Tagungsband Naturgartentage 2011 - Naturgarten eV

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Offene Bühne Wildblumensäume – Multitalente in Naturgarten und Landschaft Ein Plädoyer! Früher waren sie überall: Am Wegrand, vor Hecken und Baumreihen, als Feldrain oder am Waldrand. Immer anders und wie es scheint „zufällig“ zusammengewürfelt, zu jedem Standort passend, und immer Wildblumenbunt. Die Rede ist von Wildblumensäumen, pflanzensoziologisch auch Saumbiotope genannt: Ein staudiger Vegetationsbestand, der sich typischerweise an Stellen bildet, wo zwei verschiedene Lebensräume aneinanderstoßen. Heute werden solch gut strukturierte, bunte Säume immer seltener und fallen oft der Übernutzung, Überdüngung, übertriebenen Pflege zum Opfer. Wie ein ganzer Blumenladen: So schöne Wegraine werden immer seltener Die Landschaft, die Vorgärten, die Grünanlagen werden tatsächlich immer grüner und damit fehlt nicht nur die Farbe und die Freude am Betrachten, sondern auch vielfältige ökologische Funktionen gehen verloren. Dabei sind Blumensäume besonders für uns Naturgärtner unverzichtbar. Egal ob schattig oder besonnt, nährstoffreich oder kargtrocken – für jede Stelle gibt es den passenden Saum. Sie sind pflegeleicht, werden im Gegensatz zu Staudenpflanzungen einmal pro Jahr gemäht, entwickeln sich rasch und bleiben über lange Jahre schön. Da Säume i.d.R. angesät werden, meinetwegen auch mit einer zusätzlichen Initialpflanzung von wenigen Stauden für die Blüte im ersten Jahr versehen, sind sie meist kostengünstig 28 Natur & Garten April 2011 zu haben. Da bietet der Naturgartenfachhandel viele erprobte Mischungen feil, es lohnt sich auf jeden Fall, verschiedene Anbieter und Saummischungen auszuprobieren, da jeder seine Spezialitäten entwickelt hat. Wie zum Beispiel die Blumenhecke Sylphe von Hof Berggarten, die als Hochstaudenhecke echt Platz braucht, zu meiner Verblüffung aber auch schon auf 1,5 qm als Raumteiler prächtig funktioniert hat. Blumenhecke Sylphe hat das Zeug zum Raumteiler Oder der Wildbienen und Schmetterlingssaum von RiegerHofmann, der seinem Namen alle Ehre macht, besonders in der alten Zusammensetzung mit Disteln, die auf Anfrage immer noch zu haben ist. Gute Saummischungen zeichnen sich durch ein breites Pflanzenspektrum aus, aus dem sich auf jedem (passenden) Standort ein ansprechender Saum entwickeln kann. Je nach Licht, Boden, Wasserverhältnissen und vor allem Ansaatzeitpunkt und anschließender Witterung wird sich aus der gleichen Ansaat immer ein anderer Saum entwickeln allein das macht es so spannend. Normalerweise sind in jeder Mischung bereits Pionierpflanzen enthalten wie Klatschmohn, Färberkamille, Kornblume und Co – auf deren Blüte wir nicht bis zu zwei Jahren warten müssen. Spannend wird’s natürlich, wenn man zu einer Saummischung wie dem Wärmeliebenden Saum noch einige Prozent Ein und Zweijährige beimischt – auf diese Weise ist mir einmal der schönste Saum geglückt, den ich bisher gesät habe. Der Wärmeliebende Saum im Jahr 2008: Die Zweijährigen prägen das Bild ... 2010 haben die Mehrjährigen übernommen Es lohnt sich also durchaus zu experimentieren, wenn man sich schon ein bisschen auskennt im Reich der Wildpflanzen. Gerade auf schwierigen Standorten, wie dem trockenen Schatten unter alten Bäumen, ist es erfolgversprechend, etwas selektiver zu pflanzen und Einzelansaaten dazwischen zu geben, um zu einem nachhaltigen und bunten Ergebnis zu kommen. Vielfalt ist wie immer der Schlüssel zum Glück, denn egal wie sorgfältig wir planen, die Natur wird immer selektieren und Arten ausfallen lassen. Im Beispielfoto wurde ein grasiger Hang unter alten Linden mit einer kniehohen Trockenmauer abgefangen, mit 4 5 Initialpflanzen pro qm bepflanzt und dann abschnittsweise Süßdolde, Nachtviole und Silberblatt (ein und mehrjähriges) dazwischen gesät. Ergänzt mit Mauerpflanzen und reichlich Zwiebelpflanzen als Frühblüher sowie einer zusätzlichen Einsaat von Hoher Schlüsselblume hat sich innerhalb
von 2 Jahren ein wunderbarer Schattensaum entwickelt, wo vorher nur Scherrasen war. Und dazu wurde lediglich der Platz von durchschnittlich 1,5 m Breite benötigt. Bereits im April blüht das Silberblatt unter den Linden Gepflanzter Saum im trockenen Schatten – hier blüht die Ansaat von Süßdolde Wir können wohl getrost resümieren: Wildblumensäume sind ein Geheimtipp, haben das Potenzial zum Biotopverbund und suchen dringend Förderer. NACHGESCHAUT: p M. Schaefer: Wörterbuch der Öko logie. Fischer Verlag, Jena 1992 Saum (Biotoptyp) Der Saum ist ein von Stauden gebildeter Vegetationsbestand von meist schmaler Ausdehnung, der sich herausbildet, wenn zwei verschiedenartige Lebensräume aneinanderstoßen. Ein Saumbiotop verfügt über eine eigene charakteristische Artenkombination (vgl. Saumbiozönose). Ökologische Bedeutung Säume erfüllen vielfältige ökologische Funktionen beispielsweise als Rendezvousplatz für Schmetterlinge, Überwinterungsquartier für wirbellose Tiere, als Brutplatz sowie Nahrungsbiotop. Ferner dienen Säume der Erhöhung der Strukturvielfalt in der Kulturlandschaft und spielen als Linienbiotope in der Biotopvernetzung eine entscheidende Rolle (...) p Beispielhafte Bezugsquellen für Ansaatmischungen von Wildblumensäumen www.hof-berggarten.de, www.rieger-hofmann.de, www.Syringa-pflanzen.de Falls Sie jetzt enttäuscht abwinken müssen, weil Ihr Garten schon voll ist oder Sie nur Balkongärtner sind etc.: Schauen Sie sich doch einmal mit wachen Sinnen in Ihrer Umgebung um. Haben Sie Kinder in einer Schule mit trostlosem Abstandsgrün? Wilde Vielfalt auf schmalstem Raum – normalerweise würde hier ödes Abstands - grün auf Pflege warten p Literatur und Links Reinhard Witt: Nachhaltige Ansaaten und Pflanzungen. Kräuter, Stauden und Sträucher. Für Jahrzehnte erfolgreich gärtnern. Verlag Naturgarten, Ottenhofen 2008 http://www.utopia.de/magazin/das-abc-des-guerilla-gardening p In der Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), gültig ab 1.3.2010, sind die Raine erstmals gesetzlich geschützt § 39 Allgemeiner Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen (1) Es ist verboten(...) 2. wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten (5) Es ist verboten, 1. die Bodendecke auf Wiesen, Feldrainen, Hochrainen und ungenutzten Grundflächen sowie an Hecken und Hängen abzubrennen oder nicht land, forst oder fischereiwirtschaftlich genutzte Flächen so zu behandeln, dass die Tier oder Pflanzenwelt erheblich beeinträchtigt wird. Offene Bühne Lieblos gestaltete Baumscheiben in der Straße? Öder Weg zum Arbeitsplatz? Nur grasgrüne Wegränder beim Hundegassigehen? Wildblumen gehen einfach überall: Christiane Adler und Christa Fischer haben bspw. auf den Naturgartentagen 2010 mit ihren Beiträgen gezeigt, wie man sich auch im öffentlichen Grün erfolgreich einmischen kann. Vielleicht steckt gar das Zeug zum Guerillagardening in Ihnen? Natürlich geht’s auch ein wenig geordneter, ein gutes Gespräch kann oft schon Türen öffnen. Wofür Sie sich auch entscheiden, mit Sicherheit werden Sie begeistertes Interesse bei Wildbienen, Hummeln, Schmetterlingen, Finken, Spatzen, Kindern und Co hervorrufen. Wir fliegen heute auf Gelb: Alpenschopfblume als Insektenmagnet Wie wäre es also mit Ihrem persönlichen Blumensaum 2011? Dipl. Ing. Dorothee Dernbach, D - Büdingen. Vorstand Naturgarten e. V., Fachbetrieb für Naturnahes Grün (Naturnahe Planung). dernbach@naturnah-planen.de. Tel. 06049-950733 Natur & Garten April 2011 29
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