Organisationen, Ideologien und Strategien - Eurasisches Magazin
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© Eurasischer Verlag Hans Wagner 2009<br />
<strong>Eurasisches</strong> <strong>Magazin</strong> – Mai 2009 · Seite 24<br />
Islamisten selbst betrachteten sie nicht mehr als wahre islamische Kraft <strong>und</strong> kehrten der<br />
Organisation den Rücken, nachdem die PIW als von der Regierung „bezahlt <strong>und</strong> gekauft“<br />
verschrien wurde. Diese Entwicklung kam vor allem der Hisb ut-Tahrir <strong>und</strong> der Islamischen<br />
Bewegung Usbekistans zu Gute.<br />
Hisb ut-Tahrir<br />
Die Propaganda-Schriften der HuT wurden bereits in den 1970er Jahren nach Usbekistan<br />
gebracht. Die ersten Zellen dieser Organisation wurden jedoch im Ferganatal zwischen 1992<br />
<strong>und</strong> 1995 aktiv. Von hier aus breitete sich das HuT-Netzwerk auf Usbekistan, Tadschikistan<br />
<strong>und</strong> Kirgistan aus. Da die Bevölkerung Zentralasiens wenig mit der arabischen Sprache <strong>und</strong><br />
dem salafitischen Gedankengut anfangen konnte, passte sich die HuT rasch an die regionalen<br />
Gegebenheiten an. Bald nachdem ein Jordanier, der sich Sala´uddin nannte, <strong>und</strong> seine<br />
usbekischen Unterstützer die erste HuT-Zelle aufbauten <strong>und</strong> ihre Propagandaarbeit<br />
aufnahmen, tauchten in der Region die ersten Übersetzungen der programmatischen<br />
Schriften <strong>und</strong> Propaganda-Flugblätter der Partei der Befreiung auf. Die Ideologie <strong>und</strong> der<br />
Großteil der Finanzierung der HuT stammten allerdings nach wie vor aus dem Ausland. HuT<br />
ist die am schnellsten wachsende Bewegung in Zentralasien.<br />
Die Errichtung eines Kalifats ist eines der erklärten Ziele der Partei der Befreiung. Weitere<br />
Zielsetzungen der HuT sind die Vernichtung Israels, die Befreiung der muslimischen Welt<br />
von den westlichen Einflüssen sowie die Wiedereinführung der Scharia als Strukturprinzip<br />
der islamischen Ordnung.<br />
Die HuT präsentiert sich zwar als nichtgewalttätig, dennoch ragen der aggressive<br />
Antisemitismus <strong>und</strong> die antiwestliche Rhetorik als fester Bestandteil ihrer Ideologie hervor.<br />
Darüber hinaus legitimiert die HuT den Dschihad gegen Israelis <strong>und</strong> Amerikaner, weshalb<br />
von einem ernst gemeinten Gewaltverzicht kaum die Rede sein kann. Die Experten gehen<br />
davon aus, dass der Verzicht auf Gewaltanwendung strategischer Natur ist.<br />
Drei-Etappen-Modell zur Zusammenführung der Muslime<br />
Die Partei der Befreiung akzeptiert keine politischen Kompromisse bzw. andere<br />
Ordnungsmodelle außer einem auf der Scharia basierenden islamischen Staat. Jeder<br />
Verfassungsartikel, jede Rechtssprechung sollen von der Scharia abgeleitet werden. In<br />
Programmschriften der HuT lässt sich ein Drei-Etappen-Modell der Zusammenführung aller<br />
Muslime in einem Neo-Kalifat finden, das auf einer Interpretation der historischen Mission<br />
des Propheten Mohammed bei der Gründung des ersten islamischen Staates basiert: (1) Die<br />
Etappe der Kultivierung umfasst die Suche nach <strong>und</strong> die Förderung von den Muslimen, die<br />
die Überzeugungen sowie politischen Methoden der Partei teilen <strong>und</strong> diese in die Welt tragen<br />
würden; (2) der Schritt zwei setzt die Interaktion mit der Umma voraus, um diese bei der<br />
Arbeit für den Islam sowie der Integration des Islams ins Alltagsleben, in den Staat <strong>und</strong> die<br />
Gesellschaft zu unterstützen; (3) die dritte Etappe beschreibt einen Prozess der<br />
Machtübernahme <strong>und</strong> die ganzheitliche, totale Umsetzung der islamischen Ordnung.<br />
Beginnend in Zentralasien muss sich also die ganze Umma nach friedlichen<br />
Demonstrationen erheben <strong>und</strong> zu einem Kalifat vereinigen.<br />
Nach den friedlichen antiautoritären Umbrüchen in der Ukraine, in Kirgistan <strong>und</strong> Georgien<br />
sahen sich die Ideologen der HuT in der Annahme bestätigt, dass eine Regimestürzung im<br />
postsowjetischen Raum auch mit friedlichen Mitteln möglich ist. Dennoch stellen die<br />
Beobachter fest, dass die HuT sich seit 2001 konsequent radikalisiert <strong>und</strong> auf terroristische<br />
Taktik setzt (Selbstmordterrorismus, Dschihad als legitimes Mittel im Konflikt der<br />
Zivilisationen). Die Dschihad-Theorie der HuT hat wenig mit dem globalen Dschihad einer<br />
Al-Qaida gemeinsam. Dennoch verzichtet die Organisation nicht ganz auf die Praxis des<br />
bewaffneten Kampfes – mit einer bemerkenswerten Akzentsetzung. Für den Moment sei der