Tagungsband Naturgartentage 2011 - Naturgarten eV
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<strong>Naturgarten</strong> als Lebensraum<br />
rasen im naturnahen Garten<br />
Ein Plädoyer zur Entdeckung des ökologischen<br />
und gestalterischen Wertes eines<br />
vernachlässigten <strong>Naturgarten</strong>elementes<br />
Wiesen statt rasen?<br />
Der „englische Rasen“ ist geradezu ein Symbol<br />
für den naturfernen Garten. So beginnt<br />
eine naturnahe Umgestaltung denn auch<br />
zumeist damit, dass die vorhandenen Rasenflächen<br />
abgeschält, entsorgt oder im<br />
Unterbau eines Hügels verbuddelt werden.<br />
Auf der lebensfeindlichen Rasenfläche sollen<br />
spannendere <strong>Naturgarten</strong>elemente<br />
entstehen. Während die vorhandenen Gehölze<br />
bei einer naturnahen Umgestaltung<br />
die Chance haben, erhalten zu werden,<br />
muss die Rasenfläche in den meisten Fällen<br />
weichen. Die <strong>Naturgarten</strong>bewegung in<br />
Deutschland begann sogar mit „Rasenbesetzungen“<br />
und dem Plädoyer, Scherrasenflächen<br />
der Sukzession zu überlassen oder<br />
wenigstens nur noch ein bis zweimal zu<br />
mähen und so zu Wiesen umzuwandeln <br />
was in den meisten Fällen nicht funktionierte.<br />
Der Gedanke „Natur Natur sein lassen“ ist<br />
einer der Leitgedanken der Naturschutzbewegung<br />
und ein problematischer dazu: Im<br />
Nationalpark Wattenmeer wird die Beweidung<br />
des Deichvorlands auf vielen Flächen<br />
total aufgegeben. Im Beltringharder Koog<br />
entstanden so Distel und Brennesselflu<br />
38 Natur & Garten April <strong>2011</strong><br />
ren. Wo früher im Winter zahlreiche rastende<br />
Gänse Nahrung fanden, finden sich jetzt<br />
eher Singvögel und große Rehbestände.<br />
Nichtsdestotrotz: Die Umwandlung von<br />
langweiligen Scherrasenflächen in vielfältige<br />
Lebensräume für Mensch und Natur<br />
ist und bleibt das Ziel der <strong>Naturgarten</strong>bewegung.<br />
Aber die Wahrnehmung der Rasenflächen<br />
als etwas Wertloses hat uns den<br />
Blick verstellt für die spannende Natur und<br />
Kulturgeschichte dieses Biotop und Gartenelements<br />
und die gestalterischen Möglichkeiten,<br />
die Rasenflächen bieten. Denn<br />
das zeigt die Erfahrung: viele Gartennutzer<br />
wünschen sich Rasenflächen.<br />
Die Naturgeschichte der rasen<br />
Der Schwerpunkt der Artenvielfalt in Mitteleuropa<br />
liegt im Bereich der offenen und<br />
halboffenen Lebensräume. Auch die gefährdeten<br />
Arten bei uns sind zumeist abhängig<br />
von lichten und mageren Lebensräumen.<br />
Es gibt sogar etliche Arten, die nur<br />
dort vorkommen, wo der Bewuchs kurzrasig<br />
und zumeist auch schütter ist. Dazu gehören<br />
zum Beispiel viele der besonders bedrohten<br />
Wiesenlimikolen wie Regenpfeifer,<br />
Goldregenpfeifer, Brachvogel, Uferschnepfe,<br />
Kampfläufer und Rotschenkel, aber auch<br />
bekanntere Vögel wie Grünspecht, Neuntöter,<br />
Elster, Steinkauz, Haubenlerche und<br />
zahlreiche Insekten. Grund für diese enorme<br />
Artenvielfalt ist die in meinem Vortrag<br />
auf den <strong><strong>Naturgarten</strong>tage</strong>n 2008 dargestellte<br />
Tatsache, dass Mitteleuropa vegetationsgeschichtlich<br />
gesehen der Kontinent der<br />
offenen und halboffenen Grasländer ist und<br />
die Artenausstattung Mitteleuropas unter<br />
dem Einfluss großer Weidetiere entstanden<br />
ist. Weiderasen hat es in Mitteleuropa immer<br />
gegeben, Wälder nur während kurzer<br />
Episoden in den Warmzeiten. Die Vielfalt<br />
der so gesehen natürlichen Rasengesellschaften<br />
ist groß: Salzwiesen an der Küste,<br />
Fettweiden in den Flusstälern und Lössebenen,<br />
Halbtrocken und Trockenrasen an<br />
Hängen und auf sandigen Standorten, alpine<br />
Rasen im montanen Bereich.<br />
Die Kulturgeschichte des rasens<br />
Die Kulturgeschichte des Rasens beginnt,<br />
als der Mensch anfängt, die Landschaft<br />
erheblich zu verändern. Eine neue Technologie,<br />
die Erfindung der Sichel, schaffte die