Heimat ... suchen & finden - Technische Universität Braunschweig
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Fotos: Benedikt Crone, Privat Halbe<br />
Bologna ist ein italienisches Stadtidyll im<br />
Schachbrettmuster. Mit roten Dächern<br />
und engen Gassen. Mit viel Pizza, Piazzas<br />
und Palazzos. Bologna ist aber auch der Ort,<br />
an dem 1999 Bildungsminister aus ganz Europa<br />
eine Hochschulreform verkündeten, die heute<br />
nur wenige Studierende an mediterranes<br />
Urlaubsfl air denken lässt. Kritiker monieren<br />
das neue Bachelor- und Mastersystem: zu viel<br />
Stoff , zu wenig Zeit, zu viele Pfl ichten, zu wenig<br />
Tiefgang. Und schließlich, als Lohn der ganzen<br />
Plackerei, sei der Bachelor keine vollwertige Bildung<br />
– und der Absolvent nicht reif genug für<br />
den Arbeitsmarkt. Soweit die Kritiker.<br />
Zunächst ist sicher, Bologna schreitet voran.<br />
Noch 2004 endeten nur knapp 20 Prozent aller<br />
Studiengänge mit einem Bachelor (BA) oder<br />
Master (MA). Im letzten Jahr machten die neuen<br />
Abschlüsse schon einen Anteil von 67 Prozent<br />
aus. Da die Hochschulen im Schnitt nur<br />
für jeden vierten Bachelorabsolventen einen<br />
Anne Cockwell<br />
Volkswagen Financial Services AG<br />
»Der Bewerber muss<br />
einfach zur Stelle<br />
passen, dann sind<br />
auch Bachelor-<br />
Absolventen sehr<br />
willkommen!«<br />
KARRIERE<br />
Portion<br />
sucht volle Stelle<br />
Der Bachelor ist ein erster akademischer Abschluss. Das besagt zumindest die Hochschulreform.<br />
Ob er damit auch für einen Beruf qualifiziert, ist eine andere Frage.<br />
Masterplatz stellen, bleiben zahlreiche Bewerber<br />
auf der Strecke. Der frisch gebackene Bachelor<br />
vertröstet sich dann entweder auf einen<br />
erneuten Versuch im nächsten Semester, oder<br />
aber er probiert den Start in die Berufswelt. So,<br />
wie es die Reform eigentlich vorgesehen hatte.<br />
Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie-<br />
und Handelskammertages verfügten 2008<br />
tatsächlich 22 Prozent der befragten Unternehmen<br />
über Angestellte mit einem Bachelorabschluss.<br />
Rund zwei Drittel der Firmen äußerten<br />
sich auch zufrieden über deren Leistung. Andere<br />
Betriebe entließen hingegen nach kurzer Zeit<br />
die Neulinge, da die „fachliche Qualifi kation<br />
nicht ausreichend war, oder die jungen Mitarbeiter<br />
nur unzureichend in der Lage waren, ihr<br />
theoretisches Wissen mit der Unternehmen spraxis<br />
zu verknüpfen.“<br />
Ähnliches berichtet Manfred Casper, Geschäft sführer<br />
vom Deutschen Arbeitgeberverband<br />
(AGV) in <strong>Braunschweig</strong>: „Ein Großteil der Unternehmen<br />
in unserem Verband betrachtet die<br />
Leistung der Bachelor-Mitarbeiter als negativ<br />
– ganz einfach deswegen, weil die Qualität der<br />
Abschlüsse gesunken ist.“ Gerade der deutsche<br />
Ingenieur wäre mit seinem Diplom ein weltweit<br />
begehrter Musterschüler gewesen, dank des hohen<br />
fachlichen Niveaus. Mit dem Bachelor sei<br />
die Anerkennung nun vorbei. Im Sinne einer<br />
europaweiten Vergleichbarkeit der neuen Abschlüsse<br />
wurden bisherige nationale Maßstäbe<br />
einfach aufgegeben. Hinzu kommt, dass sich<br />
Studierende naturwissenschaft licher und technischer<br />
Fächer in Schlüsselqualifi kation und<br />
Fähigkeiten außerhalb ihres Faches angeblich<br />
noch verschlechtert hätten. „Das ist zumindest<br />
die erste Einschätzung der Betriebe des AGV“,<br />
sagt Casper.<br />
Dass die neuen Bachelor- und Masterstudenten<br />
von Arbeitgebern noch skeptisch beäugt<br />
werden, mag nicht verwundern. Medien kritisieren<br />
Bologna am laufenden Band, Studenten<br />
gehen gegen ihre eigene Bildungssituation auf<br />
die Straße. Dem Zweifel folgt das Suchen nach<br />
Bestätigung. „Die selbsterfüllende Prophezeiung“,<br />
nennt das Manfred Casper. Das geschädigte<br />
Image sollte aber kein Grund sein, es<br />
- 45 -<br />
Frank Gießelmann<br />
Salzgitter Flachstahl GmbH<br />
»Auch wenn hier<br />
und da die Hürden<br />
größer sind: Die<br />
wenigen Semester,<br />
die ein Absolvent<br />
mit Diplom länger<br />
studiert als einer<br />
mit Bachelor, sind<br />
nach zehn Jahren<br />
Berufserfahrung<br />
kaum noch spürbar.«