drk gesellschaft Endlich Ruhe: Peter Klinger findet im Hospiz die Atmosphäre, die ein Krankenhaus todkranken Menschen meist nicht bieten kann 18 <strong>rotkreuzmagazin</strong> 1_11
Zeit zu gehe Zeit zu gehen ä Zeit zu gehen Wer ins Krefelder Hospiz zieht, hat den Tod vor Augen. Doch das Haus am Blumenplatz ist ein Hort des Lebens – und der Lebendigkeit. TExT: frank burger // foTos: rudolf wichert Hier also lebt der Tod. In diesem Haus sind im vergangenen Jahr 130 Menschen gestorben. Die hierher kamen, um zu sterben. Wie hat man sich diesen Ort vorgestellt? Abgelegen, weit draußen vor den Toren der Stadt, irgendwo im Grünen, wo Ruhe herrscht, beinahe Friedhofsruhe. Wo die Sterbenden die Lebenden in ihrem geschäftigen Immerweiter nicht stören. Drinnen wird es drückend still sein, und gewiss erwarten den Besucher angemessen leise sprechende, ernst dreinblickende Mitarbeiter, die nicht verbergen können, wie schwer sie daran tragen, immer wieder aufs Neue Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten. „Schön, dann hätten wir ja bald alle Vorurteile und Ängste beisammen, mit denen wir es so zu tun haben“, sagt Barbara Schwarz, die Leiterin des Hospizes am Blumenplatz in Krefeld. Gelächter in der Runde, die im großen Aufenthaltsraum des Hauses mit „Die Wünsche unserer Gäste sind Schwarz zusammensitzt: die Pfle- so bunt wie das Leben selbst. Wir gedienstleiterin Rita Rosenstein, ihre Stellvertreterin Regina Prill versuchen, sie alle zu erfüllen.“ sowie Karin Meincke, Vorsitzende der Hospiz-Stiftung und Oberin der DRK-Schwesternschaft Krefeld, die gemeinsam mit dem Caritasverband für die Region Krefeld und dem Evangelischen Gemeindeverband Krefeld die Hospiz-Stiftung trägt. Die vier Frauen lachen ohnehin ziemlich viel, wenn sie von den Gästen des Hospizes – wie die Bewohner hier heißen – erzählen, von ihrer Arbeit, von ihrer Motivation. Weil Lachen zum Leben und Lebendigsein gehört. Und das Leben und die Lebendigkeit: Die sind hier zu Hause. Das Hospiz wurde eigens für das Sterben geschaffen. Und dennoch wird an diesem Ort so intensiv gelebt wie kaum irgendwo sonst. Wer hierher kommt, ist von einer der schwersten Lasten befreit: der Hoffnung auf Heilung. Das heißt, den Gästen bleibt nur noch wenig Zeit – für das, was ihnen am Ende wirklich wich- tig ist. Keine Schmerzen mehr zu spüren, zum Beispiel. Sich mit der Familie auszusöhnen. Das Eheversprechen zu erneuern, ein letztes Mal die Lieblingsband zu hören, mit dem besten Freund zu beten, ein Musical live zu erleben, das Leben aufzuschreiben. Ruhe zu finden, endlich Ruhe. „Die Wünsche sind so bunt wie das Leben selbst“, sagt Karin Meincke. Das färbt ab auf diejenigen, die fast alles tun, um diese Wünsche zu erfüllen – die Mitarbeiter des Hospizes. Sie alle haben gute Gründe, ausgerechnet hier zu arbeiten. Manchmal hat ein traumatisches Erlebnis wie der Verlust eines Angehörigen den Ausschlag gegeben. Entgegen der Annahme, ein Hospiz müsse die Nähe des Alltäglichen meiden, liegt das vierstöckige Eckgebäude mit den großen Fenstern in einem Wohngebiet in der Krefelder Innenstadt. Hinter dem Eingang ein großzügiger Empfangstresen wie im Hotel, besetzt von einer herzlich lächelnden älteren Dame. Früher war das Haus ein Kloster der Herz-Jesu-Brüder, und in der Architektur scheint etwas vom freundlichen Geist der Mönche erhalten geblieben zu sein. Kein trister, lärmschluckender Teppich bedeckt den Boden der Eingangshalle. Stattdessen hellgraue Steinfliesen, Tageslicht aus dem Innenhof, eine Menge Grünpflanzen. Gegenüber der Eingangstür die beiden Durchgänge zur Hauskapelle, dazwischen ein blauer Zweisitzer, blau auch die Säulen, die mit der weiten Wendeltreppe in die oberen Stockwerke streben. ä 1_11 <strong>rotkreuzmagazin</strong> 19