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Swiss Alpine 2003<br />
Parforceritt an der Leistungsgrenze<br />
„Sonnig, 25 °C und auf keinen Fall Regen“,<br />
sagte man mir bei der Anmeldung auf meine<br />
bange Frage nach den Wetteraussichten für die<br />
nächsten Tage. Im Moment jedenfalls sah es<br />
in Davos eher nach Schnee aus. Die äußeren<br />
Bedingungen sollten sich also günstig entwickeln.<br />
Wie stand es um die inneren Bedingungen? Vier<br />
Mal in Folge hatte ich bisher den Super-<br />
Marathon (78,5 Kilometer) des SWISS ALPINE<br />
in Davos absolviert. Reichte die Motivation für<br />
das fünfte Mal? Schon diese Frage hätte mir<br />
gar nicht in den Sinn kommen dürfen. Ich kannte<br />
die Strecke, ja fast jeden Stein, die Schwierigkeiten<br />
der einzelnen Abschnitte, die Reaktionen<br />
meines Körpers, die Schwächen und die darauf<br />
folgenden Adrenalinschübe, die den Schmerz<br />
betäubten und mich weiter laufen ließen.<br />
Ein so schwerer und langer Kanten, wie es der<br />
K 78 ist, muss immer wieder neu, mit dem<br />
gleichen Respekt, wie beim ersten Mal gelaufen<br />
werden. Es gibt hier keine Routine. Die Vorbereitung<br />
auf solche Distanzen muss natürlich<br />
langfristig begonnen werden, und in mein<br />
„SWISS-ALPINE-Trainingsprogramm“ gehört immer auch die lange Strecke beim Rennsteiglauf<br />
im Mai. Eine neue persönliche Bestzeit, vielleicht sogar unter acht Stunden, hatte ich mir schon<br />
lange abgeschminkt. Der Zeitplan war in meine Laufuhr einprogrammiert. Er war festgelegt auf<br />
eine 09:30er Zeit, wobei ich mich von Beginn an doch eher zurückhalten wollte. Durchkommen<br />
war wichtiger als die Endzeit.<br />
Am <strong>26</strong>. Juli 2003, Punkt acht, bei Kaiserwetter und unter den Klängen der Melodie „Time to say<br />
goodbye“, setzten sich ca. 1600 Läufer in Richtung Ziel in Bewegung. Etwa 800 auf der 78,5-<br />
Kilometer-Strecke, 500 auf dem K 30 und 300 auf dem neueingeführten C 42, dem sogenannten<br />
Einsteigermarathon (übrigens würde ich niemandem raten, seinen ersten Marathon, also seinen<br />
Einsteigermarathon, hier zu wählen).<br />
Zuerst, wie immer, eine Dorfrunde mit viel Trara am Wegesrand und dann endlich Stille. Entspannt<br />
ließ ich die Landschaft auf mich wirken. Hier scheint doch alles grüner als bei uns zu sein.<br />
„Trinken, trinken, trinken“, diese Worte vom Rennarzt Beat Villiger klangen mir noch im Ohr. Also<br />
ran an den ersten Verpflegungspunkt. Totales Gewühle. Wollen hier einige Wurzeln schlagen?<br />
43 Sekunden Rückstand zur Tabelle bei Kilometer 10 waren noch in Ordnung und kein Grund zur<br />
Panik. Hier in Frauenkirch ging es nach fast zehn Kilometern „Abfahrt“ erstmals bergauf. Ich hatte<br />
das Gefühl, als könne ich nicht die volle Kraft von meinen Beinen abrufen. Vielleicht täuschte ich<br />
mich auch, und ich war nur noch nicht ganz wach.<br />
Der Begleitzug der Rhätischen Bahn transportierte in Monstein (Kilometer 16) hunderte Zuschauer<br />
an die Laufstrecke, die sie dann bis Bergün, Kilometer 40, parallel zu den Läufern immer wieder<br />
an die Durchlaufpunkte brachte. Zügig ging es an ihnen vorbei und hinein in die Bergwelt durch<br />
Felsentunnel und Schluchten. Die sonst reißenden Flüsse waren durch die lange Hitzeperiode<br />
inzwischen zu müden Rinnsalen geworden oder ganz verschwunden. Der wenige Regen vor zwei<br />
Tagen war wahrlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.<br />
Den Kilometer 20 passierte ich bei 01:48 h. Zwei Minuten langsamer als meine Sollzeit. Das<br />
entspricht bei dem Gelände etwa 300 Metern Wegstrecke.<br />
Kilometer 24 ist ein besonderer Punkt. Die Ortschaft Wiesen mit dem imposanten Viadukt bildet<br />
einen Anziehungspunkt für viele Bergwanderer. Als Läufer sah man von diesem Bauwerk beim<br />
Herüberlaufen nicht viel, nur die tiefe Schlucht, die es überspannte. Ein Smily am Ende der<br />
Brücke forderte von uns einen vernünftigen Gesichtsausdruck für die Streckenfotos. Also lächeln,<br />
870<br />
Am Viadukt von Wiesen war die Laufwelt noch<br />
in Ordnung.