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Organisationen, Ideologien und Strategien - Eurasisches Magazin

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© Eurasischer Verlag Hans Wagner 2009<br />

<strong>Eurasisches</strong> <strong>Magazin</strong> – Mai 2009 · Seite 13<br />

annehmen. So könnte Deutschland die Gelegenheit erhalten, vielleicht noch rechtzeitig die<br />

Beziehungen zum Iran wieder zu reparieren. Ich bin da allerdings sehr skeptisch.<br />

„Wir brauchen intensivere, niveauvollere <strong>und</strong> ehrlichere Debatten über<br />

Außenpolitik“<br />

EM: Das ist doch wie ein Schuss ins Knie, wie eine gezielte Selbstentleibung. Man sollte doch<br />

nicht erwarten, dass eine Regierung so etwas tut, ihrer eigenen Wirtschaft gegenüber, die ja<br />

doch die ökonomische Basis ist. Oder gibt es dafür eine andere Erklärung?<br />

Steinberg: Eine solche Politik wäre nur unter der Voraussetzung zielführend, dass die<br />

Sanktionen wirken. Die B<strong>und</strong>esregierung hofft darauf; ich halte das nicht für realistisch.<br />

Letztlich schaden die Sanktionen unserer Wirtschaft. Und zwar auf Feldern, die dann von<br />

anderen beackert werden. Das müssen nicht nur Russland <strong>und</strong> China sein, es kann durchaus<br />

sein, dass bei einer amerikanisch-iranischen Annäherung das Geschäft dann von den<br />

Amerikanern gemacht wird. Ich gehe jedoch eher von einer Eskalation des Konfliktes aus.<br />

EM: Zu guter Letzt die Frage: Wie kann sich die deutsche Politik aus ihren Fesseln befreien<br />

– oder sehen Sie gar nicht die Möglichkeit?<br />

Steinberg: Was wir zunächst brauchen, sind intensivere <strong>und</strong> niveauvollere Debatten über<br />

diese Fragen. Auch ehrlichere. Es gibt in Deutschland kaum große <strong>und</strong> länger anhaltende<br />

außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitische Auseinandersetzungen. Diskussionen sind immer nur<br />

anlassbezogen <strong>und</strong> werden dann sehr schnell von innenpolitischen Themen überlagert. Dabei<br />

betreibt die deutsche Politik eine immer aktivere Außenpolitik, sei es im Libanon, in<br />

Afghanistan oder am Horn von Afrika. Dies geschieht aber oft ohne eine vorherige Definition<br />

der deutschen Interessen. In den Fällen, in denen deutsche Truppen entsandt werden,<br />

geschah dies zumindest in der Vergangenheit mehrmals ohne genügende Abwägung der<br />

Risiken <strong>und</strong> der Folgen. Wir sehen das in Afghanistan. Der deutsche Einsatz dort erfolgte aus<br />

einem einzigen Gr<strong>und</strong>, nämlich dass die Regierung Schröder 2001 Solidarität mit den USA<br />

zeigen wollte. Die B<strong>und</strong>esregierung wusste damals nicht, was unsere Truppen da erwartet<br />

<strong>und</strong> war auch überrascht, als die Bush-Administration 2002 Afghanistan für gar nicht mehr<br />

so wichtig hielt. Jetzt w<strong>und</strong>ern sich Politik <strong>und</strong> Öffentlichkeit, dass der Widerstand gegen die<br />

deutsche Präsenz zunimmt. So etwas darf künftig nicht mehr passieren. Eine gut entwickelte<br />

außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitische Debattenkultur kann solchen Überraschungen<br />

entgegenwirken.<br />

„In Deutschland entstehen neue politische <strong>und</strong> militärische Eliten“<br />

EM: Und nun?<br />

Steinberg: Die B<strong>und</strong>esrepublik lernt mit den Erfahrungen der Deutschen in Afghanistan –<br />

Militärs <strong>und</strong> Zivilisten. Wir erleben eine Entwicklung, wie sie im Gr<strong>und</strong>e von den<br />

Kolonialmächten im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert durchgemacht wurde. Durch die deutsche Präsenz in<br />

Krisenregionen <strong>und</strong> die oft schmerzlichen Erfahrungen dort werden wir gezwungen, uns<br />

intensiv mit diesen Ländern zu befassen. Mehr junge Leute befassen sich mit Weltregionen,<br />

die bisher wenig Interesse gef<strong>und</strong>en haben. Neue Studiengänge für Internationale<br />

Beziehungen werden eingerichtet. In Deutschland entstehen neue politische <strong>und</strong> militärische<br />

Eliten, die in Zukunft die deutsche Politik mitprägen <strong>und</strong> ihr etwas von ihrer heutigen<br />

Provinzialität nehmen werden.<br />

EM: Sehen Sie bei einer B<strong>und</strong>esregierung in der nächsten Legislaturperiode eine<br />

Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich an den hier beschriebenen außenpolitischen Defiziten<br />

etwas ändert?

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