Fortgeblasen und angeschwemmt.pdf
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<strong>und</strong> meine Aufmerksamkeit gehörte mehr den Delfinen als den<br />
Segeln.<br />
Plötzlich verstärkte sich der Wind ohne Vorwarnung um ein<br />
mehrfaches. Zu allem Übel war die Ebbe gerade in vollem Gang<br />
<strong>und</strong> IRISH MIST kämpfte mit viel zu viel Segelfläche gegen Wind<br />
<strong>und</strong> Strömung. Nur unter Anstrengung konnte ich die Genua<br />
bergen, obwohl Jürgen IRISH MIST immer wieder in den Wind<br />
drehte, um mir die Arbeit zu erleichtern. Sobald sich das Segel mit<br />
Wind füllte, wurde es mir wieder <strong>und</strong> wieder aus den Händen<br />
gerissen. Hinter mir schnalzte es, am Großsegel hatte sich ein<br />
Mastrutscher lautstark verabschiedet. Ohne Vorsegel wurde zwar<br />
der Druck etwas leichter, doch der Wind schob IRISH nun breitseits<br />
vor sich hin, wir waren manövrierunfähig. Jürgen warf den Motor<br />
an, während ich ein kleineres Vorsegel zum Bug zerrte. Mit Hilfe<br />
des stählernen Judas im Schiffsbauch konnte Jürgen das Boot hoch<br />
am Wind halten, bis alle Arbeit am Bug erledigt war. Endlich<br />
schafften wir es in die Bucht. So unverhofft der ganze Spuk<br />
gekommen war, so schlagartig war er auch wieder vorbei. Der<br />
Ankerplatz zeigte sich ruhig <strong>und</strong> nur eine leichte Brise kämpfte<br />
gegen die trockene Hitze an Bord. Doch so geisterhaft <strong>und</strong><br />
unerklärlich war uns die Situation gar nicht gewesen, wir hatten<br />
Bekanntschaft mit einem sehr klassischen <strong>und</strong> lehrbuchmäßigen<br />
Kapeffekt gemacht. Da die Strömung gegen uns hinaus auf das<br />
offene Meer lief <strong>und</strong> auch der Wind ablandig blies, hatten wir die<br />
ganze Zeit keine gefährliche Situation, dennoch hatten wir Wind<br />
<strong>und</strong> Strom unterschätzt.<br />
Kaum lag der Anker auf Gr<strong>und</strong>, wurde im Cockpit auch schon<br />
Kriegsrat einberufen. Wo lagen unsere Schwächen, hätten wir<br />
diesen verstärkten Wind schon in Vorhinein erahnen müssen, wie<br />
ungeschickt waren wir gewesen, in eine fremde Ankerbucht<br />
einzulaufen, während wir unsere Aufmerksamkeit den Delfinen<br />
widmeten. Doch die größte <strong>und</strong> wichtigste Frage, die wir uns<br />
stellten, betraf das Reff. Das Verkleinern des Großsegels hatte viel<br />
zu lange gedauert, die Leinen hatten sich verfangen, der<br />
Hohlepunkt lag an der falschen Stelle <strong>und</strong> fehlte für das zweite Reff<br />
vollständig <strong>und</strong> obendrein waren alle Bewegungen unsererseits<br />
ungeübt, denn auch wenn Jürgen über die Reihenfolge der nötigen<br />
Handgriffe Bescheid wusste, wir hatten bis jetzt eine Übung am<br />
Segel stets verschoben. Wir nutzten die Zeit vor Anker, um eine<br />
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