Hinter der Mauer - Berliner Missionswerk
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13. Dezember 2009<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
Die letzte Woche haben wir in Israel verbracht.<br />
Wie an<strong>der</strong>s ist es hier als in <strong>der</strong> Westbank! Wenn<br />
man in Tel Aviv durch die Straßen geht, hat man<br />
das Gefühl in einer westeuropäischen Stadt am<br />
Meer zu sein. Bethlehem ist ganz weit weg. So<br />
scheint es auch vielen Israelis zu gehen. Wir<br />
trafen uns in Jerusalem in <strong>der</strong> Hebrew-University<br />
mit Studenten zum Gespräch. Sie sind älter als<br />
bei uns – meist so um 28 Jahre – wegen des Militärdienstes.<br />
Es wurde erst in kleinen Gruppen,<br />
später mit allen diskutiert – meine Gruppe hatte<br />
zwei Studenten „abbekommen“ – eine israelische<br />
Palästinenserin (o<strong>der</strong> sagt man palästinensische<br />
Israelin?) und einen jungen Mann, <strong>der</strong> hier<br />
geboren, mit seinen Eltern im Alter von 5 Jahren<br />
nach England gegangen ist und mit 19 Jahren<br />
zurückgekommen, um hier Hubschrauberpilot<br />
in <strong>der</strong> Armee zu werden. Nach 8 Jahren Militär<br />
ist er jetzt Student. Eine größere Diskrepanz in<br />
<strong>der</strong> Anschauung und politischen Wahrnehmung<br />
als diese beiden kann man sich gar nicht vorstellen;<br />
die Diskussion war äußerst spannend – am<br />
meisten betrifft uns, dass keiner <strong>der</strong> Studenten<br />
o<strong>der</strong> Studentinnen außer im Militärdienst je in<br />
<strong>der</strong> Westbank war und auch keiner bereit ist, uns<br />
z. B. in Bethlehem zu besuchen – es ist ihnen zu<br />
unheimlich! (abgesehen davon, dass es Israelis<br />
verboten ist, die Zone A in <strong>der</strong> Westbank zu betreten).<br />
Diese Unkenntnis erschreckt – wie sollen<br />
sie sich ein eigenes Bild machen über die Lage<br />
dort? Das Gespräch drehte sich in allen Gruppen<br />
um dieselben Themen – Siedler, eigene Vorstellungen<br />
von einer Lösung des Konflikts, Besuch in<br />
<strong>der</strong> Westbank, Holocaust …<br />
Auf <strong>der</strong> Suche nach Perspektiven<br />
Die palästinensischen Israelis sind in einer beson<strong>der</strong>en<br />
Situation; da sie nicht zur Armee gehen,<br />
können sie früher anfangen zu studieren,<br />
das bringt ihnen aber keinen Vorteil, denn bei<br />
<strong>der</strong> Jobsuche werden sie benachteiligt, schon<br />
weil sie nicht in <strong>der</strong> Armee gedient haben. Lange<br />
redeten wir über die Möglichkeit zu einer<br />
Palästina<br />
Friedenslösung zu kommen. Aktiv, so dass sie<br />
sich an einer <strong>der</strong> heute so kleinen Friedens-<br />
Organisationen beteiligen würden, sind sie alle<br />
nicht und auf eine Lösung des Konflikts hoffen<br />
zwar alle, mit denen wir reden, aber einen<br />
gangbaren Weg sehen sie nicht.<br />
Natürlich wurde auch <strong>der</strong> Holocaust thematisiert<br />
und eine junge Frau sagte zu mir: „Nach<br />
meiner Meinung ist die Verpflichtung aus dem<br />
Holocaust nicht, sich das ganze Leben zu schämen,<br />
son<strong>der</strong>n sich für die Menschenrechte einzusetzen.“<br />
Das ist sicherlich kein „Freispruch“<br />
für deutsche Schuld, aber es ist ein Weg für die<br />
junge Generation, nach vorn zu schauen und<br />
sich zu engagieren. – Mehrere wollen sich noch<br />
einmal mit uns treffen, das ist ermutigend.<br />
Ich treffe mich in Jerusalem mit Freunden. Sie<br />
sagen mir: Wer etwas für Israel tun will, muss<br />
etwas gegen die Besetzung tun! (Wie an<strong>der</strong>s<br />
klingt das als <strong>der</strong> ewige Antisemitismus-Vorwurf,<br />
mit dem alle Kritiker <strong>der</strong> Israelischen Politik<br />
ständig konfrontiert werden!) Sie sehen genau<br />
wie ich, dass unser Einsatz in <strong>der</strong> Westbank<br />
keineswegs einseitig die Palästinenser unterstützt,<br />
son<strong>der</strong>n dass er auch für Israel wichtig<br />
ist – dieser Staat kann nicht überleben, wenn es<br />
keine Verständigung gibt; und traumatisiert sind<br />
inzwischen nicht nur die Alten, son<strong>der</strong>n auch<br />
die Jungen. Was macht <strong>der</strong> Militärdienst mit<br />
diesen Menschen – wie kommen sie aus <strong>der</strong> Armee<br />
zurück? Was müssen sie an Verdrängung<br />
leisten, um später „normal“ leben zu können?<br />
Militarisierung <strong>der</strong> israelischen Gesellschaft<br />
In Haifa treffen wir uns mit Mitglie<strong>der</strong>n von<br />
„new profile“, das ist eine NGO, die versucht, die<br />
allgegenwärtige Militarisierung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
aufzubrechen – ein hohes Ziel, denn in Israel<br />
ist das Militär ein fundamentaler Bestandteil<br />
des Staates. Die meisten Ministerpräsidenten<br />
waren vorher Generäle, die Kin<strong>der</strong> bekommen<br />
bereits bei <strong>der</strong> Geburt eine Militärnummer,<br />
Wehrdienst ist unhinterfragt, die Werbung zielt<br />
auf den Militärdienst, ob für Kondome, für Seife,