Hinter der Mauer - Berliner Missionswerk
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Das Kairos-Palästina-Dokument<br />
Die Christen in Palästina haben im Dezember<br />
2009 ein Dokument veröffentlicht, mit dem<br />
sie auf die Lage in Palästina aufmerksam machen<br />
wollen und von dem sie hoffen, mehr<br />
Unterstützung aus den Mitgliedslän<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Ökumene aber auch innerhalb <strong>der</strong> palästinensischen<br />
Gesellschaft zu bekommen. Es heißt<br />
KAIROS – also übersetzt etwa „<strong>der</strong> richtige<br />
Augenblick“ und ist einem ähnlichen Dokument<br />
aus Südafrika zu Zeiten <strong>der</strong> Apartheid nachempfunden.<br />
Veröffentlichung des KAIROS-Dokuments<br />
Die Zeremonie fand in Bethlehem statt und<br />
ich konnte dabei sein. Ein konkreter Antrag in<br />
diesem Papier ruft zum Warenboykott gegen<br />
Israel auf. Die Autoren sind <strong>der</strong> Meinung, dass<br />
politische Aktion notwendig ist, wollen an<strong>der</strong>erseits<br />
verhin<strong>der</strong>n, dass es wie<strong>der</strong> zur Gewalt wie<br />
während <strong>der</strong> Intifada kommt.<br />
Ich habe berichtet, was die Menschen in diesem<br />
Land erleben: eingeengt in ihrer Bewegungsfreiheit,<br />
beraubt ihres Landes, behin<strong>der</strong>t<br />
in den Möglichkeiten zu bauen, zu lernen, ihren<br />
Kin<strong>der</strong>n eine Zukunft zu geben; sie haben gewaltfreie<br />
und gewalttätige Aktionen probiert,<br />
um zu ihrem Recht zu kommen – was bleibt<br />
ihnen heute zu tun übrig?<br />
Wir haben hier „gelernt“, dass für Palästinenser<br />
Steine werfen gegen Soldaten o<strong>der</strong> Militärfahrzeuge<br />
nicht als Gewalt gilt – die Soldaten<br />
seien so gut geschützt und ihre Antwort sei<br />
immer unverhältnismäßig – auch wenn uns<br />
Palästina<br />
das an die unselige Diskussion aus den 60-er<br />
Jahren über Gewalt gegen Sachen und Gewalt<br />
gegen Personen erinnert. Für uns Deutsche ist<br />
ein Warenboykott natürlich mit einem großen<br />
Problem behaftet: „Kauft nicht beim Juden“<br />
ist noch zu gut in unserem Gedächtnis. So gibt<br />
es Überlegungen, den Boykott als nächsten<br />
Schritt auf Waren aus den Siedlungen zu konzentrieren,<br />
denn durch sie wird die Okkupation<br />
<strong>der</strong> Westbank direkt unterstützt. In England hat<br />
die Regierung im Dezember eine Kennzeichnungspflicht<br />
für Waren aus den Siedlungen<br />
in den besetzten Gebieten beschlossen. Und<br />
hier im „Heiligen“ Land? Es gibt Gruppen, die<br />
den Boykott unterstützen, wie BADIL, die palästinensische<br />
Organisation, die sich um die<br />
Rechte <strong>der</strong> Flüchtlinge kümmert. Sie sagen:<br />
Ja, Boykott bis zum Erreichen von drei Zielen:<br />
Ende <strong>der</strong> Okkupation, gleiche Rechte für alle<br />
Bürger Israels – also auch die Palästinenser,<br />
Rechte <strong>der</strong> Flüchtlinge (also Rückkehr o<strong>der</strong><br />
Kompensation).<br />
An<strong>der</strong>e sind skeptisch: Waren aus den Siedlungen<br />
sind häufig billiger als aus Palästina<br />
– in Husan, erzählte man uns, verkaufen die<br />
Siedler ihre Waren zu Niedrigpreisen und<br />
verdrängen die Einheimischen vom Markt.<br />
Werden die Menschen hier einen Boykott<br />
selbst durchhalten? Auch in <strong>der</strong> israelischen<br />
Friedensbewegung ist <strong>der</strong> Boykott umstritten<br />
– einige unterstützen ihn konsequent als<br />
Weg, die internationale Öffentlichkeit mit <strong>der</strong><br />
Situation zu konfrontieren und damit Druck<br />
auf Israel auszuüben. Sie glauben, wie z. B. Jeff<br />
Halper von ICAHD, nicht an die Chance, von innen<br />
eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> israelischen Politik zu<br />
erreichen. An<strong>der</strong>e, wie Uri Avneri, lehnen ihn<br />
ab mit <strong>der</strong> Begründung, er werde die Wagenburgmentalität<br />
<strong>der</strong> Israelis weiter verstärken,<br />
die sich sowieso von <strong>der</strong> ganzen Welt verlassen<br />
sehen, und dann unvorhersehbare Reaktionen<br />
hervorrufen. Das ist also eine Frage, <strong>der</strong><br />
auch wir uns stellen werden müssen, die wir<br />
ein Interesse an Frieden in diesem geplagten<br />
Land haben.