Organisationen, Ideologien und Strategien - Eurasisches Magazin
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© Eurasischer Verlag Hans Wagner 2009<br />
<strong>Eurasisches</strong> <strong>Magazin</strong> – Mai 2009 · Seite 25<br />
spirituelle, große Dschihad entscheidend. Der physische, kleine Dschihad bleibt für die Zeit<br />
nach der Wiedervereinigung der Umma in einem Neo-Kalifat vorbehalten.<br />
Es liegen keine belastbaren Informationen über die Mitgliederzahl der HuT in Zentralasien<br />
vor. Die dezentralen HuT-Zellen agieren im Verborgenen, die Sicherheitsvorkehrungen<br />
werden sehr streng gehandhabt. Nur Leiter der Zellen kennen die Entscheidungsträger der<br />
übergeordneten Strukturen. Die HuT ist straff <strong>und</strong> pyramidenförmig organisiert. Die<br />
Organisationsstruktur reicht nach Freitag-Wirminghaus „von lokalen Basiseinheiten über<br />
regionale Organisationsebenen bis zu einer überregionalen Führung. […] Der regionale<br />
Repräsentant wird vom Zentralen Politischen Rat auf internationaler Ebene eingesetzt“.<br />
Experten gehen jedoch davon aus, dass aufgr<strong>und</strong> politischer Repressionen <strong>und</strong><br />
wirtschaftlicher Depression „zwischen 60.000 <strong>und</strong> 70.000 der weltweit 100.000 Anhänger<br />
für die „einzig echte islamische Bewegung“ tätig sein sollen“. Auch Baran u.a. gehen davon<br />
aus, dass die Mitgliederzahlen der HuT in Usbekistan bis zu 70000 beträgt, während<br />
Kirgistan <strong>und</strong> Tadschikistan zwischen 3000 <strong>und</strong> 5000 Mitglieder zählen.<br />
Akramija<br />
Nicht alle Anführer regionaler islamistischer <strong>Organisationen</strong> teilen jedoch die Programmatik<br />
der HuT. Akram Juldaschew, ein Aktivist <strong>und</strong> Ideologe des islamistischen Untergr<strong>und</strong>s,<br />
gelangte bereits als Mitglied der HuT zur Erkenntnis, dass die im arabischen Ausland<br />
ausgearbeiteten Methoden der Partei der Wiedergeburt unter den regionalen<br />
Voraussetzungen nicht anwendbar seien. Er gründete daraufhin in Andischan eine<br />
Bewegung mit einer lokalen Agenda, die als Akramija bekannt geworden ist. Die ideologische<br />
Nähe der Akramija zur HuT veranlassten die Experten diese Organisation als regionale<br />
Splittergruppe der Partei der Wiedergeburt zu betrachten. Dennoch hat die Akramija einige<br />
Besonderheiten.<br />
Die Akramisten gehen davon aus, dass die regionale Agenda nur von der lokalen Ebene<br />
heraus implementiert werden kann. Juldaschew arbeitete ein 5-Etappen-Programm aus, das<br />
es den Akramija-Mitgliedern ermöglichen soll, die Gesellschaft zu islamisieren <strong>und</strong><br />
dergestallt an die Macht zu gelangen. Die erste Etappe schließt eine islamische Ausbildung<br />
der Mitglieder in geheimen Zellen ein <strong>und</strong> endet mit einem Treueschwur auf den Koran. Die<br />
zweite Etappe ist auf die Schaffung einer materiell-finanziellen Existenzbasis gerichtet. Die<br />
Akramisten gründen Kleinunternehmen, wo die „Brüder“ arbeiten können, oder werden mit<br />
Unterstützung der Gleichgesinnten in öffentliche <strong>Organisationen</strong> eingestellt. Ein Fünftel des<br />
Gewinns haben die Mitglieder in die Akramija-Kasse abzuführen. Während die dritte Etappe<br />
auf die geistige Indoktrination setzt, zielt der vorletzte Schritt zur wahren islamischen<br />
Ordnung auf die Legitimierung der Vereinigung entweder durch die Einwerbung von<br />
Beamten öffentlicher Behörden oder durch die Infiltrierung <strong>und</strong> Instrumentalisierung dieser<br />
durch die Akramisten. Nach der Legitimierung der Bewegung <strong>und</strong> ihrer Unterstützer würde<br />
sich der legale Weg zur Macht für die Akramija öffnen. Der Vereinigung gelang es mit einem<br />
sozioökonomischen Ansatz an Einfluss in Andischan zu gewinnen, indem sie Arbeitsplätze<br />
schuf <strong>und</strong> wirtschaftliche Depression zu lindern wusste. „This is one most successful<br />
examples of the bottom-up approach of pro-Islamic social engineering“.<br />
Tabligh Jamaat<br />
Ähnlich wie die HuT oder Akramija strebt auch die in den 1920er Jahren in Indien<br />
gegründete Organisation Tabligh Jamaat (TJ) die Errichtung eines islamischen Staates in<br />
Zentralasien an. TJ konnte ein breites Netzwerk in westlichen Staaten schaffen <strong>und</strong> unterhält<br />
zahlreiche Schulen <strong>und</strong> Büros in Europa <strong>und</strong> Nordamerika. Tabligh Jamaat agiert parallel<br />
zur wahhabitischen Islamischen Weltliga. Die Islamisten halten der Organisation vor, dass<br />
sie dem politischen Alltagsgeschehen fernbleibt <strong>und</strong> „nur“ Missionierungsziele verfolgt. Als<br />
Anhänger einer apolitischen Organisation können die TJ-Mitglieder einfacher verreisen <strong>und</strong><br />
Grenzen passieren, was bei den Sicherheitsbehörden den Verdacht nährt, sie könnten in