Hinter der Mauer - Berliner Missionswerk
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lehem führte. Als <strong>der</strong> erfuhr, jetzt ginge es zur<br />
Geburtskirche, sagte er: also zur Moschee! Und<br />
war höchst erstaunt, dass es eine KIRCHE war,<br />
die zur Erinnerung an Christi Geburt gebaut<br />
wurde. An<strong>der</strong>erseits wurde er in Jerusalem an<br />
<strong>der</strong> Klagemauer sofort erkennungsdienstlich<br />
behandelt, da <strong>der</strong> Soldat beim Anblick seiner ID<br />
an eine Fälschung glaubte: Christliche Palästinenser<br />
– gibt es nicht!<br />
Seine eigene Wahrnehmung ist aber ebenso<br />
immer wie<strong>der</strong> von Unkenntnis und Ängsten bestimmt:<br />
Einmal musste er eine Gruppe in einen<br />
Kibbuz in Israel führen (im Jahr 2008!); er wollte<br />
erst nicht, aber <strong>der</strong> Zeitplan <strong>der</strong> Gruppe ließ<br />
keine an<strong>der</strong>e Lösung zu. Als er die Gruppe nach<br />
<strong>der</strong> Führung ziemlich verspannt und ängstlich<br />
wie<strong>der</strong> in Empfang nahm, fragte ihn <strong>der</strong> lokale<br />
Führer, ob er Palästinenser sei und als er mit<br />
Ja antwortete, schüttelte er ihm freundlich die<br />
Hand – seitdem sind die beiden befreundet und<br />
unser Gesprächspartner hat gelernt, dass nicht<br />
alle Kibbuzniks Fanatiker sind. Auch bei seinen<br />
palästinensischen Freunden hat er großes Erstaunen<br />
mit dieser Geschichte hervorgerufen<br />
– sie können sich das kaum vorstellen. Seitdem<br />
sagt er: Je<strong>der</strong> Palästinenser kennt doch mindestens<br />
einen freundlichen Israeli, und wir sind<br />
doch etwa gleich viele Menschen, das würde<br />
doch ein friedliches Nebeneinan<strong>der</strong> erlauben?<br />
Die Universität Bethlehem<br />
Besuch in <strong>der</strong> Bethlehem-University, das ist eine<br />
katholische Institution, die seit 1973 existiert.<br />
Sie haben 3000 Studenten, die an fünf verschiedenen<br />
Fakultäten studieren können, u. a.<br />
Erziehung, Bio-Technologie, Hotelmanagement,<br />
Sprachen und Krankenpflege, meist bis zum BA.<br />
Masterprogramme gibt es nur zwei, die sehr<br />
begehrt sind. Theologie ist auch möglich. Die<br />
Studenten sind zu 2/3 Muslime, 1/3 Christen,<br />
73 % sind Frauen. Die Lehrer umgekehrt: 2/3<br />
Christen, 1/3 Muslime. Probleme gebe es praktisch<br />
keine zwischen den Religionen – als konservative<br />
Muslime versucht haben, den Schleier<br />
für die Frauen an <strong>der</strong> B.U. durchzusetzen, sind<br />
Palästina<br />
Soldaten beobachten eine Demonstration.<br />
sie gescheitert – obwohl die Muslime ja numerisch<br />
in <strong>der</strong> Mehrzahl sind.<br />
Zusammenstöße mit dem israelischen Militär<br />
gibt es seit 2006 kaum, vorher muss es schrecklich<br />
gewesen sein. Die Studenten sind stolz auf<br />
ihre Uni, <strong>der</strong> Zusammenhalt ist beson<strong>der</strong>s seit<br />
<strong>der</strong> ersten Intifada groß, als die Israelis die Uni<br />
für drei Jahre schlossen und die Palästinenser<br />
ihren Unterricht in Privatwohnungen, Hotels,<br />
Restaurants und sonst wohin verlegt haben.<br />
Das schließt zusammen. Bildung – das höre ich<br />
immer wie<strong>der</strong>, egal ob in Bethlehem o<strong>der</strong> in<br />
Jubbet ad Dhib, also in <strong>der</strong> Stadt o<strong>der</strong> im Dorf<br />
– Bildung ist die vornehmste Aufgabe für die Erwachsenen<br />
und das Pfand für die Zukunft, das<br />
sie ihren Kin<strong>der</strong>n mitgeben wollen. Dennoch:<br />
Im jeweils letzten Semester spürt unser Begleiter,<br />
Father Jamal, wie die Depression um sich<br />
greift, weil die Studenten merken, dass sie <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit entgegen gehen. Die meisten<br />
finden keinen Job und nur die Hoffnung auf eine<br />
bessere Zukunft hält sie aufrecht. Besser haben<br />
es die Studenten aus Jerusalem (20 % in <strong>der</strong><br />
B.U.), da sie dort leichter Arbeit finden, während<br />
den Westbanklern <strong>der</strong> Weg nach Jerusalem verbaut<br />
ist.