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Hinter der Mauer - Berliner Missionswerk

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26<br />

13. Dezember 2009<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

Die letzte Woche haben wir in Israel verbracht.<br />

Wie an<strong>der</strong>s ist es hier als in <strong>der</strong> Westbank! Wenn<br />

man in Tel Aviv durch die Straßen geht, hat man<br />

das Gefühl in einer westeuropäischen Stadt am<br />

Meer zu sein. Bethlehem ist ganz weit weg. So<br />

scheint es auch vielen Israelis zu gehen. Wir<br />

trafen uns in Jerusalem in <strong>der</strong> Hebrew-University<br />

mit Studenten zum Gespräch. Sie sind älter als<br />

bei uns – meist so um 28 Jahre – wegen des Militärdienstes.<br />

Es wurde erst in kleinen Gruppen,<br />

später mit allen diskutiert – meine Gruppe hatte<br />

zwei Studenten „abbekommen“ – eine israelische<br />

Palästinenserin (o<strong>der</strong> sagt man palästinensische<br />

Israelin?) und einen jungen Mann, <strong>der</strong> hier<br />

geboren, mit seinen Eltern im Alter von 5 Jahren<br />

nach England gegangen ist und mit 19 Jahren<br />

zurückgekommen, um hier Hubschrauberpilot<br />

in <strong>der</strong> Armee zu werden. Nach 8 Jahren Militär<br />

ist er jetzt Student. Eine größere Diskrepanz in<br />

<strong>der</strong> Anschauung und politischen Wahrnehmung<br />

als diese beiden kann man sich gar nicht vorstellen;<br />

die Diskussion war äußerst spannend – am<br />

meisten betrifft uns, dass keiner <strong>der</strong> Studenten<br />

o<strong>der</strong> Studentinnen außer im Militärdienst je in<br />

<strong>der</strong> Westbank war und auch keiner bereit ist, uns<br />

z. B. in Bethlehem zu besuchen – es ist ihnen zu<br />

unheimlich! (abgesehen davon, dass es Israelis<br />

verboten ist, die Zone A in <strong>der</strong> Westbank zu betreten).<br />

Diese Unkenntnis erschreckt – wie sollen<br />

sie sich ein eigenes Bild machen über die Lage<br />

dort? Das Gespräch drehte sich in allen Gruppen<br />

um dieselben Themen – Siedler, eigene Vorstellungen<br />

von einer Lösung des Konflikts, Besuch in<br />

<strong>der</strong> Westbank, Holocaust …<br />

Auf <strong>der</strong> Suche nach Perspektiven<br />

Die palästinensischen Israelis sind in einer beson<strong>der</strong>en<br />

Situation; da sie nicht zur Armee gehen,<br />

können sie früher anfangen zu studieren,<br />

das bringt ihnen aber keinen Vorteil, denn bei<br />

<strong>der</strong> Jobsuche werden sie benachteiligt, schon<br />

weil sie nicht in <strong>der</strong> Armee gedient haben. Lange<br />

redeten wir über die Möglichkeit zu einer<br />

Palästina<br />

Friedenslösung zu kommen. Aktiv, so dass sie<br />

sich an einer <strong>der</strong> heute so kleinen Friedens-<br />

Organisationen beteiligen würden, sind sie alle<br />

nicht und auf eine Lösung des Konflikts hoffen<br />

zwar alle, mit denen wir reden, aber einen<br />

gangbaren Weg sehen sie nicht.<br />

Natürlich wurde auch <strong>der</strong> Holocaust thematisiert<br />

und eine junge Frau sagte zu mir: „Nach<br />

meiner Meinung ist die Verpflichtung aus dem<br />

Holocaust nicht, sich das ganze Leben zu schämen,<br />

son<strong>der</strong>n sich für die Menschenrechte einzusetzen.“<br />

Das ist sicherlich kein „Freispruch“<br />

für deutsche Schuld, aber es ist ein Weg für die<br />

junge Generation, nach vorn zu schauen und<br />

sich zu engagieren. – Mehrere wollen sich noch<br />

einmal mit uns treffen, das ist ermutigend.<br />

Ich treffe mich in Jerusalem mit Freunden. Sie<br />

sagen mir: Wer etwas für Israel tun will, muss<br />

etwas gegen die Besetzung tun! (Wie an<strong>der</strong>s<br />

klingt das als <strong>der</strong> ewige Antisemitismus-Vorwurf,<br />

mit dem alle Kritiker <strong>der</strong> Israelischen Politik<br />

ständig konfrontiert werden!) Sie sehen genau<br />

wie ich, dass unser Einsatz in <strong>der</strong> Westbank<br />

keineswegs einseitig die Palästinenser unterstützt,<br />

son<strong>der</strong>n dass er auch für Israel wichtig<br />

ist – dieser Staat kann nicht überleben, wenn es<br />

keine Verständigung gibt; und traumatisiert sind<br />

inzwischen nicht nur die Alten, son<strong>der</strong>n auch<br />

die Jungen. Was macht <strong>der</strong> Militärdienst mit<br />

diesen Menschen – wie kommen sie aus <strong>der</strong> Armee<br />

zurück? Was müssen sie an Verdrängung<br />

leisten, um später „normal“ leben zu können?<br />

Militarisierung <strong>der</strong> israelischen Gesellschaft<br />

In Haifa treffen wir uns mit Mitglie<strong>der</strong>n von<br />

„new profile“, das ist eine NGO, die versucht, die<br />

allgegenwärtige Militarisierung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

aufzubrechen – ein hohes Ziel, denn in Israel<br />

ist das Militär ein fundamentaler Bestandteil<br />

des Staates. Die meisten Ministerpräsidenten<br />

waren vorher Generäle, die Kin<strong>der</strong> bekommen<br />

bereits bei <strong>der</strong> Geburt eine Militärnummer,<br />

Wehrdienst ist unhinterfragt, die Werbung zielt<br />

auf den Militärdienst, ob für Kondome, für Seife,

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