Kontakte 2005 (PDF) - LFS – Liebfrauenschule Geldern
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Eine fast leere Bühne, ein Schauspieler und Theaterstücke zum Nachdenken<br />
Andreas Loos aus Berlin gastierte<br />
Oskar und die Dame in Rosa<br />
Eine nahezu leere Bühne, eine voll besetzte Aula und ein Schauspieler. Erwartungshaltung und<br />
Spannung waren groß, als Andreas Loos unsere Schule am 22. November 2004 mit dem Stück<br />
„Oskar und die Dame in Rosa" von Eric-Emmanuel Schmitt besuchte. Dabei handelt es sich die<br />
Umsetzung eines Buches für Erwachsene, geschrieben in Form eines Kinderbuches.<br />
Wie gesagt, die Erwartungen waren groß. Ein Theaterstück, aufgeführt<br />
von einem einzigen Schauspieler? Wie soll das gehen, was<br />
soll man sich darunter vorstellen?<br />
Entsprechend groß war die Überraschung, als Herr Loos die Bühne<br />
betrat. Prüfend blickte er in die Zuschauermenge und ließ sich<br />
alsbald auf der einzigen Requisite, einem Hocker, nieder. Die<br />
Spannung brach, als der Schauspieler anfing zu erzählen, als er<br />
einfach nur da saß und erzählte.<br />
Einfach? Nein alles andere als das, denn die Erzählkunst, die Herr<br />
Loos beherrscht, riss einen zweifelsohne mit. Der Schauspieler<br />
erzählte Oskars Briefe an den lieben Gott, in denen der Junge von<br />
seinem Tagesablauf berichtet, seine Gefühle offenbart und ungeklärte<br />
Fragen stellt.<br />
Manch einer fühlte sich zeitweise zurückversetzt in seine eigene<br />
Kindheit, als die Eltern noch Geschichten vorlasen und man, von<br />
ihren Worten getragen, fantastische Abenteuer erleben konnte.<br />
Gleichzeitig tauchten wir aber auch in Oskars Welt ein, die Welt<br />
eines krebskranken Jungen, der mit Sicherheit sterben wird, eine<br />
Welt, in der Oskar die Schwächen der Erwachsenen erkennt, ihre<br />
Feigheit und Angst, ihren Egoismus und ihre Ignoranz, sich dem<br />
Thema Tod vernünftig zu nähern. Oskars Eltern sind nämlich unfähig,<br />
sich und dem Jungen zu offenbaren, dass er sterben<br />
wird. Und so fühlt Oskar sich von ihnen allein gelassen, ist wütend<br />
darüber, dass sie nicht ehrlich sind, nicht zu ihm und nicht zu sich selber.<br />
Hilfe bekommt Oskar von einer älteren Dame, die ehrenamtlich Kranke besucht und betreut.<br />
"Mama Rosa", wie er sie wegen ihres rosa Kittels nennt, stellt sich ihm als ehemalige Catcherin vor,<br />
die ihm trotz der Krankheit die Lebensfreude wieder gibt und in seinen letzten Tagen zur Seite<br />
steht. Sie schlägt ihm vor, sein gesamtes potenzielles Leben, das er ja wegen seiner Erkrankung<br />
nicht erleben wird, in 10 Tagen zu durchleben, jeden Tag ein Jahrzehnt.<br />
Und so erfährt Oskar die Höhen und Tiefen eines Menschenlebens. Er heiratet und schlägt sich mit<br />
den Problemen jeder Dekade herum, um seine Lehren daraus zu ziehen. Wofür andere ein ganzes<br />
Leben brauchen, das schafft Oskar in kurzer Zeit. Jeden Tag schreibt er dem lieben Gott und<br />
verschafft sich dabei Klarheit über sich und seine Existenz. Die Briefe, die alle mit "Küsschen,<br />
Oskar" enden, werden immer kürzer, je näher er seinem Tod kommt. Zum Schluss schlüpfte Herr<br />
Loos dann in die Rolle von Mama Rosa, die nach Oskars Tod ausdrückt, wie sehr ihr selbst der<br />
Kontakt mit dem Jungen geholfen hat, einen Sinn in ihrem Leben zu sehen.<br />
Bei der Reflexion des Stücks in unserer Klasse wurden unterschiedliche Stimmen laut. Die<br />
schauspielerische Leistung des Herrn Loos war dabei weniger umstritten als die Umsetzung der<br />
Thematik durch den Autor. Manche fanden enttäuscht: „Das hat mir gar nichts gebracht; ich habe<br />
mich zwei Stunden gelangweilt!“ Sie hatten Schwierigkeiten, in die Perspektive des kleinen Jungen<br />
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