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Hinter der Mauer - Berliner Missionswerk

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18<br />

Ein Ort <strong>der</strong> Depression<br />

Überall Soldaten. Im Suk patrouillieren sie<br />

stündlich, immer in Gruppen zu sechs, das Gewehr<br />

schussbereit. Eine unserer Kolleginnen<br />

wurde gestern festgehalten, weil sie einer<br />

Frau helfen wollte; diese war am Checkpoint<br />

von den Soldaten gezwungen worden, durch<br />

eine große Regenpfütze zu laufen, anstatt die<br />

Steine benutzen zu dürfen, die die Soldaten für<br />

sich selber ausgelegt hatten. Bei den langen<br />

Mänteln <strong>der</strong> Frauen bedeutet das natürlich<br />

verdreckte Kleidung. Die Frau, die sich wehrte,<br />

wurde für mehrere Stunden verhaftet, unsere<br />

Kollegin von den Soldaten eingekreist und bedroht<br />

– letztlich passierte ihr nichts, aber <strong>der</strong><br />

Schreck bleibt. Diese Stadt atmet Depression<br />

und Feindschaft – unseren Kollegen in Hebron<br />

spürt man die Anspannung an.<br />

Heute leben 180 000 Palästinenser und 800<br />

Siedler in Hebron. 13 500 Palästinenser wurden<br />

in <strong>der</strong> Innenstadt aus ihren Häusern vertrieben<br />

seit <strong>der</strong> 2. Intifada. Das ging in <strong>der</strong> Regel so,<br />

dass den kleinen Ladenbesitzern ihr Laden im<br />

Erdgeschoss geschlossen wurde. Da die Menschen<br />

meist in den oberen Etagen <strong>der</strong>selben<br />

Häuser lebten, kamen sie nun auch nicht mehr<br />

in ihre Wohnungen, außerdem hatten sie kein<br />

Einkommen mehr, da die Straße nicht mehr zugänglich<br />

war und keine Kunden kamen und so<br />

mussten sie gehen.<br />

Da sie bei <strong>der</strong> Vertreibung<br />

die Waren nicht mitnehmen<br />

durften, gab es 2002<br />

eine große Rattenplage in<br />

Hebron – es sei denn, die<br />

Siedler bemächtigten sich<br />

<strong>der</strong> verlassenen Läden<br />

und räumten sie aus –<br />

was häufig geschah, wie<br />

unser Führer berichtet. Er<br />

erzählt, wie es zwischen<br />

Oslo 1993 und <strong>der</strong> 2. Intifada<br />

hier ausgesehen hat<br />

in <strong>der</strong> Stadt mit vollen<br />

Palästina<br />

Graffito in Hebron: „gas the arabs“<br />

Markt. Netze zum Schutz gegen von oben geworfene<br />

Gegenstände<br />

Straßen, vielen Läden und Massen von Käufern<br />

überall. Das alles ist gar nicht mehr vorstellbar<br />

für uns.<br />

Die Innenstadt ist tot. Überall verrammelte Türen,<br />

häufig Graffiti an den Wänden, viele Davidssterne,<br />

von Siedlern gesprayt<br />

– ein bedrücken<strong>der</strong> Eindruck für<br />

mich.<br />

Eine Straße, <strong>der</strong> Zugang zum<br />

Fleischmarkt, wurde nur deshalb<br />

geschlossen, weil <strong>der</strong> Offizier<br />

<strong>der</strong> ewigen Klagen seiner<br />

Soldaten über den Gestank am<br />

dort gelegenen Checkpoint leid<br />

war – unser Führer war einer<br />

von ihnen. Sie feierten das am<br />

Abend mit Musik und Tanz – die<br />

Palästinenser, denen die Lebensgrundlage<br />

weggenommen<br />

war, waren kein Thema.

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