettungskräfte zu einer Adresse<br />

gerufen werden, unter der Verwandte oder Freunde wohnen.<br />

Die Ohnmacht ist das Schlimmste<br />

Professor Joachim Gardemann ist Arzt und lehrt Humanbiologie<br />

und humanitäre Hilfe an der Fachhochschule Münster. Seit fast<br />

zwanzig Jahren reist er für das Internationale Rote Kreuz in Krisenregionen<br />

und hilft, die Notversorgung in den Lagern aufzubauen.<br />

Hilfseinsätze führten ihn in den Iran und Sudan, nach<br />

Äthiopien, Sri Lanka, Serbien, China und Haiti. Während seiner<br />

Einsätze habe er immer wieder Helfer erlebt, die von belastenden<br />

Situationen überfordert waren: „Das kann jedem passieren, selbst<br />

denen mit jahrelanger Erfahrung. Eines haben alle Helfer gemeinsam:<br />

Vor Ort können sie besser mit der Situation umgehen, als<br />

wenn sie vor dem Fernseher erleben müssen, wie Menschen zu<br />

Tode kommen.“ Ohnmacht sei überhaupt das Schlimmste: „Das<br />

ist wie bei einem Feuerwehrmann. Wenn er den Brand löscht und<br />

das Opfer rettet, wird er wahrscheinlich nicht leiden. Erst wenn<br />

er hilflos zusehen muss, wie jemand in einem Auto verbrennt, wird<br />

er traumatisiert und erkrankt“, so Gardemann.<br />

ä

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