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Saint Martyrs- Stadt der Verdammten - Media-Mania.de

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Dieses Hörbuch verdankt seine Existenz einer<br />

hymnischen Kritik von Stephen King. Er lästerte<br />

ausführlich über das Gebaren einiger Verleger,<br />

die verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t hatten, dass man Ron McLartys<br />

Werk lesen konnte. Denn nach zahlreichen<br />

Absagen war es als Hörbuch, o<strong><strong>de</strong>r</strong> besser gesagt<br />

als downloadbarer Hörbuchstream, im Internet<br />

verbreitet wor<strong>de</strong>n und King zu Ohren<br />

gekommen. So wur<strong>de</strong> „Die unglaubliche Reise<br />

<strong>de</strong>s Smithy I<strong>de</strong>“ zu einem Bestseller, zunächst<br />

als Hörbuchstream, dann als Buch und nun als<br />

neu produziertes Hörbuch.<br />

Zunächst fällt die Stimme <strong>de</strong>s in Deutschland als<br />

Fernsehkommissar bekannt gewor<strong>de</strong>nen Jürgen<br />

Tarrach auf. Er spricht <strong>de</strong>n Smithy so, als wäre<br />

er es. Von Anfang an hat man das Gefühl <strong>de</strong>m<br />

Bericht dieses zunächst fetten, gelangweilten und<br />

sich treiben lassen<strong>de</strong>n Amerikaners zu lauschen.<br />

Mit einer coolen Lässigkeit und beeindrucken<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Nonchalance trägt Tarrach dieses komplizierte<br />

Gemisch aus Bericht, Rückblen<strong>de</strong>n,<br />

Betrachtungen, Gedankenassoziationen und<br />

Beobachtungen vor. Außer <strong><strong>de</strong>r</strong> teils nervigen<br />

Angewohnheit <strong>de</strong>s Autors wirklich je<strong>de</strong>n<br />

Straßennamen, Ortsteil und Markennamen noch<br />

je<strong><strong>de</strong>r</strong> Bier- Whiskey- und Fressalie immer<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu nennen, gefällt <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfang durch seine<br />

Alltäglichkeit, seine ruhig Art Dinge zu<br />

beschreiben und die sich von vielen Hörbüchern<br />

abheben<strong>de</strong> Ereignislosigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte.<br />

Eigentlich passiert fast nichts. Smithy lebt vor<br />

sich hin. Seine Eltern sterben, er betrinkt sich.<br />

Doch dann passiert das Einzige, dass ihn aus<br />

seiner lebenslangen Lethargie herausreißen kann:<br />

Seine „irre“ Schwester Bethany, vor Jahren<br />

verschwun<strong>de</strong>n, liegt tot in einem<br />

Leichenschauhaus in Los Angeles. Er nimmt<br />

sich sein altes Jugendrad und fährt los. Fett, faul<br />

und antriebslos wie er ist. Und es wird eine<br />

Reise, die er und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuhörer nicht mehr<br />

vergessen wird.<br />

Warum? Das ist schwer zu beschreiben, man<br />

muss es sich anhören. Zunächst ist es die absur<strong>de</strong><br />

Situation, die fesselt. Mehr und mehr aber sind<br />

es die schlichten und einfachen Sätze McLartys,<br />

die begeistern. Seine Weisheiten sind einfach,<br />

die Menschen, die er beschreibt, alltäglich. Aber<br />

er vermittelt ein Bild <strong>de</strong>s mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Amerikas,<br />

MMM – <strong>Media</strong> <strong>Mania</strong> Magazin<br />

das man so nicht kennt. Er vermittelt <strong>de</strong>n<br />

Optimismus, <strong><strong>de</strong>r</strong> je<strong>de</strong>m einzelnen Menschen<br />

innewohnt, vermittelt ein Bild <strong>de</strong>s einfachen<br />

Menschen, <strong><strong>de</strong>r</strong>, egal was auch immer passiert,<br />

positiv lebt und die Hoffnung nicht verliert.<br />

McLarty gelingt es, mit <strong>de</strong>n Augen seines<br />

„Hel<strong>de</strong>n“ Smithy I<strong>de</strong> auf die Dinge zu achten,<br />

auf die es je<strong>de</strong>m Menschen ankommen sollte:<br />

einen Sonnenuntergang, ein Schluck Wasser,<br />

wenn man Durst hat, ein nettes Wort zu einem<br />

Menschen, <strong>de</strong>n man mag o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch nicht mag,<br />

sich nicht treiben lassen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n han<strong>de</strong>ln.<br />

Das Hörbuch ist nicht spannend, die Geschichte<br />

plätschert ruhig vor sich hin und strebt einem zu<br />

erwarten<strong>de</strong>n En<strong>de</strong> entgegen. Aber man will sie<br />

zu En<strong>de</strong> hören, will hören, was Smithy erlebt,<br />

wie er die Dinge sieht, was ihn zu einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Menschen macht.<br />

Fazit: Dieses Hörbuch ist fantastisch. Es ist nicht<br />

spannend, aber nie langweilig, es ist geschwätzig<br />

aber nie pathetisch, es ist ruhig und verhalten,<br />

aber regt zum Nach<strong>de</strong>nken an. Smithy ist kein<br />

Held und eher unsympathisch, wächst <strong>de</strong>m Hörer<br />

aber ans Herz, und je länger seine Reise dauert,<br />

<strong>de</strong>sto mehr mag man ihn und möchte ihn nicht<br />

mehr missen.<br />

Gelegentlich nerven zwar die Rückblen<strong>de</strong>n, aber<br />

nicht, weil sie nicht ebenso faszinieren wür<strong>de</strong>n,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n weil sie nicht kenntlich gemacht sind<br />

und immer erst eine Weile vergeht, bis man die<br />

entsprechen<strong>de</strong> Szene einzuordnen weiß. Die<br />

zufällige Anordnung, die zusammenhanglose<br />

Schil<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Vergangenem und<br />

Gegenwärtigen ist teils anstrengend, teils nervig.<br />

Hat man sich aber innerlich darauf eingestellt, ist<br />

es fast so, als wür<strong>de</strong> Tarrach abwechselnd zwei<br />

Bücher vortragen, eins aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />

von Smithy, als seine Welt noch in Ordnung war<br />

und eins aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Gegenwart, in <strong><strong>de</strong>r</strong> er erst<br />

mühsam wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Ordnung fin<strong>de</strong>n muss.<br />

Random House Audio-Verlag, April 2006<br />

420 Minuten, 6 CDs<br />

29,95€<br />

Stefan Erlemann<br />

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