die komplette Ausgabe als PDF - Ulmer Echo
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ULMER ECHO 2008 Schwerpunkt: BtmG<br />
Erfolgloses Gesetz<br />
Der Versuch, den Konsum illegaler<br />
Drogen durch das Betäubungsmittelgesetz<br />
(BtmG) und Strafverfolgung zu<br />
verhindern, ist gescheitert. Es gibt<br />
immer noch politische Akteure, <strong>die</strong><br />
gegen alle Vernunft verschärfte Maßnahmen<br />
gegen <strong>die</strong> Konsumenten fordern<br />
und durchsetzen. Aber auch sie<br />
können nicht mehr unsichtbar machen,<br />
dass so Menschen verfolgt werden und<br />
in ein wirkliches Elend gestoßen werden,<br />
ohne dass sich an der vorgeblich<br />
bekämpften Problematik (Drogenhandel<br />
und Drogenkonsum) etwas ändert.<br />
Normalität unmöglich<br />
User illegaler Drogen befinden sich<br />
quasi ständig unter Druck: Geldnot<br />
und Geldbeschaffung; Angst vor dem<br />
Entzug, wenn kein Stoff zur Verfügung<br />
steht; Angst vor der Strafverfolgung<br />
wegen des Besitzes illegalen Substanz;<br />
viele schließlich müssen befürchten,<br />
mit ihrer Beschaffungskriminalität<br />
Utensilien zum Heroinrauchen<br />
aufzufallen und in <strong>die</strong> Gefängnisse zu<br />
wandern.<br />
Ein „normales“ Leben bei regelmäßigem<br />
Gebrauch illegaler Drogen ist<br />
so gut wie unmöglich. Manche bürgerlichen<br />
Existenzen versuchen es, lange<br />
klappt es meist nicht. Sie kommen in<br />
Geldprobleme, betrügen oder klauen<br />
selbst in ihrer vertrauten Umgebung,<br />
katapultieren sich aus ihrem Job und<br />
zerstören so selbst Familie und<br />
Freundschaften. Hinzu kommt <strong>die</strong><br />
Heroinraucher<br />
Furcht, <strong>als</strong> Süchtiger und Konsument<br />
illegaler Drogen aufzufallen. Bei manchen<br />
sozial und beruflich gut Situierten<br />
dauert es, bis sie sich z.B. mit<br />
ihrem Kokskonsum wirklich ruiniert<br />
haben.<br />
Verelendung<br />
Anders bei<br />
sozial Instabileren:<br />
hier fährt der<br />
Zug schnell dahin,<br />
dass keine längerfristige<br />
Beziehung<br />
mehr existiert und<br />
das Leben unter<br />
ständigem Verfolgungsdruck<br />
eine<br />
Vielzahl negativer<br />
Folgeerscheinung<br />
nach sich zieht.<br />
Notwendige<br />
Ämtergänge werden<br />
verschoben,<br />
bis es zu spät ist und z.B. kein ALG II<br />
mehr gezahlt wird oder <strong>die</strong> Mitgliedschaft<br />
in der Krankenkasse futsch ist.<br />
Ohne regelmäßige Mietzahlung geht<br />
<strong>die</strong> Wohnung verloren. Die Sorge um<br />
anständige Nahrung leidet, weil Geld<br />
für <strong>die</strong> Drogenbeschaffung verbraucht<br />
wird und der „Run“ hinter dem Stoff<br />
und vor der Polizei keine Zeit lässt;<br />
Mangelernährung und fehlende körperliche<br />
Abwehrkraft ist <strong>die</strong> Folge.<br />
Fehlende Hygiene und vernachlässigte<br />
13<br />
Gesundheitssorge (welcher Junkie<br />
lässt sich schon gerne im Wartezimmer<br />
eines Arztes von allen anstarren?) führen<br />
zu Hautkrankheiten, verunreinigte<br />
Nadeln zu Abszessen, Nadeltausch zu<br />
lebensgefährlichen Hepatitis- und<br />
HIV-Infektionen, viele Drogenabhängige<br />
leben mit dauerhaft geschädigten<br />
Organen auch durch Beimischungen,<br />
<strong>die</strong> der Stoff beim Strecken erhält. Im<br />
Straßenheroin ist schon Rattengift und<br />
Arsen festgestellt worden.<br />
Nach ganz unten<br />
Die Vernachlässigung sämtlicher<br />
Lebensdimensionen führt in<br />
Zusammenhang mit Gefängnisaufenthalten,<br />
Schulden, Krankheiten,<br />
Abbruch der Ausbildung oder Verlust<br />
der Arbeit und sozialer Ausgrenzung<br />
zu einer Existenz am untersten Rand<br />
der Gesellschaft. Problematisch ist,<br />
dass für viele Junkies so etwas wie<br />
eine Perspektive (Entgiftung, Drogentherapie,<br />
Neuanfang mit Wohnen,<br />
Arbeit, Freunden) schwer vorstellbar<br />
ist. Wer so etwas nie erlebt hat, dem<br />
fehlt es auch an Kompetenzen zu<br />
einem geregelten bürgerlichen Leben,<br />
wie es sich <strong>die</strong> meisten Drogenabhängigen<br />
(entgegen dem verbreiteten Klischee)<br />
eigentlich wünschen. Darüber<br />
hinaus ist es gerade für Menschen am<br />
Rande schwer, gesellschaftlichen Versprechungen<br />
wie „JedeR hat eine<br />
Chance“ zu glauben, weil sie an sich<br />
selbst und in ihrer direkten Umgebung<br />
längst erlebt haben, dass Viele eben<br />
keine solche haben. Drogenabhängig,<br />
ohne soziale Unterstützung, ohne Ausbildung<br />
– gibt unsere Gesellschaft da<br />
eine Perspektive auf gutes Leben<br />
(ohne Drogenmissbrauch)?<br />
Leben retten<br />
Unter den Bedingungen der Kriminalisierung<br />
ist das Leben Abhängiger<br />
ständig in höchster Gefahr. Die meisten<br />
der mehr <strong>als</strong> 1.700 Heroinabhängigen,<br />
<strong>die</strong> jährlich an den Folgen ihres<br />
Konsums sterben, sterben an simplen<br />
und leicht vermeidbaren Ursachen. Oft<br />
genug ist es eine unbeabsichtigte<br />
Überdosis, weil der Stoff auf der Straße<br />
schwankende Qualität hat. Oder